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den Montag, 29. Juli, sein gesamtes Mobiliar ver­steigern, um das Schloß so schnell wie möglich zu räumen. Dasselbe soll alsdann schleunigst für den Kaiser eingerichtet werden.

Ausland.

Brüssel, 22. Juli. Es verlautet, daß Kai­ser Wilhelm am 2. August in Ostende eintrifft und am 3. August von dort wieder abreist.

Die russische Presse erwartet von dem bevorstehenden Besuche des deutschen Kaisers bedeu­tende politische Resultate. Mehrere Blätter erhoffen die Regelung der bulgarischen Frage, andere eine Ab­rüstung. DiePetersb. Wed." ergeht sich in hoch­trabenden Phrasen von Ueberschätzung der internatio­nalen Bedeutung Deutschlands, das trotz seiner Macht noch kein Rom sei; das Blatt hält Deutschland blos für den dritten Faktor- des europäischen Friedens, Rußland und Frankreich natürlich für die ersten.

Tages-Neuigkeiten.

sAmtliches.j Nach stattgehabter Konkurs­prüfung wurde in das evcmg. Seminar in Schönthal ausgenommen: Gundert, Hermann. Sohn des -ß Missionars in Calw.

^ ^-s Calw, 23. Juli. Der heutige Viehmarkt

V hatte einen außergewöhnlich starken Zutrieb. Es wurden zugeführt 1023 Stück Rindvieh, 45 Pferde. Fette Rinder und Zuchtrinder waren gesucht und wurden zu guten Preisen abgesetzt, ebenso fette Ochsen, wobei sehr schöne Exemplare. Preise dem vorigen Markt gleichbleibend, höchster erlöster Preis 1055 ^ das Paar, ^ 35. pro Zentner lebend, 68 ^ Schlachtgewicht. Auf dem Schweinemarkt waren zu­gebracht 24 St. Läufer, 50 Körbe Milchschweine, Preise der elfteren das Paar 5090 der letzteren

3040 Pferdehandel unbedeutend. ^

* Calw, 22. Juli. Veranlaßt durch mehrere in letzter Zeit drohende Unglücksfälle beim Baden teilen wir die auf reicher Erfahrung beruhenden Vor­schriften und Maßregeln mit, die bei Rettung Er­trinkender'zu beachten sind und welche von dem Vor­stand des Hamburger Seeamts veröffentlicht wurden. Dieselben lauten: 1) Wenn man sich einem Ertrink­enden nähert, rufe man ihm mit lauter fester Stimme zu, daß ergerettetsei. Ehe man ins Wasser springt, entkleide man sich so vollständig und so schnell wie möglich. Man reiße nötigenfalls die Kleider ab; hat man aber keine Zeit dazu, so löse man jedenfalls die Unterbeinkleider am Fuß, wenn sie zugebunden sind. Unterläßt man dies, so füllen sie sich mit Wasser und halten den Schwimmer auf. 2) Man ergreife den Ertrinkenden nicht, so lange er noch stark im Wasser arbeitet, sondern warte einige Sekunden, bis er ruhig wird. Es ist Tollkühnheit, jemand zu zu ergreifen, während er mit den Wellen kämpft, unv wer es thut, setzt sich einer großen Gefahr aus. 3) Ist der Verunglückte ruhig, so nähere man sich ihm, ergreife ihn beim Haupthaar, werfe ihn so schnell wie möglich auf seinen Rücken und gebe ihm einen plötzlichen Ruck, um ihn oben zu erhalten. Da­rauf werfe man sich ebenfalls auf den Rücken und schwimme so dem Lande zu, indem man mit beiden

