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83. Jahrgang.

«»zrigen-VedÄtz, fär dir einspalt. Zell« «»-- zc-vöhnl. Schrift odsc >rreri Rau« -et et»»-- TinrückAng 20 Pfg- bei mehrmalig« .'»ttvrecheub Nai-«cU

Feruiprsch« Lv, Postscheckkontl LN8 «trrttgSQ.

Montag, de« 2. Juni

MS.

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Die deutschen Gegenoorfchläge.

Am yimmettatzttstage sind die deutschen Segsnogr- schlüge in Versailles überreicht worden. Die als Gklettwort Ihne» dekrezebkne Man:el?iote liegt uns berellv vor. Sie Deakjchlist sridft ist noch nicht bekannt gegeben worden uns wkd es erst, wrnn sie in den Händen des Biererrat» ist. Sie ist bedeutend kürzer als der Fliedeneenlwurf, der 400 Seiten umfaßt. Sie kann also nicht aus alle Tmzrl- heben der feindlichen Vorschläge eingrhen. Das will sie auch nicht. Sie will einzig und allein das grumte Fite- denswerk auf eins neue Grundlage stellen. Die deutschen Gegenvorschläge machen den Feinden di« größten Zuge- stäsdmssc, ja. sie gehen sogar ost bis über die Grenze hinaus, sovaß Deutschland sich selber eine Herkules- ausgabe stellt, um di« Bedingungen, die es sich selber aufeUegt. erfüllen zu können. Das ist vor allem bei der finanziellen Frage der Fall, dis Deutschland nur iösen kaun, wenn es wirtschaftlich nicht so »uinirrl wird, wie es uasers Gsxnee beabsichtigen, und wenn e» iw allgemeinen t-rritoriai nicht so beschränkt wird, saß es keinen Vergleich mit dem Deutschland von 1914 aushält. Dis Grgenvor- schiügr sind vor allem bestrebt, gegknüver den rem mecha- »ischrn Sicherungen, wie sie der feindliche Entwurf in seiner Härte und Rücksichtslosigkeit Vorsicht, organische Sicherungen zu bieten. Der Gebar Ke des Rechts wird an Steüe der Gedankens der Gewalt- gesetzt In kurzen Strichen lassen sich die deutschen Gegenvorschläge folgender­maßen charakterisieren: Der demoki arische Grift, den Wil­son und auch die Entente vor allem von Deutschland se> rangt harten, wenn überhaupt an einen Frieden gedacht werden sollie, herrscht gerade in den deutschen Gsgenvor- schlügen, während in dem Entwurf des Frirdensverlragks ein rein militaristischer und imperialistischer herrscht. Ad« dieser demokratische Grift will und kann es auch nicht dulde«, daß fremde Mächte in das Souperänilälsrecht Deutschlands ring reifen, wie es der Entwurf de« Friedens- vertrage bezweck!, in drm er die deutschen Flüsse und das deutsch« Verkehrswesen unter fremde Herrschaft stellen und bestimmte Grbiets DeutschÄnds auf viele Jahre hinaus drsetzi halten will. Nach drm Frtkdensorrtiogsentwurs würde die .Kommission des reprrat-ons* der eigentliche Souserain Deutschlands sein.

Dis Grundgedanken der deutschen Gegenvorschläge werden kmz durch folgende Stichwmte charakterisiert r Frieden aus Grund drr Wilson-Punkte und Lanfing-Noie.

Bereitschastserklärung auf Zahlung von 100 Milliarden Toldmark an die Entente, davon 20 Milliarden bis 1926.

Keine Abtretung Lbrrschlesiens, Ost- und Westpreußens uns Memel«. Danzig soll Freihafen werden. Inter«

Nationalisierung der Weichsel. Keine Kontrolle auf deutschem Gebiete. Mit Beschränkung des Heere« auf 100 000 Mann im Prinzip einverstanden. Herausgabe der Linienschiffe gegen genügende Zurückgabe oon Handels­schiffen. Rückgabe der deutschen Kolonien. Ableh­nung der Strafbestimmungen. Bei sofortige? Ausnahme in den Völkerbund, Verwaltung nach dessen Grundsätzen. Schaffung eines neutralen Gerichtshöfe . Ergänzung derKommission de? reperalions" durch «ine deutsche Kommission. Kein Wirtschaftskrieg nach dem Kriege. Gleichberechtigung in der Wkllwtrtschvst.

