eingängen des Sperrbezirks und des Beobachlungsgebiets sind Tafeln mit der durch § 185 Abs. 2 bezw. 8 189 Abs. 2 oorgeschriebenen Aufschrift leicht sichtbar anzubrtngen.
Ragold. den 23. Avg. 1915. K. Oberamt:
Amtmann Mayer.
Haferlieferrnrg für das Heer.
Nach § 17 der Verordnung des Bundesrats vom 28. Juni ds. 3s. über die Regelung des Verkehrs mit Hafer (R.G.Bl. 393) haben die Kommunalverbänbe auf Erfordern der Reichssuttermittelstelle den Uebei schuß an Hafer der Zentralstelle zur Beschaffung der Heeresverpflegung zur Verfügung zu stellen.
Nachdem die Zentralstelle zur Beschaffung der Heeres- Verpflegung bereits an die Reichssuttermittelstelle das Ersuchen gestellt hat, ihr zur Deckung des Bedarfs der Heeresverwaltung sofort nach der Einerntung des Hafers große Mengen Hafer zu überweisen, da die Haferoorräte aus der alten Ernte bei der Heeresverwaltung außerordentlich gering seien, sind die Landwirte in jeder Gemeinde durch ortsübliche Bekanntmachung aufzusordern, sofort nach der Ab- erntung den Hafer zu dreschen.
Dabei ist besonders darauf hinzuweifen, daß der Höchstpreis für bis z«m I.Okt.d.J. abgelieferten Hafer so.ss für oen Doppelzentner und von da ab nur noch 30 pro Doppelzentner beträgt.
Die Herren Ortsvorsteher wollen jeweils auf de« 1«. und SS. jeden Monats berichten, welche gedroschenen Hasermengen in der Gemeinde lieferungsbereit sind.
Erstmals ist der Bericht anf SS. Ang. d. Is. zu erstatten. ,,
Den 23. August 1915. K-mmerell.
Der amtliche Tagesbericht.
Sie MW SWiez besetzt.
MDB. Großes Hauptquartier, 23. Aug. P.atlich. (Tel.)
Westlicher Kriegsschauplatz:
Heute früh erschien eine feindliche Flotte vor Zee- brügge von etwa 40 Schiffen, die, nachdem sie von unseren Küstenbatterie« beschossen wurde, in nordwestlicher Richtung abdawpfte.
In den Vogefeu sind nördlich von Münster neue Kämpfe in der Linie Lingekopf—Tchratzmäunle— zurück. Am Schratzmännle und Barrenkopf dauerten heftige Nahdämpfe um einzelne Grabenstücke die ganze Nacht an. führten gestern abend teilweise bis in unsere Stellungen. Gegenangriffe warfen den Feind am Lingekopf wieder Barrenkopf im Gange. Starke franzöfifche Angriffe Etwa SV Alpenjäger wurden gefangen genommen.
Bei Wavrin (südwestlich von Lille) wurde ein englisches Flugzeug hernntergefchoffeu.
Oestlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Geueralfeldmarschalls v.Hindeubmg:
Die Truppe» des Generalobersten von Eichhorn sind östlich und südlich von Kowno im weitere» Fortschreite«. Am Bobr besetzte» wir die von den Raffen geräumte Festung Offowiez. Nördlich und südlich von Tykozin fanden erfolgreiche Gefechte patt. Tykozin wurde genommen. Es sielen dabei 1200 Gefangene (darunter 11 Offiziere) und 7 Maschinengewehre in unsere Hand. Nördlich von Bielsk mißlangen verzweifelte rnsfifche Gegenstöße unter sehr erheblichen Berlnste« für den Gegner. Südlich dieser Stadt geht es vorwärts.
Heeresgruppe des Geueralfeldmarschalls Priuz Leopold vou Bayern:
Die Heeresgruppe hat unter hartnäckigen Kämpfe» die Linie Kleszezele—Razna überschritten und ist im weitere« günstige« Angriffe. Es wurden S0SO Gefangene gemacht und IS Maschinengewehre erbeutet.
Heeresgruppe des Geueralfeldmarschalls v. Mackeuseu:
Der Uebergang über den Pnlvaabschnitt ist aus der Front zwischen Razna und der Einmündung nach heftigem Widerstande erzwungen. Der Angriff über den Bug oberhalb des Pulvaabschnittes «acht Fortschritte. Bor Brest-Litowsk ist die Lage unverändert. Beiderseits des Twiljaz Tees und bei Piszeza (östlich von Wlodawa) wurde der Gegner gestern geschlagen und nach Rordoste« znrückgetrieben.
