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Nagold, 7. Okt. In Ueberberg sind die Eltern einer 17jährigen Tochter seit 28. September in nicht geringer Sorge. Wegen Obstauflesens hatte dieselbe von ihren Eltern einen derben Verweis nebst empfindlicher Strafe erhalten und seither ist das Mädchen spurlos verschwunden.
Stuttgart, 9. Okt. Vortrag. Im Festsaal der Liederhalle hielt heute abend Hofprediger Stöcker aus Berlin den angekündigten Vortrag über Sozialdemokratie und Sozialmonarchie. Der Redner erklärte zunächst, daß er keine andere Absicht habe, als dazu beizutragen, den sozialen Kampf auf friedlichem Wege zum Abschluß zu bringen. Viele befürchten, daß wir vor einer ernsten Katastrophe stehen, da nach dem Lauf der Geschichte allen derartigen Bewegungen Volksstimmen vorangegangen seien. Er erinnert an die Zeiten der Gracchen, Catilinas, die Bauernkriege, die Münster'sche Rotte der Wiedertäufer. Allein während bei früheren Bewegungen nur Eingeborene es waren, die einer Idee zur Geltung zu verhelfen suchten, so seie der Sozialismus das Eigentum aller Stände geworden. Redner geht nur dem an Individualismus hochhaltenden Manchestertum scharf zu Leibe, dem er das königl. Reich der Nächstenliebe entgegenhält, wenn er auch nicht anerkennt, daß dieser Individualismus, in dem er seinerzeit alle Kräfte angespornt habe, manches zu verdanken seie. Der Redner schildert hierauf das Entstehen der Sozialdemokratie, indem er die Systeme Adam Smiths, Ricordo, Lassalle, vor Augen führt. Er bestreitet die Behauptung, daß nur die Arbeit Güter erzeuge, Grund und Boden, das Kapital, die Wissenschaft, alle erzeugen Wert; den Grundsatz des Kampfes ums Dasein verweist Redner als aus der Tierwelt stammend, die Nächstenliebe setzt er auch diesem Grundsatz entgegen. Die Manchestertheorie habe keine Rücksicht darauf genommen, daß der Mensch auch eine unsterbliche'Seele habe; der Sozialismus sei willkommen, insoweit er unhaltbaren Zuständen entgegentrete und Liebe und Gerechtigkeit verlange. Die Sozialdemokratie bekämpfe die Vaterlandsliebe, das Christentum, und predige die Revolution. An diesem Kampfe gegen das Christentum seien aber nicht die Arbeiter, sondern der falsche Liberalismus, die Gebildeten und die Gelehrten mit ihrem Atheismus schuld. Unter Sozialismus versteht Redner das Bestreben, das Los der Mitmenschen zu verbessern, dies bringt nur das Christentum, nur die aus dem Christentum ruhende Sozialmonarchie sei dazu UN Stande. Die Republiken, insbesondere Frankreich, haben nichts für dte Arbeiter gethan. Ihnen hält Redner den großen Kurfürsten Friedrich I., den großen Friedrich, Friedrich Wilhelm III. mit ihren nationalen und sozialen Bestrebungen, insbesondere den Kaiser Wilhelm den I., der es das erstemal ausgesprochen hat, daß die Arbeiter Anspruch auf besseren Schutz durch die Gesetze haben, und Kaiser Wilhelm II., der in seinen Fußstapfen wandle, entgegen. Für Württemberg erinnert er an die diesfallsige Thätigkeit der Königin Katharine, Pauline und Olga. Furchtlos und treu sei unsere Divise, ohne Furcht im Kampfe gegen Vaterlandslosigkeit, Gottlosigkeit, treu dem lebendigen Gott, dem Vaterland, dem Kaiser dem König. Nur was im Sozialismus verwerflich ist, soll bekämpft werden, nicht aber was an ihm gut ist. Den Redner
lohnte reicher Beifall. Der Festsaal war bis auf den letzten Platz besetzt.
Stuttgart, 11. Oktober. Wilhelmsplatz: 10 000 Ztr. Mostobst zu 6 ^ — -üj bis 6 ^ 50 pr. Ztr. — 10. Okt. Güterbahnhof : Zufuhr 8400 Ztr., Preis 5 ^ 30 iZ bis 5 ^ 70 iZ (schweiz. 4 ^ 80 bis 5 ^ je pr. Ztr.
