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Nr. 235
Freitag den 1V. Oktober 1919
93. Jahrgang
Verkehrte Wege.
Zum ersten Male hat ein Reichskanzler der Revolution im alten Reichstagsgebäude zu dm gewählten Vertretern des Volkes gesprochen. Seine Rede wird, das müssen wir bei völliger Unparteilichkeit leider feststellen, keinen klingenden Widerhall im deutschen Volke finden. Man fröstelt beim Lesen der kalten Worte und ein leises Unbehagen überfällt einen, wenn man am Schluß neben der Armut an neuen Gedanken feststellen muß, daß auch die neue Zusammensetzung der Regierung verkehrte Wege der Politik wandelt, die nie und nimmer zu einem Aufwärts, zu einer Aufblüte unter dem Segen der Ordnung führen können. Mr vermögen nicht, darin ein kräftigendes Moment für die Gesundung unserer schwer zerrütteten Gesamtlage zu erblicken, daß die Regierung einen Volksteil gegen den andern aus- spielr. Denn nichts anderes als ein solches Spiel ist der scharfe Vorstoß gegen die Rechte, während die andere Seite der Medaille, von der doch schließlich erwiesenermaßen Gefahr im größten Umfange droht - die Erfahrungen der Revolution haben dies doch zur Genüge gelehrt — mit keinem Worte tadelnde Erwähnung fand. Ja, fast hätte man eine liebevolle Umarmung nach dieser Seite hin erwartet. Es fällt uns schwer zu glauben, daß hierin beabsichtigte Partei- taktik liegt, wenngleich Scheidemann mit Pathos ins Haus schmetterte: Der Feind steht rechts! Es liegt eine Gefahr auf der Rechten für den jetzigen Staat, das ist richtig. Die Deutschnationalen geben immer wieder offen zu, daß sie den derzeitigen Zustand für nicht dauernd mischen. Aber zugleich hört man von dieser Seite, daß sie die Frucht durch Wiedererstarkung des Nationalismus, durch ein Besinnen des Volkes, zu ernten hoffen. Wie anders klingt das Lied von links. Aber man schätzt die Gefahr die der demokratischen Republik von dort droht anscheinend plötzlich sehr gering ein, und treibt durch ein unbegründetes Trommelfeuer nach rechts einseitige Parteipolitik von der hohen Warte des Reichskanzlers aus, der, das muß man auch unter dem parlamentarischen Regime erwarten, über den Parteien stehen sollte. Des Kanzlers Aufgabe ist es, den Staat zu erhalten. Er tut dies, indem er gerade durch die Mitte geht, und den Gefahren, die von hüben und von drüben drohen gleichermaßen begegnet. Dies hat Herr Bauer in seiner Rede leider nicht getan; er- ist einseitig, sehr einseitig gewesen. Er hat als Parteimmm gesprochen der bestimmte Ziele seiner Partei verfolgt, nicht als Kanzler. Sollte diese Politik vielleicht darauf hinauslaufen, für die gegenwärtige Regierung angesichts des drohenden Sturmes der Wintermonate gut Wetter zu schaffen? Wenn dem so wäre: der Sturm bricht trotzdem los, und zwar nicht von der Seite, die so arg beschossen wurde.
Die einzige Freude, die der unbefangene Beurteiler aus der Rede ziehen kann, ist der merkliche Wunsch, zur Ordnung zu kommen, unter der allein eine Stabilisierung der Verhältnisse eintreten kann. Aber dienen dazu die Wege, die der Kanzler Angeschlagen hat? Wir können uns davon nicht überzeugen.