Wer objeküo diese Gegenvorschläge prüft, der muß sie nur recht und billig finden; recht und billig nicht nur gegen Deutschland, sondern auch gegen die Entente, der ja vor allem daran liegen muß, aus ihre Kosten zu kommen, und da» kann sie nur. wenn Deutschland die sichere Möglichkeit bietet, allen Schaden wieder gut zu machen.

Deutschland hat am 11. November 1S!8 nur auf Grund des Wilson.Programms den Waffenstillstand mit dm Alliierten abgeschlossen. Nach Wllsons eigener Versicherung sollte die Annahme der LMertm Waffenstillstands beding- ungen der beste Beweis für die Frieders; hflichkeit Deutsch­lands fein. Diesen Beweis aber hat Deutschland trotz aller Hindernisse, die sich ihm entgegen stellten, und trotz aller Lasten, die schier unerträglich waren, erfüllt. Es hat also darin ein vertragsmäßige» Anrecht m s einen Frieden km Mlsonschen Sinns vom 18. Januar 1918 «worben, näm­lich aus einen Frieden des Rechts, der nichts mit dem Dlkiatsrirden des Entwurfs zu tun hat. Die Alliierten find ebenfalls, und zwar nicht bloß moralisch, sondern völkerrechtlich gezwungen, nur einen Frieden zu schließen, der auf der Grundlage der Miss; schsn Kongreßreds nuf- grbaur ist. Denn sie haben mehr als einmal erklärt, daß die 14 Punkte des W-isou Programms für sie Krim Frir- drmschluß die bestimmenden Richtlinien srm sollen. Ja, Wilson hat sogar ausdrücklich erklär, daß der Frieden nur auf dem Weg der Behandlungen zustande kommen würde. Der Entwurf des Friedens aber weist als Diktal- frieden von oonherein jedwede Verhandlung zurück. Unsere Gegner werden nun allerdings mit der ihnen eigenen Ra- bulistid erklären, daß das Wilson-P ogramm und seine Anerkennung von ihrer Seite nur Geltung haben konnte zu einer Zeit, wo Deutschland in seinem siegreichen Wider­stand noch Gelegenheit gegeben gewesen wäre, einen raschen Frieden zu schließen. Würden sie aber eins solche Erklä­rung abgeben, dann würden sie sich für alle Zriten des niederträchtigsten Wortbruches schuldig machen. Sie werden vielleicht auch als weiteren Grund «»geben, daß man Deutschland nicht trauen dürfe, daß alle seine Zugeständ­nisse nichts anderes seien als eine Kriegslist, daß immer

noch der alte militaristische Geist km Verborgenen weiter herrsche urd nur auf den Augenblick warte, wo er wieder heroorbrrchen und -eues Unheil Hervorrufen könne. D es« unerheblichen Ausrede aber ist entgegenzuhalten, daß Deulsch- land in feinen Gegenvorschlägen freiwillig erklärt, fei» Landheer auf nur 100000 Mann hrrabzusetzsn und die Kriegsflotte überhaupt ganz preiszugeben. Solche Vor­schläge macht kein Staat, der sich auf Revanche vorbereitet. Wenn es überhaupt noch eine» Beweises für Deutschland» Friedfertigkeit bedürfte, so würde dies wohl der allerbeste sein. Und daß Deutschland es ehrlich mit dem Wiedergul- machen einer Schuld meint, die ihm eine oon chm selbst gestürzle Regierung cufzebürdet har, geht aus dem Aner­bieten hervor, als Enrschiidigungssumme 100 Milliarden in Goldmark zu zahlen, oon denen die erste 20 Milliarden- Rate bsrrils im Jahre 1926 beglichen werden soll. Da» »st rin Zugeständnis, wie es die Weltgeschichte bisher noch nicht gekannt Hst. Des ist eine Verpflichtung, die beinahe bedenkliches Kopsschülstln erregen muß, denn es scheint unmöglich, Laß ein Staat, der in eine so katastrophal« Armut gerat--: ist, diese Riesensummr überhaupt bis zur festgesetzten Zeit ausbringsn kan». Und wenn e- wirklich geschehen kann, dann nur, wenn man Deutschland nicht durch wirtschaftliche Erdrosselung jedwede Arbeit»- und Er- werbsmöglichkkii.imml.

