Deutscher Reichstag.
Berlin. 24. April. WTB.
Präsident Dr. Kämps eröffnet die Sitzung um 2.30 Uhr.
Auf der Tagesordnung stehen zunächst Anfragen.
Abg. Dr. Äscher (F. D): Das Hamburger Fremdenblat! bringt Enthüllungen über feindliche Attentats- versuche, die daraus hinztelen, mit Hilfe französischer Gefangener in teuslicher Art Seuchen in Deutschland zu oer- breiten und die uns unentbehrlichen Nahrungsmittel zu zerstören. Ist der Herr Reichskanzler bereit, Auskunft zu erteilen über das weitere Ergebnis der amtlichen Untersuchung, insbesondere darüber, ob sich ein Miwerfchulden der französischen Regierung an diesem entmenschten Treiben «geben hat?
Generalmajor Friedrich: In einem Paket an einen Kriegsgefangenen wurden in einem Buche fünf Zettel ge- sunden. di« in Schlüssels trist Aufmunterungen an die feind- lichen Kriegsgefangenen zur Zerstörung, Brandstiftung, Cr- regung von Viehseuchen. Schädigung der Kattoffelaussaat und Ernte enthalten. (Zuruf: Kulturnation!) Außerdem ergab der Inhalt der Zettel klar, daß es sich um einen großangelegten Plan handelt, Deu sästand wirtschaftlich schwer zu schädigen. Zwttftllos ist die G fahr groß. Die Be- völkerung ist aufgeklärt worden; eine verschärfte Durchsuchung aller Postsachen an Kriegsgefangene wurde angeordnet. Sollte diese nicht genügen, so wird zu weiteren Maßnahmen geschritten werden. Die verschärfte Durchsuchung hat die Bestätigung gebracht, daß es sich um eine weitverzweigte Organisation handelt. (Unruhe.) Der Beweis, daß die französische Regierung ihre Hand im Spiels hat, ist bisher noch nicht erbracht worden.
Die übrigen Gegenstände der Tagesordnung, Petitionen und Rechnungsscchm werden ohne Aussprache erledigt.
Der Präsides schlägt vor, die nächste Sitzung am 2. Mai nachmilttgs 2° Uhr abzuhallen mit der Beratung des Etats des Reichsschatzamtee. des Rechnungshofes, des allgemeinen Penston-foiids. der Post und Telegraphenvsrwal- lung und der Rekchsdruckerei.
Schluß V.4 Uhr.
Aus Stadt und Bezirk.
Nagold, 26. April 1917.
Ehrentafel.
Musketrer Georg Rapp. Würlt. Ins.-Rkgr. 119. Sohn des Christian Rapp von Unterschwandorf, wurde mit dem Eisernen Kreuz II. Klaffe ausgezeichnet.
' — Stuttgarter Geld und Pferde-Lotterie.
Die auf 21. April 1917 festgesetzte Ziehung wurde aus garantiert 4. Mai 1917 verlegt.
r Der Haushalt im Keiegsfrühliug LSI? Selten. oder vielleicht nie, ist die Frau so in die großen Welt- geschehniffe hineingezogen worden w!e heute. Auch in chre Hand sind die Lose und das Schicksal des Vaterlandes gelegt. Bon ihrem Fleiß, ihrer G schtcklichkeit, ihrem er- stndertschen Sinn am häuslichen Herd, hängt es nicht zum kleinsten Teile ab. ob wir dukchhelten können. Es heißt ober für jede Frau jetzt Neues lernen in der Küche und i« Haushalt überhaupt. Wir sind mit unserer Kochkunst «och lange nicht am Ende, das hat uns der Krieg gezeigt. Es handelt sich freilich jetzt nicht dämm, Leckerbissen her- zustelle», sondern darum, wie wir bei der Knappheit der Lebensmittel und bei dem Fehlen so vieler Substanzen dennoch eine ausreichende Mahlzeit bereiten. Wir sind durch unsere Feinde, die uns aushurrgern wollen, daraus angewiesen, auf Entdeckungen auszugehen und es zeigt sich und hat sich schon gezeigt, wie der Mensch, wenn er in Not ist. erfinderisch wird, wie schnell er lernt, von althergebrachten Gewohnheiten und Bedürfnissen abzugehen und neue Wege zu betreten.
