Alarm-eichen an» Leipzig.
Zn Leipzig wurden Maßnahmen getroffen, die mit Putschversuchen Zusammenhängen, die der Militärbehörde bekannt geworden waren.
Bor den Neuwahlen in Krankreich.
Paris, 8. Okt. Der Ministerrat beschloß, der Kammer einen Gesetzentwurf zu unterbreiten, durch den die gesetzgebende Gewalt der Kammer am 7. Dezember zu Ende geht. Die Neuwahlen sollen stattfinden für die Kammer am 16. November, für die Munizipalräte am 23. und 30. November, für die Bürgermeister- und Senatoren-Delegierten am 7. Dezember, für die General- und Arrondissementsräte am 14. und 21. Dezember und für den Senat endlich am 11. Januar 1920. Die Wahl des Präsidenten der Republik wird nicht am 17. Januar, sondern erst am 2. Februar stattstnden.
Belagerungszustand im amerikauifchen Industriegebiet.
Ueber die Hauptstädte der amerikanischen Stahlindustrie wurde im Zusammenhang mit den Unruhen in den letzten Lagen der Belagerungszustand verhängt.
d'Anuuuzio als Antisemit.
Wien, 7. Okt. Nach einer Meldung des „Laibacher Korr.-Bur/ veröffentlicht das Fiumer Blatt „Popolo" einen Aufruf d'Annunzios an die Bewohner Kroatiens, in dem ausgeführt wird, daß sowohl die Kroaten als auch die Italiener das Opfer internationaler jüdischer Spekulanten seien, die einen Bruch zwischen beiden Völkern herbeizuführen trachteten. Der Aufruf schließt mit dem Ruf: „Hoch die italienisch-slovenische Eintracht!"
Zur Lage in Albanien.
Wien, 7. Okt. Nach einer Meldung des „Wiener Korr.-Bur." aus Spalato haben die italienischen Truppen Cattaro verlassen und sich nach Durazzo begeben, wo sie weitere Weisungen abwarten.
Kleine Nachrichten.
Berlin, 7. Okt. Der Dampfer „Orotnava" ist mit 497 Gefangenen aus Harwick) heute Morgen in Wilhelmshaven »eingetroffen. Der Dampfer „Bagdad" trifft, aus Newcastle kommend, mit 692 Unteroffizieren und Mannschaften am 8. Oktober vormittags in Bremerhaven ein. Der Dampfer „Melitta" trifft mit 805 Gefangenen, von der Insel Jersey kommend, am 8. Oktober um 7 Uhr vorm, in Cuxhaven ein.
Essen, 7. Okt. Die Berkehrslage im Ruhrrevier erfuhr in der vergangenen Woche eine allgemeine weitere Verschlechterung. Die Wagengestellung ging werktäglich auf 12200 herunter, während die Fehlziffer auf 12200 stieg. Die Kipperleistung erfuhr einen Rückgang von 15 500 auf 14000 Tonnen der Umschlag der Rheinzechen von 23 4M auf 17200 Tonnen täglich.
Danzig, 7. Okt. Heute früh hat das gesamte Dampferpersonal des Danziger und der anderen östlichen Häfen wie Königsberg und Memel wegen Lohnforderungen die Arbeit eingestellt.
Bern, 7. Okt. Wie wir zuverlässig hören, werden in der Zeit zwischen dem 15. und 21. Okt. fünf Züge zusammen etwa 2000 deutsche und österreichisch-ungarische Schwer- verwundete in ihre Heimat zuruckbesördern.
Versailles, 7. Okt. Nach einer Meldung aus Tokio, die der „Eclaire" veröffentlicht, wird der Mikado den Friedensvertrag am 17. Oktober ratifizieren
Vermischtes.
Grstzfeuer. Dem „Berliner Lokalanzeigett, zufolge wurden durch ein Kroßfeuer in Zwoschitz bei Plauen acht große Scheune» mit Erntevorräten, Maschinen und Ackergeräten eingeäschert. Der Schaden beläuft sich auf rund eine Million Mark. Es wird Brandstiftung vermutet.
— Schwerer Bankraub. In Riga drangen Räuber am helllichten Tage in das Gebäude der Nordischen Bank und beraubten die Kasse um etwa eine Million Mark. Darunter befand sich die Spende der amerikanischen Juden zu Gunsten der notleidenden jüdischen Bevölkerung Rigas. Zehn Angestellte wurden im Saferaum, etwa 20 Anwesende im Korridor eingesperrt. Man ist den Räubern auf der Spur.
— Sechsfacher Mord. Sottbus, 7. Okt. Auf Grube „Klara" bei Weltzow warf ein vor wenigen Tagen vom Militär entlassener junger Mann anscheinend aus verschmähter Liebe auf ein Mädchen, das mit vielen anderen Personen an einem Eisenbahnwagen beim Kartoffelverteilen stand, eine Handgranate. Sechs Personen, darunter der Täter, wurden getötet, 15 schwer und 6 leichter verletzt.
