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schaft des Feuers Herr. — In der Nähe des letzten Brandplatzes wurde vor einigen Tagen wiederum der Versuch gemacht, Feuer zu legen.
Villingen. Wie das „Villinger Volksblatt" berichtet, werden die Verhältnisse in der Uhrenindustrie von.Woche zu Woche ungünstiger. Die Arbeitslöhne sind abermals um 10—15 Proz. herabgesetzt worden, nachdem vor einigen Wochen eine fast ebenso Höhe Lohnreduktion eingetreten war. Maßlose Herabsetzung der Uhrenpreise, vie dem eigentlichen Käufer gar nichts nützt, sondern nur dem Grossisten, wird als Ursache angegeben.
Frankfurt, 26. Mai. Heute Nachm. 5 Uhr, so wird dem Journ. von einem Augenzeugen berichtet, hatte der Luftballon eben eine Fahrt beendet und die Insassen schickten sich an auszusteigen, als plötzlich ein Ruck erfolgte und der Ballon mit rasender Geschwindigkeit seitwärts in die Höhe über die Stadt flog. In der Gondel befanden sich der Assistent des Unternehmens, ein Matrose, und ein Paffagier. Der wenigen Anwesenden, welche sich während dieses Augenblickes auf dem Aufstiegplatze befanden, bemächtigte sich ein nicht geringer Schrecken und alles eilte der Stadt zu, während der Ballon in nordöstlicher Richtung in beträchtlicher Höhe über die Stadt hinflog, überall auf seinem Wege großes Erstaunen hervorrufend, daß der sonst so harmlos dreinschauende Koloß sich heimtückisch seiner Fesseln entledigt hatte. Wie man nun hört, ist die Fahrt noch glücklich von Statten gegangen ; denn bereits nach kurzer Zeit langte eine telephonische Meldung an, daß der Ballon zwischen Bergen und Preungesheim auf offenem Felde glücklich nieder- aegangen sei. Offiziell wird uns mitgeteilt, daß das Vorkommnis nicht durch einen Bruch des Seiles, sondern durch die Lösung der 'Verbindung zwischen Seil und Ballon verschuldet wurde.
München, 24. Mai. Ein Grafensohn, welcher im Kadettenkorps seine „Bildung" genießt, hat bei der Kommunion die heilige Hostie aus dem Munde genommen, dieselbe in sein Gebetbuch gelegt und bei seiner Rückkunft ins Korps im Beisein mehrerer Kadetten seiner Kompagnie am Boden zerstampft. Ein Herr hat von diesem Sakrileg dem Religionsprofessor brieflich Kenntnis gegeben, Untersuchung und expemplarische Bestrafung verlangt. Weder das eine noch das andere ist bisher erfolgt. Ob. Anz.
— Von welchem Gesichtspunkt aus die Sozial - demokratie die Arbeiterinteressen zu betrachten gewohnt ist, dazu liefert wiederum die neueste Nummer des „Vorwärts" (Nr. 115) eine lehrreiche Illustration, und zwar in zwei dicht aufeinander folgenden Artikeln von Dresden und Mainz. In dem letzterwähnten Artikel macht sich nämlich das sozialdemokratische Zentralorgan über die Anerkennung lustig, welche die „Zeitschrift für Staats- und Gemeindeverwaltung im Großherzogtum Hessen" den von den Fabrikanten Dyckerhoff und Schel zu Biebrich errichteten Arbeiterwohnungen spende, weil sie ganz wesentlich zur Zufriedenheit der Arbeiter beitrügen; ^ denn alle diese Wohlfahrtseinrichtungen seien — wie ! der „Vorwärts" versichert — nur dazu bestimmt.
