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land besuchen. In einem Briefe an einen englischen Freund schreibt er:Ich will das Haidekraut in voller Blüte sehen."

Ausland.

Wie der Voss. Ztg. heute aus London telegraphiert wird, ist die Gährung unter den Lon­doner Schutzmännern und Briefträgern seit Samstag in ein heftiges Stadium getreten. Elftere wollen heute abend den allgemeinen Ausstand beginnen, falls nicht inzwischen ihr dem Ministerium des Innern überreichtes Gesuch um Solderhöhung bewilligt wird. Die Briefträger halten heute abend eine Massenver­sammlung, um zu beschließen, ob ein allgemeiner Ausstand eintreten soll. In verschiedenen Bezirken im Westen und Osten hat bereits ein teilweiser Aus­stand begonnen. Die Briefausgabe ist seit einigen Tagen sehr unregelmäßig. Aus Sansibar, 6. Juli, wird dem Berl. Tagebl. gemeldet: Ein deutscher Kommissär ist, vom östrerchischen Konsul begleitet, mit einer starken Expedition ausgezogen, um einige auf­rührerische Stämme hinter der deutschen Küstenlinie zu strafen. Bischof Tucker zieht am Mittwoch mit dem Engländer Stockes nach Uganda aus. Stockes, der nach Auflösung des Stanleyzugs in deutsche Dienste getreten ist, hat Offiziersrang und trägt bereits die deutsche Uniform. Ein Unteroffizier ist ihm beige­geben. Die Karawane wird von einer Abteilung deutscher Truppen'begleitet sein. vr. Peters wird am Donnerstag in Bagamoyo erwartet. Vor San­sibar liegen jetzt 12 englische Kriegsschiffe.

In einer Unterredung mit einem Bericht­erstatter desGaulois" kritisierte Sir Charles Dilke die Abtretung Helgolands an Deutschland, bestritt das Bestehen eines geheimen Vertrags zwischen England und Deutschland und erklärte, er halte die Schutz­herrschaft Englands über Sansibar für unnötig, da der Handel dieser Insel schon in Händen der Eng­länder sei. England hätte aber an Deutschland keine Gebiete in Südafrika abtreten sollen. Wie der Standard" erfährt, soll bei der Beratung über die Abtretung Helgolands im Unterhause ein Amen­dement beantragt werden, wonach die Abtretung der Insel nicht zu erfolgen habe, wenn dieselbe nicht von drei Viertel der Einwohner genehmigt wird.

Jur Uebergabe Helgolands an Deutsch­land wird aus London geschrieben: In englischen Marinekreisen wird versichert, daß die Uebergabe Helgo­lands an Deutschland seitens beider Mächte unter Entfaltung eines großartigen Ceremoniells erfolgen soll. Eine englische Flotte unter dem Befehl des Herzogs von Edinburgh und eine deutsche mit Kaiser Wilhelm an Bord, werden an ein und demselben Tage auf der Rhede von Helgoland erscheinen. Die bri­tische Flagge wird vor der deutschen Flotte salutiert werden und sobald die Insel förmlich an Deutschland übergeben worden ist, wird die britische Flagge gesenkt und die deutsche unter Salutschüssen der britischen Flotte gehißt werden. Die Offiziere des britischen Geschwaders werden hernach an Bord des deutschen Admiralschiffes von Kaiser Wilhelm bewirtet werden. (Also zuerst etwas Sauce und Würze an Helgoland und dann afrikanischer Abschiedsschmaus.)

London, 8. Juli. Die Ruhestörungen in Bowstreet dauerten den ganzen Abend fort. Gegen S Uhr war die Menschenmenge derart ange­wachsen, daß sie die ganze Straße füllte. Stärkere

berittene Polizeiabteilungen versuchten die Straßen zu säubern, jedoch erfolglos. Eine Kavallerieabteilung begleitete den Wagen des Prin- zen von Wales, als dieser die Oper gegenüber der Polizeikaserne verließ. Viele Häuser wurden be­schädigt, zahlreiche Fensterscheiben zertrümmert. Eine große Anzahl Personen wurde verhaftet.