Händen den Körper am Haar festhält und den Kopf desselben, natürlich mit dem Gesicht nach oben sich auf den Leib legt." Wir fügen diesen Vorschriften noch folgendes bei: Obgleich Ertrunkene selten zum Leben zurückkommen, so lasse man doch kein Mittel unversucht um ein Menschenleben zu retten. Die Hilfe eines Arztes ist sofort anzurufen. In der Zwischenzeit reinige man dem Verunglückten nun Mund und Nase von Schlamm, Sand u. dergl. und lasse das Wasser aus Mund und Luftröhre abfließen, in­dem man dem Körper eine sitzende, nach vorn gebeugte Stellung für einige Minuten giebt. Dann trocknet man den völlig entkleideten Körper mit erwärmten Tüchern, legt ihn in ein freistehendes Bett, um ihn von allen Seiten mit Kampferspiritus reiben zu können und hält scharfriechende Sachen ihm vor die Nase. Schlund und Gaumen reize man durch Kitzeln zum Erbrechen; durch Hebung und Senkung der Arme suche man das Atmen wieder herzustellen. In Hirsau ist an einem Hause an der Nagoldbrücke eine Vor­schrift von dem Kieler Sawariterverein angeheftet, welche für alle Bewohner an Flüssen die beachtens­wertesten Winke und Ratschläge enthält.

Seine Majestät der König hat durch Allerhöchste Ordre vom 13. Juli d. I. in Bestätigung des Spruchs eines Ehrengerichts den karakterisierten Hauptmann z. D. Miller in Riedlingen, (Verfasser derAktengemäße Geschichte einer Offizierspensionier­ung") zuletzt Pr.-Lieut. im Gren. Reg. König Karl Nr. 123, wegen Verletzung der Standesehre unter erschwerenden Umständen des Offiziertitels und des Rechts zum Tragen der Militäruniform verlustig er­klärt. Staatsanz.

Cannstatt. Wie die Blätter mitteilen, hat die Untersuchung gegen den 11jährigen Knaben, wel­cher, wie bereits bekannt, ein zweieinhalbjähriges Mäd­chen aus Rache in den Neckar warf, weiter ergeben, daß derselbe sein armes anvertrautes Opfer Tags zuvor mit der raffiniertesten Grausamkeit gequält hat. So stach er es wiederholt mit einer Gabel, und als er deshalb Strafe bekam, schob er es andern Tags in die Tischschublade und ließ es darin schreien, bis es halberstickt war. Weiter warf er es an die Decke, so daß die Hirnschale verletzt schien unv der Ober­amtsarzt geholt werden mußte. Unbegreiflich er­scheint es, wie die Eltern nach all den Vorgängen dem verbrecherischen Buben das Kind weiter noch an- vertrauen konnten.

Ludwigsbürg, 19. Juli. Die vor eimgen Tagen in den Weinbergen der Gemarkung Neckar- weihingen unter Leitung des Landwirtschaftinspek­tors Rindt von Hall vorgenommenen Untersuchungen haben, wie derLudw. Ztg." zu entnehmen ist, leider das Ergebnis gehabt, daß am 1. Tage zwei und am 2. Tage fünf neue Reblausherde entdeckt wurden. Die infizierten Weinberge wurden sofort gesperrt, die Reben nebst den Pfählen werden an Ort und Stelle vernichtet.

Backnang, 18. Juli. Daß im menschlichen Leben der bittere Ernst manchmal doch auch noch eine komische Seite hat, sollte ein Brautpärchen letzten Dienstag in Unterweissach erfahren. Am Tage vor der Trauung stellte es sich heraus, daß eine unent­behrliche Urkunde fehlte, man setzt den Telegraphen

und Fernsprecher in Bewegung und das Hindernis ist weggeräumt. Am Dienstag morgen ordnet der Standesbeamte die Papiere, da macht ein Schlagan­fall seinem Leben ein Ende und der im Hause wohn­ende Sohn, bei welchem die Hochzeit gehalten werden, sollte, schafft schleunigst die vorhandenen Vorräte in ein anderes Wirthaus. Als nun der standesamtliche Vertreter seines Amtes walten will, ertönte die Feuer-- glocke und die Pflicht ruft auf den Brandplatz. Das. Feuer ist zum guten Glück bald gelöscht, wenigstens die dringendste Gefahr beseitigt und nun kann auch das Brautpaar ohne weitere Zwischenfälle in den Hafen der Ehe einlaufen.