Cannstatt, 11. Okt. Heute Vormittag 11 '/- wurde die Leiche einer etwa 20 Jahre alten Frauensperson oberhalb des Gitterstegs aus vem Neckar gezogen; die Leiche mag einige Tage in dem Wasser gelegen sein. Ein Landjäger von Berg übergab gestern früh einen Frauenhut und einen Sonnenschirm als an dem Neckarufer gefunden mit dem Bemerken, daß er in der Nacht zuvor einen Fall in das Wasser vernommen habe; die Gegenstände dürfen wohl der aus dem Neckar gezogenen Person gehören.
Möhringen, 8. Okt. Am Montag wollte ein Fuhrmann von hier am Vaihinger Bahnhof mit Kraut an die Waage fahren. Hiebei blieb ein Pferd in den Schienen hängen, brach den Fuß und mußte getötet werden. Das Pferd soll einen Wert von 900 Mk. haben.
Eßlingen, 11. Okt. Obstbericht. Zufuhr auf dem Markt: 3000 Ztr., Preis 6 ^ 40 ^ bis 6 ^ 60 pr. Ztr. — Auf dem Güterbahnhof: 17 Wagen Hess. Obst, Preis 5 40 bis 5
60 pr. Ztr.
Tübingen, 10. Okt. Obst- und Krautmarkt. Heutige Zufuhr ca. 300 Säcke, Preis 11,50—14 pro Sack. Das 100 Filderkraut
kostete 12—13
Rottenburg, 8. Okt. Gestern nachmittag stieß Herrn Oberförster Nagel folgender Unfall zu: Genannter Herr befand sich mit seinem eigenen Fuhrwerk und seinen beiden Kindern auf der Staatsstraße Kiebingen zu, als eben eine wandernde Menagerie, bestehend aus 1 Kameel, 1 Dromedar, 1 braunen Bären und einem mit einem Pferde bespannten Wagen, auf dem sich eine Anzahl Affen tummelte, des Weges einherzog. Als Herr Nagel der Tiere ansichtig wurde, entstieg er dem Wagen und führte sein Pferd am Zaume noch eine gute Strecke an den fremden Tieren vorbei; hierauf bestieg er den Wagen wieder. Kurz darauf, auf rinaufgeklärte Weise, scheute das Pferd plötzlich und raste der Stadt zu. Herr Nagel samt Tochter wurden aus dem Wagen geschleudert, und erhielten erhebliche, jedoch nicht lebensgefährliche Verletzungen am Leibe. Im Wagen verblieb das Söhn- chen, welches sich krampfhaft anklammerte. Ohne daß das Pferd in seinem Laufe aufgehalten werden konnte, sprang es in di« Stadt hinein und stieß an der Biegung der Ehingerlangaasse und Maiergasse an die Hausecke des Glasers Bollmer. Die Deichsel bohrte ein Loch durch die Riegelwand und zersplitterte. Da aber in diesem Moment Niemand zugegen war, das Pferd anzuhalten, machte es Kehrt und galoppierte samt dem Wagen fast ohne Deichsel, den eben zurückgelegten Weg wieder retour. Jetzt wäre das Söhn- chen des Herrn Oberförsters verloren gewesen, wenn nicht Albert Nenner, Sohn des Friedrich Renner, so beherzt gewesen wäre, auf den Wagen zu springen und das Kind herauszuheberr. Das Pferd rvrrrde dann, ohne weiteren Schaden anzurichten in Bühl angehalten und nach etwa 2 Stunden wieder hieher gebracht.
, Wössingen, 9. Okt. Der heutige Obstmarkt hatte eine Zufuhr von ca. 60 Säcken, meist Aepfel. Der Vorrat wurde rasch zu folgenden Preisen verkauft- "20 ^ pro Ztr.,, Bratbirnen
7 pro Ztr., Lücken pro Sack 12 Vor acht: Tagen wurden über 100 Säcke zu Markt gebracht, welche ebenfalls rasch Abnehmer fanden. Die Preise stellten st-h damals auf 10-10,50 pro Sack Aepfel, für Birnen auf 12 ^ pro Sack. Es hatten sich vor 8 Tagen rvett über 100 Käufer einqefunden auch wurde rn Privathäusern außer dem zu Markt gebrachten Quantum noch viel Obst verkauft.
