Es ist aber nicht der thatsächlich bezogene Ver­dienst des einzelnen Versicherten maßgebend, als Jahresarbeitsverdienst gilt vielmehr hier

1. für die Mitglieder der Bezirkskrankenkasse und der Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen der 300- fache Betrag des für ihre Krankenversicherungsbeiträge maßgebenden durchschnittlichen Tagelohns.

2. für die in der Land- und Forstwirtschaft beschäftigten weiblichen Dienstboten 250 I. Klasse,

3. im übrigen, also für Hilfskassenmitglieder, Dienstboten und gegen Krankheit nicht versicherte Per­sonen und zwar männliche 600 III. Klaffe, weib­liche 420 II. Klaffe.

Hiebei wird aber ausdrücklich darauf aufmerk­sam gemacht, daß wenn Arbeitgeber und Versicherte darüber einverstanden sind, ein höherer Betrag zu Grunde gelegt werden darf, niemals aber ein nied­rigerer.

Die Wochenbeiträge, welche von den Arbeit­gebern und den Versicherten je zur Hälfte aufzubringen sind, betragen in der Klaffe

I 14 -g, II 20 -ch, III 24 IV 30 -rZ.

Die diesen Beträgen entsprechenden Marken können bei den Postanstalten gegen Erlegung des Nennwerts käuflich erworben werden.

Arbeitgeber, welche die Marken einkleben, so­wie Versicherte sind befugt, die in die Quittungskarten eingeklebten Marken in der Weise zu entwerten, daß die einzelnen Marken handschriftlich oder unter Ver­wendung eines Stempels mit einem die Marke in der Hälfte ihrer Höhe schneidenden, schwarzen, wagrechten schmalen Strich durchstrichen werden. Behufs der Verhütung von Streitigkeiten und Unterschleifen ist es angezeigt, daß die betreffenden Arbeitgeber von dieser Befugnis allgemein Gebrauch machen.

Calw, den 6. Januar 1891.

K.dOberamt.

Supper.

Dir Ortsbkhiirdeil für die Arbeitkroerfichrrinlg

werden unter Bezugnahme auf den oberamtlichen Er­laß vom 16. Dezember 1890 Calwer Wochenblatt Nr. 148 darauf aufmerksam gemacht, daß das Oberamt nur die für den ersten Bedarf nötigen For­mularien bestellt und ihnen zugesendet hat, die weiter erforderlichen Formularien, insbesondere die zur An- und Abmeldung, daher von den Ortsbehörden direkt zu beschaffen sind. Sie sind bei W- Kohlhammer in Stuttgart zu haben.

Calw, den 6. Januar 1891.

K. Oberamt.

Supper.

Dell Ortsvorstkhkrn

gehen Formularien, betreffend die Verhältnisse der im Corporationsdienst stehenden Beamten, mit der Wei­sung zu, dieselben unter genauer Beachtung der auf der ersten Seite stehenden Vorbemerkungen pünktlichst auszufüllen und spätestens bis 20. d. M. wieder hieher vorzulegen.

Calw, den 7. Januar 1891.

K. Oberamt. Supper.

. Tages-Neuigkeiten.

Calw. Wie wir hören, soll dem kunstlieben­den Publikum nächsten Samstag im bad. Hof hier ein Genuß geboten werden, wie er allerdings in Calw nicht leicht zu haben ist. Die Künstlergesellschaft Allotria" von Stuttgart will am genannten Tage eine humoristische Aufführung über die Bretter gehen lassen, deren Vorwurf aus dem Künstlerleben selbst stammt. Daß dabei ein großer Humor ent­wickelt wird, läßt sich denken, und da die Herren zu diesem Zweck selbst neue Dekorationen malen werden, so wird auch dem Auge manche Schönheit geboten. Soviel dem Schreiber dieses bekannt ist, werden noch spezielle Einladungen an die Familien ergehen. Im klebrigen verweisen wir auf den Annoncenteil.

