356

die angrenzenden gegen 200 Hektar großen Landgüter les Menüs und Pont L Chausiy von drei verschiedenen Besitzern aufgekauft und mit rund 300000 be­zahlt. Auch diese Güter sind in gutem Zustande und lassen sich mit dem Schlosse zum einheitlichen Wirt­schaftsbetriebe vereinigen. Was die Frage anbe­langt, weswegen der Kaiser das Schloß gekauft habe, so gehen diejenigen wohl nicht fehl, welche der An­sicht sind, daß der Kaiser damit sein Interesse an der deutschen Kolonisierung Lothringens darlegen wolle. Es besteht die Hoffnung, daß den wenigen schwäbischen und westfälischen Landwirten, welche als die ersten lothringische Güter in altdeutschen Besitz gebracht haben, nunmehr deutsche Grundbesitzer in größerer Zahl folgen werden.

Lauterberg, 19. Juli. Reichskommiffar Major von Wißmann beauftragte Freiherrn von Gravenreut, für die an ihn anläßlich seiner Krank­heit aus aller Herren Länder eingegangenen Beweise der Teilnahme durch die Presse seinen Dank zu über­mitteln, da dies auf anderem Wege unmöglich sei. Das Befinden v. Wißmann's hat sich seit gestern unerwartet erfreulich gebessert. Appetit und Schlaf kehren zurück.

Ausland.

Die Kaiserin Friedrich in England. Der Londoner Korrespondent des Frkf. Journals schreibt unter dem 16. ds.: Die Kaiserin Friedrich und deren Töchter verabschiedeten sich gestern von der Königin in Windsor und reisten in Begleitung des Herzogs von Connaught nach Portsmouth, wo sie sich an Bord der kgl. PachtVictoria und Albert" be­gaben, auf welcher sie die Nacht zubrachten, um heute in aller Frühe die Reise nach Gibraltar anzutreten. Non dort setzt die hohe Frau mit ihren Töchtern an Bord des englischen AvisobootesSurprise" die Reise nach Athen fort. Die Königin gab ihrer Tochter das Geleit bis zum Bahnhof in Windsor, wo sie sich von ihr und ihren Enkelinnen nochmals auf das herzlichste öerabschiedete. DieTruth" schreibt:Die Kaiserin Friedrich würde ein wichtiger Factor bei Hofe werden, wenn sie lange in England bliebe. Während der letzten drei Wochen ist ihr Einfluß bei der Königin erfolgreich ausgeübt worden, um Ihre Majestät zu veranlassen, zu gestatten, daß eine Gardekapelle an Sonntag Nachmittagen auf der östlichen Terasse des Windsorschlosses spiele und sie hat auch die Erlaubnis der Königin für eine längere Rundreise der Prinzessin Beatrice im Auslande erlangt. Die Königin hatte sich stets beharrlich geweigert, eine Kapelle auf der östlichen Terasse, wo seit 1861 bis vor Kurzem keine Musik gehört worden ist, spielen zu lassen und die jährlichen Versuche der Prinzessin Beatrice zur Er­langung von Urlaub für eine Schweizerreise sind un­wandelbar fehlgeschlagen, aber die Kaiserin Friedrich hat in beiden Fällen reüssiert und einige Leute prophe­zeien jetzt, daß wenn die Kaiserin nächstes Jahr um Pfingsten herüberkommen sollte, sie im Stande sein werde, die Königin zu bewegen, den Rennen in Ascot beizuwohnen."

Socholt, 19. Juli. Der K a i s e r fährt durch den Nordfjord nach Geiranger Die Landpartie von Olden nach Geiranger unterblieb behufs Erledig­ung von Regierungsgeschäften. Die Mehrheit des Gefolges reist zu Lande nach Geiranger.

Athen, 19. Juli. Die Kronprinzessin- Sophie, Schwester des Kaisers Wilhelm, wurde heute morgen neun Uhr unerwartet von einem Sohne glücklich entbunden.

Tages-Nenitzkeiten.