dem Interesse der Arbeitgeber zu dienen; sie sollten die Arbeiterschaft in ihren Interessen spalten und sie durch Seßhaftmachung an die Scholle binden und in ein Abhängigkeitsverhältnis bringen. Natürlich, alles, was dazu angethan ist, der Verschärfung des Klassengegensatzes entgegenzuwirken und ein harmonisches Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitern herzustellen, ist den sozialdemokratischen Führern ein Gräuel; denn es hindert den Arbeiter, jederzeit — wie das sozialdemokratische Zentralorgan sich ausdrückt
— „seine Arbeitskraft einigermaßen entsprechend zu verwerten", d. h. zu streiken. — Von Dresden aber läßt dies Blatt bittere Klage führen über die C. Heinrich'sche Buchdruckerei, in welcher die Drucker die Fertigstellung derjenigen Arbeiten verweigert hätten, welche diese Druckerei für Wien aus Anlaß des dortigen Buchdruckerstreiks übernommen hatte. Es hat nämlich infolge dessen der Geschäftsführer dieser Buchdruckerei die an ihn entsendete Arbeiter-Deputation zunächst darauf aufmerksam gemacht, daß bei fortgesetzter Weigerung zu Arbeiter-Entlassungen geschritten werden müsse, zumal weitere Arbeiten momentan nicht vorhanden seien, und als diese Vorstellungen vergeblich blieben, wurden wirklich einige Rädelsführer entlassen. Ja, es wurde sogar — wie das Zentralorgan in Heller Entrüstung meldet — „einem Setzer gekündigt, welcyer 3'/- Jahre in der Heinrich'schen Offizin steht, weil er sich durch seine eifrige Agitation bei den verschiedenen Spitzen unbeliebt gemacht hatte, und es wurden im ganzen zehn Mann gemaßregelt."
— Ist es aber auch nicht haarsträubend, daß diese „Bourgeois-Fabrikanten" so anmaßend sind, sich von ihren Arbeitern nichts vorschreiben lassen zu wollen, an welchen Orten, nicht etwa im Deutschen Reiche, sondern im Ausland, sie ihre Waren absetzen dürfen!
Frkf. I.
— Am Freitag traf eine Deputation französischer Studenten in Prag ein, welche auf dem Bahnhofe von zweitausend Tschechen, die meisten mit den großslawischen Farben geschmückt, festlich empfangen und mit endlosen „Vivo In ^rano6"-Rufen bejubelt wurden. Zwei czechische Doktoren hielten Begrüßungsansprachen an die französischen Gäste, worin die Interessengemeinschaft der Czechen und Franzosen betont und gesagt wurde, die Sympathien für Frankreich seien es, welche die Czechen in den Kampfe gegen den Feind, das Germanentum, stärken. Unter dem Klange nationaler Lieder geleitete die Volksmenge die Franzosen in die Stadt, bis die Sicherheitswache die lärmenden Scharen zerstreute.
— Ueber das Eisenbahn-Unglück bei Kirchenlengern liegen folgende Einzelheiten vor: Am Freitag nachmittag 2'/- Uhr ist ein Personenzug, der zu weit vorgefahren, dem von Holland kommenven in Durchfahrtsgeschwindigkeit passierenden Extrazug des Zirkus Carre in die Flanke gefahren. Der Personenzug wurde nicht verletzt, dagegen der Extrazug schwer beschädigt. Der Zusammenstoß erfolgte, weil der dienstthuende Stationsbeamte vorschriftswidrig das Einfahrtssignal gab und der Lokomotivführer des Personenzugs zu spät bremste. Der Stationsassistent wurde sofort verhaftet und gegen den Lokomotivführer
