L40
Der Feldmarschall hatte kaum von dem Erscheinen " der hohen Frau gehört, als er die Treppe hinabeilte, um die Kaiserin ehrfurchtsvoll zu begrüßen. Am Arm des Grasen begab sich die Kaiserin, gefolgt von ihren Töchtern, nach der Wohnung des Feldmarschalls, wo sie ihm in herzlichen Worten ihre innigsten Glückwünsche aussprach und als Ehrengabe das in Metall getriebene Reliefbild chres kaiserlichen Gemahls überreichte. Die Kaiserin verweilte eine Viertelstunde und wurde sodann von Moltke persönlich wieder zum Wagen geleitet. — Kurz darauf empfing der Graf den Hofmarschall der Großerzogin von Baden, Grafen Andlaw, welcher im Aufträge seiner Gebieterin ein Geschenk überreichte, das den Grafen aufs tiefste bewegte. Es ist die historische Schreibmappe Kaiser Wilhelm I., welche der Kaiser bis zu seinem Tode in Benutzung gehabt hat und die bedeckt ist mit zahlreichen handschriftlichen Bemerkungen des Kaisers, die sich zum Teil auf Unterredungen mit Moltke beziehen. — In der Kriegsakademie fand am Samstag mittag ein Festakt statt. Major Liebert vom großen Generalstab hielt die Festrede.
Parchim, 26. Okt. Inder festlich geschmückten Stadt ist Moltkes Geburtshaus ganz besonders prächtig dekoriert. Heute abend wird das geschmückte Denkmal MoltkeH elektrisch beleuchtet. Die Stadt widmet ihrem Ehrenbürger eine Mappe mit Ansichten seines Geburtshauses und anderen Stadtgegenden Parchims nebst einer photographischen Abbildung der Seite des Parchimer Kirchenbuches, auf welcher Moltkes Geburt vor 90 Jahren eingetragen ist.
— Ueber die Beraubung deutscher durch englische Fischerboote wird aus Emden vom 24. ds. berichtet: „Heute morgen kehrten die Logger „Vorwärts", Schiffer Groenewald, und „Minister v. Scholz", Schiffer Linken, von der vierten Reise ohne Fang zurück. Dieselben waren zur Rückreise gezwungen, weil sie den größten Teil ihrer Netzfleeth durch einen ruchlosen Ueberfall der englischen Trawlnetz-Fischerflotte eingebüßt haben. Der Heringsfischereigesellschaft ist durch dieses Attentat ein Verlust von ca. 15000 ^ zugefügt."
Berlin, 28. Okt. Major v. Wißmann reist am 30. d. M. nach Afrika ab; er verweilt vorher einen Tag bei den Seinigen im Harz.
Kiel, 28. Okt. Gestern ist hier em Torpedoboot in See gegangen, um die englischen Fischer, welche die Emdener Häringslogger überfielen, zu bestrafen.
— Die „Köln. Z." berichtet, daß man nach reiflicher Prüfung aller Verhältnisse an den entscheidenden Stellen zu der Ueberzeugung gelangt sei, Helgoland staatsrechtlich an Preußen anzuschließen, während der Hafen von Helgoland ein Reichskriegshafen werden soll. Festungsbauten sind für Helgoland als unnötig nicht in Aussicht genommen. Im Helgoländer Oberlande wird eine Küstenbatterie aufgestellt und der Hafen in die Verwaltung der Marine gegeben werden. Dem preußischen Landtage werden die bezüglichen Vorlagen zugehen.
Ausland.
Rom, 27. Okt. Die Villa des Generals Caccin zu Saluzzo brannte völlig nieder. Der in
der Villa zum Besuch weilende General Eichelburg und seine beiden Töchter retteten sich durch einen Sprung aus dem Fenster, wobei Alle verletzt wurden. Die Baronesse Angela Hagelgerth (der Name klingt unverständlich) kam in den Flammen um. Sämtliche übrige Opfer des Brandes sind Ausländer, vermutlich Deutsche.