Deu schlsnd hat während der Zeit seiner Neugestaltung bewiesen, daß es von wirklich demokratischem Geist beseelt ist, den uns unsere Frindr ja einst mir Gewalt aufzwingen wollten. Aber hätten sie Geist oon ihrem Geiste uns ge- geben, dann würden wir immer noch Lar alte militaristische mrd imprriaiist.sche Volk sek», während der Geist, der uns auf eigenen Antrieb beseelt, ein echt demokratischer ist. der Deutschland vor allen anderen Nationen für würdig erklärt, in den Völkrrdund mit einzull eleu. d. h. in den Wilson- schm von 1918, nicht aber tn den Lee Pariser Konferenz, der weiter nicht« ist, als eine Allianz der Macht, als ein Bund einzelner Herren stasleu, als eine gwße Weiipolizri.

Wrnn Deutschland» Gegenvorschläge oon dem Bterer- rat mit kühler Nichtachtung zurückgewiesen wrrüen sollten, dann würde rs alstrdstgs vernichtet werden, aber seine Vernichtung würde auch zugleich seine Rache dafür sein. Denn ein vollkommen zertretenes Deutschland würde eine wirtschaftliche AeUkatast-oph: Hervorrufen, deren Folgen nicht abzusehen sein würden. Da» wissen die Neutralen sehr , genau und "s erheben deshalb jetzt laut ihre warnen­den Stimmen. Das wissen aber such die Amerikaner ad« haben es wenigstens, als sie noch nicht vom deutschen Haß beseelt waren, gewußt. Wenigstens hat der typischste Re- prSsenlant des Amerika»,erlumx, Rooseorlt, kurz vor dem Krieg Len Satz ausgesprochen, der heute allen Amerikanern

NnnQ Wedekind.

Roman von Dr. Bruno Wagner.

881 (Nachdruck oerbaten.)

Wieder vergingen Jahre. Der Oberstleutnant hatte den Abschied genommen. Aus dem kleinen Mädchen mar e ne junge Dame geworden, die in Berlin, wohin der Onkel gezogen war. die Mnsikakademie besuchte. Sie sollte Gesangslehrern! werden, hatte der Onkel geschrieben; aber erst mutzte sie selbst noch viel lernen.

Graf Marwingk war schon seit mehreren Jahren Leutnant, als Ella von Santen ihm einen Brief schrieb in ihres Vaters Aufträge. Onkel Gerhard bat den Sohn feines Freundes, ihn zu besuchen, es werde wohl das letztemal feni. da die Herzbeklemmungen, die sich als Be­gleiterscheinungen des Rheumatismus eingestellt hatten, immer beängstigender geworden seien. Er war zu einem Sterbenden gekommen, der dem einzigen vertrauten Freunde nähere Verwandte lebten - nicht die Sorge um sein ° Kind ans Herz legen wollte.

Ein Vierteljahr hatte Onkel Gerhard noch gelebt dann hatten Ella von Sauren und Graf Marwingk als einzige nähere Leidtragende an seinem Grabe aus dem , Mattbäuskirchhof.: gestauden.

Die nächsten Tage hatte Marwingk der Ordnung der l Hinterlassenschaft gewidmet; ein kleines Kapital war der »Tochter verblieben, die unter der Obhut einer entfernten Verwandten in der bisherigen Wohnung bleiben und ihre Musikstudien fortseben wollte.

Wieder waren zwei Jahre oorübergerauscht da überraschte Ella von Santen den Oberleutnant, der ihr Be­rater sein sollte, mit der Mitteilung, datz sie zur Bühne sehe. Er war sofort nach Berlin gereist, um ihr das aus- zureden. Aber sie hatte ihn ausgelacht. In wenigen Monaten wurde sie mündig. Dann hatte er ihr so wie so nichts mehr zu sagen, und so fügte er sich.

Erst hatte sie ihm nichts Vorsingen wollen, aber als er ausbrechcn wollte, da hatte sie sich dock an den Flügel L ltno plochlich hatte er nne in einer» Rausche ge­

standen, als sie mit einer Stimme, die ihn in den Tiefen seiner Seele erschauern ließ in ahnungsvollem Beben, das herrliche Beethovensche Lied gesungen:

Ich liebe dich, so wie du mich . . /

Als der letzte Ton verklungen war, war sie aufge­sprungen und ohne Gruß hinausgeeilt. Er aber war wie ein Traumwandler gegangen.