das Strafverfahren eingeleitet. Der Packwagen und > 3 Personenwagen sind zerstört. Es gab 4 Tote und 18 Schwerverletzte, viele Personen wurden leicht verletzt. Tot sind vom Extrazug Frau Direktor Carre, Betriebsrevisor Dierking, Zugführer Speltmeier und ein Schaffner. Letztere drei befanden sich in dem Packwagen, der hinter dem Tender lief.. Aus dem Salonwagen flog Frau Carre durch das Koupefenster und blieb auf der Stelle tot. Der Revisor Dierking hing an der rechten Tenderseite; der Kopf war mit Hals aus dem Rumpf gerissen und hing innerhalb des Tenders; der Brustkorb lag offen; die Kleidung war bis auf die Hose abwärts in Fetzen verwandelt. Der Schaffner lag unter den Trümmern im Tender vergraben und von dem Zugführer konnte man nur einen Fuß sehen. Das erste Coupe des Salonwagens wurde vollständig zertrümmert und fast Alle, die mit Direktor Carre in demselben saßen, verletzt. Schwer verletzt sind die Frau Persing (komplizierte Knochenbrüche), Schulreiterin Mary Grothe, (welche erst am 20. d. M. bei der Gesellschaft eintrat, schwerer Ober- schenkelbruch, Zersplitterung des Unterschenkels, sowie des Unterkiefers). Eine Dame vom Ballet mußte mittelst Amputation des Beines aus den Trümmern befreit werden. Der Sohn Carres erlitt einen Schädelbruch. Leichter verletzt sind eine große Anzahl Mitglieder der Gesellschaft, in erster Linie Direktor Carre selbst, welcher Verletzungen am Kopfe erlitt, die in einigen Wochen wohl geheilt sein werden. Auf der Unfallstelle waren alsbald 14 Aerzte aus den Nächstliegenden Orten anwesend. Die Verwundeten wurden in den benachbarten Häusern untergebracht. Gegen 7 Uhr konnte ein Teil der Aerzte den Ort verlassen. Einige der am schwersten Verwundeten werden wohl noch ihren Verletzungen erliegen. Von Minden langte kurz nach dem Zusammenstoß eine starke Arbeiterkolonne an, die alsbald an die Aufräumungsarbeiten ging und das Geleise bis gestern abend wieder frei machte. Gegen 10 Uhr abends setzte sich der Sanitätszug, in dem sich auch die Leiche der Frau Carre befand, nach Hannover in Bewegung. An dem wertvollen Pferdematerial ist nicht der geringste Verlust zu verzeichnen.
Hannover, 25. Mai. Ueber Frau Carrss Beerdigung berichtet der Hann. Kur.: Heute vormittag 11 Uhr wurde die irdische Hülle der Frau Carre auf dem Strangrieder Friedhofe bestattet. Eine ungeheure Menschenmasse, welche von allen Seiten herangeströmt war, hatte sich vor dein Leichenhause des Friedhofs angesammelt, eine noch größere vor dem Friedhof, da ohne Berechtigungsnachweis kein Zutritt gestattet war. Der Sarg war mit einer großen Zahl prachtvoller Kränze bedeckt, welche von den zahlreichen Freunden der Carrs'schen Familie von hier, sowie aus weiter Ferne übersandt waren. Die internat. Artistengenossenschaft hatte sich durch ihren Obmann, Julius Einbeck, vertreten lassen; derselbe überreichte einen prachtvollen Lorbeerkranz. Ferner war u. A. erschienen Direktor A. Hucke aus Berlin. Zu einer aufregenden Szene gestaltete sich die Ankunft des Direktors Carrö kurz nach 11 Uhr. Beim Anblick seines bei dem Eisenbahnzusammenstoß unversehrt gebliebenen jüngsten erst 2jührigen Töchterchens< brach er fast zusammen, und seine Freunde mußten
ich auf ein Geschäft nicht eingehen kann, das nichts Anderes ist als em Almosen."
„Gestatten Sie, Herr Fürst, daß ich widerspreche. Es handelt sich hier nicht um eine Wohlthat, sondern um die Vergeltung einer Wohlthat."
„Das kommt auf dasselbe heraus."
„Ich kann das nicht einsehen, mein Fürst. Wenn die Kinder die Sünden der Väter büßen sollen, wie die Bibel sagt, warum sollen sie nicht den Segen ihrer guten Thaten ernten? Ihr Vater hat in wahrhaft verschwenderischer Weise Wohl- thaten geübt. Wenn die Hunderttausende, die er nach allen Seiten ausgcstreut hat, nun einen Weg finden, auf dem sie zu der O celle zurückkehren, aus der sie gefloffen sind, so erkenne ich darin eine Fügung der Vorsehung, der Sie sich nicht entziehen sollten."
„Lassen Sie die Vorsehung aus dem Spiele. Vor allen Dingen: Wo ist der Herr Aljanow zu finden?"
„Ich weiß es nicht."
„Wie? Er hat Ihnen seine Adresse nicht mitgeteilt?"
