355
ihn stüzen, als er laut weinend, zum Sarge seiner Frau herantrat. Die Familienmitglieder und die Zirkusangehörigen brachen in heftiges Schluchzen aus, als Carrö fassungslos vor dem Sarge niederkniete, und der Kirchenchor, der sich hinter dem Sarge aufgestellt hatte, konnte mit seinem Gesänge das Wehklagen nicht übertönen. Pastor vr. Hilmer hielt auf Grund des Textes: „Wir haben hier keine bleibende Stätte," und der Worte in Kap. 13 der Epistel Pauli an die Korinther eine ergreifende Gedächtnisrede. Redner erinnerte an die Veranlassung zu dieser Trauerfeier und sühne aus, daß diese Feier im Hinblick auf die Ursache des Todes eine besonders ernste sei. Mit den Trauernden hier klagen zahlreiche Freunde in weiter Ferne um das Scheiden dieser Frau von ihrer Familie, aus ihrem Wirkungskreise. Es sei eine Gattin aus dem Leben geschieden, die eine Reihe von Jahren treu an der Seite ihres Gatten gewirkt, eine liebevolle Mutter, welche mit inniger Liebe für ihre Kinder gesorgt. Ein Herz, das warm geschlagen für ihre Angehörigen und das viel Liebe gefunden habe, habe aufgehört zu schlagen. Hier gebe es nur einen Trost, den Trost, welchen die drei Sterne: Glaube, Liebe und Hoffnung, zu bieten vermögen. Nach Schluß der Rede sang der Kirchenchor noch ein Lied, dann wurde der Sarg zur Gruft getragen, wohin die Verwandten und fast alle Teilnehmer an der Feier folgten. Direktor Carrs nahm sein jüngstes Kind auf den Arm, damit auch dieses den Gang zur Gruft der Mutter mitmache. Am Grabe hielt Pastor vr. Hilmer die Liturgie, mit welcher die Feier schloß.
— AusSchandauin der sächsischen Schweiz wird der Berl. Pr. über einen Unglücksfall, der sich dort am zweiten Pfingstfeste zugetragen, folgendes mitgeteilt: Eine Gesellschaft von jungen Leuten aus Prag hatte den Aufstieg zum Großen Winterberg vom Prebischthor bei Herrenkretschen aus genommen und wollte nun über den kleinen Winterberg zum Kuhstall. Zwei Teilnehmer der Partie, ein Brüderpaar, verließen hierbei den steil hinunterführenden Zickzackweg und wollten einen Richtweg einschlagen. Der Weg wurde mit der Zeit sehr abschüssig, sie kamen ins Laufen, plötzlich gähnt eine tiefe Schlucht vor ihren Augen. Der Aeltere rettet sich durch Niederwerfen, der Jüngere, wohl schon ohne Besinnung, stürzte den tiefen Abhang hinunter. Touristen, durch seine Hilferufe herbeigelockt, finden den jungen Mann mit zerschmettertem Kopfe und gebrochenen Beinen. Er starb nach Verlauf einer halben Stunde. Der Verunglückte war der Sohn des Regierungsrats Werner in Prag; er studierte die Forstwissenschaft.
Kattowitz, 24. Mai. Ein seltenes Wiedersehen war es, zu welchem des Geschickes Mächte einem französischen leichtverwundeten Kriegsgefangenen aus dem Jahre 1871 und einem preußischen Unteroffizier, der den Transport der Gefangenen begleitete, verhalfen. Letzterer, jetzt Gendarm mit der Paßkontrolle bei den hier einlaufenden Personenzügen aus Rußland betraut, wurde am vergangenen Freitag nachmittag von dem Kriegsgefangenen, dem der da
malige Unteroffizier die Wunde gekühlt hatte, erkannt, und Thränen der Freude liefen über die Wangen der beiden ehemaligen Krieger. Der Franzose umarmte den Gendarm und küßte denselben in freudiger Erregung. Es waren, wie dem „Oberschl. Anz." mitgeteilt wird, der Gendarm Hartwig aus Kattowitz und der jetzige Weinreisende Bouget.
London, 23. Mai. Zum drittenmal« im Laufe der Woche kam gestern von Hamburg eine große, etwa 80 Köpfe starke Schar russischer Juden in London an. Ein Beamter der jüdischen Wohl- thätigkeitsgesellschaft nahm sie in Empfang und führte die ärmsten unter ihnen nach dem jüdischen Schutzasyl, andere wurden von Freunden abgeholt. Das von ihnen mitgebrachte Gepäck war sehr unbedeutend.