London, 28. Okt. Der „Times" wird aus Sansibar untern: 27. Okt. gemeldet: Am 25. Okt. segelten der Admiral Freemantle und der Generalkonsul von Lamu nach K:pini, wo das ge- sammte britische Geschwader, bestehend aus zehn Schiffen, vor Anker lag. Freemantle rückte mit 1000 Mann am Sonntag früh auf Witu vor. Die Vorposten waren schon am Samstag Abend angegriffen worden, wobei drei Matrosen verwundet wurden.
New york, 27. Okt. Gestern Abend sind in Mobile (Alabama) ein Baumwollenmagazin und andere Häuser am Quai, sowie mehrere Oelmühlen und auf dem Flusse ankernde Fahrzeuge verbrannt. Das Feuer ist noch nicht vollständig gelöscht. (Weiteren Meldungen aus Mobile zufolge sind bei der Feuersbrunst, die Nachts bewältigt werden konnte, etwa 8000 Ballen Baumwolle verbrannt. Der Gesammt- schaden wird auf 1 Million Doll, geschätzt.)
Tages-Ueuigkeiten.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.j Seine Königliche Majestät haben am 24. Oktober d. I. allergnädigst geruht, die erledigte Straßenbauinspektion Calw dem Abteilungsingenieur Fleischhauer in Stuttgart zu übertragen.
— Seine Majestät der König haben nach vorgängiger Zustimmung Seiner Majestät des Kaisers Allergnädigst und durch Allerhöchste Ordre vom 26. Okt. d. I. zu verfügen geruht: v. Woelckern Generallieutenant und Kommandeur der 26. Division (1. Königlich Württembergischen), wird mit der Führung des Königlichen Armeekorps beauftragt.
f!j Calw, 29. Okt. Nach längerer Pause erfreute uns Herr Schullehrer Noos wieder mit einem Schülerconcert, das am gestrigen Abend im großen Saale des Vereinshauses bei äußerst zahlreichem Besuch stattfand. Das reichhaltige Programm wurde in sehr befriedigender Weise durchgeführt; dabei zeigte sich der Schülerchor auch schwierigeren Chören gewachsen, wie z. B. „Jauchzet dem Herrn alle Welt" von Stein unv „Das ist je gewißlich wahr", „Der Herr ist unsere Zuversicht" von Klein; ferner „Frohe Lieder" (Kanon) von Hauptmann, „Noch ist die schöne, die goldene Zeit" von Abel, „Ihr Berge lebt wohl" von Brunner, und einige Volkslieder, die besonders ansprachen. Die frische und lebendige Ausführung der Gesänge bekundete im Vergleich zu früheren Aufführungen einen entschiedenen Fortschritt. Hr. Roos wird in den schönen gesanglichen Leistungen seinen besten Dank und Genugthuung für seine vielfache Mühe und Aufopferung finden; möge auch der Schülerchor durch den gestrigen Erfolg sich zu weiterem emsigen Streben in der Pflege der edlen Gesangskunst angespornt fühlen. Eine wohlthuende Abwechslung
boten die mancherlei Klavier- (4- und 2händi'ge Stücke)). Violin- und Zithervorträge, welche ebenfalls allgemeinen Anklang fanden und von regem Fleiß zeugten. Die Zithervorträge, unter Leitung von Frl- Heldmaier, haben wiederum sehr gut gefallen- Die Klavier- und Harmoniumbegleitung hatten Frln.. Jsenberg und Hr. Vinyon, übernommen. Der reiche Ertrag des Conzertes (72 -^) wrrd teils zur Deckung der laufenden Ausgaben, teils als Beitrag zu einem Sommerausflug der Schülerinnen verwendet-
Freudenstadt, 27.Qkt. Heute mittag 12'/», Uhr brach in dem an der Jgelsberger Straße am Ende der Stadt gelegenen Hause der Sensenmeister Chr. Webers Witwe Feuer aus. Rasch stand der ganze mit Holz und Reisig gefüllte Dachstock in Flammen. Die Feuerwehr, welche bald zur Stelle war, vermochte das Feuer auf denselben zu beschränken- Während des Brandes schneite es- fortwährend, nachdem, sich bereits in der letztvergangenen Nacht eine Schneedecke über die Häuser und Fluren gebreitet hatte.