— Eine Nesolutionsvisitenkarte. In origineller Weise hat sich ein früherer Reichsratsabgeordneter, dem die Führung seines gräflichen Titels untersagt wurde, gegen diese Maßnahme zu helfen gewußt. Um nicht mit den Bestimmungen des Erlasses über die Führung von Adelsprädikaten in Konflikt zu kommen, hat er sich Besuchskarten mit folgendem Titel fertigen lassen: Adelbert Sternberg aus dem Hause des Grafen Sternberg, geadelt von Karl dem Großen, entadelt von Karl Renner.
Traurige Folge« des Weltkriegs. Nach einer amtlichen Statistik, die die Deutsche Allgem. Ztg. veröffentlicht, hat der Krieg 1914/18 für Deutschland einen Gesamtverlust von 5V, Millionen Menschen gefordert. Hiebei sind alle Verluste durch den Krieg, Blockade und Unterernährung einbegriffen. Im Jahre 1913 wurden in Deutschland 1839 000 Menschen geboren, 1005000 starben. 1918 starben 1630 MO, geboren wurden 945 000. Ein Geburtenüberschuß von 834000 im Jahre 1913 steht ein Sterbeüberschuß von 885 000 im Jahre 1918 gegenüber. In den Kriegsjahren sind nur 60 Prozent der Geburten des letzten Friedensjahrs erfolgt, so daß 1921 die Zahl der einzuschulenden Kinder dementsprechend kleiner wird. — Wie die Statistische Korrespondenz mitteilt, betrug 1914 die Sterblichkeit 13,91 auf tausend der mittleren Bevölkerung, 1917 aber 16,54 und 1918 23,14. Bei der Sterblichkeit der Fünf- bis Fünfzehnjährigen ist schon der Hochgang der absoluten Zahl der Gestorbenen geradezu in die Augen springend. Dieser betrug 1913 23800, 1914 25 7M, 1917 37 200, 1918 aber 50300, hatte sich also rund verdoppelt. Bei den über Sechzigjährigen ist ein Aufsteigen der Sterbez«hlen von 198000 in 1913 auf 275 000 und 264 OM in 1917 und 1918 zu verzeichnen. Die Aussichten für die Ehe sind durch den Krieg bedeutend verschlechtert. Im Alter von 20 bis 30 Jahren kommen zurzeit auf 1000 Männer 1230 Frauen. Infolge der Nachwirkungen der Blockade nehmen Tuberkulose und Unterernährung immer noch zu.
Turnlehrer zu Professoren ernannt. In Bayern, wo bekanntlich für die Turnlehrerprüfung der Besuch der Universitätsvorlesungen, also ein akademisches Studium notwendig ist, hat der Turnlehrerstand es erreicht, daß auch die aus den Kreisen der Volksschullehrer stammenden Fachturnlehrer ebenso den Titel Professor erhalten haben, wie die übrigen akademischen Lehrer an den höheren Lehranstalten.
— Landnng eines italienische» Flugzeugs in Berlin. Zum ersten Mal seit dem Kriege ist gestern wieder ein ausländisches Flugzeug in Johannisthal gelandet. Es ist ein italienischer Mollandro-Doppeldecker, in dem sich zwei
Offiziere mit besonderen Aufträgen für das italienische Konsulat in Berlin befanden.
— Herzog Albrecht im Urteil Ludendorsss.
Vor einiger Zeit ging die Nachricht durch die Presse, daß Ludendorff gesagt hat, Württemberg allein habe nur gute Divisionen im Felde gehabt. Bemerkenswert ist auch Ludendorffs Urteil über den Heerführer Herzog Albrecht in seinem Buch „Meine Kriegserinnerungen". Er schreibt: „Herzog Albrecht von Württemberg, der Befehlshaber der IV, Armee ist eine schärfere und ausgeprägtere Natur als die beiden Kronprinzen (des Deutschen Reichs und von Bayem). Ich habe nur selten die Freude gehabt, ihn zu sehen und denke an die anregende Unterhaltung mit ihm besonders gerne zurück. Er war eine Persönlichkeit"
— Der Dieb in ber Truhe. Als kürzlich in einem Därflein der Heidenhenner Alb eine Bänrin ihre Vorratskammer betrat, bemerkte sie, daß ihre Truhe offen stand Sie erschrack nicht wenig, als sie einen Mensche« darin liegen sah. 5ie hatte aber noch die Geistesgegenwart, den Deckel der Truhe rasch zufallen zu lassen, so daß der ungebetene Gast eingeschlossen war. Einige handfeste Männer der Nachbarschaft befreiten ihn aus seiner Gefangenschaft und verabreichten ihm zum Abschied einen gehörigen Denk- Zettel. Der freche Eindringling hatte kurz zuvor in einem nahen Dorfe einen Gelddiebstahl ausgeführt und sich hierauf im Wirtshaus bei einer Flasche wein wohl sein lassen.
