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Freitag, den IS. Januar
1917
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Amtliches.
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über de« Verkehr mit Schahsohle«, Sohlenschoneru, Sohleubewehrunge« «ud Lederersatzstoffe«.
Auf Grund der Bekanntmachungen des Stellv-Ureters des Reichskanzlers vom 4. Januar 1917 — Reichsgesetzblatt S. 7 u. 10 — werden folgende Bestimmungen bekanntgegeben :
§ 1. Schuhsohlen, die nicht ausschließlich aus Leder oder Holz in einem Stück bestehen, Sohlenschoner und Sohlenbewehrungen, zu deren Herstellung Leder verwandt wird, sowie Lederersatzstofse, die zur Herstellung oder Ausbesserung von Schuhwaren oder Schvhwarenbcstandteilen Verwendung finden können, dürfen nur mit Zustimmung der Etsatzsohlengesellschast m. b. H. in Berlin gewerbsmäßig hergestellt, zur gewerbsmäßigen Herstellung oder Ausbesserung von Schuhwaren oder Schuhwarendestandteilen verwandt oder sonst tn den Beikehc gebracht werden.
§ 8. Die Bekanntmachung über untaugliches Schuhwerk vom 21. Iuni/19. Oktober 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 541/1172) tritt außer Kraft.
Ledernes Straßenschuhwerk, das vor dem 10. Juli 1916 hergestellt ist, und dessen Absatz oder Laufsohle ganz oder teilweise oder deren Brandsohle oder Hinterdappe ganz oder zum größeren Teil aus Pappe oder aus einem anderen Stoffe besteht, der nicht auf Grund der Bekanntmachung über untaugliches Schuhwerk vom 21. Iuni/19. Oktober 1916 als geeignet, Leder zu ersetzen, zugelassen war, darf nur mit einer entsprechenden Bezeichnung der verwandten Ersatzstoffe gewerbsmäßig feilgehalten, verkauft oder sonst in den Berkehr gebracht werden.
Die Bezeichnung muß für die Laussohle die an Stelle von Leder verwandten Stoffe angeben. Für den Absatz genügt der Vermerk: „Nicht ausschließlich aus Leder oder zugelassenen Ersatzstoffen-, für die übrigen Schuhteile der Vermerk: Nicht überwiegend aus Leder oder zugelassenen Ersatzstoffen".
§ 3. Mit Hefä»g«is vi« z« sechs Monate« oder mit Heldstrafe ßis z« ze-nta«sr«d Mark wird bestraft:
1. wer den Vorschriften des 8 1 oder den bei der Genehmigung festgesetzten Bedingungen zuwiderhandelt;
2. wer den Vorschriften des § 2 Abs. 2 und 3 zuwiderhandelt.
Arve« der Strafe ka«« a«f Anziehung der He- geustäude erka««t werde», a«f die stch die strafbare Kavdk««s bezieht, oh«e Unterschied, ob st« de« Täter gehöre« oder vicht
§ 4. Dir Bestimmungen der 8 1—3 treten mit dem 25. ds. Mts. in Kraft.
§ L. Die Beamten der Polizei und die von ihr beauftragten Sachverständigen sind befugt, in die Betriebs» räume, in denen Gegenstände der Im § 1 bezeichnelen Art und solche die ganz aus Leder bestehen gewerbsmäßig hergestellt, aufbewahrt, feilgehalten, verdaust oder sonst tn den Verkehr gebracht werden, jederzeit einzutreten, daselbst Besichtigungen vorzunehmen. Geschäfrsaufzeichnungen einzusehen und nach ihrer Auswahl Proben zur Untersuchung gegen Empfangsbestätigung zu entnehmen.
Die Unternehmer der in Abs. 1 bezeichnelen Betriebe sowie die von ihnen bestellten Betriebsleiter und Aufsichtspersonen sind verpflichtet, den Beamten der Polizei und den Sachverständigen Auskunft über das Verfahren bet Herstellung der Erzeugnisse und über die zur Verarbeitung gelangenden Stoffe, insbesondere über deren Menge und Herkunft, zu erteilen.
§ 6. Die Sachverständigen sind, vorbehaltlich der dienstlichen Berichterstattung und der Anzeigen von Gesetzwidrigkeiten, verpsl.chtet, über die Einrichtungen und Ge- schäftsverhältnisse, die durch die Aussicht zu ihrer Kenntnis kommen, Verschwiegenheit zu beobachten und sich der Mit- terlung und Verwertung der Geschäftsgeheimnisse zu enthalten. Sie find hierauf zu vereidigen.
Z 7. Das Oberami kann Betriebe, in denen Gegen- stände der in 8 5 Abs. I bezeichneten Art gewerbemäßig hergestellt, feilgehalten, verkauft oder sonst in den Berkehr gebracht werden, schließen, wenn deren Unternehmer oder Leiter stch in der Befolgung der Pflichten unzuverlässig zeigen, die ihnen durch die vorstehenden Bestimmungen auserlegt sind.
