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Samstag, den 24. Februar
1917
Zum Geburtstag des Königs.
Krnstunö heilig ertön' unser Schwur: Aern Könige Hreu',
Aern Water des Landes,
Asm Schirmherr« öes Schwachen,
Der, furchtlos im Sturm, Im Waffenbund treu, Aas Warmer trägt Won Kirschen und Leu,
Wnd allezeit
An feines kühnen Kaisers Seit' Isurchtlos ist und treu bereit Jür des Weiches Kerrlichkeit.
Noch starrt die Welt in Waffen, noch fährt die Kriegsfurie mit weithin brennender Mordfackel durch Europas Länder und weit darüber hinaus, legt ihre blutbespritztm Hände an den Eisen- und Feusrwal! der langgestreckten Heeresmassen, die daran gehen, zum letzten, größten und blutigsten Schlag auszuholen, der den Völkern die Entscheidung über ihr Schicksal bringen soll.
Und in dieses gigantische Ringen zweier Weltanschauungen fällt zum dritten Mal der Geburtstag unseres Königs.
Still und schlicht, wie in den oergsngenen Jahren, weil in ernstester Stunde schwarze Wolken dte Aussicht des nahenden Friedens noch immer verdüstern, well Trauer und Sorge schwer auf Land und Volk lasten, so begehen wir auch dksss Jahr des Königs Geburtslag.
D»e Wunden, die der Weltkrieg geschlagen und noch täglich oerm hrt und vergrößert, lasten begreiflicher Weise eine richtige Festerfreude, wie in den früheren Zellen des Friedens, nicht auskommen. Umso inniger aber fühlt sich das Volk mit seinem Landesoater verbunden.
Treu wie seine Landeskinder draußen an allen Fronten streiten und ausharren, so hält auch der hohe Monarch in diesen schwersten Zeilen seiner nunmehr über ein: Bierteljahrhundert umspannenden, reichgesegneien Regierung mit seinem Volke durch inmitten aller Fährten und Nöte.
Wenn am morgigen Sonntag der eherne Ruf der Glocken von Stadt zu Stadt, von Dors zu Dorf hallt, dann wird das ganze Württemberg« Volk seinem Landeshemr die innigsten Glück» und Segenswünsche darbringen.
Möge unser König recht bald und noch recht lange die Früchte des Sieges und die Segnungen des Friedens in vollem Maße genießen!
Das walte Gort! Lr.
Wie bringen unsere Feinde die Kriegslasten aus? i
Bon Prof. Dr. Willi Prion, Berlin.
Die Antwort aus diese P rage lautet: mit den denkbar größten Schwierigkeiten. Im G unde genommen eine überraschende Antwort, über die noch heule mar cher den Kopf schüttelt. In Frankreich dem Lanoe der Rentner, die nte versagenden Quelle sür geldbesürftige Staaten, in dem wohlhabenden England mit fernem Reichtum an flüssigem Kapital, an Bodenschätzen und Kolonialprodukten, an Schls-
sen und Forderungen an dte ganze Welt-in diesen
Ländern soll die Ausbringung der KUegskosten schwierig sein? Für Rußland und Italien will es der gewöhnliche Menschenverstand schon glauben, aber sür Frankreich und England — nimmermehr! Der Skeptiker weist darauf hin, datz beiden Ländern noch immer Geld zur Krtegsüh» rung zur Verfügung steht. Richtig; es fragt sich nur: welche Mtuel und Bedingungen muffen angewendet wer- den, um das Geld auszuvrtngen, und wie wird das Ende sein, d b. wir wird sich die Schlußabrechnung gestalten?
Wie gesagt, die Antwort lautet: es sieht schlimm aus. Der Beweis dafür ist nicht schwer zu erbringen. Er wird auch für den nicht finanztechnisch gebildeten Beobachter de- greisttch. wenn es ihm gelingt, sich aus dem Zch en-Wirr- war der Finanzen ein wenig loszumach-n und das Wesentliche. das Entscheidende, die einfachen G.undllnten der Küegsfinanzierung in den einzelnen Ländern zu erkennen.