Saulgau. Die Verheerungen, welche die Nonnenraupe in den Nadelwaldungen des Ober­amtsbezirks und des angrenzenden preuß. Oberamts­bezirks Sigmaringen, namentlich in den Fürstlich Taxis- 'schen und Gräflich Königsegg'schen Waldungen an­richtet, sind sehr erheblich und nehmen die Aufmerk­samkeit und Thätigkeit der Forstleute und Forstbe­amten in erhöhtem Maße in Anspruch. Man konnte sich indes in Württemberg bis jetzt nicht dazu ent­schließen, nach dem Vorgang in Bayern die Wald­ungen abzuholzen, um dem Uebel zu steuern. Man erinnert sich nämlich der Erfahrungen, welche in früheren Jahren mit dem Raupenfraß in den Nadelwaldungen gemacht wurden. So fand im Jahre 1839 im Alt­dorfer Wald bei Ravensburg eine schreckliche Ver­wüstung durch die Nonnenraupe statt; damals wurden auf einer zusammenhängenden Fläche von 1550 Morgen die Nadeln aller Fichten, Tannen und Forchen total abgefressen und wurden in den Staatswaldungen in aller Eile gegen 70000 Klafter Holz gefällt, welche zu Schleuderpreisen verkauft wurden. In den un­mittelbar angrenzenden, vom Raupenfraß gleichfalls arg heimgesuchten Fürst!. Wolfegg'schen Waldungen dagegen wurde die Fällung der L-tämme unterlassen, und erfreulicherweise machte man im nächsten Jahr die Wahrnehmung, daß die kahl gefressenen Stämme frische Nadeln trieben und freudig fortwuchsen. Ohne menschliches Zuthun sind die Raupen und Schmetterlinge im Jahr 1840 verschie­denen Krankheiten und den Angriffen von Millionen kleiner Schlupfwespen unterlegen. Auch in den Jahren 1856 und 1857 trat nach den in einem oberschwäb­ischen Lokalblatt enthaltenen Nachrichten die Nonnen­raupe in den Fürstlich Taxis'schen und Gräflich Königs­egg'schen Waldungen im Oberamt Saulgau bedroh­lich auf; die angefressenen Stämme wurden aber stehen gelassen, trieben im folgenden Jahr frische Nadeln und zeigen teilweise noch heute einen guten Wuchs. Möge die Hoffnung unserer Forstleute und Waldeigentümer, daß die Natur selbst den Verheer­ungen der Nonnenraupe ein Ziel setzen werde, in Erfüllung gehen!

Gammertingen, 21/Juli. Große Freude erregte hier die Kunde, daß außer dem Fürsten von Hohenzollern, welcher 1200 für die Verhagelten anwies, auch Se. Exzellenz der Herr Erzbischof sein Scherflein zur Linderung der großen Noth beigetragen und 200 <^. gespendet hat. Der tiefgefühlteste Dank ist den edlen Gebern gewiß; möge sie der Himmel da­für lohnen. Der Fonds hat sich nun bereits schon auf

Und doch sage ich: Wollte Gott, es wäre so! Lieber hätte ich meine Seele durch einen kranken, zerstörten Geist foltern lassen, als jenen herzzerreißenden Schmerz, jenen unersetzlichen Verlust zu erleiden, von dem ich jetzt in dieser Erzählung be­richten soll.

Nachdem der Kapitän mich aufmerksam betrachtet, fragte er, wie ich geschlafen habe. Ich versicherte ihm, gut, denn ich war fest entschlossen, diesem Manne und seinem Gefährten, was sie und ihr Schiff auch immer sein möchten, ein gelassenes und befaßtes Aeußere zu zeigen. Ich hatte bisher meiner Nervosität genug Spiel­raum gelaffen und es war höchste Zeit, mich zu erinnern, daß ich ein Engländer und ein Mattose war.

