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Tnges-Neuiqkeiten.
Heilbronn, 16. Februar. Wie. vor einiger Zeit, so kam in den letzten Tagen auch in Gmünd der Fall vor, daß einer der zur Hebung einberufenen Landwehrleute sich weigerte, Waffen in die Hand zu nehmen. Am Freitag wurde nun lt. N. T. demselben vor versammeltem Bataillon mitgeteilt, daß er wegen Jnsuborvination eine Gefängnisstrafe von 44 Tagen, das niedrigste Strafmaß in solchem Fall, zu erstehen habe. Angesichts seiner „guten Führung" während seiner früheren zweijährigen Präsenz und zweimaliger Einberufung als Reservist wurde ihm gestattet, diese Strafe in dem Militär- arrest zu Ludwigsburg absitzen zu dürfen.
Heilbronn, 17. Febr. Ledermarkt. Die durch den lang andauernden strengen Winter überaus erschwerte Trocknung hat sich bei unserem Februar- Markte, welcher in der Regel sehr starke Zufuhren aufzuweisen hat, besonders fühlbar gemacht, denn das angebotene Quantum ist in Folge dessen hinter demjenigen des vorjährigen Marktes erheblich zurückgeblieben. Aus diesem Grunde entwickelte sich das Geschäft sehr lebhaft und bis auf einige wenige Posten, welche zurückgenommen wurden, ist Alles rasch verkauft worden, und zwar teilweise zu etwas höheren Preisen. Letzteres war hauptsächlich bei leichten Wild - oberledersorten der Fall, während schwerere Gattungen sich langsamer, aber auch zu besseren Preisen als bisher vollständig räumten. Schmalleder war sehr offeriert und der Absatz ein schleppender. Kalb- leder erfreute sich lebhafter Nachfrage und erzielte einen Preis-Aufschlag von ca. 10. Prozent. Sohlleder, meist in mangelhafter Trocknung zugeführt, konnte sich nur schwer auf dem seitherigen Preise behaupten, während die Preise für Schafleder bei kleinem Vorrat neuerdings etwas angezogen haben. Der nächste Ledermarkt findet Mittwoch den 18. März d. I. hier statt.
Freuden st adt, 19. Februar. Wenig Orte giebt es in Deutschland, wo der Bürger, statt den Stadtsäckel füllen zu müssen, noch etwas aus demselben bezahlt bekommt. Unsere Stadt ist in dieser glücklichen Lage infolge ihres Waldbesitzes. Die diesjährige Bürgergabe betrug, wie in den letzten Jahren, für jeden Bürger 25 Und dabei haben große Holzbewilligungen an arme Leute des überaus harten Winters wegen stattgefunden.
— In Wiesensteig hält sich das Gerücht aufrecht, daß ein Wolf sich in der Nähe herumtreibe. Derselbe soll von einem Steinbrecher in Schopfloch gesehen worden und die Spuren von einem Waidmann als wirkliche Wolfsspuren erkannt worden sein. Man kann sich denken, daß dieses Gerücht nicht nur die Jäger, sondern auch manche andere Leute in Aufregung versetzt.
Strafkammer Rottweil. Am 8. Jan. d. I. übergab der Hirschwirt Carl Rehfuß in Freu- >
denstadt seinem Dienstknechte, dem 20 Jahre alten Paul Schupp von Wittlensweiler Oberamts Freudenstadt, neben einer für den Hirschwirt Adolf Spindler in Lützenhardt, Oberamts Horb, bestimmten Fuhre Bier noch 200 baar Geld, versiegelt in einem Säckchen, sowie eine Rechnung über 52 ^ 50 für die vorletzte Bierfuhre an Spindler, mit dem Aufträge, die 200 ^ an rc. Spindler auszufolgen und die 52 50 falls sie ihm ausbezahlt wür
den, heimzubringen. Der Angeklagte lieferte jedoch die 200 nicht ab, sondern behielt sie für sich, wie er auch die 52 50 die er von der Frau Spind
ler ausbezahlt erhalten hatte, seinem Dienstherrn nicht ablieferte, sondern denselben bei seiner Rückkehr von Lützenhardt belog, die 200 habe er der Frau Spindler übergeben und die Rechnung mit 52 50 ^
sei ihm nicht bezahlt worden. Am gleichen Abend fuhr der Angklagte mit dem letzten Zuge nach Stuttgart und von da mit dem Schnellzuge nach Hamburg, woselbst er, nachdem er 48 für die Reise und 110 ^ für das Uebsrfahrtsbillet nach Amerika ausgegeben hatte, beim Einsteigen in das Schiff, da die Hamburger Behörde telegraphisch benachrichtigt worden war, festgenommen wurde. Bei seiner Festnahme war er noch im Besitze von 2 ^ 35 ^ und hat er über den Verbleib des fehlenden Geldes angegeben, es habe sich in einer Wirtschaft in Hamburg ein etwa gleichaltriger junger Mann zu ihm gesellt, welcher sich ihm als ein Gärtner aus der Nähe von Eutingen vorgestellt habe, der schon 5 Jahre in Amerika gewesen und nun wieder im Begriff sei, dorthin zu reisen. Dieser Fremde, dessen Namen er vergessen, habe ihm den Antrag gestellt, er wolle sein deutsches Geld in amerikansches beim Bankier umwechseln lassen; er habe ihm zu diesem Zweck 80 mitgegeben, der Fremde sei aber nicht mehr gekommen und er somit um 80 betrogen worden. Nach all' dem Vorgebrachten hat sich der Angeklagte eines Vergehens der Unterschlagung und eines Vergehens der Untreue in Verbindung mit einem solchen der Unterschlagung schuldig gemacht, wofür er im Hinblick auf die erhebliche unterschlagene Summe mit 6 Monaten Gefängnis bestraft wurde.
