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um Se. Durchlaucht zu sehen, so daß die Schutzmannschaft Mühe hatte, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Herrschaften fuhren nach der Wohnung des Bürgermeisters Dr. Petersen, wo zu Ehren des Gastes ein Diner veranstaltet worden war. Dasselbe hatte einen durchaus privaten Charakter. An demselben nahmen Teil außer dem Fürsten Bismarck und Gemahlin und der Familie des Bürgermeisters General v. Leszczynski aus Altona nebst Gemahlin, Geheimrat Lothar Bücher und mehrere andere, dem Bürgermeister befreundete Personen. Der Fürst sprach mit vieler Wärme über unsere Vaterstadt und gab wiederholt Bürgermeister Dr. Petersen gegenüber seiner Freude über dessen frisches Aussehen Ausdruck. Etwas nach 9 Uhr war das Diner beendet. Dann fuhren der Fürst und Gemahlin in Begleitung des Bürgermeisters nach dem Bahnhof zurück. Hier hatte sich abermals ein zahlreiches Publikum angesammelt, welches dem Fürsten begeisterte Ovationen darbrachte.
Tages-Neuiykeitrn.
Stuttgart, 4. Febr. Das „N. T." macht wiederholt darauf aufmerksam, daß seit 1. ds. Mts. die Glockensignale, welche bisher die Abfahrt der Züge anzeigten, nicht mehr gegeben werden. Es empfiehlt sich daher, genau im Fahrplan die Abfahrtszeit nachzusehen, rechtzeitig sich auf den Perron zu begeben und nicht mehr, wie früher, vas gewohnte „Abläuten" abzuwarten, wofern man nicht Gefahr laufen will, sitzen zu bleiben.
Ludwigsburg, 4. Febr. Gestern wurde ein dreizehnjähriger Knabe festgenommen, der sich — nach kürzlicher Verbüßung einer vierzehntägigen Haftstrafe wegen Betrugs und Unterschlagung — neuerdings mehrere raffinierte Ladendiebstähle zu schulden kommen ließ. — Eine hiesige Hebamme fand gestern abend in ihrer Wohnung ein von fremder Hand dahin verbrachtes Paket, welches die Leiche eines neugeborenen Kindes, ein Zweimarkstück und einen Zettel mit der Bitte, das Würmlein zu begraben, enthielt.
Schorndorf, 2. Februar. Heute mittag zwischen 11 und 12 Uhr ist ein Arbeiter der Hespe- lerschen Dampfsägerei schwer verunglückt. Von der Zirkularsäge wurde ihm ein Stück Holz an den Kopf geschleudert, so daß er besinnungslos vom Platz getragen werden mußte. Ein Schläfenbein ist zersprungen; auch hat der Verunglückte eine starke Gehirnerschütterung erlitten. Nach Aussage des Arztes ist jedoch Gefahr für das Leben nicht zu befürchten.
Lorch, 3. Febr. Es ist von Interesse, den Eissprengungen zuzusehen. Die mit Sprengstoff gefüllten Büchsen werden, dem „Rh. K." zufolge, auf die Eisdecke geworfen und die Zündschnur angesteckt. Sobald dies geschehen, entfernen sich die Pioniere sehr schnell und kaum sind sie am Lande angekommen, dann gehen die drei Patronen mit einem furchtbaren Knalle los, die Eisstücke fliegen hoch in die Luft und alsbald zeigt sich in der Eisdecke eine Lücke und das Wasser wird sichtbar. Die Pioniere, welche auf die gefährliche Eisdecke gehen, um die Patronen zu legen, halten sich zur Sicherheit an einer Leine, welche am Lände stehende Kameraden anziehen können, wenn Gefahr entstehen sollte. Die Sprengungen werden gleichzeitig hier und bei Lorchhausen eifrig weiter betrieben. Offiziere und Mannschaften haben sichtlich Vergnügen an ihren erfolgreichen Arbeiten; von St.
