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Wernsyrecher 88.

91. Jahrgang.

Poftschestkouto öllS Stuttgart.

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2^4 Samstag, dm 6. Oktober

1S17.

Eis SGlhttsg M selteser SGere.

Unserer Königin

zum ?. Oktober.

Zum vielten Mal begeht morgen Württembergs Königin ihr Wiegenfest im Zeichen des Krieges, den wir bis zur Stunde siegreich nur dadurch zu bestehen vermochten, daß Jeder fein Bestes leistet und fein Alles einfetzt. So bleibt denn in dieser Zeit auch wenig Raum, um die Blicke auf das Wirken eines Einzelnen zu lenken, der. mag er auch eine Krone tragen, gerade in diesen Zeitkäufen ein Nichts wäre, stände nicht auch er vollwertig und tätig, mitsorgend und treu in seiner Zeit und bei feinem Volke, besten Schultern es ja vornehmlich jetzt sind, auf denen die Krone ruhen.

Andererseits aber schaut gerade in diesen Monden und Jahren der Bölkerprüfung Las Bolk gerne auch zu seinem Fürsten Hause aus. wenn es dieses an feinen Geschicken Antei! nehmen, hingehend an den Lasten der Zeit mittragen steht.

Ob Württembergs Land solche Anteilnahme bei seiner Königin zu finden vermag? Es möchte nicht von Nöten sein, schon oft Gerühmtes heute aufs neue zu preisen, jedem Kinde Allbekannte» auch heule wieder zu sagen. Bringt dem Lande und dem Einzelnen. Lazaretten, Vereinen und ungezählten Familien doch jeder neue Tag neue offenkun­dige Beweise, worin Königin Charlotte gerade in diesen Zeiten der Not ihren höchsten, ihren königlichen Ruf er­blickt: in treuer Anteilnahme an allem, was im engeren ^nd weiteren Vaterlands die Seele bangen und höher

MW Klimm M Mt«».

Einen richtigen Einblick in unseren sicher arbeitenden Kriegsapparat an der Front gewinnen wir'immer erst wie­der beim Losbruch eines gewaltigen Schlachtgewitters. Wir bewundern den unsterblichen Schneid der Kampslruppe, wir staunen über die Tollkühnheit unserer Flieger, aber wir ver« geflen darüber leicht die tapferen Kolonnen, die durch Gra- naten, Schlamm. Gas und Graus Wagen voll Lebensmit­teln, Material und Munition nach vorne führen. Dazu gehören feste Nerven, viel Gewandtheit, hohe persönliche Entschlußkraft und ein gut Teil eisernen Muts. Seht sie an. die wackeren Soldaten! Die meisten schon mit ergrau­ten Schläfen, in der Höhe des Mannesalters, Familienväter. Um wieviel schwerer wird solchen aus begreiflichen Gründen ihr verantwortungsvoller Berus I Aber entgegen all den ekn- stüimenden Gefühlen gibt der Feldgraue bei der Kolonne Beispiele erhebender Pflichttreue, Gewissenhaftigkeit und edelster Kameradschaft. Nur einige Streiflichter:

Munitionslager. In langer Reihe stehen die Wagen da, Granaten werden aufgeladen, eine Arbett, die körper­lich sehr anstrengt und zumal, da es Nacht ist, äußerste Vorsicht erfordert. Da löst sich ganz in der Ferne ein dump­fer Schuß; gleich darauf ein Gurgeln in der Lust, ein Grau­len und hohles Schluchzen, und mit fürchterlichem Krach reißt die Straße auseinander, Schotterfleine und Etsensplitter weit umherschleudernd. Ganz in der Nähe des Depots. Wenn eine hineinfiele . . .! Die Pferde wittern Gefahr, »erden unruhig, schnauben und stampfen. Und durch jeden einzelnen Mann geht ein heimliche» Zittern und Frieren. Nein, das ist keine Feigheit, das ist bloß avzumenschliche A/cht ^ Sterben. Der zweite Schuß kommt, zer- setzt eine Telegraphrnstange, biegt und zerbricht Stahlschienen wie dünnen Draht. Schon näher lag der! Aber es gibt keine Rast . . . Endlich ist geladen, »eit über den gewöhn- Itchen Satz, denn Roste und Wagen find knapp. Und die Kolonne setzt sich in Bewegung. Es ist sgerade an einer Straßenkreuzung. Plötzlich schiebt eine grelle Leuchtkugel mrrch die Nacht, und kurz daraus krepieren vier Bomben. Flieger! Ein Gespann ist beschädigt,'die armen Tiere schwer verletzt. Die anderen bäumen sich wild hoch, versuchen um- ^kehren oder sausen mit den beladenen 'Gespannen aufs Geratewohl durch die Dunkelheit. Jetzt geht» rechts ab übers Feld. Der Weg wird von den Franzosen dauernd unter Feuer gehalten. Die einzelnen Fuhrwerke fahren mit awß-n Abständen. Jedes Gefährt ist Mr sich; der einzelne Mann ist nun sein eigener Führer. G^w^ndt schlängelt er sich zwischen den unzähligen Trichtern durch, die Pferde sind

