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89. Jahrgang. Postscheckkonto Nr. 8113 Stuttgart
Donnerstag, den 17. Juni
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4 Mustr. Sonntagsblatt und
Schwäb. Landwirt.
1915
Sie Asse« i« Galizien ment geschlagen.
Amtliches.
Bekanntmachung des stellt». Generalkommandos XIII. (K. W.) Armeekorps über Pferdeverkanf und Pferdeansfuhr«
Die Verfügung des stellt». Generalkommandos, wonach es Privatpersonen verboten ist, Pferde — sei es kriegsbrauchbare oder kricgLUnbrauchbare — aus Württemberg zu verkaufen oder auszusühren, wird wiederholt zur öffentlichen Kenntnis gebracht. Zuwiderhandlungen werden nach § 9 Lit. d des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 6. Juni 1851 mit Gefängnis bis zu 1 Jahr bestraft.
Stuttgart, den 31. Mai 1915.
o. Marchtaler.
Die Herren Ortsvorsteher werden beauftragt, obige Bekanntmachung den Pferdebesitzern ihrer Gemeinden auf geeignete Weise zur Kenntnis zu bringen mit dem Bemerken, daß Gesuche um Befreiung von diesem Verbot durch die K. Oderämter, welche das Gesuch zu prüfen haben, dem K. stell». Generalkommando oorzu- legen sind.
Pserdebesitzer, welche kriegsbrauchbare Pferde verkaufen wollen, ist Gelegenheit zum Verkauf derselben an das K. stello. Generalkommando X !. Armeekorps geboten. Entsprechende Anträge sind durch die Vermittlung der Oberämter an das K. stello. Generalkommando zu richten.
Uebertretungen des Verbots werden künftig nicht mehr mit Strafverfügung, sondern im gerichtlichen Verfahren mit Gefängnisstrafen geahndet.
Nagold, den 15. Juni 1915. K. Oberamt.
Kommerell.
Bekanntmachung.
Aus Grund der §§ 4 und 9 Ziff. d des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 wird folgendes verfügt: Die Herstellung von Schmuckgegenständen. aus kupfernen Führungsbändern von Artilleriegeschossen, sowie die Aufforderung zur Einsendung solcher Führungsbänder wird verboten. — Wer das Verbot Übertritt, oder zu solcher Uebertretung aufsordert oder anreizt, wird, wenn d!e bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. — Diese Verfügung tritt sofort mit ihrer Bekanntmachung in Kraft.
Stuttgart, den 14. Juni 1915.
Das stello. Generalkommando des XIII. (K. W) Armeekorps von Marchtaler.
Die Gemeindebehördrn
wollen vorstehende Bekanntmachung alsbald nach dem Erscheinen dieser Nummer des Bezirkeamisblatls an den für die Veröffentlichungen bestimmten Stellen zum Aushang bringen oder anschlagen.
Nagold, den 16. Juni 1915. K. Oberami:
. Kommerell.
Neue Angriffe ms der Weftsrmt »Miese».
WTB. Großes Hauptquartier, 16. Juni. Amtlich. (Tel.)
Westlicher Kriegsschauplatz:
Wieder einmal veranlaßt durch die russischen Niederlagen griffen die Franzosen und Engländer gestern an viele« Stelle» der Westfront mit starken Kräften an. Den Engländern gelang es bei Aper« nufere Stellung nördlich des Teiches von Bellevaarde etwas zu« rückzudrücke«. Es wird dort noch gekämpft. Dagegen sind zwei Angriffe von 4 englische« Divisionen zwischen der Straße Estaires—La Baffve und dem dem Kanal von La Basier znsammeugebroche«. Unsere tapfere« westfälischen Regimenter und dort eingetroffenen Teilen der Garde wiesen den Ansturm nach erbitterte« Nahkämpfen restlos ab. Der Feind hatte schwere Berlnste. Er ließ mehrere Maschinengewehre und einen Minenwerfer in unserer Hand.