Stuttgart, 3. Jan. Heute sind hier wieder 86 Petitionen mit 12,836 Unterschriften gegen die Aufhebung des Jesuitengesetzes an den Reichstag ab­geschickt worden. Die Gesamtzahl der von der hie­sigen Sammelstelle abgeschickten Petitionen beträgt nun 769 mit 107,555 Unterschriften. Dazu kommt noch eine Anzahl von Petitionen mit ca. 6300 Unterschriften, welche direkt nach Berlin abgeschickt worden sind. Das Verzeichnis wird nun zum Druck gegeben und dann veröffentlicht werden.

Tuttlingen, 3. Jan. Die Unsitte des Neu- jahranschießenS hat auch dieses Jahr wieder hier zwei Opfer gefordert. Durch unvorsichtiges Hantieren mit einem scharfgeladenen Revolver ging einem Burschen die Waffe in der Tasche los, riß ihm 3 Finger ab und verursachte eine große Wunde in dem Oberschenkel. Bei letzterer Wunde wird Blutvergiftung befürchtet, da außer der Kugel noch Kleiderfetzen, Pulverreste rc. in das Fleisch eingedrungen sind. Einem andern Burschen wurde die Hand zerschmettert und 2 Finger abgerissen.

Ravensburg, 2. Jan. Am Neujahrsfest begehrte vor Tagesanbruch ein betrunkener Hand­werksbursche in einem unweit von hier an der Tett- nanger Straße gelegenen Haus Einlaß, um sich zu wärmen. Er wurde abgewiesen und dies veranlaßte zu Schimpfworten, die der Hausbesitzer mit einigen Stockschlägen erwiederte. Der Handwerksbursche be­gab sich sodann in das mehrere hundert Schritte ent­fernte Torkenweiler, schlich daselbst in einen Viehstall, wo er heute tot aufgefunden wurde.

Aus dem Oberamt Hall, 2. Dez. Schaaren von Schneegänsen kommen seit 8 Tagen bei uns durch, es sind immer Heerden von 4050 Stück. Erst heute vormittag 9 Uhr kayz wieder ein größerer Flug. Sie nehmen den Weg von Nord nach Süd.

Dresden, 29. Dez. Die städtischen Be­hörden erließen eine Bekanntmachung, betreffend die künftige Besteuerung öffentlicher Konzerte, Gesangs­und deklamatorischer Vorträge, Schaustellungen, Tanz­vergnügungen und Lustbarkeiten, aller Art, zu Gunsten der Armenkasse. Dieses städtische Gesetz, das sich auch auf Lustbarkeiten von Vereinen und Gesellschaften bezieht, tritt mit dem 1. Januar 1891 in Kraft. Befreit von der Steuer sind)die Vorstellungen der Königlichen Hoftheater, ferner ^Aufführungen u. s. w., bei welchen ein höheres Interesse der Kunst und

Wissenschaft, des Handels und' des Gewerbes, wenn, dergleichen von Einwohnern oder Vereinen in ihren Geschäfts- und Gesellschaftsräumen veranstaltet werden; endlich kann die Steuer vom städtischen Armenamte erlassen oder ermäßigt werden für solche Aufführungen u. s. w., deren Erträguiffe öffentlichen, gemeinnützigen oder wohlthätigen Zwecken zufließen.

Hamburg, 3. Jan. Gestern fand in der Dynamitfabrik zu Krümmel eine Explosion statt; neun Arbeiter wurden getötet. Die Fabrik war seit dem 22. Dezember außer Betrieb. Die Kata­strophe erfolgte bei einer vorgenommenen Reinigung und Reparatur, nachdem der beaufsichtigende Direktor Fuchs soeben das Gebäude verlassen hatte.

Die Auswanderung nach Brasilien in den Kreisen Jnowrazlaw und Stremo nimmt immer größere Dimensionen an. Zwei in dortiger Gegend vom Auswanderungsagenten Morawiez in Amsterdam an- gestellte Unteragenten werden polizeilich verfolgt. Der Landrat Hassenpflug in Strelno macht bekannt, daß nach einer ihm zugegangenen Mitteilung der Polizei­direktion von Bremen derNorddeutsche Lloyd" sich dem Reichskanzler gegenüber verpflichtet habe, keine deutschen Reichsangehörigen mehr mit Lloyddampfern nach Brasilien zu befördern.