New-Jork, 20. Mai. Edison vervollkommnet, wie die „Voss. Ztg." meldet, für die Weltausstellung in Chicago eine neue elektrische Erfindung, durch welche man zu Hause auf einem Vorhänge die Gestalten der Darsteller einer auf einer entfernten Bühne aufgeführten Oper sehen und zugleich die Stimmen der Sänger hören kann. Die Bewegungen und das Mienenspiel der Darsteller, sowie jede Farbe ihrer Kleiduug wird angeblich getreu wiedergegeben.
Sansibar, 23, Mai. Arabische Sklavenhändler verübten am Nordufer des Tanganjikasees fürchterliche Greuelthaten. Sie verheerten ganze Landstrecken und man findet Spuren eines harten Kampfes. Mindestens 10,000 Neger sind ihnen zum Opfer gefallen.
Vermischtes.
— Es dürfte allgemein interessieren, daß die gelbe Schlüsselblume (Uriwnla. okkioinalis), welche zu Tausenden auf unfern Wiesen und Wäldern blüht, einen wirksamen Thee gegen Gliederkrankheit giebt. Man zieht vie Blüten aus ihren Kelchen aus, trocknet sie im Schatten, nimmt zu einer Tasse eine Prise, wie man sie mit 3 Fingern fassen kann, siedet sie einige Almuten und trinkt längere Zeit hindurch 1 Tasse von diesem Thee. Pfarrer Kneipp schreibt über den Erfolg dieses Mittels: „Die heftigen Schmerzen werden sich lösen und allmählich ganz verschwinden".
— Sehr trübe Erfahrungen haben die Auswanderer machen müssen, welche von einem Agenten für eine Stahlwarenfabrik in Nordamerika mit Zusicherung glänzender Löhne angeworben wurden. Als die Arbeiter mit ihren Familienangehörigen, wohl 80 bis 100 Köpfe stark, an den Ort ihrer Bestimmung ankamen, sahen sie sich hinters Licht geführt, mit den Löhnen war es nichts, die Fabrik war noch unfertig, und die Arbeitskontrakte fanden, wenn sie überhaupt Vorlagen, keine Anerkennung bei den Gerichten. Die hereingefallenen armen Auswanderer wurdxn dadurch in bittere Not versetzt, sie mußten zum Teil ihre Habseligkeiten versetzen und verkaufen, um ihr Leben fristen zu können, und andere Beschäftigungen ergreifen; viele nähren sich als Hausknechte,
Stiefelputzer, Hand-, Feld- und Fabrikarbeiter. Die Briefe, die sie zurücksenden, sind voll bitterer Klagen.
Hungerversuche. Die Münch. „Medizinische Wochenschrift bringt in ihrer letzten Nummer einen Bericht des zweiten Assistenten am Hygienischen Institut zu München, Dr. W. Pransnitz, welcher an acht Medizinern und einem Kunstmaler Hungerversuche anstellte. Die neun Herren hungerten aus Interesse für die Wissenschaft und waren hinsichtlich ihrer Gesundheitsverhältnisse vorher untersucht und für geeignet befunden worden. Die Gesamt-Hungerzeit währte 60 Stunden. Getrunken wurde von den freiwilligen Hungerleidern nur Wasser mit wenig Wein vermischt. Im allgemeinen wurde die Hungerzeit gut ertragen; alle Herren gingen ihren Berufsgeschäften nach und nur einer wurde in der dritten Nacht so schwach, daß er ein Ei verzehren mußte. Alle verspürten übrigens am ersten Tage mehr oder minder große Mattigkeit und einer der Herren wurde nach der „Kur" sehr nervös. Die Herren sagten weiter aus, daß sie die erste Mahlzeit mehr aus Gewohnheit vermißten, daß der Hunger nicht weh that. Die vorgenommenen Messungen und Untersuchungen förderten manche interessante Erscheinungen zutage.
— Eine seltsame Erbschaftsgeschichte wird aus Hamburg gemeldet. Vor einigen Jahren starb in Schleswig der Kriegsrat Nielsen, der allgemein als ein Feind der Ehe bekannt war. Vor seinem Tode vermachte er seinem Diener und seiner Köchin je 20,000 Kronen mit der Bestimmung, daß das Erbteil des einen Teils dem andern zufallen soll, sobald der Diener oder die Köchin eine Heirat eingingen. Kaum war der Kriegsrat gestorben, so hatten die beiden Erben nichts eiligeres zu thun, als gemeinschaftlich zum Traualtar zu schreiten, das junge Ehepaar zog alsdann nach Hamburg, wo es bereits seit sechs Jahren seine Wohnung hat. Kürzlich erfuhren vie in Kopenhagen wohnenden Verwandten des Kriegsrats Nielsen, daß die Erben sich verheiratet hätten; sie forderten sofort die Rückzahlung der 40000 Kronen, da durch die Heirat die Bestimmung des Testaments verletzt worden sei. Der frühere Diener und die frühere Köchin behaupten dagegen, daß sie ihren Verpflichtungen nachgekommen seien, denn er (der Diener) habe, als er sich verheiratete, seine 20000 Kronen an die Köcyin abgetreten, und diese habe gleichfalls ihr Erbteil, der Bestimmung gemäß, dem Diener übergeben. Die Angelegenheit gelangt demnächst zur gerichtlichen Entscheidung; auf den Ausgang ist man gespannt.
