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Heute früh fanden im königlichen Schlosse Ge­sangsvorträge desKaufmännischen Dilet­tantenvereins" und anderer Gesangvereine statt. Sodann begaben sich der Kaiser und die Kai­serin nebst Gefolge mittelst Sonderzuges zum Feldgottesdienst des 6. Armeekorps nach Nimkau, welcher um 10 Uhr vormittags seinen Anfang nahm. Divisionspfarrer Kolepke hielt die Liturgie und sprach das Schlußgebet mit dem Vaterunser, Militär- Oberpfarrer Konsistorialrat Testor hielt die Predigt, warf einen Rückblick auf die Geschichte dieses Jahrhunderts von 1813 bis 1890, mit beson­derer Berücksichtigung Schlesiens, beleuchtete die Ent­stehung des WahlspruchesMit Gott für König und Vaterland!" und hob die letzten Worte Kaiser Wilhelms:Ich habe keine Zeit, müde zu sein!" undGott war mit uns, ihm sei die Ehre!" als Beispiel des Gottvertrauens der preußischen Könige hervor. Der Gesang der GemeindeNun danket alle Gott" schloß die gottesdienstliche, sehr erhebende Feier. Von Nimkau zurückgekehrt, fuhren der Kaiser und die .Kaiserin nach Camenz zum Besuche beim Prinzen und der Prinzessin Albrecht.

Camenz, 14. Sept. Der Kaiser und die Kaiserin wurden bei der Ankunft von dem Prinzen und der Prinzessin Albrecht bewillkommnet. Auf dem Bahnhof waren die Kriegervereine, am Eingänge zum Schloßpark die Schulen und vor dem Schlosse die prmzlichen Beamten aufgestellt. Unter dem Jubel der Bevölkerung fuhren die Majestäten nach den. Schloß, woselbst ein Dejeuner eingenommen wurde; alsdann folgte eine Rundfahrt durch Park und Um­gegend, sowie ein Besuch der von dem Prinzen Albrecht erbauten evangelischen Kirche.

Tages Neuigkeiten.

* Simmozheim. (Obstverkehr.) In Zwetschgen gegenwärtig bedeutende Nachfrage den Ztr. um 5 Doch beobachten die Produzenten und gegenüber dem allgemein geringen Ertrag in den übrigen Teilen des Landes wohl mit Recht Zurück­haltung. Voraussichtliches Ernteergebnis an Zwetsch- gen 151800 Ztr., Qualität groß und schön, an Kernobst 810,000 Ztr. Reife so vorgeschritten, daß Zwetschgen in 810 Tagen, teilweise schon jetzt, Kernobst in 34 Wochen eingeheimst werden kann. Bedeutende-Ausfuhr zu erwarten.

Wildbad, 12. Sept. Festbankett zu Ehren des Dr. Peters. Das von der Stadt Wildbad veranstaltete Festbankett im Badehotel zu Ehren des Dr. Peters verlief in patriotischer und sehr erhebender Weise. Dr. Peters trank auf die Stärkung der nationalen Einheit zwischen den deut­schen Stämmen durch gemeinsame Kulturarbeit in der Fremde. Zu seiner Expedition teilte er unter an­derem mit, daß die Meldung derAllg. Ztg.", das Vorgehen Jackfon's gegen ihn in Uganda betreffend, wahr fei. Jackson habe an den König von Uganda ein Schreiben gerichtet, er habe Befehl von der eng­lischen Regierung, Dr. Peters zu verhaften, und habe den König aufgefordert, diesen Befehl zu vollziehen. Jackson sei zwar nicht der Mann gewesen, Peters zu imponieren; bei einem Zusammenstoß würde er das Schicksal der Massais möglicherweise geteilt haben, vor denen Jackson stets außerordentlich bange war.

wie Peters in Kawirondo erfuhr. Vielleicht hätte Jackson auch Peters vernichtet, isdenfalls aber nicht verhaftet. Dr. Peters wird die Dokumente hierüber demnächst veröffentlichen. Monseigneur Sivinnac habe ihm versprochen, eine Abschrift des Briefes Jackfon's vom Könige von Uganda mitzubringen. Frkf. I.

