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M 127. Amts- UN- Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 65. Jahrgang.
Erscheint Di en S t a g , Donnerstag und Samstag. Die EinrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Pfg.
Donnerstag, den 30. Oktober 1890.
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Deutsches Reich.
Berlin, 27. Okt. Laut Reichsanzeiger dankte der Kaiser an seiner Ansprache dem Grafen Moltke bei der Gratulation namens derer, die mit Moltke zusammen gefochten, als dem treuesten und ergebensten Diener Seines Großvaters und Vaters. „Ich danke Ihnen für alles, was Sie für Mein Haus und für die Größe des Vaterlandes gethan haben. Ich begrüße in Ihnen nicht nur den preußischen Heerführer, welcher der Armee den Ruf der Unüberwind- lichkeit schuf, sondern den Mitbegründer des deutschen Reiches. Die Anwesenheit des Königs von Sachsen, der sich nicht nehmen ließ. Ihnen persönlich seine Anhänglichkeit zu zeigen, erinnert Sie an die Zeit, -wo der .König mit Ihnen für Deutschlands Größe focht. Die von meinem Großvater Ihnen verliehenen Auszeichnungen ließen mir nichts übrig, um ihnen meinen Dank persönlich zu bezeugen. Nehmen Sie die einzige Huldigung hin, die ich in Meinen jungen Jahren Ihnen darbringen kann. Ich begebe mich mit besonderem Stolze für den heutigen Tag des Vorrechts des Monarchen,die Fahne des Heeres in seinem Vorzimmer stehen zu haben, und bitte Sie, die Fahnen der Garden, die unter Ihnen in manchem Strauß geweht, bei sich aufzunehmen. Als persönliches Andenken bitte ich Sie, den Feldmarschallstab, den sie sich vor dem Feinde schon eroberten, als Symbol meiner Achtung, Ehrerbietung und Dankbarkeit anzunehmen." Schließlich forderte der Kaiser die Anwesenden auf, die Gefühle der Dankbarkeit dafür, daß Graf Moltke es verstanden, in seiner Größe nicht allein dazu stehen, sondern Schule zu bilden für die Führer des Heeres in der Zukunft und für alle Ewigkeit, durch den Ruf auszudrücken: Exzellenz Graf 'Moltke Hurrah!
Die Moltkefeier in Berlin. Die erste
große öffentliche Huldigung fand am Samstag abend statt, bestehend in dem Fackelzug der Stadt Berlin. Der Zug gestaltete sich, wie nicht anders zu erwarten war, zu einer großartigen Kundgebung. Graf Moltke wohnte demselben von dem Portale der Haupteinfahrt des Generalstabsgebäudes aus bei. Am Zug waren beteiligt die Studierenden aller Hochschulen Berlins, die Schützen- und Sängergesellschaften, die Bürgerschaft als solche in nach den 6 Reichstagswahlkreisen eingeteilten Gruppen, dann die lange Reihe der einzelnen Gewerbe und Innungen. Mit dem 2. Wahlkreis gingen allein 1800 Arbeiter ver Fabrik von Siemens und Halske. 800 Magnesiumfackeln und 12000 Pechfackeln wurden in dem Zug getragen. Viele Korporationen hatten schön aufgebaute Wagen, teils patriotisch ernsthafter, teils humoristischer Natur. Der fünfte Reichstagswahlkreis zeigte den Jubilar selbst in 7 Lebensaltern, zuerst als 10jährigen Knaben, dann als jungen dänischen Offizier, als preußischen Lieutenant, als Hauptmann in türkischen Diensten u. s. w., bis endlich die letzte Darstellung den Feldmarschall zeigte, über den eine Germania den Lorbeer breitet. Besonderen Prunk entfalteten die großen Brauereien mit Riesenwagen. Manches war mehr gut gemeint, als wohl gelungen. So sind die Berichterstatter von den „Marmorbildern" der Kunstakademiker nicht eben entzückt. — In den Straßen, durch welche der Zug ging, standen die Massen dichtgedrängt wie die Mauern, man sah prachtvolle Illuminationen. Vom Kroll'schen Theater aus wurde ein elektrisches Licht hinübergeworfen nach der Germania der Siegessäule. Die Luft war sehr kühl, der Himmel bewölkt. Graf Moltke war im Pelzmantel und dankte unaufhörlich für die endlosen Ovationen. Auf die Ansprache des Vorsitzenden des Festausschusses, Kaufmanns Rappo, erwiederte der Feldmarschall:
„Das, was Sie mir hier bereiten, hat mich tief gerührt, und mehr denn je empfinde ich es heute, ein Bürger von Berlin zu sein; das macht mich stolz und froh. Der gewaltige Aufschwung, den Berlin genommen hat, datiert von der Wiederaufrichtung des Deutschen Reiches, dem großen Werke unseres großen Kaisers Wilhelm. Wenn Sie so freundlich sind, mir einen Anteil an den Erfolgen zuzuschreiben, welche dahin geführt haben, so vergesse ich doch nicht, daß mir.treue und tapfere Mithelfer zur Seite ge-' standen haben, vor allem vergesse ich nicht die Braven, die ihre Liebe zum Vaterlande mit dem Tode besiegelt. — Ich bitte Sie, allen meinen Mitbürgern meinen herzlichsten Dank zu sagen für die glänzende Kundgebung."