Rom, 8. Juli. In hiesigen diplomatischen Kreisen verlautet auf das bestimmteste, daß Ende August eine Zusammenkunft zwischen Caprivi, Crispi, Kalnoky und Salisbury in Kissingen stattfinden wird. Frkf. I.

Tages-Ueuigkeiten.

* Calw, 9. Juli. Durch die regnerische Witterung in dieser und der letzten Woche wurde die Heuernte, welche bei ihrem Beginn nach Quantität und Qualität ein höchst erfreuliches Resultat lieferte, sehr unliebsam unterbrochen. In den Thälern auf der Waldseite sieht man viele Haufen Heu liegen, das durch den Regen schon etwas notgelitten hat. Zur Freude des Landmanns ist das Barometer zwar im Steigen begriffen und auch der sonst dicht ver­schleierte Himmel zeigt sich teilweise wieder in freund­lichem Blau, aber beständig gutes Wetter will sich nicht einstellen. Hoffen wir, daß die Wetterprognosen, welche beginnende Aufheiterung und wärmere Tem­peratur in Aussicht stellen, Recht behalten. Den Wiesenbesitzern wäre der Eintritt sonniger Witterung sehr zu gönnen. Auch für unsere nun in Blüte steh­enden Fruchtfelder, sowie besonders für die Kartoffel­äcker ist diese langandauernde Nässe und Kälte von größtem Nachteil. Das Thermometer zeigte gestern früh nur 8 ° R., so daß in manchen Zimmern ein­geheizt wurde gewiß eine fatale Erscheinung im Sommermonat Juli!

Carlschulz-Konzert. Am Dienstag, den 15. ds., soll im Bad Hotel in Tein ach um 8 Uhr abends ein Lieder- und Humoreskenabend statt­finden durch Hrn. Opernsänger Carlschulz unter Mitwirkung der Pianistin Fräulein Petrowska, worauf wir die Leser unseres Blattes namentlich auch insofern aufmerksam machen möchten, als Carlschulz aus Mecklenburg stammend einige reizende Sachen aus Fritz Reutter'sLäuschen und Rimels", wie z. B.:Du drögst de Pann weg",De nige Paletot" undDe Sokrat'sche Method" u. s. w. neben andern neuen Humoresken zum Vortrag bringen wird. Einige ernste zu Herzen gehende Lieder wird Hr. Carlschulz, welcher nach den uns vorliegenden Berichten über eine wohlklingende Baritonstimmc ver­fügt und mit warmer Empfindung vorträgt, Nach­folgen lassen. Fräulein Petrowska, eine Schülerin des Leipziger Konservatoriums, wird als eine Pianistin von vorzüglicher Begabung rezensiert und dürfte somit auch in musikalischer Hinsicht nichts alltägliches geboten sein. Einladung erfolgt durch Insertion in den nächsten Nummern.

Stuttgart, 8. Juli. Gestern ist mit der Neupflasterung der Ludwigsburger st raße be­gonnen worden, und zwar wird diese Straße, die zu den am strengsten befahrenen des ganzen Landes ge­hört, versuchsweise mit Holz gepflastert, zunächst auf der Strecke vom Königsthor bis zum Hauptzollamts­gebäude. Die Arbeit wird ausgeführt von der Firma Braun u. Volz hier,, unter Leitung des Oberbaurats

v. Leibbrand. Die Firma hat bereits mehrere der­artige Pflasterungen für den Fiskus ausgeführt, welche: sich durchaus bewährt haben, so auf den Neckarbrücken, in Heilbronn und Untertürkheim, auf den beiden- Brücken über die Bahngeleise in Ulm rc. Die hier zu pflasternde Fläche beträgt 2000 gm; die dazu ver­wendeten Pflasterklötze von Fichtenholz sind mit Zinkchlorid imprägniert, 8 om lang und breit, 10 em, hoch. Die Pflasterklötze ruhen auf einer Unterlage von Portland-Beton, diese auf dem vorhandenen alten. Straßengrunde. Die Fugen zwischen den einzelnen. Klötzen werden sehr eng gehalten, um den Hufen der Pferde möglichst geringe Angriffspunkte zu geben.. Die Lieferung der Holzklötze geschieht durch Krauth. u. Cie. in Höfen. Staatsanz.