„Nein. Er äußerte nur einmal flüchtig im Gespräche, daß er im Hotel Demuth abgestiegen sei. Ich fuhr noch gestern Nachmittag zum Bankhause Stieglitz und man teilte mir auf meine Anfrage mit, daß die 310000 Rubel in der Thal dort deponiert sind. Dann begab ich mich zu dem Advokaten Milutin, der mir bestätigte, daß er Vollmacht habe, den Kauf abzuschließen und zwar in der Art, daß das Haus auf seinen Namen geschrieben werden solle. Ich wollte dann Herrn Aljanow aufsuchen, um ihn zu bitten, doch lieber heute mit Ihnen selbst zu sprechen, und fuhr zum Hotel Demuth. Ich war einigermaßen überrascht, zu erfahren, daß der Name Aljanow dort völlig unbekannt war, auch in der Fremdenliste des Hotels, deren letzten Jahrgang der Geschäftsführer genau durchsah, nicht verzeichnet war."
„Seltsam", murmelte der Fürst. „Wie sah dieser Herr Aljanow aus?"
„Ein großer schlanker Mann mit schwarzem, an den Spitzen schon grauem Vollbart, hellblauen Augen, einer Glatze, etwa fünfzig Jahre alt. elegant gekleidet."
Der Fürst hatte an Stephan Goluboff gedacht. Aber die Beschreibung stimmte nicht. Vielleicht ein Vertrauensmann, den er geschickt hatte. Gewiß, nur von den Goluboffs konnte dieses großmütige Anerbieten ausgehen, ihm ein Haus abzukruf en, das in seinem Besitze bleiben sollte.
„Ich weiß, wer hinter diesem Aljanow steckt", sagte er dann. „Erwarten Sie meine Weisungen, Herr Waldert. Und vor allen Dingen, ich bitte Sie, mir meinen Wagen zu bestellen."
Nadeschda.
Eine halbe Stunde später trat der Fürst in eines der schönsten Häuser in der Millionenstraße ein. Ein einfacher Kaufmann zweiter Gilde hätte vor dem Dwornik, der in reicher Livree, mit einem schweren, silberbeschiagenen Stocke in der in der Rechten, auf der Hausflur auf und ab ging, sicher den Hut gezogen; der Fürst erwiederte kaum seinen Gruß, indem er fragte:
„Ist Herr Stephan Goluboff zu Hause?"
„Verzeihen Sie, Herr," antwortete der Dwornik, „Stephan Michailitsch ist nicht zu Hause, aber Iwan Jwanitsch, der Herr, ist zu Hause."
Der Fürst zauderte einen Augenblick, als besinne er sich, ob er nicht umkehren sollte. Dannfragteer, indem er den Fuß auf die Treppe setzte: „Im ersten Stock?"
Der Dwornik sah ihn verwundert an. Wo sollte Iwan Jwanitsch, der Herr, anders wohnen, als im ersten Stocke? „Im ersten Stock!" sagte er dann.
Der Diener, der ihn dort in Empfang nahm, und dem er seine Karte übergab, geleitete ihn durch das Vorzimmer, das als Garderobe diente, und durch zwei Säle, ehe er ihn in den intimen Empfangssalon der Familie führte. Ueberall kündigte sich der Reichtum des zwanzigfachen Millionärs an. Große Oelbilder,, deren breiter und reichverzierter Rahmen allerdings mehr Wert zu repräsentieren schien, uls die Gemälde, die sicher auf Bestellung von unbedeutenden Malern ausgeführt waren; in den Ecken Gypssiguren, die von exotischen Pflanzen umgeben warm; kostbare Möbel, große Kronleuchter mit fünfzig Kerzen, schwere Damaststoffe an den Portieren und Gardinen, persische Teppiche auf dem Parquetboden, — Alles in das Dunkel des nordischen Wintertages gehüllt. Trotz alles Luxus und trotz der behaglichen Wärme, die die großen Oefen ausstrahlten, doch kalte, ungewöhnliche Räume, die ihren Glanz erst dann recht entfalten mochten, wenn sie im Kerzenlichte- strahlten und eine zahlreiche lebhafte Gesellschaft in ihnen auf und abwogte.
Fortsetzung folgt.