Sulz, 27. Okt. Im Laufe der letzten Woche verschwand hier das letzte Wahrzeichen der hiesigen Bohrungen auf Steinkohle: der Bohrturm. Er wurde vom Staate an einen hiesigen Wirt verkauft und in den letzten Tagen abgebrochen. Demgemäß wird anzunehmen sein, daß die Regierung in der nächsten Zeit an eine Wiederaufnahme der Bohrungen im oberen Neckarthal nicht denkt.
Weinsberg, 26. Okt. Einem Knaben, der sich mit Pistolenschießen vergnügte, wurde heute infolge Platzens des Laufes der Daumen der rechten Hand gänzlich weggerissen unv zwei Fiuger schwer verletzt-
Heidenheim, 23. Okt. Von unseren Nachbarorten wurde gestern so viel Kraut zugeführt, daß für's Hundert kaum 2 50 zu erlangen waren)
ein Bauer soll eine ganze Fuhre verschenkt haben, um das Kraut nicht mehr heimführen zu müssen.
Bissingen, 26. Okt. Ein Bergarbeiter, Franz Hoffmann aus Birkenberg in Böhmen, welcher auf der Reise von Böhmen nach Saarbrücken wegen Niederkunft seiner Frau hier Unterkunft suchen mußte, hatte, da er gänzlich mittellos war, vom königlichen Forstamt und vom Gemeinderat die Erlaubnis, erhalten, in der Umgebung wertvolle Steine zu suchen. Nach 14tägigem Suchen fand er im königlichen Staatswald Rauberhang bei Bissingen an der Teck eine prachtvolle Höhle mit wundervoller Tropfstembildung, in einer Breite von 2—4 m, 27 m lang und 15 m hoch. Dieselbe soll an Schönheit die benachbarte Guttenberger Höhle noch übertreffen. Der noch beschwerliche Eingang in die Höhle muß erst erweitert werden, ehe die Höhle für Besucher eröffnet werden kann. (Von anderer Seite wird Lehrer Ochsenwadel von Bissingen als Finder der Höhle genannt, Bergarbeiter Hoffmann verficht aber sein Prioritätsrecht.)
Langenburg, 25. Okt. Gestern vormittag war der hiesige Bierbrauer und Gastwirt E. mit dem Entleeren eines großen Bierfasses im Keller beschäftigt.. Wie es hiebei Sitte ist, wurde das Faß mit komprimierter Luft angefüllt und zwar bis zu einem zu. hohen Grade. Plötzlich riß der erste Reif des Fasses an dessen Vorderseite entzwei und der herausgeschmetterte Boden fuhr mit solcher Wucht dem E. an den.
ihm völlig fremde Schoonertakelung und da? Hissen der Trikolore an Stelle des königlichen Lllienbanners, von diesem uns jetzt verfolgenden Schiffe nicht beunruhigt würde?
„Sprich mit ihm, Jmogene," flüsterte ich, „damit ich dann folgen kann; denn wenn ich sie plötzlich und unvorbereitet störe, könnten sie womöglich meine Andeutungen übel aufnehmen."
„Kapitän!" rief sie mit ihrer sanften Stimme, „macht jenes Schiff dort nicht Jagd auf uns ?"
Er wandte sich mit ernster Miene nach ihr um: „Es wünscht augenscheinlich mit uns zu sprechen, mein Kind, und wird uns bald anrufen."
„Aber wenn es nun ein Pirat ist, Kapitän?"
„Ist Herr Fenton immer noch dieser Meinung?" fragte er.
„Es hat wenigstens ganz das Aussehen eines solchen," gab ich zur Antwort; „jedenfalls sind seine Eile, uns einzuholen, und die Ueberfülle seiner Segel verdächtig genug und rechtfertigen uns, ihm feindliche Absichten zuzutrauen und für alle Eventualitäten auf unserer Hut zu sein."