Schwurgericht. Tübingen, 16. Juli- In der zweiten Quartalssitzung kamen 8 Fälle zur Verhandlung, nämlich: 1. Strafsache gegen die ledige Dienstmagd Marie Wetzet von Enzthal, O.A. Nagold- Sie wurde wegen einer in Reutlingen begangenen. Kindstötung zu 3 Jahren und 2 Monaten Zucht­haus, worauf 2 Monate der Untersuchungshaft ge­rechnet wurden, verurteilt. 2. Strass, gegen Kath..

Jörg, ledige Dienstmagd von Oehringen und Karo-

line Baal, ledige Nähterin von Ruith, O.A. Stutt- >

gart, wegen Brandstift-ung und Beihilfe hiezu.

Die Jörg hat nachts auf die Bühnentreppe des Arbeits­hauses Rottenburg, in welchem sich die Angeklagten als Eingewiesene befanden, Erdöl gegossen, welches, ihr die Baal zum Zwecke der Inbrandsetzung des Gebäudes geliefert hatte. Die Jörg wurde zu 2, die Baal zu einem Jahre Zuchthaus verurteilt und in diese Strafe die 6monatliche Gefängnisstrafe einbe­zogen, welche gegen die Angeklagten wegen Meuterei vorher ausgesprochen wurde. 3. Strafsache gegen den. den ledigen Säger Friedr. Klumpp von Poppel­thal. Er wurde von einem Verbrechen der versuchten Notzucht freigesprochen. 4. Strafsache gegen den ledigen Taglöhner Gottfr. Calmbacher von Schwann.

Es wurde wegen Verbrechens wider die Sittlichkeit mit 6 Monaten Gefängnis bestraft. 5. Strafsache gegen den verheirateten Schuhmacher und früheren Gemeindepfleger Karl Schuh von Unterschwandorf.

Er war beschuldigt 163 Geld seiner Kasse ent­nommen und für sich verwendet zu haben, auch mit Beziehung auf diese Amtsunterschlagung seine Bücher unrichtig geführt zu haben, es erfolgte aber Frei­sprechung. 6. Strafsache gegen den verheirateten Fuhrmann Rob. Christian Groß Hans von Wild­bad. Dieser hat seinen Schwager, den gutbeleumun­deten Zimmermann Wilhelm Gutbub, welcher ihn wegen Streitigkeiten mit seiner Frau zur Rede gestellt und mit der Hand einen Schlag versetzt hatte, erstochen, er wurde mit 6 Jahren Zuchthaus und Ehrverlust aut 6 Jahre bestraft. 7. Strafsache gegen den ledigen >

Taglöhner Karl Hecker von Loffenau, O.A. Neuen­bürg. Er hat in einer Strafsache gegen einen mit ihm verfeindeten Nachbar einen Meineid geschworen und wurde, da der Ermäßigungsgrund des Z 157 Z.

1 des St.G.B. zutraf, mit 8 Monaten Gefängnis bestraft. 8. Strafsache gegen den verheir. Metzger Gottlieb Frank von Calmbach. Er hat 2 ihn mit Prügeln verfolgende Bauern, mit deren einem er vorher Streit hatte, derart gestochen, daß sie tot auf dem Platze blieben. Strafe 4 Jahre Gefängnis.

Als Vorsitzende waren thätig im Falle 3,4 und 7

L. G.Rat Kohlhund, in den anderen Fällen L.G.Rat v. Reuß. Die Anklage vertrat im Falle 1 , 2, 4,

6, 7 I. Staatsanwalt Degen, im Fall 5 unv 8 Staatsanwalt I)r. Schanz, im Falle 3 Hilfsstaats­anwalt Pelm, als Verteidiger waren thätig, Vierer,. Bohnenberger, Sailer, Wetzel II., Hofmeister, I)r. Lammfromm II. hier und Kapp von Stuttgart.

In Eßlingen tagte am 15. und 16. d..

M. der Verband württ. Gastwirte, der zur Zeit

kämpfen. Der Kaiser habe sich für den Frieden entschieden; er (der Fürst) habe kämpfen wollen; je eher, desto lieber. Diese Meinungsverschiedenheit sei einer der Gründe gewesen, aus denen er sein Amt niedergelegt.