Troppau, 4. Jan. Die Ursache der Explosion in dem Dreifaltigkeitsschachte in Polnisch-Ostrau ist noch nicht ermittelt; doch steht fest, daß massenhafter Kohlenstaub die Explosion ver­schärfte. Bisher sind 57 Tote zu Tage befördert worden. Einige dürften sich noch unter dem Schutte befinden.

Petersburg, 1. Jan. Von dem hiesigen Sohne Schliemanns, welcher Beamter im Justiz­ministerium ist, erfahren angeblich die Nowosti, er und seine Schwester Nadesha, beide Kinder erster Ehe Schliemanns, würden einen Erbschaftsprozeß an­strengen. Nach derselben Quelle besaß der Ver­storbene eine jährliche Rente von 90,000 Rubbln und legte den eigentlichen Grund zu seinem Vermögen nicht in St. Petersburg, sondern in San Francisko.. Das in Kalifornien verdiente Geld vermehrte Schlie- mann später in St. Petersburg bis zum Jahre 1868.

London, 2. Jan. In Upper Wortley bei Leeds veranstalteten gestern bei einem Schulbazar Schulkinder lebende Bilder, genannt Schneeflocken. 15 Kinder waren von Kopf bis zum Fuß in weiße B'wolle gehüllt und trugen an Stöcken Papierlaternen.. Eines der Kinder fing Feuer und sofort brannten alle. Durch die Geistesgegenwart des Schuldieners, welcher die brennenden Röcke umhüllte, wurde eine allgemeine Verbrennung verhütet. Trotzdem starben vier Kinder an den Brandwunden, andere werden folgen.

Einem Brief des Herrn v. Carnap-Quern-- heimb aus Lamu von Anfang Dez. entnimmt das Berl. Tagebl. Folgendes: Die sämtlichen der Küntzel- 'schen Expedition gehörigen Waren, Maschinen u. s. w- sind völlig vernichtet worden, und zwar durch die schwarzen Mannschaften, die vom engl. Generalkonsul mit dem Transport derselben von Mkonumln nach Lamu betraut waren. In Mkonumbi waren alle Maschinen noch unversehrt; als sie in Lamu ankamen, waren sie zertrümmert und altes Eisen. Es wair keinem Deutschen gestattet worden, den Transport zu

dem kleinen Medium konnte er ja auch Nutzen ziehen. Und nun entwickelte sich das anmutigste Spiel, das die Großmama und ihren würdigen Gemahl mit so berech­tigtem Unmut erfüllte. Sobald Ivo von Johannas Schooß herabgeklettert, um irgend eine fabelhafte Herrlichkeit auf dem Kamin, der Johannas Hauswirten ge­hörte, zu bewundern, hielt sein Papa ihn an, und bgann ihm die Haar« zurecht zu streichen; einmal in die Stirn und dann zur Abwechslung aus der Stirn. Da­bei sprach er durch ihn zur Nachbarin.

Du darist das Fräulein nicht so belästigen, Ivo." Natürlich versicherte sie, er mache ihr keine Mühe. Dann erklärte ihm sein Papa auf das Nachdrücklichste, sie sei zu gütig gegen ihn und er verdiene so viel Nachsicht und Freundlichkeit nicht. Darauf zog sie ihn wieder zu sich, um den eitlen kleinen Burschen, der vor Freude hochrot ward im Gesicht, ein dunkelrotes Band, das ihr von der Näherei übrig ge­blieben, als Cravatte um den Hals zu knüpfen. Das erinnerte ihn an die Zeit, da Ivos Mutter kein größeres Vergnügen gekannt, als das winzige Kind mit Schleifen und Bändern herauszuputzen. Das eine seiner Händchen haltend, sprach er von jenen schönen Tagen, sie faßte das andere und war ganz Müleid für das Kind. Ivo hielt prachtvoll still in seiner Blitzableiterrolle, die den beiden über ihre Ver­legenheit hinweghalf. Er ließ sich von Johanna die Bilder in der Gartenlaube er­klären und zeigte dann jedes dem Vater hinüber, eine sehr drollige Erläuterung in seiner Manier dazugebend. Und unvermerkt verstrich die Zeit.