Für die Beförderung von Fohlen nach und von der Fohlenwaide Ebingen und den übrigen in Württemberg befindlichen Fohlengärten werden lt.St.-Anz." die für die Beförderung von Fohlen (Pferde im Alter bis zu einem Jahre) vor­gesehenen Taxen zu Folge der Entschließung des K. Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, Ab­teilung für die Verkehrsanstalten, vom Heutigen auch dann in Anwendung gebracht, wenn die betreffenden Thiere zwar schon älter als ein Jahr, aber noch nicht über zwei Jahre alt sind und wenn über das Alter eine Bescheinigung des betreffenden landwirtschaftlichen Vereins oder Ortsvorstehers beigebracht wird.

Dem Schwäb. Merkur schreibt man von Zürich: Zwei Württemberger, junge Hand­werker, saßen letzter Tage in einer Wirtschaft bei­einander, um den Abschiedstrunk zu halten, da der eine nach München verreisen wollte. Am Tische sitzend zeigte er dem Kameraden seinen, für die Reise be­stimmten geladenen Revolver und spielte mit dem Finger am Abzug, während jener den Kopf überge­beugt hielt. Plötzlich'fiel ein Schuß und der Andere sank mit einer Wunde im Kopf vom Stuhle. Der unglückliche Schüze brachte den Freund selbst in das Spital und wurde dann verhaftet. Der Verletzte ist nach 24 Stunden im Spital seinen Leiden erlegen.

Schorndorf, 8. Juli. Heute morgen früh nach 4 Uhr ertönte die Feuerglocke. Es brannte im Hause des Flaschners Kaltschmid. Dichter Rauch drang aus der noch geschlossenen Scheuer und den übrigen Räumen. Das Feuer war im unteren Ge­laß der Scheuer, wo das Heu aufbewahrt war, aus­gebrochen. Die rasch herreigeeilte Feuerwehr bezwang, das Feuer binnen 1V- Stunden.

JnHolzmaden brennt, wie dieKirchh.. Ztg." unterm 5. d. berichtet, seit einigen Tagen ein Schieferlager. Obwohl der Besitzer zur Bewältigung, des Brandes einen Graben gezogen, glimmt das Feuer unterirdisch fort und ist durch stark ausströmen­den Qualm deutlich zu erkennen. Der Schaden ist kein geringer.

Künzelsau, 6. Juli. Das heute in Niedern­hall gehaltene Fest der Fahnenweihe des dortigen Kriegervereins erlitt gleich zu Anfang eine sehr traurige Störung. Während sich der Festzug durch die reich­geschmückte Hauptstraße des Städtchens auf den glück­lich gewählten Festplatz zwischen Kocher und Mühl­kanal bewegte, zersprang einer der Böller, welche auf halber Höhe über der Stadt losgeschossen wurden,, und ein Splitter traf den mit der Bedienung dieser: Geschosse betrauten Mann, einen Weingärtner Namens Körner, so unglücklich an die rechte Brustseite, daß

Das währte so vier oder fünf Minuten, und schon fühlte ich meine Beine bleiern werden, als ich ein auf mich zukommendes Licht gewahr wurde. Da meine Augen von Nässe trieften, vermochte ich nur dessen Schein zu sehen, während sein Halter oder Träger durch die von ihm ausschießenden Strahlen und Lichtfasern, wie man sie in einer feuchtnebeligen Nacht an einer Kerzenflamme beobachten kann, verdunkelt wurde. Bald schlugen auch die plätschernden Laute eintauchender Ruder an mein Ohr und ich versuchte, einen Ruf auszustoßen; doch mein Gehirn schwindelte, mein Geist versank in einen Zustand der Schwäche und ich fühlte mich in der That so erschöpft, daß ich am liebsten meine Hände über den Kopf zusammengeschlagen hätte und gesunken wäre, wenn mir nicht der Lampenschein plötzlich neues Leben einge­haucht hätte.

