Ausland.
London, 9. Juli. Dem Reuter'schen Bureau wird unterm 9. Juli aus Sansibar gemeldet: Dr. Peters ist gestern an der Küste eingetroffen und wird morgen hier erwartet. Es befindet sich Alles wohl.
London, 9. Juli. Der „Köln. Ztg." meldet man: Die Gefahr eines Polizistenausstandes ist vorüber. Die entlassenen Polizisten bitten um Wiedereinsetzung. In Bow-Street fand gestern als Nachspiel zu den vorgestrigen Unruhen ein großer Pöbelauflauf statt. Die benachbarten Wirtschaften wurden geschloffen, die Straße unter großen polizeilichem Aufgebot gesäubert. Das Hauptquartier in Scotland Jard war auf alle Möglichkeiten vorbereitet und hatte zahlreiche Mannschaften zu Pferd und zu Fuß, sowie Omnibusse und Wagen zur Beförderung an die bedrohten Stellen aufgeboten. Der Polizeihauptmann beriet mit den Ministern über allgemeine Maßregeln.
London, 9. Juli. Die Bewegung der Postbeamten zur Verbesserung ihrer Lage dauert fort. Vierzig dem Postbeamtenverein angehörige Beamte entfernen 70 dem Verein nicht angehörige gewaltsam aus dem Packetbureau. 300 Briefträger des Generalpostamts legten die Arbeit nieder, nahmen sie jedoch wieder auf. Lord Compton vermittelt zwischen dem Generalpostmeister und den Telegraphenbeamten.
London, 10. Juli. Heute früh wurden weitere hundert Briefträger entlassen. Fünfzig Beamte des östlichen, sechzig des nördlichen Distrikts legten heute früh die Arbeit nieder. Die Postverwaltung drohte jedem Beamten mit Entlassung, welcher den Gehorsam verweigern oder andere Angestellte an der Fortsetzung ihrer Thätigkeit hindern würde. 200 Briefträger demonstrierten durch eine Prozession von Jslington nach der City und setzten, durch 150 Beamte des Westbezirks verstärkt, den Marsch nach den westlichen Stadtteilen durch die Oxfordstreet fort, um auf dem Wege andere Beamte zum Anschluß zu überreden.
London, 10. Juli. Am späten Abend fanden gestern in Bow-Street und der Nachbarschaft einige unbedeutende Zusammenstöße von Menschenmassen mit der Polizei statt. — Eme Versammlung von 5000 Postbriefträgern, die gestern in Clerkenwell stattfand, nahm eine Resolution an, den Ausstand heute zu beginnen, wenn nicht alle dem Verein nicht Angehörigen entlasten seien. Von den Postbeamten, welche gestern vormittag die Hilfsarbeiter der Packetpost angriffen, vertrieben und den Gehorsam versagten, wurden 100 entlassen.
Tages-Neumkeiten.
Neuenbürg. In der am 5. d. M. abgehaltenen Amtsversammlung wurde Revisionsassistent und Verwaltungs-Aktuar Kübler hier zum Oberamts- spariassier und Stadtbaumeister Link zum Bezirks- Feuerlösch-Jnspektor gewählt.
— Dem in Nürnberg erscheinenden „Stereotypeur" wird geschrieben: Der „SchwarzwäIder Bote", welcher bekanntlich in Oberndorf erscheint, soll, wie verlautet, nach Stuttgart übersiedeln.
