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Ferssprecher 29.
91. Jahrgang.
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97
Freitag» den 27. April
1917
Mit UW Tmeu verseM.
Wir entnehmen dem „Berliner Lok. Anz." Abhandlung über eine
solgende
Welthungersnot!
Dom Geh. Regisrungsrat Dr. Gustav Seibt.
Ob die Wllt im nächsten Winter wird hungern müssen, hängt von Nordamerika und Rußland ab. denn Nordamerika und Rußland st d die beiden großen Bersorguvgsge- biete in der Welt sür Brotgetreide. Nordamerika ist Im ganzen noch etwa? wichtiger als Rußland, wenn man unter Nordamerika n'cht bloß die Bereinigten Staaten, sondern auch Karada miivrrsteht, dessen Weizenaussuhr bei der dünnen Besiedelung des Lande« derjenigen der Bereinigten Stoatrn kaum nachsteht. Nordamerika wie Rußland fi:-d Lö de; der nördlichen Erdhälfte und bringen ihre Ernten m der Hauptsache im Juli urd August rin. 3m Herbst jeden Ivhcrs beginnt also die große Getreideflut auf den Weltmarkt zu strömen, die aus den Speichern Nordamerikas und Rußlands sich mittels der Schienen» und Schiffahrtsweg- nach den Berbrauchsländern ergießt. In Fiedenszeiten verstärken noch Rumänien und Bulgarien den Ge'retdestrom, der vom Schwarzen Meer her hauptsächlich aus Rußland gespeist wird. Aber diesmal werden die Ernten nicht Donauabwärts. sondern Donauaufwärts nach Mitteleuropa gehen. Wird der amsrikanisch-rusflische Gerretdeüberschuß groß genug sein, um die Einfuhrländer im Herbst und Winter 1917 und 19-8 genügend zu versehen? Wenn er versagt, wird Knappheit und selbst Hungersnot in allen Ländern eintreten, die auf ihn angewiesen sind. In erster Linie ist dies England und immer wieder England, daneben Fra-rkceSch. Italien uad Belgien. Auch die nordischen Länder, die Niederlande und Schweiz wü den dei Tslreldemangei leiden.
Rußland ist bisher vom Weltverkehr so gut wie abgeschnitten. Solange der Krieg dauert, Kaan von einer Getreideausfuhr höchstens in ganz geringfügigem Maße die Rede sein. De: W g über die stbtr schs Bahn ist zu lang, und mich der zum Ersmeer ist nicht kurz, und dazu drohen dort die Unterseeboote. Ala noch zur Zeit der -arischen Regierung einmal wegen der Bereitstellung einiger hunderttausend Tonnen Getreide für Frankreich und Italien verhandelt winde, wurde die Befördermigsmöqllchkeit sehr an-
gezweifelt. Die Berkehrsnot ist es ja gerade, die die ver- sorgungeschwierigkeiten in Rußland selbst in erster Linie verursacht. Ehe Rußland sich nicht selber Helten Kana, wird es auch seinen Verbündeten nicht im geringsten bei- stehen können. Bleibt also zunächst nur Nordamerika übrig. Bon dort aber kommt ein schlechter Ostergruß. Das Ackerbauamt in Washington hat einen Bericht Liber den Stand des Winterweizens herausgeget en, wonach die Aussichten schlimm ft, Herr. Bessern sich die Saaten nicht außerordentlich, oder bringt nicht der Sommerweizen, der freilich weniger wichtig ist als der Wirikerweizen, eine glückliche Ueberraschung, so werden die Bereinigten Staaten von der kommenden Ernte nichts am führen können. Schon 1916 war die Ernte in den Bereinigten Staaten so schlecht, daß sie zur Ausfuhr kaum fähig gew sen wären, hätte nicht die ungewöhnliche Ernte von 1915 so große Vorräte Hinterlasten, daß sie noch immer Weizen abgeben konnten. Die Fehkernte, die in den Bereinigten Staaten nun zum zweitenmal droht, dürste nicht bloß aus schlechtes Wetter, sondern wie auch im Borjahr auf eine starke Verminderung der Anbaufläche, aus Mangel an Arbeitern und Düngmitteln zmückzujühren sein — lauter Umstände, die eine Wirkung des Krieges sind. In meiner kürzlich erschienenen Schrift über „Me Aushungerung England" (im Berlage von August Scherl G. m. b. H. 50 Pfg.) ist dies näher bargeian. Dort ist auch ausgeführt, daß sür das Nachbarland Kanada die Verhältnisse wenigstens 1916 WNZ ähnlich lagen. Ts darf deshalb gesagt werden, daß di« Wahrscheinlichkeit, ganz Nordamerika werde im Herbst 1917 nur eine geringe Ernte einbringen, weit größer ist als das Gegenteil.
