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Tages Neuigkeiten.
* Calw, 9. März. Die Feier des Allerhöchsten Geburtsfestes S. M. des Königs nahm bei uns den üblichen Verlauf. Die Staats- und mehrere Privatgebäude hatten durch Beflaggung ein Festge- wayd angelegt, Böllerschüsse und Tagwache leiteten das Fest ein. Der Festgottesdienst, zu welchem sich die HH. Beamten und Reserveoffiziere in einem Zug vom Rathaus aus eingefunden hatten, wurde von Hrn. Dekan Braun abgehalten, welcher über den von Sr. Majestät selbst gewählten Text eine von patriotischem Geist durchwehte, zu Herzen gehende Predigt hielt. Am Mittag war die Fortsetzung der Feier mit frugalem Mahl im Waldhorn-Hotel, woselbst Hr. Oberamtmann Supper den Toast aus Sq. Majestät ausbrachte. — Der Veteranen-Verein und der Militärverein feierten das Geburtsfest S. Majestät gemeinschaftlich im Gasthaus z. Linde durch Bankett, wozu sich die Mitglieder beider Vereine sehr zahlreich eingefunden hatten. Der Toast des Vorstands des Veteranen-Vereins, Bäcker Seeger, auf unfern geliebten Landesherrn wurde mit donnerndem Beifall ausgenommen. Hierauf brachte der Vorstand des Militärvereins, Metzgermeister Essig ein Hoch auf I. Majestät die Königin, unsere stets und überall hilfsbereite Landesmutter aus. Weitere Toaste auf Se. Maj. den Kaiser, auf die Frauen, die Jugend und auf gutes Einvernehmen der beiden festfeiernden Vereine folgten. Hr. Musikdirektor Speidel mit seiner Kapelle und allgemeiner Gesang hoben die Stimmung und ein Hurrah aufs deutsche Vaterland, ! nicht zu mindesten aber auch der vorzügliche Stoff, machten die Feier zu einer gelungenen.
— Am letzten Freitag wurde seitens der Stadt die an der unteren Brücke gelegene Scheuer von Hrn. Rotgerbereibesitzer Schnaufer um 5000 käuflich erworben. Das Gebäude soll nun zur Erweiterung der Passage abgebrochen werden.
Stuttgart, 6. März. Seine König!. Hoh. der Prinz Wilhelm empfing kürzlich den Oberst v. Treskow, Kommandeur des 3. Württembergischen Infanterie-Regiments Nr. 121, welcher die anläßlich des 175jährigen Jubiläums dieses Regiments verfaßte Regimentsgeschichte überreichte.
Gestern mittag traf S. D. der Prinz Friedrich zu Schaumburg-Lippe von Tübingen im Wilhelmspalast zum Besuch ein. Nachmittags fand dort- selbst wiederum Empfang einer Anzahl von Personen statt. Abends begaben sich J.J. K.K. H.H. Prinz und Prinzessin Wilhelm mit der Prinzessin Pauline in das K. Residenzschloß, um Seiner Majestät dem König die Glückwünsche zum Allerhöchsten Geburtsfeste darzubringen, und folgten alsdann einer Einladung der K. Majestäten zur Familientafel. !
Stuttgart, 0. März. Gestern wurden vier i Personen festgenommen, ein junges Ehepaar, die ! Mutter der Frau und eine ledige Freundin der Frau- '
Dieselben haben seit letztem Spätjahr viele Diebstähle verübt. Weißzeug, welches zum Trocknen aufgehängt war, einige Kinderwagen, Zucker, Kaffee, Mehl, Most, wenigstens 20 gefüllte Bierfäßchen, eine Kiste mit Champagner, eine solche mit Käse und mit Tischbestecken und viele andere Gegenstände, deren Eigentümer noch nicht ermittelt sind, wurden bei der Hausdurchsuchung vorgefunden.
Untertürkheim, 5. März. Nach zuverlässigen Mitteilungen zeigen sich in den hofkammerlichen Weinbergen die nachteiligen Wirkungen des Winterfrostes am stärksten beim Portugieser; weniger Schaden habe der Trollinger genommen und am günstigsten sei der Riesling durch den Winter gekommen. Beim Portugieser seien etwa "/i°, beim Trollinger und beim Riesling der Fruchtaugen erfroren.
Rottweil, 5. März. Die Kommission zum Ankauf von Simmenthaler Vieh ist zurückgekehrt. Während die bestellten Farren in voller Zahl angekauft werden konnten, traf dies bei den Muttertieren teils wegen der beschränkten Auswahl schöner Tiere, teil wegen der geforderten hohen Preise nicht in vollem Umfange zu. Die Farren werden unter die Besteller versteigert.