— Alkohol und Leberschrumpfung. Nach einen: Bericht von Lord d'Abernon, dem Vorsitzenden des engl, staatlichen Mberaufstchtsamtes für den Alkoholhandel, vom Frühjahr d. Z. zeigen die Zahlenaufstellungen von bemer- kenswerten guten Wirkungen der Alkoholbeschränkunge» während des Krieges u. a. auch einen erheblichen Rückgang der Todesfälle infolge von Leberzirrhose (-schrumpfung). Unter den Männern war 1913 diese Krankheit die festze- stellte Todesursache bei 22s5, 1917 bei 1475, somit Rück- gang um 53 v. H., unter den Frauen 1913 bei 1665, 1917 bei 808, somit Rückgang um 5s v. H. Zahl der Fälle in den Zähren 1913 — 17: bei den Männern 2215, 2226, 2107, 1823, 1475, bei den Frauen i665, 1773, 1525, 1163, 808. Die betreffenden Maßnahmen wurden 1915 eingeführt und in kurzer Zeit sozusagen aufs ganze Land ausgedehnt. Daß der Rückgang nicht etwa bloß der umfangreichen Einziehung der Männer zum Heere zuzuschreiben war, zeigt die gleichzeitige starke Verminderung bei den Frauen.
Aus Stadt und Bezirk.
Nagold, den 9. Oktober 1919.
* Die Auszahlung der Militürverforgungs- gebührniffe. Künftig sollen die Militäroersorgungsge- bührnisse auf Wunsch den Empfängern innerhalb zehn Tagen vom Zahltag ab von den Bestellern auf den gewöhnlichen Bestellgängen kostenfrei ins Haus gebracht werden. Der Antrag ist schriftlich auf einem besonderen Vordruck, der bei den Postanstalten erhältlich ist und auch die Bedingungen enthält, unter denen oie Zustellung erfolgen wird, an die Auszahlungspostanstalt zu richten. Nähere Auskunft erteilen die Postanstalten.
* Die Befchassungszulage. Die Vorlage über die einmalige Beschaffungszulage an die Beamten und Staats arbeiter ist vorgestern Abend an den Landtag gegangen.
* Verkehr mit Wein. Im Staatsanzeiger Nr. 230 sind umfangreiche Vorschriften des Ernährungsministeriums über den Verkehr mit Wein veröffentlicht. Als Höchstpreise für einen Eimer Wein sind festgesetzt im Oberamt Her- renberg für Breitenholz 1050 Gültstein 900
enge Gatten.
Original-Roman von Käte Lubowski.
411 (Nachdruck verboten.)
Seine Augen wurden starr. Ein gieriges Flämmchen züngelte drinnen auf. Das Gesicht wurde wieder zusehends fahler und blasser. Helea Holtmann meinte voller Entsetzen den Mann, dem sie sich gegeben, dort, wo er saß, zu erblicken. So groß war in diesem Augenblick die Ähnlichkeit zwischen den beiden Stiefbrüdern. — Es war nichts mehr von dem starken, trotzigen Bauern übrig geblieben.
Schwerfällig erhob er sich. — Als ob Marte Wörm- ling überhaupt nicht da fei, so schritt er der Tür entgegen. — Noch einmal wimmerte die Stimme, als ob es um Leben und Seligkeit gehe: — „Herr!"
Da waren sie aber schon hinaus und Helea Holtmann stand neben Marte Wörmling und stützte sie . . .
— — Das Abendessen war noch unberührt bei der
alten Frau Pirl auf dem Tisch. Die Stimmung zwischen Mutter und Sohn war die denkbar schlechteste . . .
Anna Lenert ging unruhig aus und ein. Seit dieser neuen Verlobung war sie seltsamer, denn je. Es gab Augenblicke, in denen sie mit völlig leeren Augen vor sich ' hinstarrte, überhmipt nicht hörte, wenn jemand ihren Namen ries und zuweilen stumpf bejahte, wo eine Verneinung am , Platze gewesen wäre.
Vielleicht wußte niemand davon als Helea Holtmann, die auch an diesem Abend, als sie mit dem ihr übergebenen Schlüssel sich selbst die Tür öffnete, vor dem Anblick - den sie schon mehrmals in jeder Nacht gehabt, erschrak. Anna Lenert stand wie eine Statue vor ihr und sah an ihr vorbei, als nehme sie nichts wahr, wie zuvor den leeren, Halbdunkeln Raum des Korridors.