Bekanntlich ist die Teurung in den Bereinigten Staaten bereits sehr schlimm. Weizen steht 2V,mal so hoch wie vor dem Kriege — man überlege was es heißt, 2*/, mal so hoch? Alle anderen Lebensmittel sind sehr stark, wenn auch nicht ganz in gleichem Maße im Preise gestiegen. Die Regierung hat vor Längerer Zeit einen Untersuchungs- Ausschuß eingesetzt, um die Ursachen der Teurung festzu- stkürn, und nunmehr kommt die Nachricht, daß bereits ein Ledensmtttelkommissar für das Land bestellt sei. Bezeichnend ist auch die Bewegung der Getreidepreise an der Börse. Chigago ist der größte Terminmarkt der Welt sür Getreide/ Bisher rechnete man nach dem Frieden aus
wrsentlich billigere Preise, und deshalb standen für die ferneren Termine, wie August und September 1917 die Notierungen beträchtlich niedriger als für sofort lieferbare Ware. Nunmehr sind gerade di« Notierungen sür Herbst, ablieserungen stark gestiegen. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, wie die schlechten Ernteausstchten aus die Börse wirken.
Der Getreidebedarf Englands, Frankreichs und Ita- liens ist schon für das Erntejahr 1916/17 auf 10V, MM. Tonnen anzunehmen gewesen. Für das kommende Ernte- jahr 1917-18 wird er noch größer sein, denn trotz alle» Bemühungen ist schon in allen drei Ländern ziemlich klar, daß die Erträge der Landwirtschaft noch geringer sein wer- den als im Borjahr. Bet mittlerem Ernteausfoll würden die Bereinigten Staaten und Kanada die Hälfte des Bedarfs in Höhe von reichlich 5 MM. Tonnen decken können. Bessern sich aber die Ernteausstchten in Amerika nicht, so wird jeder Ueberschuß für Ausfuhr fehlen. Der gesammte Eigenbedarf Nordamerikas beläuft fich aus etwa 24 MM. Tonnen. Bei gewaltsamer Beschränkung dieses große« Verbrauchs im eigenen Lande würden die Regierungen der Bereinigten Staaten und von Kanada vielleicht einige MM. sür England sreimachen können. Die Lieferung oo« 5 MM. Tonnen, wie sie sonst unter regelmäßigen Ber- hältnissen möglich ist, aber dürste sich kaum durchsetze« lasten, vollends ist es ganz aussichtslos, etwa den gesamten Bedarf von 10 Millionen Tonnen aus Nordamerika decke« zu wollen.
Die Ernten der südlichen Halbkugel, nämlich diejenigen von Argentinien, Australien und Indien, komme« erst vom neuen Jahr 1918 an auf den Markt. Sie können zusammen aber höchstens 5 bis 6 Millionen Tonne» liefern. Treten schlechte Ernten «in, so verlagern sich ihre Ansfuhrmöglichkeiten. England und seine Verbündeten werden nicht in der Lage fein, irgendwo ihren gesamte« Bedarf einzudecken, und selbst wenn die südliche Erdhälfte leistungsfähiger bleiben sollte, als es für die nördliche Erd» Hälfte wahrscheinlich ist, so wird die Heranschaffung so großer Getreidemasten von dorther angesichts der Verringerung des Schiffsraums, die noch immer schlimmer wird, nichß möglich sein.
Die Möglichkeit dieser Entwicklung war schon im Herbst 1916 ins Auge zu fasten. Denn die Dardanellen wäre»
Vsi* Meg ÄSS L-eßcksns.
Roman aus dem Schwedischen von E. Kuylenstierna-Wenster. 231 (Nachdruck verboten.)
Und sie behandelten das Fräulein mit der herablassenden Nachlässigkeit, die als Händedruck gleichsam zwei Fingerspitzen reicht, ohne einen Augenblick daran zu denken, wie wohl anderen ein bißchen Herzensgüte täte.
Wenn dann endlich der Tag zu Ende war und Gunvor in ihr kleines, möbliert gemietetes Zimmer zurückkehrte, dann fühlte sie sich oft im Gemüt ebenso abgespannt wie im Körper. Sie war ja früher nie an eine so maschinenmäßige Arbeit gewöhnt gewesen, und diese zehrte -nun ebenso an ihren Seelen- wie an ihren Körperkräften. Wenn aber auf dem wackligen Spieltisch, der als Schreibtisch diente, ein Brief von Alf lag, dann wurde es gleich Heller in ihr. Und sie machte sich sofort an die Beantwortung.
Eines Sonntags, als sie wegen Überhäufung von Aufträgen auch im Atelier beschäftigt gewesen war, begegnete ihr ein junges, sonntäglich gekleidetes Paar, das rhr Arm in Arm entgegenkam und Gunvor froh und bekannt grüßte.
Gunvor besann sich einen Augenblick. Ach ja, es waren ihre früheren Klassenlameraden Lina Andersfon und Per-Erik Nordin. Rasch blieb sie stehen. Seit Monaten mar sie mit niemand zusammengetroffen, der nach ihr fragte, und mit diesen beiden konnte sie außerdem von Alf sprechen; ganz unpersönlich, nur wie eine Fremde natür- uch, aber diese beiden hatten ja Alf geschätzt, und ihr wurde es imnierhin den Mut stärken, wenn sie etwas Gutes über ihn hörte.