Balingen, 11. Sept. Eine erschütternde Nachricht, welche die Familie unseres Mitbürgers, Hrn. Seifensieder G. Pauli, in tiefe Trauer ver­setzte, langte am Montag früh aus Philadelphia hier ein und erregt allseitige Teilnahme. Während eines heftigen Gewitters, welches sich am Abend des 21. Aug. über Philadelphia entlud, wurde ein Depot der 10. und 11. Straßenbahnlinie niedergeweht, wo­bei vier Personen, darunter August Pauli, Konduk­teur der Bahnlinie, der 33jährige Sohn des Hrn. G. Pauli hier, nebst seiner Frau den Tod fanden, mehrere andere schwer verletzt wurden.

Stuttgart, 12. Sept. Wegen Beleidigung durch die Presse im Sinne des Z 186 der Str.-G.-B. erschienen heute vor der Strafkammer Pfarrer a. D. Schmid-Sonneck und der Redakteur derDeutschen Reichspost", Joh. Reimers. Das K. Obersteuer­amt hier fühlte sich durch einen in Nr. 82 des ge­nannten Blattes vom 10. April d. I. erschienenen, von Pfarrer Schmid-Sonneck eingesandten Artikel Zur Frage der Sonntagsheiligung" beleidigt, worin darüber Klage geführt war, daß am Osterfest die Zu­stellung von Fassionsbogen stattgefunden habe. Das Gericht erkannte auf Freisprechung, indem es fest­stellte, daß eine Absicht der Beleidigung nicht Vorge­legen habe, und außerdem den beiden Angeklagten den Schutz des Z 193 des Str.-G.-B. (Wahrung berechtigter Interessen) zubilligte

Bezirk Cannstatt, 12. Sept. Im Bezirk ist plötzlich wieder die leidige Maul- und Klauenseuche ausgebrochen und damit dem landwirtschaftlichen Be­zirksfest, das am nächsten Samstag den 14. Sept. in Rommelshausen stattfinden sollte, wie voriges Jahr ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die Preis­austeilung an Dienstboten, sowie für Wein- und Obst­bau finden zwar statt, dagegen muß die Ausstellung und Prämierung des Rindviehs und der Schweine oberamtlicher Anordnung gemäß unterbleiben.

Sulz a. N., 9. Sept. Vergangenen Sonn­tag nachts gerieth ein hiesiger Bürgerssohn, lediger Zimmermann, mit mehreren Knechten in der Wirt­schaft in Streit, welcher zuletzt in Tätlichkeiten aus­artete. Dabei hieb er einem Knecht mit der Schaufel derart über den Kopf, daß der Stiel derselben ab­brach. Von den andern Knechten zur Treppe hinab­gestoßen, lauerte er vor der Hausthüre denselben auf und stürzte sich mit gezogenem Messer auf den zuerst Angegriffenen, den er damit ins Ohr hineinstach. Die Wunde ist bedeutend, doch nicht lebensgefährlich. Der rohe Thäter flüchtete sich alsbald, wurde jedoch ergriffen und hieher eingeliefert.

Besigheim,11. Sept. Stadtschultheiß Jung giebt durch Inserat im Amtsblatt bekannt:Meine Bewerbung um die Stelle eines Landtagsabge­ordneten nehme ich zurück." DemSchwäb. Merk." zufolge kandidieren nun Stadtschultheiß Lehner von Lauffen und Oekonom Essich von Bietigheim. Von Seiten der Volkspartei werden Reichstagsabge­ordneter Rechtsanwalt Payer event. Buchdrucker Müller genannt.