Der Reich-schatzsekrelär bezifferte am 1. Okt. 19l6 die Gesauukrtegskosten aller Länder auf rund 250 Milliarden Mk. S»e sind Ende 1916 mit rund 300 Milliarden Mk. zu veranschlagen. Eine Summe, die wir unserer Vorstellung virlleichl dadurch ein wenig näher dringen kön- nen, daß wir uns errmnern, daß die Gesamtm lieinte jährlich 30 Milliarden Mk. am macht, daß also heute bereit» der Wen von 10 Weltermen oerpuloert worden ist. Bon größter Bedeutung lst aber, daß von diesem schwtndelhvhm Betrage nur etwa ein Drt tel aus die Zrrmalmächre, doge- gen fast zwei Drittel, alsot rund 200 Milliarden Mk.. aus unsere Gegner emsallen. Unse e Gegner wktschasten also erheblich teurer als wir. Auch auf den Kops der Bevöl
kerung sind die Ausgaben in Frankreich und England höher als in Deutschland; sie betragen dort 1280 de zw. 1680 Mk. gegen 930 in Deutschland.
L. Rußland.
Dte Gesamtkvsten Rußlands belaufen sich aus rund 60 Milliarden Mk. Davon sind etwa 18 Milliarden Mk. durch feste Anleihen (zu 5 Prozent und 5 V, Prozents aufgebracht worden, d. h. so wirv uns versichert. Fest st.ht nur. daß die Banken und Sparkaffen g> zwungen worden sind, erhebliche Beträge zu übernehmen. Für diese Zwecke hat die Staairbank billige Kredite zur Verfügung gestellt» wodurch die Ausgabe von Noten gesteigert wurde. Ueder 26 Milliarden Mk. sind an kurzfristigen Schatzschcknen im Inlai>d ausgegeden worden, woran ebenfalls dte Banken mit detiächll chen Summen, dle Staatsbank allein mit 12 Milliarden Mk., beUillgl sind. Zur Zeit liegt eine neue (dte 6) feste Ante he zur Zeichnung aus; von dem Ergebnis ist noch keine Kunde zu uns gedrungen.
Ist vsto dte Ausbringung von Mitteln im eigenen Lande tm höa st-m Maße u genügend, so str d kte S^mie»
Dis graue Krau
Roman von A. Hottner-Grefe.
861 (Nackdruck verboten.)
„Dann müssen wir dort suchen. Warten Sie — das ^ stimmt auch! Sehen Sie hier auf dem Plan den kleinen j Punkt: „Tür zu dem geheimen Gang" — das läßt sich ja ^ beinahe ausrechnen. Hier, in dieser Nische müßte das j sein. Dürfte ich Sie bitten, das Licht höher zu halten? ! Besser noch. Sie zünden die Gasflammen an. So, gut. Und nun: Hilf uns, Schicksal!"
Wilmar hatte nun selbst den Leuchter ergriffen und trat in die nischenartige Vertiefung. Kurt folgte ihm. Auch ihn schien nun die Erregung des Jägers zu fassen, der einem Wild auf der Fährte ist. Für einige Minuten schwanden sogar seine Befürchtungen und geheimen Sorgen aus seinen Gedanken. Wieder einmal gewann der Jurist die Oberhand über den Menschen. Die Schulung siegte über die Empfindungen.
Wilmar hatte in einer Hand das Licht, in der anderen den kleinen, goldglänzenden Schlüssel, i ^ „Es kann nur hier sein", sagte er nachdenklich, von Blüte zu Blüte leuchtend. — „Und das Schlüsselloch kann ! ,kaum irgendwo anders verborgen sein, als in der ! Schnitzerei. Überall sonst würde es weit eher ins Auge fallen, da die Wand glatt getäfelt ist. Aber in den Rosen,
— in den Rosen."
Er sprach halblaut weiter. In seinem Eifer schien er den stummen Begleiter fast vergessen zu haben.
Plötzlich hob Kurt Gerhard die Hand.
„Dort", sagte er heiser — „was, was ist dort?"
Wilmar fuhr herum. Er sah in ein totenblasses Antlitz. Eine bebende Hand wies nach der dunkelsten Ecke der Nische.
„In der le cken Rose nach rechts fehlt der Mittel- üwpf", s^te Kurt. „Sehen Sie selbst. Und an dessen stelle ist ein sehr kleiner Stift —"
Aber schon hatte Wilmar den winzigen Punkt entdeckt.