Alle Schiffe außer meinem/ sagte er mit seinem durchdringenden, tiefem Organ, wobei er mit düsterm Blick um sich schaute,werden vom Wind begünstigt. Hätte das gute Wetter nur noch drei Tage ausgehalten, so würden wir Agulhas an unserer Seite und unseres Schiffes Schnabel nordwestlich gehabt haben. Es ist doch zu bitterhart, gerade von einem Sturme überfallen zu werden, wenn nur noch wenige Stunden günstiger Brise genügt hätten, uns um das Kap herumzubringen."

Wüthend ballte er seine Hände und warf einen brennenden Blick nach dem Horizont windwärts.

In diesem Augenblick trat der erste Maat, Hermann van Vogelaar, an uns heran und sagte, ohne von meiner Gegenwart die geringste Notiz zu nehmen, etwas zum Kapitän, was ich jedoch nicht verstand; eS bezog sich zweifellos auf eine Ver­richtung, derentwegen er nach Vorn geschickt worden war. Ich war außerordentlich frappirt von dem rauhen, häßlichen, wetterharten Aussehen dieses Mannes, sein Ge­sicht zeigte sich im Tageslicht als eine bloße Oberfläche von Knoten, Warzen und Runzeln mit einer Nase, die wie das eine Ende einer in zwei Teile zerlegten Para- diesfeige aussah, und mit kleinen düsteren, tiefliegenden Augen, die von gelben Ringen umgebm waren. Sein Anzug war der eines Matrosen aus meiner eigenen Zeit. Doch mehr als die äußerste Gleichgültigkeck, die er und der Steuermann gegen meine Gegenwart zur Schau trugen, als wenn ich für sie wahrhaftig un­sichtbar wie der Wind sei, ergriff und bewegte mich die dm Gesichtszügen dieses

Seemannes unterliegende Totenblässe. Hätte man mir die Frage vorgelegt, wie Menschen, die lange im Grabe gelegen und wieder ausgegraben worden, aussähen, würde ich auf Vanderdecken's, van Vogelaar's, ja auch auf Prius' und des Steuer- mann's Gesichter gewiesen haben.

Der erste Maat trennte sich von uns und schritt auf den Steuermann zu, an dessen Seite er stand, als wenn er ganz in's Schiff vertieft wäre. Der Kapitän beachtete meine Anwesenheit für eine oder zwei Minuten garnicht, dann schaute er mich an und sagte:Es ist nur gut, daß Sie Holländisch sprechen, obgleich Ihre Aussprache einen etwas fremden Klang hat. Was mich betrifft, so verstehe ich ge­rade genug von Ihrer Sprache, um ein Schiff anrufen zu können und um zu sagen: Ich will ein Boot senden". Wo haben Sie Holländisch gelernt?"

Ich habe es mir während meiner verschiedentlichen Reisen nach Rotterdam so nach und nach durch Hören und Sprechen avgeeignet," erwiderte ich.

Kennen Sie Amsterdam?"

Nein, Herr," sagte ich.

Nach einer kleinen Pause fuhr er fort:Man wird mich für verloren haften oder glauben, daß mich feindliche Kugeln in den Grund gebohrt. Wenn man zu den Monden, die seit letztem Juli vergangen sind, noch die weite und langwierige Reise vorher hinzufügt" er seufzte tief, ohne den Satz zu vollenden.

Wann sind Sie von Amsterdam abgesegelt, Herr?" forschte ich weiter, da­bei gleich ihm niemals das höfliche Mynheer außer Acht lassend.

Am ersten November," antwortete er.

In welchem Jahre?" fragte ich.

Jähzornig schrie er mich an:Ist Ihr Verstand immer noch über Bord,, daß Sie diese Frage wiederholen? Sicherlich letztes Jahr wann denn?"

Ich senkte den Blick auf das Deck.

(Fortsetzung folgt.)