Oberste Heeresleitung.
Die italienische Kriegserklärung.
Nicht genug damit, daß 20 Kriegserklärungen im vergangen Kriegsjahre ausaetauscht worden sind. Italien blieb es Vorbehalten, die 21. Fehdeansage und zwar an dir Türkei zu überreichen. Wer den Hund prügeln will, findet auch
einen Stock, sagt ein Sprichwort, das hier ganz angebracht ist. Italien glaubt nun endlich den Grund entdeckt zu haben, der seinem empfindlichen Gewissen erlaubt, gegen die Türkei vom Leder zu ziehen. Der Grund der Kriegserklärung ist aber so fadenscheinig, daß die italienische Regierung sich gedrungen fühlt, in einem Rundschreiben an ihre Vertreter im Ausland ergänzende Erklärungen dazuzu geben. Uns erscheint, und so dürfte man auch im neutralen Ausland denken, eigentlich jedes Kommentar überflüssig. In diesem Rundschreiben heißt es, daß die türkische Regierung den Lausanne! Friedensvertrag alsbald nach seiner Unterzeichnung verletzt habe und daß diese Verletzungen bis heute ohne Unterbrechung andauerten. „Dis ottomanische Regierung habe niemals ernsthafte Maßregeln getroffen, die die Feindseligketten in Libyen sofort hätten beendigen können, wie sie es feierlich versprochen habe und habe nichts für die Freilassung der italienischen Kriegsgefangenen in Tripolitanien getan. Die in der Tyrenaica. verbliebenen ottomanischen Soldaten seien unter dem Kommando ihrer alten Offiziere geblieben, hätten sich fortgesetzt der türkischen Fahne bedient und ihre Gewehre und Geschütze behalten. Enoer Bey habe in Libyen die Feindseligkeiten gegen die italienische Armee bis Ende 1912 geleitet und Aziz Bey diese Gegend mit 800 Mann regulärer tückischer Truppen erst im Juni 1913 verlassen. Die Aufnahme beider bei ihrer Rückkehr in die Türkei beweise genügend, daß ihre Handlungen von der Kaiserlichen Behörde durchaus gebilligt worden seien. Nach Aziz Beys Abreise seien fortgesetzt Offiziere der türkischen Armee in der Cyrenaica eingetroffen und zur Zeit, d. h. April 1915, befänden sich außer 100 Offizieren, deren Namen die italienische Regierung kenne, 35 junge Leute aus Benghasi dort, die Enoer Pascha im Dezember 1912 gegen ihren Willen nach Konstantinopel in die Militärschule mitgenommen hätte, aus der sie alsbald nach der Cyrenaica zurückgesandt worden seien. Trotz gegenteiliger Erklärungen wisse man mit Sicherheit, daß der heilige Krieg 1914 in Afrika auch gegen die Italiener proklamiert worden sei. Eine Mission, aus türkischen Offizieren und Soldaten bestehend, die beauftragt war, den aufständischen Führern der Senussi Geschenke zu bringen, sei kürzlich durch ein französisches Kriegsschiff aufgegriffen worden. Das Rundschreiben geht weiter auf alle zwischen Italien und der Türkei schwebenden Differenzen ein und schließt: Angesichts der offenbaren Verletzungen der bestimmten Versprechungen der Türkei nach unserem Ultimatum vom 3. August, das durch die Winkelzüge der türkischen Regierung besonders hinsichtlich der freien Abreise der italienischen Staatsangehörigen aus Kleinasien veranlaßt war, hat die italienische Regierung dem Botschafter Italiens in Konstantinopel die Weisung erteilt, der Türkei die Kriegserklärung zu überreichen."
Die italienische Presse hat in den letzten Wochen sich mit wahrem Freudengeheul aus den Knochen gestürzt, den ihr die Regierung zugeworsen hatte. Im Handumdrehen hatte sie einen ganzen Sack voll Kriegserklärungen beieinander. Man hält Italiener in der Türkei zurück, schasst sie in Konzentrationslager, martert sie; die Senussi werden von türkischen Offizieren in Tripolis gegen Italien ausgestachelt, mi» Gewehren und Munition versehen, die türkische Presse schmäht das edle Italien usw. Don all dem ist natürlich sehr wenig zutreffend. Die Vermutungen der Italiener in der Türkei, die die Kriegspolitik ihres Vaterlandes verurteilen, daß durch die Kriegshetze gegen die Türkei die Aufmerksamkeit von den Mißerfolgen am Isonzo abgelenkt werden soll, dürfte hier nicht unzutreffend sein. Auf den Kriegsgrund selbst kommt es aber schließlich für Italien gamicht an. Die Hauptsache ist, wenn Italien einen neuen erlösenden Krieg mit Blumen und Hymnen und Fahnen haben kann; wenn der Minister der Unerlösten, Barzilai, der übrigens als Sohn jüdischer Eltern aus Triest den wenig italienisch klingenden Namen „Bürzel" führt, wenn, wie gesagt, Signor Barzilai weitere Nationen in Kleinasien erlösen kann!