Goar bis Lorchhausen ist der Rhein infolge der Sprengarbeiten eisfrei. Hier steht das Eis noch fest, aber man fürchtet keinen gefährlichen Eisgang mehr.
Dtt landwirtschaftliche Ktjirksoereiu
hielt am 2. Febr. als am Lichtmeßfeiertag seine jährliche Generalversammlung im Badischen Hof. In Anbetracht der noch immer etwas winterlichen Witterung kann die Beteiligung hieran als eine durchaus befriedigende bezeichnet werden, indem gegen 100 Personen sich nach und nach einfanden.
Der Vorstand des Vereins, Herr Oberamtmann Supper hieß die Versammlung freundlich willkommen und gedachte mit warmen Dankesworten des dahin geschiedenen, langjährigen, verdienstvollen Vereinssekretärs Oekonomierat Hör lach er. Die Versammlung bekundete ihre übereinstimmende Teilnahme durch Erhebung von den Sitzen.
Hierauf erstattete Kassier Ansel, seinen Rechen
schafts- und Kassenbericht.
Nach Letzterem betrugen im Rechnungsjahr 1. April 1889/90 die
laufenden Einnahmen . . . . ^ 3,435.16. Hiezu Salvovortrag vom vor. Jahr „ 862.82.
zusammen 4,297.98.
Die Ausgaben betrugen .... ^ 3,079.13.
Somit Kassenvorrat ^ 1,200.85. Das Vermögen des Vereins betrug am 1. April 1890 an Saldo- ^
vortrag.1,200.85.
Guthaben des Staatsbeitrags pro
1889/90 „ 300.—.
Depositum incl. Zins b. 31. März 1890 „ 1,064.10.
Gesamt 2,564.95.
Vorgang „ 2,162.82. Somit Vermögenszunahme 402.13.
Die Mitgliederzahl betrug am 1. April 1889 480, am 1. April 1890 468, Abnahme 12,
meist infolge Todesfall oder Wegzugs.
Der nun folgende Rechenschaftsbericht brachte die nötigen Notizen über das Fortbildungswesen, den künstl. Futterbau, die Viehzucht, Schweinezucht, Bienenzucht, den Obstbau, Hopfenbau und die Feldbereinigung.
Betreffend das Fortbildungswesen, so bestanden im Winter 1889/90 in unserem Bezirk 13 Abendschulen: 11 freiwillige und 2 obligatorische.
Verausgabt wurden für diese Schulen von Seiten des Vereins 425 ^ 85 teils in Form von Prämien an die Lehrer,, teils in Rückerstattung des hälftigen Lehrerhonorars an Gemeinden mit freiwilligen Abendschulen; letzteres auf Anordnung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft.
Einer weiteren Art von Fortbildungsanstalten wurde sodann Erwähnung gethan: Den sogenannten Haushaltungsfchulen, zu deren Besuch unter Anbietung von Vereinsbeiträgen alljährlich eingeladen wird. Diese Schulen, von welchen die uns nächst gelegene, die in Herrenberg ist, stellen sich die die Aufgaben, erwachsenen Mädchen aus bürgerlichen und bäuerlichen Familien Gelegenheit zur Erwerbung derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu geben, welche zur guten Führung einer einfachen Haushaltung erforderlich sind.
Im verflossenen Jahr konnten 50 Beitrag., gegeben werden an ein Mädchen aus unserem Bezirk, das zweimal einen Kurs in Herrenberg mitgemacht hatte.
Ebenso wurden 25 ^ Beitrag gewährt einem. Hufschmied für dessen Teilnahme an einem Unter- richtskurs im Hufbeschlag.
Der nächste Gegenstand betraf den künstlichen Futtterbau. Dieser ist durch die Bemühungen des. Vereins seit 27 Jahren eingeführt und vom Verein, fortlaufend unterstützt.