Riedlin gen, 20. Febr. Heute früh 6'/» Uhr ist in dem hart am Oberamteigebäude gelegenen, von Buchbinder Miehle und Bäcker Buk bewohnten Hause Feuer ausgekommen. Dem raschen Eingreifen der gutgeschulten Feuerwehr ist es zu danken, .daß der Brand keine weitere Verbreitung bekam und auf den Dachstock des Hauses beschränkt blieb; übrigens hat auch durch Wasser letzteres nicht unbedeutenden Schaden erlitten. Beide Beschädigte haben ihre Mobilien versichert und konnten hievon das Meiste retten.
Sigmaringen, 20. Februar. Der gestern dahier abgehaltene zweite Monatsviehmarkt erfreute sich einer sehr lebhaften Frequenz. Es hatten sich nicht nur sehr viele Käufer, bezw. Händler eingefunden, sondern auch unsere Landwirte, zum weitaus
größeren Teile Mitglieder der Züchtgenossenschasien,. haben den Markt mit schönen Viehstücken reichlich beschickt, so daß sich alsbald ein lebhafter Handel entwickelte und viele Tiere, namentlich Zuchtvieh, zu annehmbaren Preisen verkauft, werden konnten. Für schöne, zur Zucht geeignete Kühe wurden Preise bis zu 550 -/E erzielt, ebenso war starke Nachfrage nach trächtigen Kalbinnen, die zu 350 bis 400 bezahlt wurden, während für einjährige Zuchtfarren deren mehrere in recht schönen Exemplaren aufgestellt waren, bis zu 400 erlöst wurde. Großhändler Beisinger aus Bruchsal hat allein 19 Stück Zuchtvieh aufgekauft.
Speier, 9. Dez. Ueber einen Vortrag des Capitäns Bade schreibt die „Speierer Zeitung": Der gestrige Vortrag des Capitän Bade hatte eine äußerst zahlreiche Zuhörermenge in dem Saale des „Wittelsbacher Hofes" zusammengeführt, und in der That war das, was man zu hören und zu sehen bekam, so anregend und zugleich belehrend, daß man gern noch ein paar Stunden länger, den Worten des Seefahrers gelauscht hätte. Derselbe zeichnete zunächst mit flüchtigen, aber immerhin lebendigen Strichen ein Bild von jener deutschen Nordpolfahrt 1869/70, die für ihn gar verhängnisvoll werden sollte. Er befand sich damals auf dem Schiffe „Hansa", das vom Eise erdrückt, in den Fluten des großen Meeres untersank. Die aus 14 Personen bestehende Mannschaft rettete sich und ein Teil des Proviantes auf eine mächtige Eisscholle und auf diesem schwanken Untergründe brachten sie volle 237 Tage zu, machten auf ihr eine Reise von mehr als 1000 Seemeilen, ohne den Lauf dieser gefahrvollen Fahrt irgendwie selbst beeinflussen zu können, bis sie endlich nach monatelangem Leiden, nach unsäglichen Anstrengungen, dem Hungertode nahe, durch ein gütiges Geschick an die Küste Grönlands verschlagen wurden und nun gerettet waren. Mit welchen Gefühlen mögen die tapferen Männer dieses Land betreten haben! wie mag es ihnen in Schönheit erstrahlt sein! und doch, wie ist Land und Leben auf Grönland so elend, so armselig. Gibt es doch kaum einen Menschenschlag auf der weiten Welt, der geringere Bedürfnisse kennt als die Eskimos, deren Leben eine beständige Kette von Gefahr und Entbehrung bildet, und deren Ziel darin besteht, dieses Leben notdürftig zu unterhalten. Der Capitän gab uns von diesen Leuten, von ihrem Thun und Treiben, und von dem Lande, das sie bewohnen, eine überaus lebendige farbenreiche Schilderung, die durch gleichzeitige Vorführung vieler Gegenstände noch mehr veranschaulicht wurde. Wir sahen die Eskimos bei ihrer Hauptbeschäftigung, der Jagd, wir sahen sie ihren Speer werfen, ihre Harpune schleudern. Wir begleiteten den Redner in die elenden Hütten mit ihrem entsetzlichen Thrandunst; wir lernten auch die Geschicklichkeit kennen und schätzen, mit welcher jene Männer ihre Boote, ihre Waffen verfertigen, während die Frauen eine staunenswerte Fertigkeit in Handarbeiten entfalten — und alles das mit den
friedlosen Endes des letzten Besitzers des stolzen Schlosses. Ein lauter Aufschrei unterbrach die trüben Betrachtungen des alten Herrn und sich umsehend, gewahrte er Martin, der mit allen Zeichen der Angst aus der Kapelle stürzte und über die Stufen hinab auf die Landstraße flog.