Den Hauptgrund aber, den echten und wahren Kriegsgrund hat die italienische Regierung bis jetzt noch nicht bekannt gemacht, wird ibn auch nicht veröffentlichen: dieser liegt in den englischen Millionen, deren ja Italien zu seiner Kriegführung gegen Oesterreich-Ungarn dringend bedarf. Aber ohne Beteiligung Italiens an der Dardanellenaktion kein Geld! Die italienische Anleihe hatte ja nun kaum viel mehr als etwa ^ Milliarden eingebracht, so war Italien gezwungen, dem englischen Druck nachzugeben. Die „Berl. Morgenpost" bezeichnet den Krieg Italiens sehr zutreffend als einen „organisierten Rauf für fremde Rechnung." England, das es bisher meisterlich verstanden hat, fremde Völker für seine Interessen bluten zu lasten, hat also wiederum einen Erfolg seiner kaltblütigen Geschäfts- Politik zu verzeichnen. Italien begibt sich in ein neues Abenteuer, obwohl die bisherigen „Erfolge" am Isonzo und an der Grenze drs Trentino wohl hätten abkühlend wirken können. Man fragt sich bei uns: Was sagt denn das italienische Volk, um das in diesem Spiel die Würfel geworfen werden? Was soll ein Volk sagen, von dem mehr als die Hälfte „Gedrucktes" nicht lesen kann und von dem der Rest in unverantwortlicher Weise belogen und betrogen wird? Das italienische Volk glaubt das, was man ihm auf der Straße vorschreit; etwas anderes kann es nicht misten und glauben, weil die Kunst des Lesens und Schreibens wie eine Mauer zwischen dem Volk Italiens und der Welt steht. Was aber dann, wenn man sich im Volke klar wird, daß die Regierung für fremdes Geld hunderttausende von Bolksgenosten am Isonzo, an der trentinischen Grenze, wie nun vielleicht auch aus Galli- volis hinschlachten läßt?!
Der italienische Botschafter in Konstantinopel, Garroni,
hat, was wir gerne glauben wollen, den Krieg zu verhindern gesucht, er wird selbst wissen, warum! Seine Abreise, die am Samstag erfolgte, hat in der türkischen Hauptstadt nur geringen Eindruck gemacht, da man wüßte, daß Italien auch nach der befriedigenden Erledigung des Ultimatums einen neuen Vorwand zur Kriegserklärung suchte. In der französischen Kammer, wo der italienische Botschafter Tittoni in der Diplomatenloge der französischen Kammer von der Kriegserklärung Mitteilung machte, wurde ihm zugerufen „Welche Wichtigkeit!" „Die italienische Schwester hat allzulange Toilette gemacht!", Worte voll bitterer Ironie, die Klar besagen, daß man sich von dem militärischen Mitwirken Italiens gegen die Türkei im jetzigen Stadium in Frankreich recht wenig verspricht. Nun, der bisherige Verlust von 10 ital. Kriegsschiffen (2 Panzerkreuzer, 4 Torpedoboote und 4 Unterseeboote) hat gezeigt, daß sich die ital. Flotte gegenüber dem kühnen Angriffsgeist der Oesterreicher nicht behaupten kann, so wird es ebensowenig Erfolg bei einer Flottenaktion an den Dardanellen haben. Vielleicht wird sich Italien auch zu einer
Expedition nach Kleinasien bereit zeigen müssen. L. r.
*
Mailand, 22. Aug. (W.TB.) „Lorriere della Sera" teilt mit, daß der Schutz der türkischen Interessen in Italien heute von dem spanischen Botschafter übernommen worden ist.
Sie Ledessmilteisrage iw Reichstage.
WTB. Berlin, 21. Aug. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung.