„Darf man gratulieren?" fragte sie freundlich, indem ne den beiden die Hand reichte,
.. ,,Jawohl, liebes Fräulein!" antwortete Lina mit
strahlendem Gesicht. „Ja, denken Sie sich, Per-Erik, der gefeierte Per-Erik ist schließlich doch mein Mann geworden."
Per-Erik sah ein wenig verlegen aus. als er vor seiner
alten Flamme stand, die ihn überdies nicht „gefeiert" hatte; aber Gunvor war ganz natürlich, erkundigte sich, wie es ihnen gehe und seit wann sie verheiratet seien.
„Seit einem halben Jahre", sagte Lina entzückt. „Liebes, gutes Fräulein, besuchen Sie uns doch einmal und sehen Sie, wie es bei uns ist. Sie würden uns eine große Freude damit machen."
„Ja. ganz gewiß", fügte Per-Erik hinzu.
Gunvor versprach, das Paar an einem Sonntag zu besuchen: und sie hielt Wort. Einige Wochen später, an einem kalten, frostkalten Novembernachmiitag, als sie sich unerträglich einsam fühlte, suchte sie Nordins auf, bei denen es außerordentlich hübsch und freundlich aussah.
Lina wollte für ihr gnädiges Fräulein durchaus Kaffee machen, während Per-Erik die Unterhaltung führte.
Gunvor saß auf dem kleinen, harten, selbsthergestellten Sofa, das doch deutlich ein Prachtmöbel des Zimmers bildete. Sie sah sich mit einer gewissen genußsüchtigen Sehnsucht im Zimmer um, und obgleich ihr diese nach der Billigkeit zusammengekaufte Einrichtung durchaus keinen überwältigenden Eindruck machte, so sagte sie doch, eigentlich zu sich selbst: „Welch ein angenehmes Bewußtsein muß es sein, wenn man so eine kleine, feste Heimat hat!"
„Ja, wir haben so rasch wie möglich geheiratet", sagte Per-Erik. „Denn sehen Sie, bei langen Verlobungen heißt es oft: So lange das Gras wächst, stirbt die Kuh . .
„Was meinen Sie damit, Herr Nordin?"
„Ich meine, die Liebe verliert, den Glanz, wenn man sie zu oft betastet. Da ist es bester, man macht alles gleich fest."
„Ja, wenn man kann."
„Mit den Ersparnissen und der Einrichtung muß man freilich ein wenig Geduld haben, wenn man nicht schon jahrelang darauf gespart und geschafft hat; aber wir meinten beide, man könnte sich die Sorge zu zweit leichter vom Leibe halten als allein."
Gunvor schwieg, sah aber Per-Erik mit einem warmen, verständnisvollen Blick an. Wie sehr wünschte sie. Alf möchte doch denken wie er und auch lieber alles
wagen, anstatt keinen Fußbreit von seinen Forderungen abzugehen!
Beim Kaffee kam das Gespräch auf die Abendschule. Per-Erik schien jetzt seine Scheu überwunden zu haben und er und Lina ergingen sich in hohen Liedern über Ingenieur Malmberg.
„Ja, so einen Lehrer, so gerecht und so gütig, kann man lange suchen", sagte Lina.
„Allerdings, er war außerordentlich tüchtig", stimmte Per-Erik bei. „Und er bringt es auch gewiß noch recht weit in der Welt."
„Wissen Sie, daß er nach Amerika gegangen ist?" fragte Lina.
„Ja", antwortete Gunvor leise.
„Und dahin paßt er auch, denn er hatte etwas, daS einfach alle Hindernisse aus dem Weg räumt. WaS er wollte, das wollte er", fiel Per-Erik ein.
„Aber ein fester Wille ist doch auch hier im Lande von Nutzen", entgegnete Gunvor.
„Allerdings: aber Ingenieur Malmberg hatte nicht nur einen starken Willen, er konnte sogar hart wie Eisen sein, und ich glaube, er würde eher das Liebste, was er auf Erden besitzt, unter die Füße treten, als nur einen Zollbreit von dem abweichen, was er sich vor» genommen hat."
Diese Worte klangen Gunvor noch mehrere Tage lang mit peinlicher Deutlichkeit in den Ohren. Als sie sich nach dem Besuch bei Nordins in ihrem eigenen Zimmer klar zu machen versuchte, warum sie sich bei Leuten, die sie doch recht wenig kannte und die überdies als Umgang nie für sie in Betracht kommen konnten, behaglich gefühlt hatte, mußte sie sich voller Scham gestehen, daß ihr Beweggrund recht kleinlich gewesen war: Es hatte ihr wohlgetan, wieder einmal als Fräulein von Hartvig, als ein gefeierter, geehrter Gast behandelt zu werden. Sie hatte das Gefühl gehabt, als kehre sie bei treuergebenen Dienern ein, die ihrer früheren Herrin nicht Gutes genug erzeigen könnten, und sie hatte unbewußt eine freiere, stolzere Art zur Schau getragen, als während der langen Arbeitstage. (Fortsetzung folgte
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