„Martin, was giebt's denn?" rief Herr Wapping bestürzt, indem er sein Pferd zum Stehen brachte und aus dem Wagen sprang.
„Ach Gott, Herr Wapping — ein Geist! Er verfolgt mich — retten Sie mich! O, ich habe es immer geahnt, daß es mir dereinst so gehen würde und nun ist's ein getroffen."
„Aber Martin, — so kommt doch zu Euch — was redet Ihr denn von Geistern? Seid Ihr ein Mann, oder seid Ihr ein altes Weib? Schämt Euch — was soll ich denn von Euch denken, wenn Ihr Euch so albern benehmt! Nun — wollt Ihr mir nicht sagen, was geschehen ist?"
Martin's Zähne schlugen wie im Fieberfrost aufeinander und sein Gesicht war aschgrau wie das eines Sterbenden. Seine Kniee schwankten, er lehnte sich an einen Baum und schloß die Augen, während seine zitternde Rechte Herrn Wapping's Arm umklammerte. Der Advokat griff in seine Brusttasche und brachte eine kleine platte Flasche zum Vorschein; den Stöpsel derselben entfernend, hielt er das kleine mit Cognac gefüllte Gefäß an Martin's Lippen und nachdem der Alte einen Schluck des belebenden Trankes genommen, erholte er sich sichtlich und blickte den Avokaten dankbar an.
„Es ist die gerechte Strafe," murmelte er; „seit zwanzig Jahren habe ich geschwiegen, weil mein Herr es mir gebot, ich wußte, daß ich Unrecht hat, aber ich schwieg dennoch! Und jetzt verfolgt mich das bleiche Gesicht des Opfers — ich höre seine hohle Stimme — o ich Elender!"
Herr Wapping versuchte vergeblich, den allen Diner zu beruhigen und so ergriff er denn das einzige Auskunftsmittel, welches Erfolg verhieß. Er legte den Arm um Martin's Schullern, richtete den Gebeugten auf und führte ihn unter lieb
reichem Zureden zum Wagen. Hier half er ihm beim Einsteigen, und nachdem er neben ihm Platz genommen, sagte er ernst:
„So, Martin — nun erzählt mir möglichst zusammenhängend, was Euch so verstört hat; Eure wirren Reden haben mir zu viel verraten, als daß ich Euch gestatten könnte, ferner zu schweigen."
Martin blickte Herrn Wapping unsicher an und dann spähte er hinüber nach der Schloßkapelle und flüsterte verwirrt:
„Ich sah sie so deutlich, wie ich Sie jetzt sehe, Herr Wapping — ach, ihr Gesicht war so bleich — die Augen lagen tief in ihren Höhlen und die hohle Stimme klang wie aus ihrem Grabe! O, sie verfolgt mich um meiner Sünde willen — sie verfolgt mich schon seit Jahren!"
„Wer verfolgt Euch, Martin?"
„Wer sonst als die unselige Frau — Katharina Rockwald!"
„Unsinn, Martin — Ihr habt geträumt," entgegnete der Advokat, die Zügel ausnehmend und das Pferd antreibend.
„Ach, wenn's nur das wäre! Aber diesmal Hab' ich sie wirklich gesehen und damals, als mein armer alter Herr starb, ebenfalls. Ach und ihr Schrei — immer gellt er mir in den Ohren!"
„Martin — redet nicht so albern, warum wollt Ihr Euch einbilden, Katharina Rockwald verfolge Euch. So viel wir wissen, ist sie längst tot — trotz aller Nachforschungen wollte sich nirgends eine Spur finden und nur Eure erhitzte Einbildungskraft spiegelte sie Euch vor."
„Ach, Herr Wapping, ich wollte. Sie hätten Recht, aber sehen Sie, ich will auf der Stelle sterben, wenn es nicht Frau Katharina's Geist war, der mir heute in der Gruft erschien."
„Schämt Euch, Martin — wer glaubt heutzutage an Geister?" *
„Ja, Herr — Sie haben gut reden. Ich möchte freilich auch lieber nicht an,. Geister glauben, aber wenn sie einem erscheinen, muß man's wohl thun."
(Fortsetzung folgt.)