Gegen die Bersügung ist Beschwerde zulässig. Ueber die Beschwerde entscheidet die Kreisregierung endgültig. Die Beschwerde bewirkt keinen Aufschub.
8 8. Wird ein Betrieb gemäß 8 7 geschloffen, so ist der Unternehmer oder Leiter verpflichtet, die vorhandenen Bestände an diesen Gegenständen sowie den zu idrer Herstellung dienenden Rohstoffen der Eisatzsohlengesellschast innerhalb 8 Tagen nach Schließung des Betriebs anzubieten und aus Verlangen abzuliefern.
Die Ersatzsohlenqestllschaft setzt den Preis für die von ihr übernommenen Gegenstände und Rohstoffe fest. Ist der Verpflichtete mit dem festgesetzten Preis« nicht einverstanden, so setzt die Kreisregierung den Preis endgültig fest. Sie bestimmt, wer die baren Auslagen des Verfahrens zu tragen hat. Der Verpflichtete hat ohne Rücksicht auf die endgültige Preisfestsetzung zu liefern, die Ersatzsohlen- gesellschast vorläufig den von ihr bestimmten Preis zu zahlen.
Das Eigentum an den Gegenständen und Rohstoffen geht auf die Ersatzsohlengesellschast über in dem Zeitpunkt, tn welchem dem Verpflichteten oder dem Inhaber des Gewahrsams die Uebernahmeerklärung der Ersatzsohlengesellschast zugeht.
8 9. Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder mit einer dieser Strafen wird bestraft:
1. wer vorsätzlich die ihm nach 8 5 Abs. 2 obliegende Auskunft nicht erteilt oder wiffentlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht;
2. wer den Borschristen des 8 6 zuwider Verschlagenheit sicht beobachtet oder der Mitteilung oder Berwertung »on Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen sich nicht enthält;
3. wer im Falle des 8 8 Abs. 1 der Verpflichtung zum Anbieten innerhalb der gesetzten Frist oder zur Ablieferung nicht nachkommt.
'Gm Falle der Nummer 2 tritt die Berfolgung nur auf Älstrag des Unternehmers ein.
8 10. Die Bestimmungen der 88 5—9 sind mit dem
4. Januar ds. Fs. in Kraft getreten.
Nagold, den 16. Januar 1V17. K. Oberami.
K o m w e r e l l.
Bekanntmachung.
Die bi» zum 15. ds. Mts. freiwillig abgegebenen Fahrradbereifung«« sind von den örtlichen Sammelstellen mit den Sammellisten in je dreifacher Ausfertigung
Die graue Krau
Roman von A. Hottner-Grefe.
25)
(Nachdruck verboten.)
Ich konnte ihm nur stumm die Sand geben, aber wir haben uns verstanden. Dann sprachen wir ganz gefaßt über meine und Nellys nächste Zukunft. Wir wollen allen unnützen Redereien entgehen und werden, wenigstens vorläufig, unser Landhaus in Nußdorf beziehen. Dort brauchen wir niemanden zu sehen, bis — bis —"
Paula Linstedt begann zu stottern. Mit einemmal packte sie das ganze Weh dieser Scheidungsstunde. Ein Schluchzen durchschüttelte sie. Es war alles so furchtbar, so trostlos. Da lehnte sie den Kopf mit der schweren Haarkrone, die ihr etwas so Königliches gab, an die Scheiben des Fensters, hinter denen der Nebel wie ein dichter, weißer Vorhang niederhing; eine Schwäche überkam sie und all ihr schöner Mut war dahin.
Kurt Gerhard stand stumm inmitten des Zimmers .und sah unverwandt hin zu der schlanken Gestalt. Scheiden, sScheiden? Das sollte ein Abschied sein? Eine Trennung »vielleicht für immer?
. »Nein", sagte er laut und fest. Und dann, hinter Paula tretend, legte er den Arm wie schützend um sie. Es war ia gar nicht möglich! Von einer Tücke des Schicksals, von einem Vergehen anderer, sollte ihr eigenes, großes Menschengluck abhängen? War das gerecht? Mußte man das humehmen ruhig und ergeben?
, . 7 Was immer kommt. Paula, mein Liebling, ich bleibe sprach er leise, zärtlich. „Ich glaube, wie du, deinen Vater, trotz allem und allem. Er muß Grunde haben, uns die Wahrheit zu verschweigen, von denen wir nichts ahnen. Aber wir werden alle Mittel in AEwbgung setzen, um der Wirklichkeit näher zu kommen.
unser alter geliebter Onkel Linstedt, sollte heim- uch den Schlüssel zur Kasse aus Papas Kasten nehmen, er E ^ stehlen wollen — freilich weigerte Papa
sich nach Dagoberts Aussage, ihm in diesem Moment das Geld auszubezahlen —, aber dennoch: ein solches Vor
gehen Onkel Heinrichs ist einfach undenkbar! Und dann ein Mord — ein Mord wegen einer solchen Sache! Paula, Liebling, je mehr ich alles durchdenke, je mehr ich grüble, desto unglaublicher scheint mir dies alles! Also: sei guten Mutes! Es muß sich alles klären! Und will dein Vater nicht sprechen, wir werden ihn dazu zwingen! Wir sind jung und haben ein Anrecht auf Glück! Kann er uns dies vorenthalten, ohne einen Grund anzugeben? Darf er dies?"