Urach, 11. Sept. Das dem Gemeinderat C. Olpp gehörige, neben der Krone auf dem Markt­platz gelegene Wohnhaus sollte einen neuen Verputz erhalten. Man machte nun die Entdeckung, daß das Riegelwandgebälke im altdeutschen Stil (gegliederte Krummform) ausgeführt war. Diesem Baustil ent­sprechend wurde nun das durchaus eichene Gebälks braun anaemalt, was von dem Hellen Mauerverputz lebhaft absticht. Im zweiten Stockwerk befindet sich ein kunstvolles Holzschnitzwerk, einen Bären in Wappen-' form darstellend, sowie unter dem Giebel des Hauses eine Art Kreuzblume mit der Jahreszahl 1566. Iw einem der Balken fand sich eine eiserne 10 cm tief eingetrungene, ohne Zweifel von der schwedischen Be­lagerung herrührende Kanonenkugel vor.

Aus Ellwangen wird berichtet, daß in­folge der guten Ernte die Brotpreise zurückge­gangen seien. Der 4pfündige Laib Rogenbrot, wel­cher bisher 54 kostete, koste jetzt nur noch 50 -A

Friedrichshafen, 10. Sept. Hopfen. Der Ende voriger Woche eingetretene Preisrückgang hat nicht lange angehalten und es haben bereits wie­der Käufe von über 200 stattgefunden.

Vom See, 9. Sept. Wenn man bedenkt, daß, um den Wasserspiegel des Bodensees um einen Dezimeter steigen zu machen, es einer Wassermenge von 50 bis 55 Mill. Kubikmeter bedarf, so darf man füglich zufrieden sein, wenn das Wasser des Bodensees in der bisherigen langsamen aber steten Weise fortfährt zu fallen. Gestern morgen wurde auf der Insel Mainau der gewiß noch nie dagewesene Fang eines lebendigen stattlichen Hirsches (Sechs­ender) gemacht. Derselbe trieb sich im Parke vor dem Schlosse umher und setzte sodann, von einigen Per­sonen verfolgt, in den See, wo ihm mit einer Gondel nachgefahren wurde. Einem Fischer und dessen Dienst­knechte gelang es, dem edlen Tiere, das rasch gegen Lützelstetten schwamm, ein Seil in's Geweih zu schlingen und es auf die Insel zurückzuschleppen. Dort wurde der Hirsch mit zusammengebundenen Füßen auf einem Karren in die Scheune gebracht. Auf Befehl des Großherzogs wurden die Fesseln ab­genommen und dem Tiere freie Bewegung im Scheu­nenraume gestattet. Derselbe ist vermutlich in Bod- man ausgebrochen.

Friedrichshafen, 12. Sept. DasSee­blatt" berichtet noch von dem Geburtsfest Ihrer Majestät der Königin: In der Frühe ertönten Böllersalven und Glockengeläute. Sämtliche Häuser, sowie der Hafen waren aufs schönste und reichste be­flaggt. Die ebenfalls beflaggten Schiffe gaben ihren Ehrensalut vor dem K. Schloß ab. Die Schulkinder machten Ausflüge mit ihren Lehrern nach Ailingen, Berg und Hirschlatt. Die kath. Kleinkinderschule be­gab sich nach St. Georgen; Ihre Majestät mit der Herzogin Wera und den Prinzessinnen, sowie der ge­samte Hofstaat erschienen nach 4 Uhr daselbst. Ein kleines Mädchen begrüßte die Königin mit einem herz­lichen Glückwunschgedicht. Mit großer Freude hörte: Ihre Majestät das Kind, das klar und unbe­fangen sprach, an und unterhielt sich mit der Kleinen auf das huldvollste. Unter dem Jubel der kleinen Schar entfernte sich Ihre Majestät mit der glänzenden Begleitung, um sich auch nach Ailingen, und Hirschlatt zu den Kindern der größeren Schul­klassen zubegeben, überall mit brausendem Jubel begrüßt.

leicht ist es noch länger," erwiederte ich ihr.Raten Sie, was ich gethan habe! Nun, das Volkslogis durchforscht und die Küche inspiziert."

Dabei bewegte ich die Hände und richtete die Augen nach oben, um ihr auf diese Weise meine Gedanken über diese Orte anzudeuten. Dann, dem Blicke Vander- deckens begegnend, der mich mit zusammengezogenen Brauen angestarrt hatte, lüstete ich den Hut und machte eine kutze Verbeugung. Er erwiederte meine Begrüßung in seiner herrischen Manier und fragte mich, was ich von seinem Schiffe halte.