Stuttgart, 10. Juli. Der Lebensmittelmarkt war heute mit etwa 500—600 KörbenKirschen, 300 Körben Stachelbeeren u. s. w. befahren. Preise der Kirschen wie bisher, schönste schwarze 20—22 -g. Der Gemüsemarkt hat seine 4 Reihen von Verkäuferinnen gebildet; außer diesen 4 zieht sich eine neue Reihe der Dorotheenstraße entlang nach dem Charlottenplatz. Neue Erscheinungen sind Blaukraut in schönen festen Häuptlen. Heute sind auch erstmals Gaishirtle auf dem Markte (zu 35 einqetroffen. Rehwild kommt in Menge zu Markte, seit Eröffnung der Jagd (1. Juni) etwa 600 Stücke; ihnen steht ein einziger Edelhirsch gegenüber. Schw. M,
Freuden st adt, 7. Juli. Der „Schwarzw. Bote" berichtet: Auf gestern nachmittag war in den Löwen in Alpirsbach eine volksparteiliche Vertrauens- münnerversammlung des 8. Wahlkreises einberufen, die sehr zahlreich besucht war. In einer Resolution, die von allen Anwesenden unterschrieben wurde, wurde dem Reichstagsabg. Frhrn. von Münch die volle Zustimmung über seine Thätigkeit im Reichstag ausgesprochen.
Tübingen, 9. Juli. Ein bedauerlicher Unlücksfall ereignete sich gestern nachmittag im enz'schen Bierkeller. In demselben war ein 15jähriger Brauerlehrling am Bieraufzug beschäftigt und wurde von dem Hebel desselben so schwer getroffen, daß der ganze Hinterkopf eingeschlagen wurde und der Verletzte noch in der folgenden Nacht verschied.
Tuttlingen, 7. Juli. Zwei Langfinger, wie es heißt Metzger von Gewerbe, stahlen vom 4. auf den 5. d. M. in der „Krone" hier einen schweren goldenen Ring, eine etwa 20 Ctni. lange goldene Uhrkette und eine neue Hose im Gesamtwert von 90 Die „armen Reisenden" haben, wie man hört, den Ring in Spaichingen um ganze 5 versetzt und sich vom Erlös ein gutes Vesper mit Bier und Schinken wohl schmecken lassen. Der leicht verdiente Imbiß dürfte ihnen aber versalzen werden, da die Gutedel in Horb heute festgenommen wurden.
Ulm, 9. Juli. Nach der gestern abend wiederholten Festspielaufführung fand in den Markthallen ein Bankett statt, bei dem sich die Mitwirkenden zur Abhaltung von vorerst 2 weiteren Vorstellungen — morgen Donnerstag abend und nächsten Sonntag vormittag — bereit erklärten. — Durch das Fischerstechen wurde nur eine Einnahme von 5000 erzielt, während man auf mindestens 20000 gehofft hatte.
— Bayr. Blätter berichten von einem verheerenden Auftreten der Nonnenraupe in den Fichtenwaldungen östlich und südlich von München. Tausende von Tagwerken mit den herrlichsten Fichtenbeständen seien schon vernichtet und eine dreifach größere Fläche sehe ihrem Untergang entgegen. Nach beiläufigem Ueberschlage seien gegen 5000 Tagwerk kahl gefressen. Ein Blatt stellt eine Kalamität in Aussicht, wie sie in den Jahren 1852—55 Ostpreußen traf, wo bis Ende Juni des letztgenannten Jahrs die Tiere 10000 Morgen Nadelholzbestand vollkommen, 5000 Morgen beinahe ganz kahl gefressen hatten und im Juli 16345 Morgen Fichtenwald total vernichtet waren. — Andererseits wird aus einzelnen Orten, in
denen die Nonne bereits starke Verheerungen angerichtet haben sollte, deren Auftreten überhaupt bestritten. (Gehört wohl zur Gattung des Eisenwurms?)