Aus dem übrige« Württemberg, r Kirchhein» «. T. Das Oberamt gibt folgendes bekannt: Dem Obsrautt sind in letzter Zeit wkdecholt Anzeigen von Landjägermannschasten zugegangen, wonach m den Mühlen vielfach Frucht vorgesunden wurde, die teilweise aus Gerste, teilweise aus Dinkel oder Weizen be- stand, obgleich der Wahlschein nur auf Gerste lautete. Diese unerlaubte Mischung von Gerste und Brotgetreide hat offener keinen andern Zweck, als Lkfts zu Verkütkerung an Schweine, Rinder usw. zu reimenden. Bei der Knappheit unserer Brotmehloorröte kann dieses gew ssen ose Treiben einzelner Landwirte nicht scharf genug verurteilt werden. Nachdem jetzt wiederholt di wegen von den Behörden und von der Presse Mahnungen und Warnungen er- Mgen find, wird das Oderamt künftighin rücksichtslos bet derartigen Verfehlungen den betreffenden Landwirten ihren gesamten Vorrat an Brotgetreide und Mehl abneh- nun lassen und sie auf Brotkarten setzen. Di« Landjäger- Mannschaften erhalten den Auftrag außerhalb ihres Streif- bezirks in den nächsten 8 Tagen sämtliche Schrotmühlen daraus su prüfen, ob sie ordnungsgemäß verschlossen und versiegelt sind.
Letzte Nachrichten,
sämtlich» 6L6.
. . Weuf, 26 April. Drahtb. „Echo de Paris« mel- oer: Alle Vorbereitungen hinter der Front lieben die Wie- oeraufnahme der schweren Kämpfe erwarten. Die Alliier »« Feldherr er» feie« entschlossen den Krieg zu ^«de zn bringe», (d-)
Lugano, 26. April. Drahtb. Die Mailänder und die römischen Zeitungen von Montag bringen übereinstim- mend an die Adresse Frankreichs gerichtet Auslassungen, die die Unmöglichkeit für Italien begründen infolge seiner besonderen Frovtverhältniffe an der allgemeinen Offensive teilznnehme«. (dr.)
Zürich, 26. April. Drahtb. Der .Lorriere" meldet aus Paris: Die französischen militärischen Kreise versichern, daß die franzöfische« Offenfivfchlachte« bereits Ende April ihr natürliches Ende fände«, während die« vorjährige Offensive noch 3 Monate Dauer umfaßte. Eine Aenderung des Angriffsplanes sei in Haver beschlossen worden, (dr.)
Basel, 26. April. Drahtb. An der Hand englischer Tabellen, so meldet der Anzeiger, ist festzustellen, daß der Gesamtoerkehr Englands auf ein Viertel des Standes vor dem Krieg gesundes ist. (dr.)
Berlin, 26. April. WTB. Drahtb. Amtlich wird mitgetellt: Am 23. April nachmittags hat eines unserer Marinelustschiff« in der Nordsee die norwegische Bark.Royal" (688 Bruttoregislektonnen), die mit Grubenholz nach West- hartlepol unterwegs war, aufgebracht und durch ein an Bord gesetztes Prisenkommando nach einem deutschen Hasen bringen lassen. _
Die Kriegslage a« Abend de- SS. April.
Berlin, 28. April. WTB. Drahtb. Abend«. Amt- lich wird mllgeteilt:
BeiArraS griffen die Engländer nur aus dem Eüd- ufer der Scarpe, nördlich Monchy, dreimal an. Dreimal sind sie dort verlustreich zurückgesch'agen worden.
An der AiSne und Champagne-Kront Lage unverändert.
Im Oste» nichts Neues.
Familiennachrichte».
Gestorben
Frida Rauschenberger. 16 Jahre alt, Herrenberg: Elias Schäfer, Steinhauer, Wendelsheim.
Im Felde gestorben: Unteroffizier Heinrich Mayer, Lehrer, Sillt- steiu; Unterosstzier Fritz Stickel, L3Vr Jahre alt, Neuweiler.
Mntnchl. Wetter am Freitag «nd Samstag.
Teilweise bedeckt, vorwiegend trocken und mäßig kühl.
Für dieSchrtktkitung verantwortlich 1k. O.Braun. Nagold.
Dnuk «. Berla, der «j>. W. Zatfer'fchen Buchdruckerei <«arl Zatser) Nagold
Amtliches.
Bekanntmachung der Reichsbekleidnngsstelle übe« Beschlagnahme und Enteignungen -nrch die ReichsbekLeiduugsstelle.
Vom 4. April 19 l 7. (Reichsanzeiger Nr. 82.)