Das Mädchen gab keine Antwort, aber als er jetzt ihren Kopf sanft mit beiden Händen nahm und an seine Brust bettete, da wehrte sie sich nicht mehr. Wie ein müdes Kind lag sie dort. Und wenn ihnen auch das Geschick eben das herbste Leid beschert hatte, es gab ihnen als Ersatz die Überzeugung, daß sie zueinander gehörten, nicht nur in sonnigen Tagen, sondern auch in den Zeiten der Stürme ... So standen sie lange, lange.
Plötzlich wurde es draußen im Vorhaus lebendig. Türen gingen, leises Sprechen klang bis herein. Dazwischen die Stimme des alten Dittrich. Paula fuhr erschrocken zusammen.
„Es ist spät geworden", sagte sie und löste sich hastig aus Kurts Armen. „Ich muß heim. Nelly wird vor Angst und Sorge vergehen."
Sie wollte, fast ohne weiter zu denken, nach der Tür gehen. Aber plötzlich wendete sie sich unschlüssig um.
„Die Leute", sagte sie in einer hilflosen Verwirrung, „ich — ich traue mich nicht hinaus."
Zum erstenmal kam es ihr zum deutlichen Bewußtsein, daß jetzt ein Makel an ihr haftete, daß sie den Kopf nicht mehr so frei und stolz tragen dürste, als bisher. In ihr Gesicht stieg langsam ein tiefes Rot.
„Es war ein Wahnsinn von mir, hierherzukommen", sagte sie heftig. „Wie konnte ich das tun? Aber der Wagen fuhr durch diese Straße — ich konnte gar nicht anders! Ich war überzeugt, daß du aufbliebst, ich war halb irr vor Sorgen, Angst, Entsetzen. Und da — da mußte ich zu dir! Mußte noch ein Wort von dir hören! Aber jetzt — jetzt ist es schrecklich!"
Sie brach in Tränen aus, Tränen einer so tiefen
Verzagtheit, wie man sie bei dem willenskräftigen Mädchen nicht gewohnt war.
Eine Sekunde zögerte Kurt Gerhard. Dann öffnete er rasch entschlossen die Tür.
„Fräulein Linstedt hatte eine wichtige Nachricht für mich", sagte er sehr laut zu Dittrich, welcher mit mehreren anderen Bediensteten im Flur herumschlich. „Sie war so freundlich und brachte sie mir heute in frühester Stunde. Ist ihr Wagen draußen? Verständigen Sie den Kutscher!"
Er bot dem zitternden Mädchen den Arm und führte sie ruhig und gelassen durch die Vorhalle, vorüber an den flüsternden, zischelnden Leuten, welche scheu beiseite traten, j
Es war ein Spießrutenlaufen, aber er hielt es > tapfer aus.
Mochten sie raunen hinter ihnen und die Köpfe zu- >. sammenstecken! Er wollte es der Welt gleich vom ersten Tage an zeigen, daß Kurt Gerhard und Heinrich Linstedt- ; schöne Tochter aneinander festhielten, trotz alledem.
7. Kapitel. Schwere Tage.
Es war an einem lachenden, sonnigen Spätherbst-; tage, als der Chef des Hauses Gerhard den letzten Gang ^ antrat.
Die Spanne Zeit zwischen seinem Tode und seiner: Bestattung war weit reichlicher bemessen worden, als dies sonst der Fall zu sein pflegt, denn das Gericht hatte eine Obduktion der Leiche angeordnet. Heute endlich fand die. ernste Feier statt. Daß sie dem Namen und Ansehen der Gerhards entsprach, dafür sorgte Frau Magdalene; sie besaß die eingewurzelte Vorliebe der richtigen Wiener für „schöne Leichen" und hätte es als eine Beleidigung ihres toten Sohnes empfunden, wenn nicht alles vom größten Zuschnitt gewesen wäre. Trotz ihres Alters und der furchtbaren seelischen Aufregung leitete sie noch alles selbst, bestimmte, ordnete an, und ging, gestützt auf Dittrichs Arm, der kaum von ihrer Seite weichen durste, im ganzen Hause umher, um aus dem Munde des treuen Alten zu hören, ob alles auch wirklich nach ihrem Willen geschehen sei.
(Fortsetzung folgt.)