Ebingen, 11. Okt. Kraut 10 1 Sack Mostobst, Aepfel ^ 11, Birnen 12. - 1 '-str Kartoffeln ,2.70.
-5^ d^söheim, 10. Okt. Die Stichwahl zwischen Essich und Payer findet Dienstag 21. Okt. statt.
Heilbronn, 11. Okt. Obstmarkt. Preise bei gemischtem Obst 4 80 ^ bis 6 ^ 80 ^
gebrochenes Obst 8 50 ^ bis 9 ^ 50 ^ pr. Ztr"
.. Göppingen, 9. Okt. Ein hiesiger Schreiner- Meister geriet mit seinen: Mietsmanne, einem Gießer der die Sausmiete nicht bezahlte, in einen Wortwechsel" der in ^hätlichleiten überging, wobei der Schreiner seinem Gegner mit einem Hammer einige Schläge auf den Kopf gab. Der Verwundete wurde in das' städt Krankenhaus verbracht, der Schreiner aber verhaftet' jedoch wieder entlassen, nachdem sestgestellt war, daß sich der Verwundete außer Gefahr befindet. Am gleichen Tage stürzte ein Zimmermann von dem 3. Stock eines Neubaues herab und trug schwere innere innere Verletzungen davon.
Klrchhenn u. T., 9. Okt. Gestern gab laut Teckboten eine herumziehende Bärenführerfamilie mit zwei Bären und einigen Affen Vorstellungen in hieß Stadt, da dieselben gegen Abend hier kein Unterkommen finden konnten, begaben sie sich nach Dettingen, wo sie ihre Tiere in einem leeren Stalle unterbrachten, die Besitzer übernachteten in einer Scheuer nebenan. Gegen 11 Uhr wurden die Leute aus dem Schlafe geweckt und denselben bedeutet, daß einer ihrer Bären ausgebrochen und in einem in der Nähe des Orts befindlichen Psörch mehrere Schafe zerfleischt habe. Nunmehr wurde von allen Seiten Jagd auf Meister Petz gemacht, welcher als er die Leute kommen sah, dem Walde zutrottete, jedoch nach kurzer Zeit vom Besitzer wieder eingefangen wurde. Dem Eigentümer der Schafe ist immerhin ein Schaden von ca. 120 ^ erwachsen.
Ulm, 9. Okt. Generallieutenant v. Haldenwang, der Kommandeur der 27. Division hat gestern mit Familie die hiesige Stadt verlassen, nachdem er seine Wohnung schon einige Tage vorher geräumt und Quartier im Hotel zum Russischen Hof bezogen hatte, woselbst ihm die Kapellen der verschiedenen Truppenteile Ständchen brachten. Derselbe ist nach Stuttgart übergesiedelt.
Ulm, 9. Okt. Wie gestern zufällig entdeckt wurde, verbrachte der Hausknecht eines hiesigen Manu- fakturwarengeschäftes Pallete aus dem Geschäfte in seine Wohnung. Bei einer heute früh vorgcnommenen Durchsuchung eures Handkoffers, welchen die Frau, des Hausknechts heute zu ihren in Dorndorf, OA. Laupheim, wohnenden Eltern bringen wollte, fand- sich eine größere Anzahl Waren vor, welche aus dem
»Wenn sie ihr wahres Loos wüßten, würden sie keinen Finger rühren," antwortete sie, „sondern würden den Tod durch Hunger oder Durst suchen oder ihr schreckliches Schicksal dadurch enden, daß sie das Totenschiff in die Tiefe versenkten und ertrinkend mit ihm vereint zu Grunde gingen/
„Wie weit entfernt ist doch die allgemein geläufige Vorstellung über dieses Fahrzeug und den Zustand seiner Bemannung von der eigentlichen, schaurigen Wirklichkeit!" fuhr ich fort. „Es ist geschildert worden, als wenn es aus der Wellentiefe emportauche, unter den Wolken dahinsegele und beständig schwere düstere Stürme, Donnerschläge und Vlitzesleuchten in seinem Gefolge habe! Hier haben wir dagegen die nackte Wirklichkeit! — beim ersten Anblick als ein Stück trockenster Allerweltsprosa erscheinend, verbirgt es gerade in dieser prosaischen Einfachheit so verwirrende, unbegreifliche Wunder, daß mein Denkvermögen unter der Befürchtung erstarrt, mein Verstand könnte mir den Dienst versagen und ich für ein Tollhaus reif werden."