Von der Arbeiterschutzgesetzgebung halte er nichts. Er sei gegen alle Zwangsmaß­regeln, welche die persönliche Freiheit des Arbeiters beschränken. Er habe die Absicht gehabt, die Befug­nisse des S o zia l ist e ng e s etz e s dahin zu er­weitern, daß an Stelle der Ausweisung die Verbannung trete. Damit habe er aber im Staatsministerium nicht durchdringen können. Im letzten Grunde sei die Sozialistenfrage eine mili­tärische Frage. Wenn das Geschwür aufgegangen, könnte man die Ausschreitungen ja mit Gewalt Niederdrücken. Es trete dann vielleicht an die Stelle des jetzigen kleinen Belagerungszustandes der allgemeine Kriegszustand.

Spez.-Telegr. d.Franks. I."

Jul. Ritterhaus der Herausgeber des Frankfurter Journals, bemerkt vorerst zu diesem Be­richte, daß Fürst Bismarck der Norddeutschen Allgem. Ztg. gar nicht erwähnt habe, dieselbe vielmehr ganz ignorierte. Bemerkenswert sei, daß der Fürst den Gebrauch des WortesFeigheit" und nicht Furcht­samkeit, trotz denHamb. Nachr." zugegeben habe.

Straßburg, 16. Juli. Seit einiger Zeit wurde in engeren Kreisen erzählt, der Kaiser sei im Begriffe, Grundeigentum im Reichslande zu erwerben. Es wurden auch über die näheren Verhältnisse bereits Mitteilungen gemacht. Schließlich wurde auch noch ein Prinz des kgl. preuß. Hauses genannt, der mit einer ähnlichen Absicht umgehen solle u. s. w. Heute giebt die amtliche Korrespondenz interessante nähere Nachrichten über dieses bedeutungs­volle Vorkommnis. Sie schreibt: Die Herrschaft Urville im Landkreise Metz ist in den Privatbesitz Sr. Maj. des Kaisers übergegangen. Schloß Ur­ville, das neue kaiserliche Besitztum in Lothringen, gehört, wie man demSchwäb. Merkur" berichtet, zu den schönsten Gütern des Bezirks, nicht nur des landwirtschaftlichen Reizes seiner Lage wegen, sondern mehr noch wegen der Ergiebigkeit seines Bodens, der Schönheit seiner Waldungen und des Zustandes der Gebäulichkeiten, welche den Aufenthalt des Kaisers und der kaiserlichen Familie wohl gestatten. Das Schloß ist 15,7 km von Metz entfernt, liegt hart an der Bahnstation Kürzel und am Fuße der Höhen, welche in das Niedthal abfallen. Durch eine Kastanien­allee gelangt man vom Schlosse in den Park und dieser geht in den Walji über. In früheren Zeiten war Urville eine Seigneurs mit eigener Gerichtsbar­keit und gehörte ursprünglich den Grafen von Rol­lingen. Im 19. Jahrhundert besaßen es der Reihe nach der napoleonische General Semsle, der Baron Sers und als Letzter seit 1874 der Lederfabrikant Sendret, welcher das Schloß seit 1888 zum Verkaufe ausgeschrieben hatte. Als Kaufpreis wurde für das 56 Hektar große Besitztum 160 000 gezahlt Die Verhandlungen hatte der Bezirkspräsident von Loth­ringen geleitet und so geheim zu halten verstanden, daß der gestrige Tag Allen eine Ueberraschung be­reitete, sogar dem Verkäufer Sendret der nicht wenig über sich selbst staunte, daß er den Preis für sein Gut dem bis dahin unbekannten Käufer so billig ge­lassen habe. Gleichzeitig mit Schloß Urville wurden

fault und morsch, daß mir bäuchte, es müßte jeden Augenblick zu Staub zerfallen. Doch als ich es zwischen Daumen»und Zeigefinger hielt, wurde es mir klar, daß es die wunderbarm Eigenschaften des fluchbeladenen Fahrzeuges theilte, denn nicht ein­mal Eisen hätte meinem Pressen und Drücken einen größeren Widerstand entgegen­setzen können. Die Kanonen, die mir in vergangener Nacht als eine altertümliche GeschützeSart, Falkonette genannt, aufgefallen waren, ebenso rostig und zerfressen wie die Mastbügel.