Auch im verflossenen Jahr sind über 22 Ztr.. Mischsamen zu ermäßigtem Preis an Vereinsmitglieder abgegeben worden. Weser aus die Viehzucht so vorteilhaft einwirkende Betriebszweig der Landwirtschaft wird in unserem Bezirk, wie zu hoffen ist nun wohl eingebürgert bleiben.
Für künftig sollen den Mitgliedern des Vereins für jeden bezogenen Zentner Grassamen 3 rückvergütet werden.
Ebenso wurde beschlossen, an der Beschaffung von Saathaber (Probsteihaber) sich vom Verein aus. mit einem Beitrag von 150 zu beteiligen.
Forts, folgt.. _
Eingesandt.
Die Mitglieder und Freunde des Evang. Bundes — wie überhaupt alle evangelischen Gemeindeglieder — machen wir auf den Vortrag am. Sonntag noch besonders aufmerksam. Herr Professor Thoma ist als ein höchst lebendiger und anziehender Redner in weiten Kreisen bekannt- Seine Verdienste um die Sache des Bunves in Baden lassen sich denen, unseres Eduard Elben an die Seite stellen. Bei den manchfachen Beziehungen unseres Bezirks zum badischen Nachbarland dürfte es ohnehin mteressant. sein, mit den Arbeiten des evangelischen Bundes drüben ein wenig bekannt zu werden. Hat doch der. Bund sich auch die Aufgabe gestellt, die so merkwürdig scharf von einander getrennten evangelischen Landeskirchen Deutschlands unter sich in nähere Berührung zu bringen und 'die kirchliche Einigung des protestantischen Deutschlands nach Kräften wenigstens anzubahnen. — Es dürfte im Lauf des Nachmittags sich wohl Gelegenheit geben, über die eine oder andere brennende Frage der Gegenwart sich gegenseitig auszusprechen. _
Standesamt ßalw.
Geborene:
25. Jan. Emil, Sohn des Emil Sänger, Kaufmanns-
29. „ Marie Rosine, Tochter des Gottlieb Bürkle,
Taglöhners.
1. Febr. Christiane Luise, Tochter des Gottlieb Ra pp old, Tuchscheerers.
3. , Maria Barbara, Tochter des Bernhard
Gaugele, Eisenbahnschaffners.
G e st o r b e n e:
30. Jan. Ludwig Aichele, led. Schmied von Decken-
pfronn, 57 Jahre alt.
1. Febr. Michael Weber, Tuchmacher, 69 Jahre alt..
4. „ Anna Maria, gcb. Röhm, Ehefrau des
Valentin Reichert, Taglöhners, 56'/- I. a.
Gottesdienst
am Sonntag, den 8. Februar.
Vom Turm: 12.
Vorm.-Predigt: Herr Helfer Eytel. 1 Uhr: Christenlehre mit den Söhnen. Keine Bibelstunde Areitag, den 13. Februar.- 10 Uhr Vorbereitung und Beichte.
hindern, und im nächsten Augenblick habe er entseelt zu ihren Füßen gelegen . . . Die Advokaten der Angeklagten thaten ihr Möglichstes für die Verteidigung der Armen, aber sie drangen nicht durch; der Richter fällte das Urteil und dasselbe lautete auf: Tod durch den Strang!