An die Stillungen der mit größter Zähigkeit sich behauptenden Badener bei der Lorettohöhe wagte sich gestern der Feind nach seire.-ffNtederlagen am 13. und 14. Juni nicht wieder Hera«.
Bei Monlin sous-tons-les-vents ist der Kampf noch im Gange.
Ein feindlicher Dnrchbrnchsversnch zwischen den Bachtäler» zwischen der Fecht und Lauch scheiterte. Dort wird noch nordwestlich oost Metzeral und am Hilfen- first gekämpft. Im übrigen sind die Angriffe schon jetzt abgeschlagen.
Erschleich« Borstch bei LiMg—Kcharji.
Oestlicher Kriegsschauplatz:
Russische Angriffe gegen die deutschen Stellungen im Dawinaabschnitt (südöstlich von Mariarspol), östlich von Augnstow und nördlich von Bolimow wurden abgewehrt. Unser Vorstoß auf der Front Lipowo- Kalvarja gewann weiteren Bode«. Mehrere Ortschaften wnrde« genommen, 204« Gefangene und S Maschinengewehre erbeutet.
Berzedlicher Gegeuswm d« Russe» i» GWe«.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Nördlich der obere« Weichsel wiese« die Truppen des Generalobersten von Woyrsch russische Angriffe gegen Stellungen ab, die wir am 15 Juni den Russen entrissen haben.
Die geschlagene« rassische« Armeen versuchten gestern aus der ganzen Front zwischen dem Ta» und nördlich von Sieniawa, und den Dujestrsümpfe«, östlich von Sambor, die Verfolgung der verbündete« Armee» zu« Stehe» zu bringe«. Am Abend waren sie überall aus ihren Stellungen bei Ciepliee (nördlich von Sieniawa) — südwestlich oonLnbaszow-Zawadow- kaabschnitt (südwestlich von Riemirow) — westlich von Jawarow — westlich von Tadowa—Wisznia nach hartem Kampf geworfen. Gs wird verfolgt.
Die Armee des Generalobersten von Mackensen hat seit dem 12. Juni über 4«««« Mann gefangen genommen, «S Maschinengewehre erbeutet.
Zwischen den Dujestrsümpfen und Zurawno haben die Russe» etwas Rann» gewonnen. Die Gesamtlage ist dort unverändert.
Oberste Heeresleitung.
Der )ahrhunderttag der Schlacht bei Belle-Alliance.
18. Juni.
Wiederum fällt in den Krieg hinein ein bedeutsamer Iahrhunderttag, jener große Tag der deutschen Geschichte, an dem die Gewaltherrschaft Napoleons, die sich nach der Völkerschlacht bei Leipzig noch einmal zu unheimlicher Gefahr zu erheben vermochte, den Todesstoß erhielt. Am 18. Juni 1815, in der Schlacht bei Belle-Alliance, ging der Stern des gewaltigen Korsen unter. Der Marschall Vorwärts hatte die Entscheidung gegeben. Darum schloß die Rede, die ein hervorragender Geschichtslehrer wenige Tage nach Blüchers Großtat zur Siegesfeier in der Kieler Universität hielt, mit den Worten: „Heil den Deutschen, welche aus tiefer Not Errettung gefunden haben, und noch der späte Enkel rufe dankbar: Heil Blücher und den Streitern für das deutsche Vaterland!"
Gedenken wir auch heute wieder der unvergeßlich wahren Worte, die vor hundert Jahren Blücher zu seinen siegreichen Helden gesprochen hat: „Ihr, meine hochachtbaren Waffengefährten, Ihr habt Euch einen großen Namen gemacht. Solange es Geschichte gibt, wird sie Eurer gedenken. Auf Such, Ihr unerschütterlichen Säulen der preußischen Monarchie, ruhet mit Sicherheit das Glück Eures Königs und seines Hauses. Nie wird Preußen untergehen, wenn Eure Söhne und Enkel Euch gleichen!"
Fürwahr: die Enkel von 1915 gleichen ihren Helden- Vorfahren von 1815! Blüchers Hoffnung erweist dieser Krieg als vollauf berechtigt: nie wird Preußen-Deuischland untergehen.