„Du zitterst!" flüsterte sie leise. „Ach, Du denkst zu oft und zu tief darüber nach. Die Erkenntnis, daß dieses Dein Erlebnis Wirklichkeit besitzt, sollte ihm eigentlich schon viel von dem Schrecken nehmen. Sind wir nicht auch sonst in der ganzen Natur von unbegreiflichen Wundern umgeben, die bei längerem Nachgrübeln nur ein Gefühl der Melancholie in uns erwecken?"
Mehr denn eine Stunde verging, ehe das große Boot, tief beladen und im Schlepptau des kleinen, von dem Wrack wieder adstieß. Wie viel und welcher Art die Fracht war, die es herüberbrachte, kann ich nicht genau angeben, da das Meiste in Palleten und Fässern stak. Des Tabaks hatten sie sich zu allererst versichert und ihn bis aus den kleinsten Rest, dessen sie habhaft werden konnten, in dem ersten Boot geborgen. Ich gewahrte beim Ausladen eine Anzahl in Segeltuch eingenähter Schinken und einige Säcke Kartoffeln — von denen ein unbedeutender Bruchteil verloren ging, da beim Herausschaffen aus das Verdeck einige Säcke barsten, worüber Van Vogelaar einige wilde Flüche ausstieß, während Vanderdecken davon gar keine Notiz nahm und die betreffenden Mannschaften sich dadurch in ihrer Arbeit,
der sie in ihrer gewöhnlichen phlegmatischen, mechanischen Weise oblagen, nicht stören ließen und den Eindruck hervorbrachten, als wenn sie taub wären. Natürlich befanden sich darunter auch noch andere Arten Proviant, doch will ich meine Leser nicht mit allzuviel Einzelheiten ermüden.
„Ist cs fester Grundsatz bei ihnen, stets den Proviant zuerst in Sicherheit zw bringen?" fragte ich Jmogene.
„In den meisten Fällen," antwortete sie- „Sie nehmen Alles, was ihnen gerade unter die Hände kommt, das heißt, wenn der Artikel ihnen nützlich dünkt. Am gierigsten fallen sie immer über Tabak und Spirituosen her, alsdann Nahrungsmittel und Kleirungsstücke, schließlich bemächtigen sie sich auch irgendwelcher Schätze, auf die sie gerade stoßen, und zuletzt auch eines Teiles solcher Ladung, die sie für leicht transportabel halten, wie zum Beispiel Seide, Töpferwaren und so weiter."
„Aber sie können doch nicht sehr viel nehmen." sagte ich, „wenn sie ihr Schiff nicht zum Sinken überladen wollen."
„Es sind hier im Schiffe viele Esser vorhanden," erwiederte sie, «und der erbeutete Proviant währt nicht allzu lange. Die Töpferwaren werden in Gebrauch genommen und sind bald zerbrochen. Seide und ähnliche Materialien sind leicht, und dann, Geliebter, mußt Du auch in Erwägung ziehen, daß sie nicht jeden Tag auf ein Wrack stoßen, und unter fünfen ist oft nur eines, das genug Ausbeute liefert, um das Schiff einen Fuß tiefer sinken zu lassen."
„Ich bedaure es," sagte ich, „daß ihnen auf jenem Wrack da drüben so viel Eßwaren in die Hände fallen. Bei einem derartig überreichen Vorrat an Proviant dürfte an Vanderdecken schwerlich die Notwendigkeit hsrantreten, der Jagd wegen, bald einmal an's Land zu gehen; und so lange dies nicht geschieht, sehe ich für uns keine Aussichten auf Rettung."
(Fortsetzung folgt.).