Und einen Augenblick danach steckte er mit sicherer Hand i den Schlüssel an die betreffende Stelle. !
„Ein Druckschloß alter Konstruktion", sprach er halb- ! laut. Auch ihm, dem erfahrenen Juristen, den mancher i „schwierige Fall" in Atem gehalten, versagte jetzt, im ent- ! scheidenden Moment, fast die Stimme. Aber er raffte sich ! rasch zusammen. Ein starkes Hineindrücken des Schlüssels, ! ein leiser, klirrender Laut — geräuschlos schob sich die braune Täfelung auseinander.
Und vor den beiden Männern lag. dunkel und geheimnisvoll, ein schmaler Nebengang, der über zwei Stufen aufwärts führend, sich in der tiefen Dunkelheit verlor.
Im Angesicht dieser Tatsache fand Wilmar alle seine Geistesgegenwart wieder.
„Hier haben wir das Versteck", rief er laut und energisch. „Nun handelt es sich nur um eines: wo endet dieser Weg? Das wird ausschlaggebend sein für alles weitere. Sie kommen natürlich mit, Gerhard?"
„Ich? Ja gewiß" —
Kurt Gerhard stieß diese Worte so rauh hervor, daß sein Begleiter wieder den Kopf schüttelte. Doch jetzt war nicht die Zeit, über Stimmungen des Nebenmenschen nachzudenken. Ernst Wilmar hatte bereits den schmalen Weg ins Ungewisse betreten und zog Kurt energisch nach. Die Kerze hielt er hoch in der Rechten, um seine Umgebung besser sehen zu können.
Kurt machte sich los.
„Hier ist eine furchtbar dumpfe Luft", sagte er, unwillkürlich die Stimme dämpfend. — „Und wie schmal dicker Weg ist. Ich kann die Arme kaum ausstrecken. Oh, und dieser Staub!"
Wilmar ging außerordentlich vorsichtig und langsam weiter. „Staub genug", sagte er nachdenklich. „Wie wäre dies anders möglich. Und doch ist hier vor einiger Zeit jemand gegangen. Sehen Sie nur: auf dicker einen Seite liegt der Staub viel dünner. Er war jedenfalls fast ganz weggefegt früher und min hat sich erst wieder eine dünne Schicht angesammckt. Und hier — bllte, sehen Sie selbst
nach! Sie haben die Arme frei! Dort glänzt etwamitten in dieser Staubwüste."
Kurt batte sich schon gebückt.
„Los Halsschelle", sagte er.
Die Worte kamen langsam und mühselig über seine Lippen. Dr. Wilmar hatte das kleine, glitzernde Ding schon in der Hand.
„Sie erkennen es?" rief er aufgeregt.
Kurt nickte bloß.
„Nun, das ist schon viel!" rief Wilmar, stehenbleibend und das Schellchen genau betrachtend. — „Hier haben wir schon einen großartigen Schritt nach vorwärts getan. Denn mit dieser Schelle haben wir zwei unumstößliche Beweise: die verschwundene Lo war zweifellos während der Zeit ihrer Abwesenheit hier. Wie aber konnte sie hierherkommen? Nur, wenn die geheime Tür für einen Moment geöffnet war. Wir kommen meiner anfänglichen Vermutung immer näher: die graue Frau war kein Gespenst, keine Sinnestäuschung, sie war ein Mensch von Fleisch und Blut wie wir. Und sie kannte dieses Geheimnis des alten Hauses. Da haben wir die „dritte Person" in diesem Drama. Erst wollte ich ia nicht an sie glauben. Aber hier sind Umstände vorhanden, die schon beinahe beweisen —"
Er unterbrach sich und ging weiter. Die Schritte der beiden schweigenden Männer hallten seltsam in dein engen Raum nach. Die dumpfe Luft machte Kurt Kopfweh. Seine Pulse hämmerten. In den Schläfen tobte das Blut.
Der Gang zog sich allmählich nach aufwärts, hier und da von Stufen unterbrochen. Den beiden Männern erschien der Weg unendlich lang. Das flackernde Licht der Kerze erhellte immer nur einen ganz kleinen Raum und sie gingen äußerst langsam, Schritt für Schritt, um nicht irgendein Detail zu übersehen.
(Fortsetzung folgtZ