Der Ecinneruug an den 18. Juni 1815, den Siez Blüchers, gibt heute die Tarsache ein besonderes Gepräge, daß damals die deutschen Sieger zusammen mit den Engländern unter Wellington gegen die Franzosen kämpften. Aber nicht ehrliche treue Freundschaft mit Deutschland, sondern nur die gemeinsame Todfeindschaft gegen Napoleon hat England vor einem Jahrhundert zur Waffengemeinschaft mit den Deutschen bestimmt. Echte Freundschaft hat England niemals gekannt, geschweige denn bewiesen. Gerade aus Anlaß des zusammen mit den Deutschen erfochtenen Sieges bei Belle Alliance haben die Engländer genug gezeigt, daß nicht der Geist treuer Waffenbrüderschaft, sondem nur krämerhaste, kalt berechnende, treulose Selbstsucht sie beseelt. Wellington, den Blücher vor vernichtender Niederlage gerettet hatte, trachtete sofort nach dem 18. Juni danach, durch Betätigung der britischen Großmeisterschaft im Lügen dm Sieg allein sich und England zuzuschretben. Der ehrliche Heldengreis Blücher nannte die Schlacht nach dem Orte La Belle-Alliance, erstens, weil er hier am Abend des Siegestages mit Wellington zusammengetroffen war, und dann, weil er durch den Namen, der zu deutsch das schöne Bündnis bedeutet, die deutsch-englische Waffengemein- schaft ehren wollte. Wellington aber dachte nicht daran, der Wahrheit die Ehre zu geben. Eine Lüge war es, als er die Schlacht, die Blücher zum Siege gemacht hatte, nach seinem letzten Haupiquart'ec Waterloo nannte, dar ganz abseits vom Schlachtplatze liegt, und als er in seinem Schlachtbertcht behauptete, nur er habe die Schlacht entschieden. Bismarck, der wenige Wochen vor dem Schlacht- taqe von Belle-Alliance geboren wurde, hat einmal geäußert: „Belle-Alliance! Das ist so rccht deutsch. Die Engländer schämen sich der Gemeinschaftlichkeit des Kampfes, reden
nie von unsrer Beihilfe, die doch entschied. Ihnen ist es eine üble Alliance. Sie sagen Waterloo. Mich empört es jedesmal, diesen Schlachtnamen zu hören."
Das Empörende ferner, das der treulos-englische Schlachtname Waterloo in der Erinnerung in uns weckt, ist die Feindseligkeit, die die Engländer gegen Deutschlano als unsre Waffengefährten bekundet haben. Ihnen ist es zu danken, daß die gerechten Forderungen des deutschen Volkes. die am entschiedensten von den Siegern von Belle- Alliance, von Blücher und Gneisenau. vertreten wurden, den Franzosen den Raub der Grenzlande Elsaß und Lothringen wieder zu nehmen, unerfüllt blieben. Wellington ließ damals, rückfichtslos-eigenmächtig, ohne die Verbündeten zu fragen, den von Napoleon vertriebenen Bourbonenkönig als Freund in Paris einziehen und vereitelte so, daß das nunmehr verbündete Frankreich das gestohlene Elsaß-Lothringen auslieferte. Ganz im Geiste englischer Politik handelnd, hat Wellington die Deutschen um den Siegespreis von Belle-Alliarce gebracht. Gneisenou sagte damals: England wolle das europäische Festland in neue Wirren stürzen, damit vieles nicht Zeit habe, sich gegen die britische Handelspolitik zur Wehr zn setzen.
Blücher ries angesichts des faulen Frieden?, der dank den Engländern dem herrlichen Siege vom 18. Juni 1815 folgte, erbittert aus: „Preußen und Deu schland steht trotz seiner Anstrengungen immer wieder als der Betrogene vor der ganzen Welt da." Betrogen durch England. So hat sich England vor 100 Jahren als Freund und Bundesgenosse seinem Wesen nach n'cht anders betätigt denn heute als unser Feind.