schlagen läßt, in werktätiger Betreuung aller Bestrebungen, die -er Linderung der Not, der Behebung von Schäden und der Weckung von Freude und Zudunftszuoersicht in trüben Stunden dienen. Kann es sür eine Frau höheres, schöneres Schaffen; für eine Fürstin fürstlicheres Wallen geben? Des Landes Dank, des ganzen Volkes Segens­wünsche darum zum morgigen Tage, der Gebe es Gott der letzt« Geburtstag sein möge, den unsere Königin von den Hüten des Krieges überschattet sehen muß. Steht ja doch auch in der Fürstin Herz gewiß der heiße Wunsch geschrieben, haß Königshaus und Volk recht bald aus den Tagefl des Ringens in die Gefilde eines schönen, glücklichen Friedens hinüderschreiien dürfen, Hand in Hand, wie im Schwabenlande Volk und Königshaus immer gegangen durch sonnige wie durch nebelgraue Tage.

Wrrnöschau.

Die 166. Kriegswoche war die Hindenburgwoche. Es galt, inmitten der stärksten Kriegsstünne ein frohe» vaterländisches Fest zu begehen, den 70. Geburtstag unseres Hiydenburg. Da zeigte es sich wieder einmal so recht deutlich, daß die Völker sich an ih'en Führern ausrichten. Es war nicht byzantinische Verhimmelung, auch nicht ge­dankenloses Hurraschreien, was uns om 2. Oktober »m Geiste um die Person des Generaffeldmarjcholls versammelte. Wir waren alle mit ganzer Serie bet ihm aus Dankbar­keit gegen den Retter in der Not. Wenn wir irgend ein greifbares Zeichen dafür suchen wollen, daß Gott die Deut­schen nicht verläßt, so erblicken wir es in der schlichen

schon todmüde. Aber es muß geschafft werden. Da gerät er mitten unter einen Feuerüberfall. Die verängstigten Tiere find nicht mehr zu halten, im Galopp rennen sie über das unwegsame Gelände. Mit einem Ruck hält er an, dgs Vorderrad steckt tief in einem schlammigen Granatloch. Der brape Fahrer fitzt ab und stemmt den Wagen unter Betreiben der Pferde bald wieder heraus. Und weiter gehts, hinein in eine der vielen, gesährli r eu Schluchten, die senk­recht zur Stellung laufen. Immer eiliger, immer hastender wird La« Tempo. Oft müssen Trichter durchquert werden, die bis zum Rande mit Wasser gefüllt find, so daß Tiere und Gefährt fast bis zur Hälfte ve.schwinden. Und jetzt nur nicht schießen I Denn da vorn kommt die Stell«, wo meistens ein Riegel von Sperrfeuer weiteres Vorwärts kommen iffi- möglich macht. Tote Pferde, zerrissene Gespanne, durch- einander geworfenes Material liegt dort in Hausen. Eil­ends hinweg über diese Stätte des Grauens. Eine Lage Feldgranaten heust an, hundert Meter davor schlagen sie ein, es gibt bloß einen gedämpften Knall. Gas! Im Ru ist die Gasmaske auf, und die Pferde haben den nassen Gasbeutel über Maul und Nase gezogen. Einige Salven werden noch abgewartet, dann gehts wieder voran durch die giftigen Dämpfe. Die Gläser beschlagen sich, das Atmen fällt schwer. Dom Weg ist nichts zu sehen. Noch «in kräftiges Anziehen, der Wagen kippt um; zur selben Se­kunde ei« Schlag, und der Fahrer wird durch einen h-stigen Druck ins Feld geschleudert. Als er sich erholt hat, findet er die ganze Munition im Schlamm, seine tieuen Pferde sind tot. Da steht er nun allein, mitten in der Nacht, ohne Kamerad oder Freund, umtost und umspritzt von den mordenden Granaten. Und dann kommt ein Beispiel äußer­ster Pflichterfüllung: trotz der Gefahr um ihn h:rum ar­beitet er den unversehrten Wagen wieder heraus, lädt die zerstreute Munition auf und wartet ans das nächste Ge­spann; dort koppelt er von den vieren zwei Tiere ab. spannt st« vor seinen Wagen und bringt gegen Morgen das Gefährt nach unsäglichen Schwierigkeiten befehlsgemäß in die Artilleriestellung. Die Fahrzeuge, die Glück hatten, kom­men nacheinander an. Doch alle sind es nicht. Mancher wurde zerschlagen unterwegs, die Pferde find verstümmelt und die braven, gewissenhaften Leute haben ihre Treue mit dem Leben bezahlt. Manche biieben wohl auch in einem wirren Drahtverhau oder im tiefen, zähen Schlamm stecken, es brach vielleicht eine Achft und es muß ausgrladen werden. Gasdunst hat Roß und Reiter betäubt, bei der furchtbar schweren Orientierung in der stockdunklen Nacht, links und rechts gehetzt von Granaten, oeririle sich ein Gespann und schleppt sich mühselig suchend durch die Trichteretnöden... Die Batterien liegen selbstredend unter schwerem Feuer; dt«