Hüben und drüben gab es jedem Viertelstündchen mürrischere Gesichter. Jvo's Großeltern warteten, trotzdem ihre Essenszeit bereits vorüber war, der Sonntagstafel; dasselbe thaten Johanna's Hauswirte. Aber beide erschöpften sich dabei gerade nicht in Segenswünschen für die Schuldtragenden.

Endlich als die Hausfrau ihr ältestes Töchterchen mit der Botschaft herein­schickte, die Familie könne nicht länger warten, erhob sich Franz erstaunt und er­schrocken über die ungebührliche Länge seines ersten Besuchs, aber das junge Mäd­chen war nun in die Freuden und Leiden seines Lebens eingeweiht, sie wußte von seinem kurzen Glück und der langen trostlosen Zeü, die demselben gefolgt. Auch

sie hatte mit ihren Mitteilungen nicht gegeizt. Beiden war es ein seltener Genüße einmal zu einem wirklich teilnehmenden Ohr von dem eigentlichen Schicksal zu sprechen, und er kannte nun ihr Elternhaus, ihre friedliche sorglose Kindheit und die herben Schläge, die sie getroffen, als wäre er ein alter Freund. Sprechen wir nicht von der Sonntagstafel. Hüben und drüben hätten sie den Beiden durch die mißmutigen Gesichter am Tische vergällt werden müssen, aber sie bemerkten nichts davon. Beide waren in Gedanken noch immer bei dem angenehmen Stündchen. Beiden schien's, als sei ihnen etwas von ihrem alten Leben zurückgekehrt. Ivo vollends war un­ausstehlich. Wäre dies dem verwöhnten Enkelchen gegenüber nicht gar so unmög­lich gewesen, die Großeltern hätten ihm vermutlich mehr als einmal barsch Schweigen geboten. Er wurde nicht müde, von der Tante zu sprechen; alles, was er drüben gesehen, war viel schöner als daheim, Großmutter besaß nur einen gewöhnlichen Fingerhut und nichts anderes, ihr Kuchen hielt keinen Vergleich mit dem aus, den ihm Johanna gegeben, und eine solche Cravatte wie die, welche sie ihm umgebunden, fand sich im ganzen Hause nicht vor.

Auch fiel seine Begeisterung nicht so schnell in tote Asche zusammen, wie es sonst bei Kindern der Fall ist.

Sobald ihn Großmama des Morgens angekleidet, wand er sich geschmeidig wie ein Aal aus ihren Händen, polterte die Treppe hinab und winkte ihr nach einigen Augenblicken, ahnungslos über ihren Verdruß, vom Fenster gegenüber lachend zu. Selbst die betrübende Thatsache, daß er bei der neuen Tante artiger sein mußte, als daheim, daß die enge Stube mit dem angehäuften Nähgerät seinem Umhertollen nur ein sehr begrenztes Gebiet gestattete, daß er die Nähereien nicht verminen und mit der Scheere dem Aufputz und den Stoffen nicht nahe kommen durfte, wirkte nicht abkühlend, auf seinen Enthusiasmus. Der rauhe Wind mochte ihm den Aufenthalt auf der Straße verleiden, und ehe er sich bei den Großeltern langweilte, die in der That in ihrer mürrischen Erbitterung nichts mit dem queck­silbernen Jungen anzufangen wußten, trug er, mit so viel Geduld als er aufzutreiben, wußte, die ungewohnten Zügel. Es wurde ihm nicht allzu schwer gemacht. Wäh-