Viele Vereine zogen unter dem Gesang der Wacht am Rhein und anderer patriotischen Lieder vorbei. Von dem Hauptwagen der Kunstakademiker stieg eine Germania herab, sprach Verse, welche Wildenbruch gedichtet hatte und überreichte dem Grafen einen Lorbeer. Graf Moltke nahm ihn mit den Worten: „Ich nehine die Huldigung hin für Germanien, für das deutsche Volk!" Punkt 9 Uhr mar es, als die letzten Fackelträger vorbeimarschierten und nun stürzte die Masse des Volkes herbei, um Moltke jubelnde Huldigungen darzubringen, die ihn veran- laßten, wiederholt am Fenster des ersten Stocks zu erscheinen. Von Kroll aus richtete man elektrisches Licht nach dem Fenster, so daß Graf Moltke weiten Massen erkennbar wurde, wodurch immer neue Jubelstürme laut wurden. Erst allmählich zerstreute sich die Menge, die Vereine zogen nach verschiedenen Lokalen zu festlichen Kommersen.
. Die Kaiserin Friedrich stattete bereits am Freitag Nachmittag in Begleitung der Prinzessinnen Viktoria und Margarethe dem Grafen Moltke im Generalstabsgebäude einen Gratulationsbesuch ab.
Jeuilleton.
Das Totenschiff.
Bericht über eine Kreuz- und Querfahrt auf jenem „Der fliegende Holländer" genannten Seegespenst; gesammelt aus den Papieren des seligen Obermatrosen Geoffroy Fenton aus Poplar
von W. Klark Nrtssell.
(Fortsetzung.)
„Sieh, Geoffroy," rief Jmogene, „sie hissen ihre Flagge!" Ich hielt meine Hände gehöhlt an die Augen und benutzte sie als Fernrohr. Das Flaggentuch flatterte über des Fremdlings Masten. Es war eine sehr große Flagge und ihr Umfang, verbunden mit dem Abendgold des Westens, das seine feurigen, karmesinroten Strahlen darauf warf, ermöglichten mir, in ihr sofort die Trikolore Frankreichs zu erkennen.
„Die französischen Farben!" rief ich aufgeregt.
Vanderdecken hatte die Flagge auch bemerkt und musterte sie durch sein altertümliches Instrument. Dann gab er das Glas an Van Vogelaar weiter, der es nach einem flüchtigen Auslug Arents einhändigte. Zuletzt kam Jans an die Reihe.
Vanderdeckens Stimme rief mich: „Was ist dies für ein Zeichen, das auf seiner Mastspitze weht?"
„Das Banner der französischen Republik!" gab ich zurück.
Er stutzte, blickte seine Genoffen an und fixierte mich dann scharfen AugeS, als wenn er sich überzeugen wolle, daß ich ihn nicht zum Besten habe. Hierauf wandte er seine Aufmerksamkeit abermals auf den Schooner und ließ sich von Jans von Neuem das Teleskop reichen.
„Die französische Republik!" hörte ich ihn mit einem Ton fassungslosen Erstaunens in seinem wohltönenden Organ wiederholen. Der Obersteuermann zuckte rdie Achseln und drehte mir gleichzeitig verächtlich den Rücken zu; Jans' bleiche«.
feistes Gesicht schimmerte neben ihm und mit west aufgerisiensm Munde starrte er erst auf mich, dann auf den Schooner. Der untere Teil der Sonne ruhte jetzt auf der Seelinie, und die gewaltige Feuerkugel, ihre letzten, zuckenden Blitzesstrahlen emporsendend, versank langsam in das sie umgebende Flammenmeer. Der Himmel erglühte bis zum Zenith in goldenem Purpurschein und die vor dem Winde dahineilenden rubinfarbigen Wolken glichen rötlichen Rauchsäulen, die von jenseits des Meeres, wo die Welt in Flammen stand, emporstiegen.
Achtunddreißigstes Kapitel.
Der HKrat.
„Ich würde etwas darum geben, wenn ich über des fremden Schiffes Absichten Aufschluß erhalten könnte," bemerkte ich nicht ohne Unruhe zu Jmogene. „Wenn es wirklich eine Piratenbarke sein sollte, so muß dafür gesorgt werden, daß seine Besatzung Deiner nicht ansichtig wird, Jmogene. Wäre es wirklich um bloßer
Neugier willen, daß sie auf uns lossteuern?-Mag sein — mag sein, sie
haben sicherlich scharfe Gläser an Bord, vielleicht zieht sie unsere außergewöhnliche Takelage an."
„Warum sollen sie meiner nicht ansichtig werden, Geoffroy?" fragte mein unschuldiges Mädchen.
„Well sie möglicherweise an Dir Gefallen finden und Dich mitnehmen könnten, Geliebte."
„Aber wenn sie uys nun beide mitnehmen würden?" sagte sie und legte ihre kleine Hand auf meinen Arm.
„Ganz recht, zunächst möchte man aber doch gern wissen, was für ein Fahrzeug es ist," erwiederte ich und strengte meine Augen an, um nach dem Fremdling auszuschauen, der sich uns, bei der Geschwindigkeit, mit welcher er die Fluten du»ch- schnitt, in ungefähr zwanzig Minuten auf Anrufentfernung genähert haben mußte.
Was gedachte Vanderdecken zu thun? Er gab kein Lebenszeichen von sich. Als wir von dem Centaur verfolgt wurden, war genug Furcht und Leidenschaft in ihm sichtbar gewesen; — sollte ich nun etwa vermuten, daß er, verwirrt durch die