Ein Zug nach Arbeit, nach Konsolidierung sei im Volke wieder erkennbar. Der Herr Kanzler macht damit einem großen Teil des Volkes zu Unrecht den Vorwurf, daß ihm dieser Arbeitswille gefehlt habe. Der Arbeitswille hat doch beispielsweise beim gewerblichen Mittelstand, bei den Bauern, bei der überwiegenden Mehrheit des Beamtenstander und selbst in den Kreisen der besonnenen Arbeiterschaft, wahrhaftig nicht gefehlt. Wenn er nicht vorhanden war, so dann doch nur bei dem Teil der Arbeiterschaft, der aus rein po- IstischenMotiveii von einemStreikin den andern verfiel. Man darf da nur auf den gegenwärtig in Berlin noch immer andauernden Metallarbeiterstreik, der nach Mitteilungen von „zuständiger" Stellereinpolitische Ursachen hat,und auf den immer wieder auf- fläckernden Seemaimsstreik Hinweisen. Gewiß, es haben auch Streiks stattgefunden, die einen rein wirtschaftlichen Boden hatten, aber diese beziehen wir nicht in den Kreis der zu verurteilenden Arbeitsunlust ein, weil sie der berechtigten Notwehr gegen die gewaltige Teuerung im Kampf ums Dasein entsprangen. Auch hierin hat also Herr Bauer nicht gerecht gehandelt, und die vielen Tausende von Arbeitern, Handwerkern, Beamten und anderen, die den Soldatenrock auszogen, und unverzagt wieder an die berufliche Arbeit gingen, werden es mit Bitternis empfinden, daß ihnen Arbeitsunlust angedichtet wurde. Größer als die Gefahr von rechts ist die von links, größer schließlich als alle beide die, deren Samen die Regierung — sicherlich unge- wvllterweise streut, da sie falsche Bahnen wandelt. Das Volk, sehnt sich zurück nach einem Staate der Ordnung; weil ihn die Regierung bisher nicht bringen konnte, ist der Nationalismus auf der einen Seite im Wachsen, was zahl
reiche Wahlergebnisse der Letztzeit beweisen, auf der anderen Seite aber blüht durch die fließende Bewegung der jetzigen Zustände auch der Weizen derer, die von der Radikalisierung das Heil erboffen.
Der Eindruck bleibt bestehen, daß die Kanzlerrede der Beseitigung dieser Gefahren nicht gedient hat. — r.
Nach der Kanzlerrede in der Nationalversammlung.
Noch in derselben Sitzung der Nationalversammlung, in der Reichskanzler Bauer seine große politische Rede hielt, setzte die Aussprache der Parteien ein. Der Demokrat Pe tersen-Hamburg gab zunächst eine Begründung der Wiederteilnahme seiner Pattei an der Regierung, die hauptsächlichst vaterländischen Gründen entspringt, wandte sich scharf gegen die Rechte und fand sich damit im Einklang mit dem nachfolgenden Scheidemann, der seine Klinge aus dieselbe Seite führte und die Arbeiter vor Selbstzer- sleischung warnte. Der Deutschnationale Graf Pvsadowsky betonte, daß seine Partei sich lediglich nach der Mehrheit richte und an keine gewaltsame Aenderung denke. Nach ihm sprach der Zentrumsabgeordnete Zoos, der Wett auf die Feststellung legte, daß die Regierungskoalition eine Arbeits-, keine Gesinnungsgemeinschast sei. Die Weiterberatung wurde darauf auf den folgenden Tag verschoben.
Der Präsident eröffnet die Sitzung um 1.20 Uhr nachm.
Der Präsident gibt Kenntnis von dem Waffenanfall auf den Abgeordneten Haase und spricht die Hoffnung aus, daß keine schlimmen Folgen eintreten. Edle Körperteile sollen nicht verletzt sein. Ueber die Motive zur Tat ist nichts bekannt. Ich nehme an, im Sinne des Hauses zu handeln, wenn ich dem Abgeordneten Haase, seiner Familie und seiner Pattei unsere Teilnahme ausspreche. (Lebhafter Beifall.) Das Haus hat sich.erhoben.
Der Präsident macht weiter Mitteilung davon, daß, da Herr Haase heute nicht, wie vorgesehen, zum Haushalt sprechen könne, die Weiterberatung nach der Rede des Abg. Stresemann vorläufig ausgesetzt werden soll.
