4. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 66. Jahrgang.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung 3 Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Donnerstag, den 8. Januar 1891
LbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stabt VN Pfg. vn* rv Pfg. Lrägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 1b, sonst iu ganz Württemberg Mk. 1. 35.
Amtliche Bekanntmachungen.
Bekanntmachung,
betreffend die
Entrichtung der Beiträge M Invatiditäts- und Altersversicherung.
Auf Grund des Gesetzes, betreffend die Jnva- liditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni 1889 und der hiezu erlassenen Vollzugsschriften wird über die Entrichtung der Beiträge zur Jnvaliditäts- und Altersversicherung folgendes bekannt gegeben:
Die Entrichtung der Beiträge erfolgt durch Einkleben eines entsprechenden Betrages von Marken in die Quittungskarte des Versicherten. Ist der Versicherte mit einer Quittungskarte nicht versehen und unterläßt er die rechtzeitige Beschaffung zu Unrecht, so ist der Arbeitgeber berechtigt, für Rechnung des Versicherten eine solche anzuschaffen und den verauslagten Betrag bei der nächsten Lohnzahlung einzubehalten. Die Ausstellung der Quittungskarten erfolgt durch die Ortsbehörden für die Arbeüerversicherung.
Für die nachstehend bezeichneten versicherungspflichtigen Personen haben deren Arbeitgeber die den schuldigen Beiträgen entsprechenden Marken selbst anzuschaffen und in die Quittungskarten einzukleben:
1. für diejenigen, welche in einem Betriebe beschäftigt sind, für den eine Betriebs- (Fabriks- Krankenkasse errichtet ist,
2. für diejenigen, welche nicht in einem regelmäßigen Arbeits- oder Dienstverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber oder Dienstherrn stehen,
3. für diejenigen, deren Beschäftigung durch ihren Zweck oder im voraus durch den Arbeitsvertrag auf einen Zeitraum von weniger als einer Woche beschränkt ist.
In gleicher Weise werden die Beiträge für diejenigen Versicherungspflichtigen, im Dienste des Staats
beschäftigten Personen entrichtet, welche der Kranken- versicherungspflicht nicht unterliegen.
Im Uebrigen sind für alle versicherungspflichtigen Personen, welche zum Bezirk der Württemberg- ischen Versicherungsanstalt gehören, die Beiträge bei den Arbeitgebern einzuziehen und hiebei die erforderlichen Marken einzukleben und zu entwerten, und zwar a. für diejenigen, welche der Bezirkskranken» kaffe angehören, oder welche Mitglieder der Krankenpflegeversicherung sind durch die Organe dieser Kaffen (die Ortsvorsteher),
b) für alle übrigen — also für Hilfskafsen- mitg.Mer (insoweit diese nicht oben unter Ziffer 1 fallen) ^und die gegen Krankheit nicht versicherten Personen — von den Ortsbehörden für die Arbeiterversicherung.
Bei den unter a. bezeichneten Personen genügt die für die Krankenversicherung vorgeschriebene An- und Abmeldung auch für die Zwecke der Jnvaliditäts- und Altersversicherung, während die unter b. erwähnten Personen spätestens am dritten Tag nach Beginn oder Lösung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses bei der mit der Ortsbehörde für die Arbeiterversicherung vereinigten Meldestelle besonders an- und abzumelden sind.
Der Einzug de^ Beiträge erfolgt alle 4 Wochen je für die seit dem'letzten Fälligkeitstermine abgelaufene Zeit (Beitragsperiodr). Für jede Beitragsperiode werden soviele Wochenbeiträge berechnet, als in diese Periode Kalenderwochen fallen. Die erste Beitragsperiode umfaßt die Zeit vom 1. bis 24. Januar 1891.
Wird das Arbeits- oder Dienstverhältnis, auf welchem die Versicherungspflicht beruht, vor dem nächsten Einzug der Beiträge gelöst, so hat der Arbeitgeber bei Vermeidung einer Ordnungsstrafe entweder, unbeschadet seiner Verpflichtung zur Abmeldung des Versicherten, selbst die den schuldigen Beiträgen entsprechenden Marken anzuschaffen und in die Quittungskarte einzukleben, oder der einziehenden Stelle (siehe
oben unter a. und d.) behufs des Einzugs so zeitig Anzeige zu erstatten, daß von derselben noch vor dem Austritt des Versicherten aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis der Einzug bewerkstelligt werden kann.
Die Arbeitgeber haben für die von ihnen beschäftigten versicherungspflichtigen Personen stets die vollen Beiträge zu erlegen; sie dürfen nicht mehr als die Hälfte der entrichteten Beiträge durch Abzüge am Lohn wieder einziehen. Aber auch dieser Lohnabzug ist zeitlich beschränkt, und zwar:
a. Wenn der Arbeitgeber die Beiträge dadurch entrichtet, daß er selbst die Marken in die Quittungskarten einklebt, dürfen die Abzüge sich höchstens auf die für die beiden letzten Lshnzahlungsperioden entrichteten Beiträge erstrecken.
d. Wenn die Beiträge eingezogen werden, darf für die bereits entrichteten oder doch fällig gewordenen Beiträge ein Abzug am Lohn nur gemacht werden bei einer derjenigen zwei Lohnzahlungen, welche auf die betreffenden Einzugstermine fokgen.
Abzüge am Lohn, welche das bezeichnet« Maß überschreiten oder sich auf ältere als die unter a. und b. angegebenen Beiträge beziehen, sind strafbar. Ueberemkommen, welche die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen zum Nachteil der Versicherten ganz oder teilweise ausschließen, sind ungiltig und strafbar.