Auf Grund der Bundesratsverordnung Über Befug- niffe der Reichsbekletdestelle vom 22. März 1917 (R ich,- Grsetzbl. S. 257)* wird folgendes bestimmt:
I. Beschlagnahme.
K 1. Beschlagnahmen auf Grund von ß 1 der Bun- desralsverordnung über Befugnisse der Reichsbekleidungs- stelle vom 22. März 1917 erfolgen durch schriftliche e« des Besitzer der Gegenstände zu richtende Anordnung oder durch öffentliche Bekanntmachung.
Die Beschlagnahme wird wirksam, sobald di« Anordnung dem Besitzer zugeht oder mit Ablauf des Ausgabe- tage« des amtlichen Blattes, in dem die Anordnung amtlich veröffentlicht wird.
§ 2. Besitzer von beschlagnahmten Gegenstände« sind verpflichtet, diese auszubewahren, sie pfleglich zu behandeln und dir zu ihrer Erhaltung erforderlichen Handlungen vor- zunetzmen.
8 3. An den beschlagnahmten Gegenstände» dürfe«, unbeschadet der Bestimmungen des § 2. Veränderungen, insbesondere Lrtsoeränderungkn. nicht vorgrnommen werden. RechtszeschäMche Verfügungen über sie find verboten. Den rechlsgeschöfttichm Verfügungen stehen Verfügungen gleich, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrest- Vollziehung ersten.
Z 4. Die Wirkungen der Beschlagnahme endigen mit der Enteignung oder mit der Freigabe.
II. Enteignung.
Z S. Da» Eigentum an den im tz 1 der Bundesrat,. Verordnung über Befugnisse brr Reichsbekieidungsstelle vom 22. März 1917 bezeichnet«» Gegenstände kann durch Anordnung brr Reiqabekleidungsstrlle aus eine in der Anordnung zu bezeichnende Person übertragen werden.
§ S Die Anordnung des K 5 kann an den Besitzer solcher Gegenständ« gerichtet werden oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Im ersteren Falle geht das Eigentum über, sobald die Anordnung dem Besitzer zugehl, im letzteren Falle mit dem Ablauf des Ausgabetages des amtlichen Blatte«, in dem die Anordnung amtlich veröffentlicht ist.
8 7. Der von der Anordnung Betroffene ist oerpflich- tet, dt« Gegenstände ordnungsgemäß zu verwahren, sie herauszugeben, auch aus Verlangen und Kosten der Erwerbers zu überbringen oder zu versenden.
8 8. Dcr Uebernahmepreis wird von der Reichsbe- klridungsstelle festgesetzt.
Ist der von der Anordnung Betroffene mit dem durch die Reichsbtkleidungsstrlle festgesetzten Uebernahmepreis nicht einverstanden, so kann er Festsetzung diese« Preises durch das Rkichsschiedzgericht für Kriegswirtschaft beantragen.
8 9. Der Uebernohmeprei« ist bar zu zahlen. Tr kann bei Ungewißheit über den Empfangsberechtigten einbehalten werden.
Berlin, den 4. Apr« 1917.
Reichs bekleidunasstelle.
Geheimer Rat Dr. Beutler. Reichvkommtffar für bürgerliche Kleidung.
Bekanntmachung deS Stellvertreters -es Reichskanzlers über die Sicherung der Acker- nnd Garteubestelluug.
Dom 9. März 1917 (Reichs-Gesetzbl. S. 225).
§ I. Die umere Verwaltungsbehörde ist nach näherer Anordnung der Landeszentralb: Hörde befugt, die Nutzungsberechtigten von Landoütern und landwirtschaftlichen Grundstücken mit kurzer F-ist zu einer Erklärung darüber auf- zufordern, ob sie ihre gesamte Ackerfläche bestellen wollen oder welche S Ücke davon unbestellt bleiben sollen. Die Möglichkeit der in Aussicht genommenen Bestellung ist auf E fordere glaubhaft zn machen. Die Aufforderung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.
8 2. Soweit der Rutzurwsberechttgle die Bestellung nicht übernimmt oder die Möglichkett der Bestellung nicht glaubhaft macht oder die Aufforderung unbeantwortet läßt, oder wenn er nicht erreicht werden kann, ist die untere Verwaltungsbehörde befugt, die Nutzung des Grundstücks mit Zubehör ganz oder zum Teil längstens bis Ende des Jahres 1918 dem Berechtigten zu entzirh n und dem Kam- munalverbande zu übertragen.