Weingarten, 4. März. Bekanntlich ist im vorigen Sommer der wälderverwüstende Nonnenschmetterling, von Bayern herüberkommend, auch in mehreren Wäldern ''Oberschwabens aufgetreten, am stärksten und verheerendsten im hiesigen Revier selbst (zwischen Weingarten und der Waldburg.) Nach den > günstigen Erfahrungen, welche 1856 die Fürstl. Wolf- eggsche Forstverwaltung insofern gemacht hat, als die damals von der Nonne verwüsteten Bäume stehen gelassen wurden, im folgenden Frühjahr wieder ausschlugen und sich allmählig völlig erholten, ließ die K. Forstverwaltung die Bäume stehen. Nun aber zeigt ^ich gerade im hiesigen Revier (die übrigen Waldungen in ganz Oberschwaben, wo sonst die Nonne sich zeigte, sind besser davongekommen), daß die Bäume von oben herab dürr werden. Unter solchen Umständen bleibt nichts anderes übrig, als den ganzen Waldteil niederzulegen, und zwar so rasch als möglich. Die Kgl. Forstdirektion hat bereits Anordnungen getroffen. Nicht weniger als 180 000 Festmeter Holz sollen in den nächsten Wochen geschlagen werden; acht Forstassistenten und mehrere Forstreferendäre sind zur Leitung dieser Arbeiten hierherkommandiert; 800—850 Holzhauer werden aus verschiedenen Landesteilen hier eintreffen und in eigenen für sie errichteten Baracken untergebracht. Auch Waldbahnen werden gebaut zur leichteren Fortschaffung des Holzes. Der auf diese Weise niederzulegende Wald umfaßt ca. den vierten Teil des diesseitigen Reviers.
Crailsheim, 5. März. Gestern rannte ein wild gewordener Stier in das Schaufenster eines Kürschners, welches vollständig zertrümmert wurde; ein hinter dem Fenster sitzendes Kind konnte noch rechtzeitig entfernt werden.
Aus Baden, 4. März. Ein durchtriebener Schwindler macht gegenwärtig die mittelrheinischen Städte unsicher und da es nicht unmöglich ist, daß. er auch unsere Gegend besuchen könnte, so wollen wir nicht unterlassen, vor demselben zu warnen. Der Schwindler besucht als Reisender besonders Schuhwarenhändler, Schuhmacher rc., verschmäht es aber auch nicht, bei Privatleuten vorzusprechen und präsentiert eine flüssige Wichse, die er ganz vorzüglich belobt und die sich auch bei den sofort vorgenommenen Proben als ganz ausgezeichnet bewährt. Die Schuhwarenhändler kaufen dann gewöhnlich einen beträchtlichen Vorrat und auch bei Privatleuten versteht es der Schwindler, ein halbes Dutzend Gläser seiner flüssigen Wichse abzusetzen. Hat nun der Reisende sein Geschäft gemacht und die Käufer öffnen eines der Fläschen, um den Inhalt selbst einmal zu probieren, dann erst merken sie, daß sie betrogen sind, denn sämtliche Fläschchen enthalten eine unwirksame Flüssigkeit. Der Schwindler hat einige Probefläschchen, deren Inhalt gut ist, das Andere aber ist wertloses gefärbtes Wasser.
Straßburg, 5. März. In unserem guten alten Rhein ist zur Zeit fast gar kein Wasser mehr, erst seit einigen Tagen zeigt sich .wieder ein gelindes Steigen. Am Sonntage war ganz Straßburg hinausgepilgert, um das trockene Rheinbett anzusehen und Rheinkiesel zu suchen, welche Steine, geschliffen, bekanntlich -ein diamantähnliches' Aussehen haben. Im. trockenen Rheinbett hatte sich ein vollständiger Jahrmarktstrubel entwickelt. Eine ganze Reihe von Schaubuden und fliegenden Restaurationen, ein Karoussel, Photographen, Schießbuden u. s. w. hatte sich etabliert, und nach Dunkelwerden tummelten sich Tausende dort umher. Es ist aber auch ein selten gebotener Genuß, mitten im Rheinstrom Karousselfahrten oder ein Glas Bier trinken zu dürfen.
Naumburg. Zu dem Vorgänge zwischen Offizieren und Bürgern während der Sonntagsnacht berichtet das Naumburger Kreisbl. noch r Bei dem Vorfall haben im Ganzen 8 Personen Verletzungen erlitten, was dadurch zu erklären ist, daß die requirierten zwei Sektionen Militär vom oberen und unteren Teile der Herrenstraße gleichzeitig mit gefälltem Gewehr vordrangen und auf diese Weise das Publikum, das noch dazu vom Trommelschlag verwirrt wurde, keinen Ausweg fand, lieber den ganzen Vorgang ist eine eingehende Untersuchung eingeleitet, für die eine große Zahl Bürger ihr Zeugnis angeboten haben. Lieutenant von Blume ist. einstweilen vom Dienst suspendiert und dem Vernehmen ^ach abgereist.
Hamburg, 5. März. Ein unerhört frecher Diebstahl wurde am Sonntag früh in dem Postamt am Altenwall ausgeführt. Ein junger Mensch kam an den Schalter Nr. 4 und srug den dort anwesenden Beamten nach einem postlagernden Briefe. Als der Beamte nach dem verlangten Briefe
heftige Schmerzen, und so war's für sie wie für mich und Lydia bester, daß sie zur Ruhe kam.