Tatsache, in der sch cksale schweren Fügung, daß, als nach den glänzenden Siegen im Westen die Lage im Osten sich zur höchsten Gefahr gesteigert hatte, ein schon im Ruhestand lebender, halb vergessener General von nichts weniger als 67 Jahren gesunden wurde, der im Verein mit seinem ge- treuen Ludendorff fast über Nacht den Alpdruck der rufst- schen Dampfwalze von uns nahm und mit Taten von un­erhörter Kühnheit den Sieg an feine geniale Kriegführung heftete. Es ist natürlich nicht sein alleiniges Verdienst, daß unsere tapferen Heere heute überall siegreich jdrr fünffachen Uebermacht trotzen; unendlich Bieles haben auch außer den Truppen selbst andere Generale und Unterführer geleistet. Aber Htndenburg ist wie welland Moltke die Persönlichkeit, die uns den Sieg verkörpert, ja er ist uns mehr: da uns ein Bismarck fehlt, wendet ihm heute die deutsche Volks­seele all das Vertrauen und alle die Verehrung zu, die str vor 47 Jahren sür Bismarck und Moltke zusammen hegte. Wer weiß wozu die Kraft, die von seinem Namen aus- strömt, noch bestimmt ist! Unter seiner Führung werden wir, darüber herrscht kein Zweifel, die schreckliche Prüfung erfolgreich Überstehen; unter seiner Führung, das hoffen wir wenigstens, wollen wir zum äußeren auch den inneren Frieden wieder finden, den Sieg, der noch schwerer ist als der über die Feinde, den Sieg über den alten deutschen Erbfehler der inneren Zwietracht.

Die zahlreichen Fliegerangriffe dieser Woche, bei denen Stuttgart den ganzen Borzug einer Haupt- und Residenz- stadt genoß und im französischen Heeresbericht sogar zum Rang einet befestigten Stadt erhoben wurde, taffen die Nervosität der Feinde erkennen. Alle Mittel, selbst die

Munttionswagen machen in genügender Entfernung schon Halt, die Begleitmannschaft lädt aus und muß durch Spltlter- regen und Schrapnells hindurch die dicken Zuckerhüte bi» zur Stellung schleppen. So schleifen sie gewissermaßen den kalten Tod in thren Armen. Es ist ihre Pflicht. Jeder hatte geschworen, als er in den Krieg zog. in bitterem, hei­ligen Ernst, Leib und Leben nicht zu achten diesen höchsten Gütern gegenüber. Und er schasst sein grauenvolles Hand­werk still ergeben.

Hier und dort sinkt ein Kamerad getroffen zusammen; einige Schöffe fitzen mitten unter den Fahrzeugen, so daß von verwundeten und w!ldgewordenen Pferden, von stark beschädigten Wagen ein wüster Knäuel entsteht. Da müssen trotz höchster Gefahr Samartterdienste geleistet und Aus- befferungsarbeiten gemacht werden, Proben von schönem Heldenmut. Unterdessen graut der Morgen, das feindliche Feuer steigert sich. Wenn die Wagen eingesehen werden, sind sie verloren. Nun schleunigst aus der Stellung und zurück. Aber schon rattert ein Flugzeug über ihnen, das Maschinengewehr hämmert, todbringende Kugelu umschwirren sie mit garstigem Pfeifen. Sie Überstehens diesmal mit knapper Not. Und dann wiederholt sich der unendl ch beschwerliche Weg über Baumstämme, durch raufend Morast- fern, vergaste Mulden, Sperrseuerriegel. Gestrüpp und Stachel­draht; der grausame Weg mit Räderdruch, Flickarbeiten, Seelenangst, Blut und Wunden . . . Endlich im Ruhe- quartier. Nur ausschlafen jetzt, alle Leiden vergessen und neue Kräfte sammeln für die kommende Nacht. Ruhe- quartier!' Wie Hohn klingt das Wort. Weittragende Ge­schütze haben auch diese Plätze da hinten nicht vergessen und schicken ihre Grüße. Mit Höllenherilen plumpsen schwere Granaten mitten ins Dorf ; die Erde bebt und Flammen lohen aus Häusern und Ställen. Der Sri muß möglichst eilig geräumt werden. Und da sind die Leute, die ganz aus eigenem Antrieb, ungeachtet der fortdauernden Be­schießung, stch blindlings in den Feuerherd stürzen, Verletzte und Erstickende und Verschüttete heraustragen. Pferde bergen. Material reiten und durch rasches Einreißen den um stch greifenden Brand beschränken. Das heißt man Tatkraft, gepaart mit edelster Kameradentreue.

Nur einige Streiflichter, flüchtige Blicke in das Leben und Treiben unserer Kolonnen. Sie zeigen uns soviel von hartem Dulden und mannhaftem Ertragen. Ohne Unter­schied haben Fuhrpark- und Munitionskolonnen während der Berdunschlacht ihr Bestes gegeben und in vorbildlicher Weise, Führer und Untergebene, hervorragend mitgrholfen, den Feind an der festgefügten deutschen Mauer auszuhalten, unerbittlich im Schaffen, unermüdlich im Helsen, wacker in Gefahr, mit wahrer Mannes- und Soldatenireue.