Amerikanisch. Aus Chicago meldet ein Telegramm: „Ein reicher Bürger von Chicago hat dem Weltausstellungsausschusse den anscheinend ernstgemeinten Vorschlag unterbreitet, das Colosseum in Rom zu kaufen und es in einzelnen Teilen nach Chicago zur Weltausstellung zu bringen. Der Unternehmer versichert, eine Gesellschaft zu vertreten, welche über 200 Millionen Dollars verfügt nnd schätzt die Kosten der Verwirklichung seines Gedankens auf 40 Millionen Dollars."
Amtliche KkklUlntlNlichungkll.
Revier Calmbach.
Starnmßoh-Werkauf.
Am Sams- stag, den 6. Juni 11891, kommen Morgens 11'/- sUhr auf dem Rathaus in Calmbach unter anderem zum öffentlichen Aufstreich aus Distrikt V. Kälbling Abt. Steckwinkel, Mooswiese und Rollmiß:
308 Stück Langholz I. bis IV. Klasse mit 248 Festm.,
20 Stück Sägholz I. bis III. Klaffe mit 15 Fm.,
197 Stück Langholz V. Klaffe mit 30 Fm.
Vrivat-Ameigen.
Traueranzeige.
Teilnehmenden Verwandten, Freunden und Bekannten die schmerzliche Nachricht, daß unser innigst geliebtes Kind Agnes uns heute früh ft-7 Uyr unerwartet schnell durch den Tod entrissen wurde.
Um stille Teilnahme bitten
G. Wörner mit Frau.
Verloren
ging letzten Sonntag nacht auf der Landstraße von Calmbach bis Calw
eine silberne Damenuhr.
Der Finder wird gebeten, ehrlich zu se-n und dieselbe gegen Belohnung abzugeben bei der Exped. d. Bl.
Nächste Woche backt
Laugenbretzeln
August Gakenheimer.
Milch
ist zu haben bei
Moros z. Rappen.
Storr, Sacker,
verkauft
4 Pfd. weiß Brot zu 5» Pfg. 4 „ schwarz , ^ 50 ,
Kopfsalat,
Rettige und Gemüse sind wieder zu haben bei
vallrolrno.
Für die Schafschur empfehle
Schnüre
zum Wollbinden L 10 pr. Pfd.
bl. 17. Vaumsnn.
Aichhalden.
» *
Matthäus Schaible, Bauer in Oberweiler hiesiger Gemeinde, ist gesonnen, sein Gut zu verkaufen; dasselbe besteht in:
1 Wohnhaus mit angebauter Scheuer und Streuschopf,
1 neuerbauten
—---Holz- und
Wagenschopf mit gewölbtem Keller, 2°/s Mrgn. Garten beim Haus,
20 Mrgn. Acker in 3 Parzellen,
2ft« Mrgn. Wässerwiesen im Köllbach- thal,
27 Mrgn. Wald in 6 Parzellen.
Der Verkauf findet am Montag, den 1. Juni d. I., nachmittags 1 Uhr,
auf dem hiesigen Rathause statt, wozu Kaufsliebhaber freundlich;! eingeladen sind.
A. A.:
Schultheiß Keck.
SII a
02 7; s
Zum baldigen Eintritt werden einige tüchtige und ordentliche
Zacquarö-
Kcrnöweber:
auf bunte wollene Decken gesucht.
Briefe unter 8 II Nr. 100 befördert die Exped. d. Bl.
Hirsau.
vilkboUllkW LVMMII8,
bestes, fäulniswidriges Anstrichmittel für Holz, empfiehlt billigst
W. Kr afft.
Schmich
Aer Unterzeichnete verkauft 22 Mrgn. Wald auf der Ebene und 5 Mrgn. am Kirchweg-Berg am Mittwoch, den 3. Juni.
Die Waldungen können jeden Tag vom Eigentümer vorgezsigt werden.
Johannes Rcntschler.
Taglohnlisten
für Steinhauer, Steinbrecher, Waldarbeiter sind vorrätig in der Druckerei d. Bl.