Abg. Gras Westarp (Kons.) berichtet über die Kommissionsberatungen und empfiehlt die Resolution betreffend Schaffung einer Zentralstelle für Lebensmittelversorgung unter Heranziehung von Mitgliedern des Reichstags, ferner betreffend die Ersetzung der Gefängnisstrafe bei Vergehen gegen 8 9 de« Belagerungszustandes durch Geldstrafe zur Annahme.
Eine große Reihe von Anträgen betr. die Preisfestsetzung der Lebens- und Futtermittel, Höchstpreise für Fleisch, Milch, Fette, Hülsenfrüchte, Gemüse und Brot, Beschlagnahme der Gerste, Organisation der Kartosfslvertetlung. Aenderung des Süßstoffgesetzes sollen der Regierung als Material überwiesen werden.
Redner weist auf die Erklärungen der Regierung in der Kommission betreffend Ernteausstchten hin.
Abg. Dr. Quarck (Soz.): Die bisherigen Maßnahmen der Regierung in Bezug auf die Ernährungsfrage sind lediglich den Landwirten und Produzenten zugute gekommen. Die Verordnungen des Bundesrats gegen den Wucher werden nur wenig praktische Wirkung haben. Es müssen Höchstpreise für alle unentbehrlichen Artikel einge- sührt werden.
Abg. Giesbert» (Zent.): Da« Volk trägt geduldig die Lasten des Krieges, aber man sollte Maßnahmen treffen, um gerade der armen Bevölkerung Brot und Kartoffeln zu mäßigen Preisen zur Verfügung zu stellen.
Staatssekretär Dr. Delbrück: Gegen den Wucher sind kriminelle Maßnahmen geschaffen worden. Es wird erwogen, ob nicht die bürgerlichen Ehrenrechte für immer den Schuldigen abgesprochen werden. Auch wird der Gewerbebetrieb für die Zeit des Krieges oder für bestimmte Zeit zu untersagen sein. Man wird am besten tun, in den Gemeinden oder größeren Kommunaloerbänden Kommissionen ' einzusetzen, di«, zusammengesetzt aus Konsumenten, Händlern und Sachverständigen, die Preislreibung verfolgen und das Recht haben, Bücher und Fakturen der Händler einzusehen, die Warenlager zu besichtigen usw. Als Ergänzung hierzu ist erforderlich das Recht der Gemeinden zur sofortigen Beschlagnahme und die Pflicht der Festsetzung von Höchstpreisen. Dieser Preisfestsetzung stehen aber Bedenken entgegen. Ein Gesetzentwurf für die Lösung dieser Frage wird augenblicklich ausgearbettet. Die Festsetzung von Höchstpreisen ist ein zweischneidiger Schwert. Höchstpreise für Saatgetreide fsstzusetzen ist sehr schwer. Die Herbstoersorgung mit Kartoffeln wird zu erschwinglichen Preisen gesichert sein. Auch für den Winter wird eine hinreichend große Reserve vorhanden sein.
Abg. Gothein (Fortschr. Bolksp.): Wir bedauern die Ausschaltung des Handels und der Organisation der Getreide- und Mchlversorgung. Biel schwieriger, als für die Arbeiterbeoölkerung ist die Ernährung der sestbesoldeten und selbständigen Gewerbebetreibenden. Zur Verminderung des Wildschadens müßte der Abschluß organisiert werden. So würde auch für die Fleischversorgung des Volkes gesorgt werden.
Hieraus wird die Weilerberatung auf Montag vertagt.
Rußland vor dem Staatsbankerotl.
Aus Petersburg wird indirekt der „Boss. Zig." berichtet: Aus dem Stenogramm der jüngsten geheimen Sitzung der russischen Finanzkommission ergibt sich, daß die Lage der russischen Staatsfinanzen bei weitem selbst die am meisten pessimistischen Meldungen übersteigt. Rußland steht unmittelbar vor dem Staatsbankerott, und das russische Herrenhaus gibt unumwunden zu, daß man bis jetzt keinen Ausweg gefunden habe. Gras Kokowzow hat in seiner Rede ein erschreckendes Bild von der russischen Lage gegeben. Die letzte Milliardenanleihe habe nur knapp vierhundert Millionen ergeben. Der Rest figuriere als Aktioum in der Bilanz der Staatsbank zum Kurs von 85. Das Staatsbudget für 1915 schließt mit einem Riesendefizit von 580 Millionen Rubel und Finanzminister Bark habe sich darüber einfach tzinweggesetzt, indem er diese Summe auf das Kriegsbudget übertrug. Unsinnige Notenausgabe führe zum Bankerott. Ruß-