Zur zweiten Beratung des Haushalts, Artikel Reichskanzler, erhält das Wort Abg. Stresemann: England steht nach wie vor auf dem Standpunkt, Deutschland müsse wirtschaftlich zerstört werden. Frankreich dagegen hat das größte Interesse an einem regen Wirtschaftsleben Deutschlands. Die unveränderte Annahme des Betriebsrätegesetzes scheint mir nicht so sicher zu sein, wie dem Reichskanzler. Außerdem lag kein Grund vor, das kaiserliche Deutschland in seiner sozialen Gesetzgebung anzugreifen. Die Regierung muß sich auch die Arbeitslust der Führer auf wirtschaftlichem Gebiete sichern, und zwar gerade der Unternehmer des industriellen Mittelstandes. Das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter wird in unserer Zeit nicht produktionssördernd wirken, sondern zu politischen Kämpfen zwischen den Arbeiterparteien führen. Hoffentlich müssen wir den Eintritt der Demokraten in die Regierung nicht mit der unveränderten Annahme des Betriebsrätegesetzes bezahlen. Der Reichswirtschastsrat muß eigene Initiative haben ohne patteipolitische Einflüsse. Das angekündigte Heimstättengesetz begrüßen wir. Bei der allmählichen Wiedereinführung der freien Wirtschaft muß den führenden Stellen des ehrlichen Handels wieder der ihnen zustehende Einfluß eingeräumt werden. Das Aktiengesetz muß geändert werden, damit nicht noch mehr Anteile an wichtigen großen Instituten in die Hände der Feinde übergehen. Meine Freunde lehnen jeden monarchistischen Patsch entschieden ab; aber innerhalb der Verfassung für den monarchischen Gedanken zu wirken, halten wir für unser gutes Recht. Die neue Republik hat sehr wenig moralische Eroberungen gemacht und das derzeitige parlamentarische System ist kein Ideal. Der schnelle Wechsel politischer Ueberzeugungen kann nur ertragen werden. wenn das Beamtentum davon unberührt bleibt. Das rein sachliche Aufgehen in der Arbeit hat unserem alten Beamtentum seinen Ruf gebracht. (Beifall.) Was meint der Reichskanzler damit, die sogenannte Vaterlandsliebe der - Deutsch-Nationalen dürfe man nicht länger frei herumlaufen lassen? Will man den von den Sozialdemokraten einst so heftig bekämpften Belagerungszustand noch schärfer anwenden? Die Regierung sollte nicht allzu scharf betonen, daß wir die Bedingungen des Friedensoettrages restlos erfüllen müssen. Wenn sich in Rußland der Bolschewismus noch hält, so nur darum, weil die herrschenden Männer sich nicht ganz von den bolschewistischen Grundsätzen abgewandt haben. Die Rote Garde ist ganz nach dem Muster der zarischen Armee aufgebaut. In den Fabriken herrscht eiserne Disziplin, wie unter den alten Fabrikleitern. Frank
reich wird mehr und mehr auf uns hingewiesen. England hat uns niedergeschlagen; aber in Amerika ist ihm ein neuer Konkurrent erstanden. So ist alles im Flusse und wir brauchen die Hoffnung nicht aufzugeben, daß auch wir wieder, in eine bessere Lage kommen werden; aber nur, wenn wir zurückkehren zur alten Einfachheit, Ordnung und Unterordnung. (Beifall rechts.)