Köln, 8. Juli. Eine entsetzliche Luftreise auf Leben und Tod war die letzte, am Sonnt, nachm, veranstaltete Freifahrt des Ballons „Stollwerk" der Kölner Kriegskunstausstellung. Außer dem Luftschiffer nahmen die Herren G. Depenheuer und P. Schmitz an der fürchterlichen Fahrt Teil. Der Aufstieg im Kaisergarten und auch der Niedergang in einer Lichtung am Dütteberg, nahe dem Schloß Bens- berg ging gut von Statten. Luftschiffer Wolfs saß in der Gondel und öffnete das Ventil, während Depenheuer und Schmitz unter Hilfe herbeigeeilter Landleute die Gondel festhielten. Plötzlich faßte ein Wirbelwind den Balon mit ungeheurer Kraft; die Gondel wurde mit den Leuten, welche sie hielten, hin und hergeschleudert und ehe man sichs versah, entführte der Wind den Ballon, an dessen Gondel^ und zwar am Korbrande, noch 3 Personen, Depenheuer, Schmitz und ein Bauersmann, hingen. Elfterer ließ sich aus 20 Fuß Höhe fallen und kam unbeschädigt nieder, während Schmitz und der Bauer sich krampfhaft an dem Korbrand hielten. Letzteren verließen die Kräfte und er stürzte aus etwa 50 Meter Höhe, in der Luft sich mehrere Male überschlagend, herunter mit furchtbarem Aufprall oes Körpers. Der Unglückliche war tötlich verletzt und hatte beide Arme und Beine und sämtliche Rippen gebrochen. Beklommenen Herzens und mit Entsetzen blickten die Untenstehenden auf den mehr und mehr und immer höher steigenden Ballon, an dessen Korbrand sich Schmitz angeklammert hielt. Den sichern Tod vor Augen klammerte sich dieser mit Aufwand aller Kräfte an den Korb an, in einer fürchterlich beängstigenden Schwebe zwischen Leben und Tod. Vergeblich suchte Luftschiffer Wolfs den Freund in den Ballon zu ziehen; auch er war durch die fürchterlichen Anstrengungen erschöpft. Aber es galt den Freund zu retten. Mit einer Hand zog er die Ventilleine, mit der anderen versuchte er, dem gefährdeten Freunde eine Sturmleine unter den Armen zu befestigen und ihn an den Korb anzubinden, was ihm nach 25 langen Minuten mit Erschöpfung aller .Kräfte gelang. Mittlerweile war der Ballon Stollwerk bis auf 3000 Mtr. gestiegen. Don Schmitz verließen allmählich die Kräfte und er wäre trotz der Leine sicherlich heruntergestürzt,, hätte ihn nicht Wolff fortgesetzt ermutigt und durch Aufbieten aller Kraft und Energie schließlich mit den Zähnen am Rock festgehalten, während er mit den Händen die Ventilleine zog und die Klappe öffnete.. Bald sank auch bei Gut Clev der Ballon ganz rapid im fürchterlichsten Sturm und Hagelwetter. Als die Gondel mehrmals auf dem Boden aufschlug, entwand sich Schmitz dem Strick und ließ, sich aus etwa 10 Fuß Höhe fallen, glücklicherweise ohne körperlichen Schaden zu nehmen. Die Kleider hingen ihm in . Fezen am Leibe und es dauerte lange, ehe der Beklagenswerte wieder zu sich kam. Der jetzt um etwa 100 Kilo erleichterte Ballon mit dem Luftschiffer Wolff stieg sofort wieder mit furchtbarer Schnelligkeit getragen in die Wolken und senkte sich erst gegen 8 Uhr im Königsforst bei Overath. Aber unter welchen Umständen! Durch einen furchtbaren Sturm
ersten Steuermannes Van Vogelaar zu gefährden, nichts mehr mit ihnen zu thun haben sollten!"
„Von jetzt an wird dieser Engländer wissen, daß die Holländer barmherzige Leute sind," sagte Van Vogelaar verächtlich. „Wäre unser Nationalcharakter ein anderer, so würden wir ihn als Tribut des Mutes seiner Kameraden ruhig haben ertrinken lassen."
Während dieser Aeußerungen verwandte Vanderdecken kein Auge von mir und blickte mich streng und fest an; dann milderte sich plötzlich sein düsterer Gesichts- auSdruck und mit jener wundervollen Stimme, die auch bei der unbedeutendsten Bemerkung wie feierliche Musik klang, sagte er: „Kommen Sie — Sie schaudern vor Kälte und sehen aus, als wenn sie wirklich im Wasser ertrunken wären. Jans, schicke PriuS zu mir! Bitte, Herr, folgen Sie mir!"