„Will der Engländer, gesetzt, er spräche wahr, es etwa mit ihm aufnehmen' was, Kapitän?" schnarrte Van Vogelaar in seinen rauhesten und höhnischsten Lauten.
Ich ließ die boshafte Bemerkung des Maats ganz unbeachtet und sagte leise zu Jmogene: „Sie haben allerdings nichts zu fürchten. Ich glaube nicht, daß es einem französischen Hirschfänger Vorbehalten ist, das schreckliche Loo» dieser Unglückseligen zu enden. Deinetwegen bin ich besorgt, mein Lieb. Weißt Du, wenn ich Dich auffordern sollte, unbemerkt in meine Kabine zu schleichen, wo sie ist?"
Ha."
„Und dort bleibst Du! Das ist das einzige Versteck, das mir einfällt. Wenn sie unser Deck besteigen und das Schiff durchstöbern — wohlan, ich muß der Dinge harren, die da kommen mögen. In Angelegenheiten dieser Art treten oft unvorhergesehene Zwischenfälle ein. Das Einzige, worauf ich jetzt bedacht sein kann, ist, dafür zu sorgen, daß Du nicht gesehen wirst."
Ich hätte mich gern bewaffnet, wußte jedoch nicht, wo ich nach Waffen suchen
sollte, und noch dachte ich darüber nach, als mir zur rechten Zeit die Besonnenheit zurückkehrte und mir klar wurde, daß, wenn der Schooner seine Leute unsere Bollwerke ersteigen ließ und man mich als einzig Bewaffneten antraf, es mir das Leben kosten könnte. Deshalb meinte ich die größte Sicherheit in gänzlicher Schutzlosigkeit zu finden, es sei denn, daß die gesammte Schiffsmannschaft zu den Waffen griffe,
„Kämpfen denn diese Männer niemals?" fragte ich Jmogene.
„Seit ich auf diesem Schiffe bin, hat sich ihnen dazu noch keine Gelegenheit geboten," antwortete sie; „doch glaube ich kaum, daß sie jemals kämpfen würden. Sie sind über eine derartige Notwendigkeit erhaben."
„Sie besitzen ja aber doch Kostbarkeiten, die sie schätzen, und ich sollte daher meinen, daß ihnen Instinkte innewohnten, die sie antrieben, ihr Eigentum zu schützen."
„Gott leitet sie auf seine eigene, besondere Weise," äußerte sie. „Man muß sie nicht mit dem gleichen Maße messen wie Menschen von warmem Lebensblut."
Der Mond verbreitete wenig oder kein Licht, doch war die Atmosphäre mit einem schwachen, dämmerungsgleichen Schimmer erfüllt, der von den schäumenden Wassern und den Sternen herrührte, die glänzend zwischen den Wolken hervorstrahlten. Während all der Zeit hatte man auf dem Schooner auch nicht einmal ein Kabelgarn angerührt. Er wandte uns seine Wetterseite zu und lag so sehr auf der Seite, daß mir sein Verdeck nicht sichtbar ward: doch nichts, was einer Kanoncn- mündung geähnelt hätte, war an ihm entlang zu bemerken.
Er hatte offenbar die Absicht, das Kielwasser unseres Schiffes zu kreuzen und uns dann auf unserer Wetterseite die Weiterfahrt abzuschneiden. Man mußte staunen wenn man beobachtete, mit welcher Geschicklichkeit sich dieser Schooner die frische - Brise zu Nutze machte und mit welcher Macht und Heftigkeit er die Fluten durch- schnitt und auf uns zuflog, wobei sich sein Bug in eine Wolke von sprühendem. Schaumregen hüllte und der Wind in seinem weitgebauschten Segelwald wie dumpfer, rollender Donner heulte. Noch ein letzter, ungestümer. Anlauf, und er war uns. gegenüber.
(Fortsetzung folgt.),