Helea Holtmann legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. Sie zuckte zusammen, bekam ein wenig Farbe und bewegte ein paarmal lautlos die Lippen. Es war Leutlos sichtbar, wie sie sich langsam wieder auf alles besann. Helea Holtmann wies nach der Tür:
„Sind Sie drinnen, Anna?"
„Sie warten doch schon seit Stunden auf dich . . . Wo sollten sie anders sein . .
Helea Holtmann stand mit hängenden Schultern und fliegendem Atem.
Sie trug noch den alten, fahlen Mantel um die Schultern und in der Hand Johannes Steinhorsts Abschiedsgabe.
„Ich will es ihnen sagen, daß du endlich da bist", erbot sich Anna Lenert diensteifrig.
„Nein, laß nur ... ich gehe schon allein."
Sie wollte es tun! Sagen, daß sie sich verirrt habe und darum so spät komme. — Über all das andere freilich konnte sie unmöglich sprechen, das wollte sie ihnen schreiben. Morgen früh, wenn sie fort war, würde Anna Lenert den Brief finden und abgeben . . . Sie wußte ja selbst nicht, was sie tun sollte.
Nur fort von hier . . .
Der Ring brannte und schmerzte sie auf der Linken. Sie hätte ihn am liebsten weit von sich geschleudert. Es war kein Mangel an Mut, daß sie ihn behielt. Sie durfte nicht anders handeln . . .
Da kreiste plötzlich in Not, Widerwillen und Zukunstsangst ein erlösender Gedanke durch ihr Hirn.
„Nur eins gebe ihr die Erlaubnis dazu . . . wenn er ivie ein Stiefbruder sei, der sich auch kaufen ließ."
Und sie mußte ihn doch wieder fortschieben und ohne Erlösung bleiben ...
Georg Virl ahnte ja überhaupt nicht, daß sie etwas besaß ... Es mutzte doch also Liebe sein, die ihn zu ihr gebracht...
Ein Gefühl, das ihn bezwungen. Vielleicht das einzige, das ihm jemals verliehen wurde.
Um dieses Gefühles halber durste sie den Ring nicht ablegen!
Sie mußte Geduld mit ihm haben — zur Nebensache werden. Es war genug, wenn sie ihm half. Und helfen würde sie ihm, denn durch diese Liebe mußte ihm beizukommen fein. Vor der Tür, hinter der Mutter und Sohn auf sie warteten, taumelte sie ein wenig. Ein Schwindel
gefühl riß sie zurück. Sie konnte nun doch nicht hinein. Alle Vorsätze würden zerspringen. Die Wnnden waren zu frisch. Das würde er auch begreifen, nachdem er morgen ihre Zeilen gelesen . . .
Sie sah sich scheu um . . .
Anna Lenert stand immer noch wie ein Schatten hinter ihr.
„Ich kann doch nickt, Anna . . . Nimm's mir ab. — Sag' ihnen, daß ich todmatt von einem falschen Weg wäre..."
-Im Hause war alles still. Uber den nahen
Markt ratterten bereits die ersten Wagen und brachten allerhand Grünkram und Lebensmittel aus den nächsten, Dörfern. Helea Holtmann vernahm deutlich, wie die Räder über das unebene Pflaster holperten.
Der Nachtwächter tutete schallend. Es war zwei Uhr morgens. Die Bauern sicherten sich auf dem Wochenmarkt gern die besten Plätze . . . Geschlafen hatte Helea Holtmann noch nicht. Nur die nassen Kleider abgestreift und ein warmes, loses Gewand übergeworfen. So saßt sie da und hielt die Feder krampfhast fest, um endlich) diesen Brief zu schreiben ... Zn viel stürmte auf sie ein. Sie wußte nicht, womit sie beginnen sollte. Die Wellen, die um sie herschlugen, erstickten sie. Da dachte sie an Johannes Steinhorst und an das, was er ihr mitgegeben hatte. Sie nahm das Päckchen zur Hand und begann z«s lesen, um sich Ruhe zu gewinnen. Und je länger sie las,! desto weiter schob sich alle Unklarheit von ihr fort. Hatte« sie zuerst mechanisch danach gegriffen, nur um die hämmernden Gedanken zu töten und neue zu erzeugen so konnte sie jetzt nickt wieder davon loskommen. Die schlichte Erzählung, wie ein elternloser, verprügelter Junge aus eurem stillen Walddors draußen im Leben, fernab von seiner Einsamkeit, der Lüge begegnet sich zuerst schüttelt — sie dann endlich selbst erlernt nicht wieder von ihr los kann und schließlich sinkt tief ... tief ... bis zum letzten entsetzlichen Dunkel bei Wasser und Brot auf der harten Pritsche . . .
(Fortsetzung folgt.)