Er wandte sich um und stolz und in erhabener Haltung schritt er auf das Hinterdeck zu. Noch einen letzten verzweifelnden Blick warf ich auf die See und dann mit einem Gebet zu Gott, daß sich diese Erfahrung schließlich nur als eine Vorspiegelung meines verdunkelten Verstandes erweisen und mein Geist wieder hell und klar werden möchte, folgte ich der stattlichen Gestalt des Kapitäns, jedoch aus Schwäche und Kummer so schwankenden Schritte», daß er, meinen Zustand bemerkend, mich am Arm faßte und mir die Leiter hinadhalf, die zu der Hinterdeckskajüte führte.
Ob r» eine Folge dieser Höflichkeit war, oder sei es, daß mein Mut wieder zurückkehrte — der geehrte Leser wird mir das Zmgnis nicht verweigern, daß ich auch meine Feigheit immer freimütig eingestanden habe —, genug, was immer der Grund sein mochte, ich begann jetzt meine Umgebung mit wachsender Neugier zu mustern. Das Innere der Kajüte, in die mich Kapitän Vanderdecken gelestete, war von schmutzig-gelblicher Farbe, die erraten ließ, daß an ihrer Stelle vor vielen Jahren Harte, weiße Tünche gewesen sein mußte. Eine Oellampe von einem sehr schönen und seltenen Muster, dir mit acht verschiedenfarbigen und geschmackvoll mü Vogelfiguren, Blumen und Arhnlichem bemalten Gla»sch«ibrn ausgestaltet waren, wäh
rend durch die untere Oeffnung das schöne weiße Licht der Oelflamme hell und klar auf Tisch und Boden siel, hing an einer dünnen Kette vom Mittelbalken herab. Der Kajütenraum durchmaß die ganze Breite des Schiffes, an den Wänden wurden > länglich-runde Rahmen sichtbar, die. dunkel wie altes Mahagoniholz, zweifellos jeder ein Gemälde enthielten. Ueber der Eingangsthür war eine Schlaguhr angebracht - und dicht daneben ein Käfig mit einem Papagei darin. Jedoch war keine Spur von irgendwelchen Portöffnungen bemerkbar, was mich glauben ließ, daß bei Tage das nötige Licht durch die Fenster an beiden Seiten der Thür hereinströmte.
Das Deck war astersgrau und düster. Am hintern Ende befanden sich zwei Staatskabinen, die, mit je einer Thür versehen, von der Wohnkajüte getrennt waren. Die verschiedenfarbigen Scheiben der Lampen riefen eine Art Regenbogenglanz hervor, der es sehr erschwerte, die einzelnen Gegenstände in so verwirrender Beleuchtung zu unterscheiden; die Seüenwände des Raumes trugen — wie ich bereits erwähnt — eine unangenehme gelbliche Färbung und die sonstige Ausstattung bestand aus einem sehr haltbaren, viereckigen Tisch mit wunderbarlich geschnitzten Beinen und und einem Kasten darunter, zwei an beiden Testen desselben aufgestellten Bänken und einem schwarzen, hochlehnigen Stuhl an seinem obern Ende, dessen gepolsterte Lehne mit verschossenem Sammet bezogen war, während das umschließende Holzwerk kunstvolle Schnitzereien zeigte.
Diese Dinge fielen Einem sofort in die Augen. Der Kapüän nahm zunächst seine Mütze ab, deutete auf eine Bank und indem er mit einem Blick nach der Steuerbordkabine seinen Finger erhob, sagte er in gedämpftem Tone: „Herr, wenn r Sie sprechen, bitte, thun Sie es leise," und dann richtete er in aufrechter Stellung, mit einer Hand auf dm Tisch gestützt, seine Augen gegen den Eingang, augenscheinlich in Erwartung des Erscheinens der von ihm PriuS genannten Person. Ein rubinfarbiger, von einer der oberm Scheiben der Lampe ausgehender Glanz lag auf seinem Antlitz, während um seine Taille das weiße Licht ihrer unteren Oeffnung spielte..
(Fortsetzung folgt.)