Reichswehrminister Noske kommt aus die baltische Frage zurück. Es ist jetzt nicht erträglich, wenn Presse oder Abgeordnete aus die Truppen so einwirken, als ob sie recht hätten, dort zu bleiben. Das Vaterland muß vor neuen Bedrückungen bewahrt bleiben. Der Aufruf der Majors Bischofs ist ein Zeichen von Unbotmäßigkeit, der alles Maß übersteigt. Es wird gegen ihn kriegsgerichtlich vorgegangen werden. Die kriegsgerichtliche Untersuchung ist eingeleitet. Ich richte im übrigen an die Presse die Mahnung, unsre Arbeit nicht zu erschweren. General o. d. Goltz ist ganz korrekt vorgegangen. Es ist gemeingefährlich, wenn nicht gar schädlich, wenn die Truppen von ihren Führern in ihrer Widersetzlichkeit bestärkt werden. Ich kann den Deutschnationalen diesen Borwurf nicht ersparen. Das Gros der Offiziere hat sich immer aus armen Leuten zusammengesetzt, die ihre Ehre dann gesehen haben, ihr Vaterland zu verteidigen. Weitergaben sie nichts zu sagen. (Lärm und Widerspruch rechts). Das bißchen militärischer Apparat, das mit unsäglicher Mühe ausgestellt wurde, wird jetzt absichtlich verwirrt. Ein Pamphlet, das die Soldaten in ihrem Widerstand bestärkt, ist von der Deutschen Tageszeitung im Aufträge des Patteivorstandes der Deutsch- Nationalen gedruckt worden. Ich habe Strafantrag gestellt. Solange wir die Geschicke der Regierung führen, wird unseren Watten, wenn es nötig, auch die Tat folgen. (Beifall bei den Mehrheitspatteien.)
Das Kapitel Reichskanzler wird bewilligt.
Es folgt die Beratung der Reichsjustizverwaltung.
Abg. Waldstein (Demokrat): Das Amt des Reichs- justizministeriums wird von der höchsten politischen Bedeutung, wenn die Beziehungen der Völker auf das Recht gegründet werden sollen. Ebenso wird in einer demokratischen Republik die richtige Stellung der Haienjustiz von größter Wichtigkeit sein.
Präsident Fehrendach bittet, da demnächst schon der neue Etat eingehen wird, bei der Beratung dieses Etats nur das Allernotwendigste vorzubringen, was sofort zur Erledigung dränge. Dies entspräche den Wünschen des Aeltesten- ausschusses.
Reichsjustizminister Schiffer: Ich bin ganz damit einverstanden, daß die Politik nicht in das Recht einaeführt wird. Es muß der Rückweg zum Rechtsstaat? gesunden werden, aus der Revolution zum Gesetzlichen. Was eine Anfrage des Abg. Waldstein angeht, so bemerke ich, daß eine Amnestie jetzt nicht beabsichtigt ist. Es wurde davon zu viel Gebrauch gemacht. (Zustimmung.) Und das ganze Wesen der Amnestie paßt nicht in den heutigen Staat. Entwürfe zur Strafprozeßordnung und zur Gerichtsverfas» sung sind in Arbeit und werden demnächst dem hohen Hause Zugehen, wie sie der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. (Bravo.) In dem äußeren Aufbau der Strafe und in dem inneren Gefühle des Rechtes muß die volkstümliche Rechtsanschaunng zum Ausdruck kommen. Ich werde auf einen sorgfältig durchgebildeten Richterstand nicht verzichten, aber ebenso soll dem Laienrichtertum fein gebührender Platz werden. (Beifall.)
Abg. Cohn (US) verlangt Abänderung der Schutz- hastbestimmunaen. Amnestie für politische Vergehen sei auch in der Republik am Platze.
Abg. Siazheimer (S): Untersuchungshaft und Strafvollzug müssen gründlich reformiert werden, ebenso nötig sei eine Zioilprozeßreform.
Reichsminister Schiffer: Es wäre zu erwägen, ob die Ausbildungsfrage der Juristen von Reichswegen zu regeln sei. Gewiß muß der reine Formalismus bekämpft werden; nicht missen aber möchte ich den rechtsgeschichtlichen Unterricht.
Der Haushalt der Reichsjustizverwaltung wird ohne weitere Debatte angenommen. Es folgt die Beratung des Haushalls des Reichsfinanzininisteriums.
Abg. Wirth (Z) bittet um baldige Neuregelung de« Besoldungswesens, damit die Einzelstaaten nicht voneinander abweichende, einander überbietende Skalen und Tarife für ihre Beamten und staatlichen Arbeiter ausstellen können.
Reichsfinanzminister Erzberger: Ein einheitlicher Plan der Finanzreform ist sehr wohl vorhanden. Das Reich muß sorgen für die Einnahmen des Reiches, der Staaten und der Gemeinden. Das Reich wird jetzt selbst Herr seiner Steuerquellen und Einnahmen. Das ist ein