8 3. Der Kommmmloerband hat bei der Nutzung des Grundstücks nach den Reg« ln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zu versah en, soweit dies nrch den besonderen durch den Krieg geschaffenen Be hältnissen tunl ch ist. Inwieweit der Kommunaioerband dem Nutzungsberechtigten eine Entschädigung zu gewähren Hai, bestimmt die untere Berwaltnngsdehörde bei der U benragung. Für die Aufwendungen des Kommunaioerband» hat der Eigentümer oder sonstige Berechtigte nicht einzutreten.
8 4. Aus Gründen der Billigkeit kann die untere Verwaltungsbehörde die Rückgabe der Grundstücke an den Berechtigten bereits zu einem frühere« Zettpm kt als dem zunächst bestimmten verfügen. Bei der Auseinandersetzung (§ 5) hat ein angemessener Ausgleich zu erfolgen.
8 5. lieber die Auseinandersetzung zwischen dem Kommuneloerband und dem Eigentümer sowie den sonstigen Nutzungsberechtigten beschloßt auf Antrag die untere Berwaltungsbehördr nach billigem Ermessen unter Ausschluß des Rechtswegs.
§ 6. Gegen die Bersügungen der unteren Verwaltung«- behörde nach 88 1 bis 4 ist binnen einer Woche, gegen die Beschlüsse nach 8 5 binnen einem Monat die Beschwerde bei der höheren Verwaltungsbehörde zulässig. Die Ent- schetdung ist endgültig.
§ 7. Die Laudeszentralbehörde erläßt die erforderlichen Ausfiihrungsoorschrlsten.
8 8. Die Borschrtsten dieser Verordnung finden aus städtische, zur landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Nutzung geeignete Grundstücke entsprechende Anwendung.
8 9. Soweit di« Sicherung der Acker- und Garten- bestellung im Wege der Landesgesetzgebung herbeigesührt ist, finden die Borschriften dieser Verordnung keine Anwendung.
8 10. Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verkündung in Kraft.
Verfügung des Ministerin«- deS Inner» über die
Sicherung der Acker und Gartenbrstrllnug.
Zur Ausführung der Bunderatsverordnung über die Sicherung der Acker- und Garlenbestellung in der Fassung der Bekanntmachung der Stellvertreters de- Reichskanzler» vom 9. März 1917 (Reichs-Gesetzbl. S. 225) wird auf Grund de» § ? derselben bestimmt:
1. Kommualverbände im Sinne der Verordnung find die Selbständigen Gemeinden.
2. Untere Berwaltungsbehördr« im Sinne der §§ 1 bl» 4 der Verordnung sind die Siadtdirektton Stuttgan und die Oberämter, im Sinne de» § 5 die Bezirksräte.
3. Höhere Verwaltungsbehörde im Sinne der Verordnung ist die Zentralstelle für die Landwirtschaft.
4. ß 2 der Verordnung ist durch Art. 1 Ziff. 3 der Bundesratsverordnung über die Sicherung der Ackerbe- stellung vom 9. März 1917 (Reichs.Grsetzbl. S. 224) neu eingefügl worden, wogegen durch Art. 3 der letzteren Berord- nung die Bundesratsoerordnung über die Bereitstellung von städtischem Gelände zu Kletrieattenbestellung vom 4. April 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 236) aufgehoben wurde. Es sollen damit nach wie vor alle Grundstücke in Berhältniffen, die einen städtischen Lharoltter tragen, erfaßt werden.
5. Auf da» Verfahren im einzelnen finden auch tm Salle des § 8. die Vorschriften de» Ministerialerlasses vom 14. April 1915, betreffend die Sicherung der Ackerbe- stellung (Kriegsbeilage l zum Amtsbl. des Min. d. I. S. 187) Anwendung.
6. Gegenwärtige Verfügung tritt mit dem Tag ihrer Verkündung in Kraft. Durch sie werden die Bekannt- machungen des Ministeriums des Innern über die Siche- rung der Ackerbestellung vom 14. April ISIS (Staalsan- zeiger Nr. 87. Kriegsbeilage l S. 185) und vom 7. August 1916 (Staatsanzeiger N'. 184 Kriegsbeilage VIII S. 363) sowie über die Bereitstellung von städt schem Gelände zur Kleingattenbestellung vom 17. April 19l6 (Staatsanzeiger Nr. 92. Kriegsbeilage VIl S. 205) ersetzt.
Stuttgart, den 19. April 1917.
Fleischhauer.