Zwei Tage später erhielt er in Hannover ein kleines Postpaket. Als er es öffnete, hatte ihm das Emaille­bildnis entgegengeleuchtet, das ihten ganzen Liebreiz getreu wiedergab.

Zu der Aufführung desFigaro"' in Halle, in der sie zuerst auftreten sollte, war er nicht gereist.

Hatte er Ella oon Santen geliebt? Er konnte sich heute ein ehrliches Nein zur Antwort geben. Geliebt hatte er sie nicht, nicht einen Augenblick. Denn zur Liebe gehört mehr als ein flüchtiger Rausch der Sinne mehr als das Wohlgefallen des Auges, als das Entzücken über die lachende Anmut. Sein Frauenideal war reiner, keusch und groß im Denken und Empfinden.

Er durfte sich ohne Reue sagen, datz er der Tochter des väterlichen Freundes nie etwas anderes hatte sein wollen als der wachsame Freund, der treue Berater. Wenn nur sie nicht.

Graf Marwingk stand der Tag noch vor der Seele, da Ella von Santen unangemeldet und unerwartet in seine Junggesellenwohnung getreten war, wie sie sich an seinem Erschrecken geweidet hatte, und »oie sie dann dem Staunenden, über die kecke Sicherheit ihres Auf­tretens schier Verblüfften erklärt hatte, datz sie von der kommenden Saison ab für die königliche Oper in Hannover engagiert sei und nun h«ffe, datz er ihr nicht wieder aus dem Wege gehen werde wie damals in Halle. Nein, er hatte ihr nicht aus dem Wege gehen können. Sie hatte sich so schnell einen Platz im Herzen der musikliebenden Bevölkerung der Residenzstadt erobert,

Und der königlichen Sängerin, der Tochter des adeligen Offiziers, öffneten sich willig die Pforten selbst der exklu­sivsten Salons. In deu ersten Kreisen der vornehmen Gesellschaft begegnete Graf Marwingk ihr. Auf dem

Reumflatze fehlte sie nie, wenn er in deu Sattel stieg, und bald begann sich ein Kranz von ^>agen um den Grafen und die reizende Künstlerin zu weben.

Neben das Bild des lcicht beweglichen Weibes, das mit aller Glut einer unbändigen Seele dem Marine seine Liebe aufdrängte, die er nickt begehrte, stellte sich vor seinem Geiste eine andere Gestalt. Ein schlankes blondes Mädchen mit seltsamen Augen, die träumend ausschauen konnten wie der Helle Spiegel des Sees im Mondlichte, unr dann plötzlich, wenn die Saiten ihrer Seele in Schwingungen gerieten, in wundervollem Glanze aufzu­leuchten. Er sah sie noch vor sich, wie sie neben dem Klavier gestanden und gesungen hatte an jenen, ersten 3age ihrer Bekanntschaft. Da war es ihm gewesen, als eröffne sich ihm eine unbekannte Welt so rein und groß, so schön und unentmeiht.

Anna Wedekind, das Pastorstöckterchen, und Ella oon Santen welch ein Gegensatz! Schon die Art ihres Gesanges wie himmelweit verschieden voneinander. Bei Ella von Sagten alles sprudelndes Leben, Grazie mit Leidenschaft verbunden, wie Perlen auf eine Schnur gereihte Kotoraturen, anmutige Kunst, der aber die tiefsten Liefen der Seele verschlossen blieben. Und bei Anna Wedekind fehlte ja noch so viel an äußerer Schule, wenn- auch der natürliche Glanz der Stimme das Höchste er­warten ließ. Aber dafür saug aus ihr eine köstliche Menscheuseele, und ein Hauch der Ewigkeit wehte durch ihren Gesang.

24. Kapitel.

Es war ein strahlend schöner Augusttag, Anna Lede- kind trat aus Frau Viartzis Haus ins Freie mit der Ab­sicht, den Rückweg nicht auf dem nächsten Wege durch die Stadt zu nehmen, sondern durch die schönen Promenaden, die «n saftig grünen Wiesenflächen mit der Aussicht auf die blaue Kette der Berge so anmutig am Rande des Häusermeeres entlang führen. Sie hatte sich mit Klara, die noch einige Besuche bei bekannten Familien machte, etwas später als sonst zur gemeinsamen Heimfahrt ver­abredet.

(Fortsetzung folgt.)