Ich entgegnete:O, es ist ein sehr schönes Schiff, Herr."

Wie präsentiert sich dmn Ihrem englischen Vorurteil mein Vorderkapell, he?" fuhr er fort.

O, Mynheer!" sagte ich lächelnd, wobei ich einen Blick auf Jmogene warf, deren Augen wie die VanderdeckenS kurz zuvor nach einem Etwas in der Richtung des Meeres auSschauten,sollten die Engländer überhaupt Vorurteile hegen, so doch wenigstens nicht in nautischen Dingen, denn wir kopieren ja beständig die Ideen anderer Nationen, besonders der Franzosen, deren Kriegsschiffe wir nachahmen und bewundern. Vielleicht," fügte ich hinzu,ist dies eine der Ursachen, daß wir die Fahrzeuge dieser Nation mit Vorliebe kapern."

Doch meine witzige Redewendung ging wirkungslos verloren, da dieses Mannes wirklich menschliches Erdenwallen ja vor die Zeit siel, in der unsere Admiräle die englische Flagge zu einem Schrecken für die Franzosen gemacht haben. Jmogene wandte sich auf Holländisch an mich:Wissen Sie denn schon, Herr Fenton, daß ein Segel in Sicht ist?"

Während mir das Herz pochte und ich der Richtung ihres elfenbeinweißen Zeigefingers folgte, der direkt sternwärts deutete, sah ich den winzigen, weißen Schimmer eines und dies war es unzweifelhaft Segels, da» dm eingezogmm Klügelspitzen einer Seemöve ähnelte.

Halloh, da» ist wahrhaftig ein Segel!" rief ich aus, nachdem meine Augen

längere Zeit prüfend darauf geruht, und fügte auf Holländisch hinzu:In welchem Richtung, verehrte Dame, steuert es nach des Kapitäns Meinung?"

Gerade hinter uns her," entgegnete sie.

Urteilen Sie selbst, Herr," äußerte sich Vanderdecken, wobei er mit der Hand auf ein Teleskop deutete, welches gegen das Deckhäuschen lehnte.

Es war das altertümliche, schwere Sehrohr, das mir schon in seiner Kabine aufgefallen. Ich hob es empor, legte es auf das Geländer auf denn zum Halten mit der linken Hand war es zu schwer und schaute nach dem Segel über dem Hinterteil aus. Doch das Glas war alt und schwach; ich konnte thatsächlich mib bloßem Auge ebensoviel erkennen. Es war indessen VanderdeckenS Teleskop und eine Kuriosität, und indem ich mich stellte, als ob ich das Segel immer noch beobachte^ schlichen meine Augen im Geheimen über das Instrument hin, wobei sie in ganz verwitterten Buchstaben die Worte entzifferten:Cornelius Van der Decken, Amster dam 1650", in lesbarer Schrift auf dem Rohre eingraviert.

Glauben Sie, daß es uns folgt, Mynheer?" forschte Vanderdecken, als ich

mich aufrichtete. ..

Ich kann es wirklich nicht sagen, Herr. Ist es größer geworden, seit Sie

eS zuerst sahen?"

.Ja."

Er ergriff das GlaS und richtete es mit Leichtigkeit.

Es segelt sicherlich denselben Kurs wie wir," sagte er mit dem Auge am Instrument.Will nur hoffen, daß es sich nicht als ein englisches Kriegsschiff ent­puppt. Doch wer kann das wissen? Wenn es nur ein Kauffahrteifahrer ist, wollen wir ihn, möge seine Nationalität sein, welche eS wolle, um Tabak ansprechen, denn das ist ein schreiendes Bedürfnis, und wir müssen welchen haben."

Ich blickte ernsthaft und mit einem von Hoffnung geröteten Gesicht auf Jmogene, doch sie wandte sich von mir ab nach dem Segel, ein Benehmen, das mir deutlich zu verstehen gab, ich solle ja auf meiner Hut sein. (Forts, folgt.)