Sowohl zur Erleichterung des Einzugsgeschäfts als zur Sicherung der Quittungskarten gegen Verlust oder Beschädigung derselben wird es angezeigt sein, daß die Quittungskarten bei der einziehenden Stelle hinterlegt werden. Auf Verlangen wird die hinterlegte Quittungskarte dem Versicherten vorgelegt oder zurückgegeben.
Zum Zweck der Bemessung der Beiträge sind nach der Höhe des Jahresarbeitsverdienstes folgende Klassen der Versicherten gebildet:
Klasse I bis zu 350 ^ einschließlich. Klaffe II von mehr als 350 ^ bis 550 Klasse III
von mehr als 550 ^ bis 850 Klasse IV
von mehr als 850
n» Nachdruck verboten.
herbstblätt er.
Novelle von K.
(Fortsetzung.)
II.
ES war seuchtkalt in den Zimmern. Die Sonne schien plötzlich ihre ganze Macht eingebüßt zu haben. Großmama saß in einen dicken Shawl gehüllt am Fenster und blickte ingrimmig zu der Nachbarin hinüber. Wa8 sie sah, war aber auch wirklich geeignet, ihrem Verdachte Nahrung zu geben, und ihr am Nebenfenster gleich einer großen grauen Spinne lauernder Gemahl, ein heimtückischer Greis, der sich freute, für seine geringe Meinung von der Menschheit im Allgemeinen an blonderen Fällen eine Bekräftigung zu finden, verstand eS trefflich, durch gelegentliche boshafte Bemerkungen, wie „wenn sie das Kind mit ihrer Zärtlichkeit nur nicht erdrückt!* oder „Franz scheint sich gar nicht von drüben trennen zu können,' das Feuer zu schüren. Franz war ein ungelenker, steifer Geselle, seit er sich in seinem Umgänge auf die zwei alten Leute beschränkte. Er hatte sich auf dm Sessel gesetzt, den ihm die Nachbarin angeboten, und nachdem er, unbeholfen genug, seine« Dank für die geleistete Hilfe ausgesprochen, versank e, in ein erdrückendes Stillschweigen. Das junge Mädchen war zu schüchtern, um cS zu unterbrechen. Im Hause ihrer Eltern, mit dem Rückhalt, dm ihr deren gesicherte Lebensstellung gewährte, war sie Hefter, lebhaft und gewandt gewesen, seit sie sich allein durch'« Leben schlagen und non hochmütigen Kunden manche Demütigung hinnehmen mußte, war sie gedrückt, zurückhaltend, und nur wmn sie freundlichem Entgegenkommen begegnete, schaute sie auf, und ihre ehemalige liebenswürdige Gesprächigkeit trat zu Tage. Beide
hatten im ersten Augenblick nicht den günstigsten Eindruck von einander empfangen; Johanna hielt ihren Gast für hochmütig — das arme Kind war seit den trüben Erfahrungen, die sie gemacht, nur zu geneigt, diese Eigenschaft bei ihrem lieben Nächsten vorauSzusetzm — er dachte, sie wär eine hübsche geist- und leblose Kaminfigur und blickte sehnsüchtig nach der Thür, im Stillen die Augenblicke zählend, bis er sich ohne Verstoß gegen die Schicklichkeit wieder empfehlen konnte. Nur Ivo fühlte sich wie zu Hause. Ihn würde der Glanz und die Hoheit eines KöuigshofeS vermutlich auch nicht im Geringsten eingeschüchtert haben. Uebrigens kam er nicht mit leeren Händen, das mußte ihm jedenfalls einen freundlichen Emvfang sichern.
„Da,* sagte er mit großer Wichtigkeit, die gelbm und roten Blätter, die er auf dem Wege durch krampfhaftes Festhalten um ibre natürliche Form gebracht, Johanna darreichend, „das Alles gehört Dir. Freust Du Dich?'
ES war wie eine Erlösung, die frische, Helle, sorglose Kinderstimme in das drückende Schweigen hineinklingen zu hören. Kein Wunder, daß Johanna den kleinen Jungen umfaßte, herzlich Müßte und auf den Schooß nahm. Weggeweht war alle Verlegenheft und Zurückhaltung, das junge bildhübsche Kind, das sich so eng an sie schmiegte, dessen warmen Atem sie an ihre» Wange spürte, wußte nicht« »on Ueberhebung, wollte nicht verletzen. Mochte der steife Patron auf dem Seffel drüben mit sich zurechtkommen, wie er wollt», sie hatte ihren Zeitvertreib. Und nun kam sie ins Plaudern. Jede« Wort vernet dar Mädchen von Bildung und Verstand, da« sich in gemütvoller Höflichkeit zu dem Fassungsvermögen de« kleinen Burschen herabläßt. Ihr silbe«e« Fingerhütchen, da« sie selbst heute nicht abgelegt, da sie trotz d«S Sonntag» ein Kleid anzufertigen hatte, wurde nun ein undurckst dringlicher Panzer, die spitzen Nadeln, Lanze» und fließe, jeder Finger ein wsckerer Ritter. Welch ein Tournier entwickelte sich da z> Gunsten Ivos, dervor Spannung und Entzücken den Atem anhielt. Mit großen Augen sah Franz die Umwandlung, die mit dem Mädchen vorgegangen, seit st, da» Kind ans de« Schooß hielt. Von