Das Laternenlicht siel voll in mein Gesicht und ich wurde an den Haaren ergriffen. Derjenige, der mich erfaßte, sprach etwas, und ich wähnte die Stimme eines zu meiner Wache gehörigen Matrosen zu erkennen, obgleich ich nicht eine Silbe von seinen Worten verstehen konnte. Alsbald fühlte ich mich unter beiden Armen gepackt und au« dem Wasser gehoben. Hierauf muß ich offenbar in Ohnmacht ge­fallen sein, denn zwischen hier und dem, was folgte, ist in meinem Gedächtnis ein leerer Raum, obwohl es nur kurze Zeit gewährt haben kann.

Als ich meine Augen öffnete, oder vielmehr, als ich wieder zu mir kam, fand ich mich auf dem Rücken liegend, und mein erster Blick fiel auf den Mond, der ein schwaches Licht durch die Dunstschichten, welche der Wind in Aufruhr gebracht hatte, heradsandtr. In mich versunken lag ich eine geraum« Welle in grübelnder Träumerei, nur des Monde» und einiger schwarzer, über mir flatternder Segelstreifen bewußt.

Doch bald schärften sich meine geistigen Fähigkellen und ich sah an dem Schnitt der Segel, daß ich mich an Bord eines fremden Schiffes befand; und jetzt erst ge­wahrte ich die Gegenwart dreier Männer, die mir zu Füßen standen und mich scharf beobachteten. Ein gewaltiger Schrecken durchfuhr mein Herz. Mit einem gellen

Angstschrei sprang ich auf und rannte gegen die Verschanzung, um auszulugen, ob der Saracen nahe sei und ich ihn zur Hülfe rufen könne, doch schon wurde ich am Arm gepackt und festgehalten.

Der, welcher mich umfaßte, rief in holländischer Sprache:Was wollen Sie thun? Und wenn Sie eine Woche lang schwimmen könnten, würden Sie ihn doch nicht einholen!"

Ich verstand ihn sehr wohl, doch erwiderte ich nichts, ja vermied, ihn anzu­blicken, sondern starrte in einer Herzensangst, die schwer zu beschreiben ist, auf die See hinaus, nach dem Saracen spähend. Plötzlich trafen meine Augen in der Ferne auf seine Umrisse und ich bemerkte, daß er, nach vorn über Steuerbord stehend, von uns hinwegeilte. Dann meine Blicke nach der Höhe über mir richtend, fand ich die Raaen des Fahrzeuges, auf dem ich mich befand, scharf beim Winde am Backbord­hals gebraßt, was mich überzeugte, daß jede Minute den Zwischenraum zwischen den beiden Schiffen erweitern mußte. Als mir dies endgültig klar wurde, hätte ich mich vor Kummer und Schreck auf das Deck niederwerfen können. Einer aus der Gruppe, der mich schwanken sah, als ob ich zusammenbrechen wollte, streckte seine Hand aus», doch mit Entsetzen schauderte ich zurück und verbarg mein Antlitz, während sich meiner Brust ein hysterisches Schluchzen entrang; denn ohne Anzeichen zu bedürfen, wußte ich jetzt leider nur zu bestimmt, daß ich an Bord des Totenschiffes, des von den Seeleuten gefürchteten Seegespenstes, eines von Gott verfluchten Fahrzeuges und in Gegenwart von Männern war, di« tot und doch lebendig, in ihrer unnatür­lichen Existenz, in ihrem Fleisch und Bein, das durch ein gräßliches, ungeheures Schicksal sogar dem Tode widerstand und unzerstörbar war, sich schrecklicher und furchtbarer erwiesen als wenn sie Geister gestalt- und formlose Wesen, durch die man mit seiner Hand wie durch einen Mondenstrahl fahren könnte gewesen wären.

Für geraume Zell stand ich wie gelähmt da, doch der eisigkalte, durch meine nassen Kleider pfeifende Nachtwind brachte mich einigermaßen wieder zu Sinnen..