„Ich werde nie das Entsetzen in den bleichen Zügen Katharinas vergessen, als sie den Urteilsspruch vernahm — sie stieß einen markerschütternden Schrei aus und sank dann ohnmächtig zu Boden. — Damals hatten wir noch keine Geschworenengerichte und nur so läßt es sich begreifen, daß der Spruch des Richters so hart ausfiel. Man munkelte, und wohl kaum ohne Grund, Rockwalds Geld habe den Richter bestochen — beweisen ließ es sich freilich nicht und so blieb der Spruch unangefochten- Bevor indeß der Tag für die Hinrichtung Katharinas bestimmt worden war, ergab es sich, daß die Arme in nicht zu ferner Zeit Mutter werden sollte, und so verschob man die Ausführung des Urteilsspruchs. Der alte Rockwald schäumte vor Wut und behauptete, man gehe mit der Absicht um, der Justiz ihr Opfer zu entreißen, aber er war machtlos und zu Anfang November gebar Katharina Rockwald im Gefängnis zu Wansmore eine Tochter . . . Aber dieser Umstand, weit entfernt, das Herz des alten Freiherrn zu rühren, verschärfte nur seinen Hatz; die Furcht, das öffentliche Mitleid möchte ihm sein Opfer entziehen, spornte ihn zum Aeußersten an, und je mehr Stimmen zu Gunsten der jungen Frau laut wurden, desto maßloser ward seine Wut."
„Sobald Katharina, von deren Sanftmut und Geduld die Gefängnisbeamten nicht gemrg zu berichten wußten, sich wieder erholt hatte, drang Rockwald in den Richter, den Hinrichtungstag endlich bestimmen zu wollen. Dies geschah auch wirklich, aber jetzt gingen aus allen Schichten der Bevölkerung Petitionen für die junge Wittwe und Mutter ein, so daß der Richter trotz aller Mahnungen des alten Freiherrn eS doch nicht wagte, die Hinrichtung wirklich vollziehen zu lasten, und dieselbe von Tag zu Tag hinausschob.
Aockwald setzte Himmel und Erde in Bewegung, um die Verhaßte zu be
seitigen, und endlich brach ein trüber Novembertag an, welcher der letzte für Katharina sein sollte. Aber es war anders beschlossen — als der Wärter am frühen Morgen in die Zelle der Delinquentin trat, war diese sammt ihrem Kmde verschwunden!
„Rockwald's an Raserei grenzende Wut und Erbitterung zu schildern, wäre vergebliches Bemühen; wie er aber auch toben und wüten mochte, nirgends fand er eine Spur der Entflohenen und allgemein neigte man zu dem Glauben, daß das gesammte Gefängnispersonal, bestochen von der Verzweiflung der schönen, jungen Frau, die Gott zum Zeugen ihrer Unschuld anrief, bei der Flucht der Gefangenen hülfreiche Hand geboten. Rockwald ließ sich's ein Heidengeld kosten, um die Flüchtlinge wieder ins Gefängnis zu bringen ; er bot eine Belohnung von 20 000 Dollars für Katharina's Ergreifung und größtmöglichste Verbreitung der betreffenden Plakate;, aber es war Alles umsonst — Katharina blieb verschwunden.
„Allmählich freilich nahmen die Gerüchte über die der Gefangenen geleistete Beihilfe zur Flucht eine bestimmte Form an; eine noch junge Wärterin sollte der Verurteilten einen Anzug geliehen und sie mit einem, anscheinend Wäsche enthaltenden Korb spät Abends aus dem Thor geschmuggelt haben, — da Katharina von bedeutend größerer Gestalt war, als die Wärterin, so lag die Vermutung nahe, daß der Thorwächter, der die Flüchtlinge hinausgelasscn, mit im Komplot gewesen sei, und so wurden sowohl die Wärterin wie der Wächter Knall und Fall entlassen. Für die Beiden hatte übrigens diese Entlassung keine üblen Folgen — im Gegenteil,, die öffentliche Meinung nahm Partei iür die Leutchen und eine unter den Bürgern Richmond's veranstaltete Sammlung lieferte ein geradezu glänzendes Resultat und ermöglichte es den mit der Summe Beschenkten, sich zu verheiraten und ein Kolonialwarengeschäft, welches heute als das größte der Stadt gilt, zu eröffnen."
„Ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, daß die Firma Varley und Wapping sich auch an der Sammlung beteiligte, obgleich Herr von Rockwald zu den. Clienten derselben gehörte?" warf hier Täubert lächelnd ein.
(Fortsetzung folgt.)