Wie soll es mir, der ich nur über Tinte anstatt Farbe, nur über einen Gänse­kiel anstatt Pinsel «erlüge, gelingen, meinen Lesern eine annähernd deutliche Idee von dem Moder und der Fäulnis dieses Schiffes zu geben? Jetzt war cs ein Leichtes, mir das bei Nachtzeit sichtbare Glühen und Flimmern dieses gebannten, seeumtosten Gebälks, das der Zahn der Zeit gleich den Ratten unter den Dielen unermüdlich und unaufhörlich benagte, zu erklären.

Vom am Hauptmast war ein breiter, durch die Lukm von einem Deck zum andem führender Gang, der mit Theertüchern belegt war, die an unzähligen Stellen eine geschickt ausbessernde Hand verrieten. Ueber alle diese Gegenstände orientirte sich mein geübtes Seemannsauge sehr bald und ebenso schnell darüber, daß das Schiff mit gerefften großm Segeln, über denen sich keine anderen zeigten, leewärts abgetrieben wurde, und ferner daß das Focksegel und Schönfahrsegel ein sehr schmutziges, kohlenfarbiges Ansehm hatten und augenscheinlich schon oftmals geflickt und auSgebessert worden, obgleich ich weder sagm konnte, noch vermuten mochte, ob ihr Widerstand gegen die Gewalt des Sturmes nur auf dem dauerhaft festen, un­gewöhnlich haltbaren Segeltuche beruhe oder etwa ein Werk des Teufels sei. Keine Seele war sichtbar, doch erfuhr ich später, daß die Mannschaft zu dieser Zeit gerade unten beim Frühstück saß.

Als ich da» Hinterdeck emporstirg, bemerkte ich Vanderdrcken auf dem Hütten­deck, ging zu chm hinauf und begrüßte ihn nach Matrosenmanier durch Berühren des

Hutes. Der Rock, den ich anhatte, saß mir leider so ungeschickt und war so weit, daß mich der außerordentlich starke Wind, der meine Nockärmel nur so anfüllte und aufblähte, beinahe zu Boden geworfen hätte; doch Dank einem plötzlichen Schlingern des Schiffes wurde ich gleicherweise gegen eine Besanpcndune geschleudert, an der ich mich festzuhalten suchte, bis ich wieder zum Atem gekommen und mich von meiner Ueberraschung erholt hatte. In der Mitte des Hüttendecks, unweit des Steuerruders^ stand ein kleines Häuschen, das wahrscheinlich zur Bequemlichkeit des Kapitäns und der Offiziere diente, die darin vorkommenden Falls ihre nautischen Berechnungen machten und marüime Instrumente, Flaggen und Aehnliches aufbewahrten. Doch dem sei wie da wolle, Kapitän Vanderd ecken winkte mir. dahin zu kommen, und die windsichere Seite desselben bot genug Schutz, eine Unterhaltung zwischen uns zu ermöglichen.

Ich musterte ihn, so wett ich mich überhaupt getraute, mit voller Aufmerksam­keit. Seine Augen waren durchdringend und voller Leidenschaftlichkett, mit einem unnatürlichen Glanze, wie man ihn in den Augen eines Wahnsinnigen beobachten kann. Der untere Teil seines Antlitzes verbarg sich unter dem Barte; doch soweit die Haut desselben überhaupt sichtbar denn dazu kam noch, daß die Mütze bis tief zu den Augenbrauen herabreichte, war sie bleich, und zwar von einer so grossen Blässe, wie man solche oft in Portraüs Verstorbener bemerken kann, wo die Länge der Zeit das ursprüngliche Weiß der Farbe hervorgebracht hat. Kein Wunder, daß mir dies im vielfarbigen Lampenlicht deS vorhergegangenen AlendS nicht aus­gefallen war. Obwohl nun seine KirchhofSzüge der Majestät und dem stolzen Wesen seiner Mienen und Haltung keineswegs Abbruch thaten, so konnte ich doch begreifen, daß er in seinem Herzenstrotz eine teuflische Hartnäckigkett besitzen mußte, daß er ein Mann war, dessen Stolz und Leidenschaften chm unter den verwegenste» jener gefallenen Geister, von denen der berühmte Dichter Mitton in seinemVer­lorenen Paradiese" singt, einen hervorragenden Platz anwiesrn. (Forts, folgt.)-