Sobald ich meine Frau schnarchen hörte, rief ich Lydia und sagte ihr, sie müsse fort; sie war ganz verzweifelt und meinte, sie wolle sich mit ihrem Kinde ins Wasser stürzen, denn die Erde habe doch keinen Raum für sie. Aber ich stellte ihr vor, daß sie damit eine große Sünde begehen würde und dann erbot ich mich, die Kleine zu behalten und wie unser eigen Kind zu erziehen. Sie wußte, daß die Kinder es bei uns gut hatten und zudem ließ meine Frau die kleine Lilly seit dem Tode unseres eigenen Kindes fast nicht mehr von sich; es war freilich ein harter Kampf für Lydia, aber sie sah ein, daß es so am besten sei und gab nach.
Nachdem wir soweit einig waren, holte ich die Kaffe und teilte den Inhalt derselben in zwei Hälften, deren eine ich Lydia gab. Sie —"
„Ach also auch bestohlen hast Du mich," fiel Frau Jenkins dem Gatten hastig in die Rede, „damals sollten die neu»» Kostüme für die Kinder so viel Geld gekostet haben, und ich mußte es glauben, wenn's mir auch seltsam erschien."
„Es ging nicht anders, Sarah", entschuldigte sich der Zwerg, „also ich gab Lydia das Geld und riet ihr dann, sich als Mann zu verkleiden, wozu ich ihr be- hülflich sein könne. Ich hatte nämlich den mit Kleidern gefüllten Koffer eines verstorbenen Vetters im Besitz; freilich war's das einzige Andenken an einen Mmschen, der mir sehr lieb gewesen, aber die Toten müssen den Lebenden nachstehen "und so überantwortete ich Lydia den kleinen Koffer und riet ihr, sich zu beeilen. Nun, sie besann sich nicht lange, und als sie nach kaum einer Viertelstunde vor mich hintrat, hätte ich sie kaum erkannt. Sie war ungewöhnlich groß für eine Frau aber die Kleider paßten ihr und nachdem ich ihr schönes Haar kurz abgeschnitten und sie mit einer Perücke, deren wir viele in unserm Inventar hatten, unkenntlich gemacht batte, wäre Lydia für ihre eigene Mutter unkenntlich gewesen. Ich wies sie an, wie sie gehen und stehen müsse und dann sank sie am Bettchen ihres Kindes nieder und küßte es unter heißen Thränen und bitterem Schluchzen zum Abschied. Sie hing der Kleinen ein kleines goldenes Kettchen mit einer kleinen goldenen Hasel
nuß um den Hals und sagte mir dabei, sie selbst habe die Kette getragen, bis ihr dieselbe zu eng geworden sei. Die Haselnuß ließ sich öffnen; in der Höhlung derselben war der Geburtsschein des Kindes geborgen und sie zeigte mir, wie man das Schmuckstück berühren müsse, um die Feder spielen zu lassen und bat mich, ihrem Kinde das Geheimnis der Haselnuß nicht mitzuteilen. Nur wenn es dereinst zu ihrem Glücke diente, sollte sie erfahren, wer sie sei. Ich versprach es ihr, und ich habe mein Versprechen gehalten, soweit es in meiner Macht stand. Und dann dankte sie mir für Alles und ging — seitdem sind mehr den achtzehn Jahre vergangen, aber ich habe nie wieder von Lydia, oder wie sie eigentlich hieß, Katharina Rockwald gehört."
„Nichts wieder von ihr gehört — ist das Ihr Ernst ?" fragte der Advokat enttäuscht.
„Mein völliger Ernst."
„Dann werden wir die Verschwundenn wohl kaum finden," seufzte Herr Wapping.
„Ich sagte es ja bereits, Henrv kommt stets um einen Posttag zu spät," brummte Frau Sarah.
„Also wird's mit den 20000 Dollars nichts sein?" meinte der Zwerg mürrisch
„Nein, Herr Jenkins. Ich will damit nicht sagen, daß Ihnen eine entsprechende Belohnung verweigert werden soll, aber daß dieselbe 1000 Dollars übersteigen wird, glaube ich kaum. Vielleicht können Sie mir noch etliche Nachrichten über das Kind geben — dasselbe erbt unter allen Umständen das Rockwald'sche Vermögen —"
„Nichts — garnichts mehr sage ich", grollte Jenkins; „sehen Sie zu, wo Sie die Erbin finden, ich hab's satt, mich zupr Narren haften zu lassen."
„Aber, Henry", rief Frau Jenkins entrüstet, „so sei doch nicht so thöricht und bedenke —"
„Ich will nicht bedenken — einmal bin ich Deinem Rat gefolgt, und Du siehst, wie wir dabei gefahren sind. Wenn Dir's Spaß macht, kannst Du ja berichten, was wir von Lilly wissen — 's ist leider wenig genug, aber ein Schelm, giebt mehr, als er selbst hat." (Forts, folgt.)