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auch, wie den ganzen Tag über, Glückwunschkarten, Gedichte, Blumensträuße, Kränze und Naturalspenden aller Art aus Mitten der Gemeind? selbst, wie ebenso von auswärts einliefen, erschien eine aus dem Ortsvorsteher, dem Pfarrer, dem ältesten Gemeinderat, Hrn. Gemeindepfleger Lörcher und dem Obmann des Bürgerausschusses, Hrn. Restaurateur Mohr bestehende Deputation, um dem verdienten Lehrer der Gemeinde die herzliche Anteilnahme der ganzen Gemeinde und deren aufrichtigsten Dank und Freude angesichts seines hiesigen 25jährigen Amtsjubilüums auszusprechen. (Im Ganzen ist Hr. Eiding schon 46 Jahre im Amt.) Des Nachmittags von 3 Uhr an" fanden sich gegen 30, zum Teil aus weiter Ferne gekommene Amtsgenossen des Gefeierten, darunter auch sämtliche Lehrer von Calw, im Gasthaus zum „Rößle" zusammen, um das Fest zu bereichern und zu verschönen und ihrem Kollegen Eiding, welchen einer der nachfolgenden Redner (Oberlehrer Ansel) mit vollem Recht als „eine Zierde unseres Standes" bezeichnet«, ihre freudige Teilnahme zu bekunden. Eine Anzahl von Gemeinderäten und hiesigen Honoratioren waren gleichfalls anwesend samt den meisten Gliedern der Eiding'schen Familie. Schultheiß Grein er feierte in trefflich gewählten Worten die hohen Verdienste des Jubilars um die hiesige Gemeinde, welchem als ein kleines äußeres Zeichen des ihm schuldenden großen Dankes ein bequemer gepolsterter Sessel des Vormittags sei überreicht worden, nicht sowohl, daß er von nun an bleibend in demselben sich zur Ruhe niederlassen, sondern vielmehr, so Gott will, in demselben sich jedesmal erholen möge nach gethaner Arbeit. Der Ortsgeistliche schilderte in längerer Rede die trefflichen Eigenschaften und die Wirksamkeit des Jubilars als des sich hingebenden, anregenden, Verstand, Willen und Gemüt der Schüler gleichmäßig erfassenden, christlichen Lehrers, dessen Segensspuren in der Gemeinde auf lange hinaus werden sichtbar sein und bleiben. Im Namen der hiesigen Ortsschulbehörde wie auch des Kirchengemeinderats, dem der Gefeierte als Mitglied angehört, gebührt ihm der höchste Dank und die vollste Anerkennung. Oberlehrer Ansel aus Calw verliest sodann ein Beglückwünschungsschreiben des gerade in der Ferne weilenden Bezirksschulinspektors, Dekan Braun, und ergeht sich in Worten des Ernstes wie auch des schalkhaften Humors über Wesen, Wirksamkeit und Eigentümlichkeiten des Gefeierten samt einem anziehenden Rückblick auf dessen früheres Wirken an der Stammheimer Anstalt. Endlich läßt ein langjähriger anderer Freund, Schullehrer Schmid aus Friolzheim, in gemütvoller, zu Herzen gehender Weise im Blick auf „Freud und Leid" in dem Leben des Jubilars dessen gesamte Familie hochleben. Ein schwungvolles, warm empfundenes Gedicht von Schullehrer Beutelspacher aus Liebenzell und eine schöne Anzahl von Gesangsvorträgen der Amtsgenossen belebten und bereicherten die gelungene Festfeier noch weiter. Die Krönung der Festlichkeiten geschah durch eine von hiesigen Bürgern und Einwohnern jeglichen Standes und Berufes ungemein zahlreich besuchte Abendversammlung im „Rößle", wobei der unter der Leitung des hies. Stellvertreters Lehrer stehende Gesangverein eine Reihe trefflich eingeübter Gesangsstücke zu Ehren des Jubilars zum Besten gab, der auch hier wieder zugegen war und in seiner bescheidenen Weise allen Dank von sich ablenkte, um
Gott allein die Ehre zu geben. Wir. schließen den Bericht über diese alle Teilnehmer wohlthuend berührende Festfeier mit dem herzlichen, aus dem Sinn der ganzen Gemeinde kommenden Wunsch, es möge dem Jubilar nach dem Willen des Herrn vergönnt sein, noch lange unter uns zu weilen'und nicht nur überhaupt zu weilen, sondern auch nach wiedergewonnener Kraft noch lange zu wirken in der Mitte einer dankbaren, seine Wirksamkeit hoch anschlaqenden Gemeinde! — X
, > Calw, 6. Juli. Wochenmarkt. Die > L.Heidelbeerernte verspricht in diesem Jahre sehr be- deutend zu werden. Trotz des naßkalten, regnerischen Wetters herrschte auf dem gestrigen Wochenmarkt ein lebhafter Verkehr. Viele Körbe Heidelbeeren mib vorzüglicher Ware wurden zu 3—4 -ch per W Liter 8 Wagen Kirschen um 12—20 das Pfund, verkauft. Im Großverkauf werden für Heidelbeeren 1 ^ bis 1 10 per Simri gefordert. Der
größte Umsatz hierin und dementsprechende Preisregulierung wird aber erst in etwa 8—14 Tagen ein- treten. Butter kostete 75—85 iZ, neue Kartoffeln 6—8 und Bohnen 50 -rZ das Pfund. ^
Stuttgart, 5. Juli. Heute waren 8SG Körbe Kirschen, 300 Körbe Stachelbeeren, unzählige Körbe und Körbchen mit Himbeeren, Erdbeeren, Prest- lingen, Johannisbeeren u. s. w. zugeführt. Kirschen sind im Preise etwas herabgsgangen - prachtvolle Ware ist für 22 zu haben. Daß dre Preise für diese beliebte Steinfrucht nicht weiter herabgehen, dafür sorgen die Münchener. Eine Gesellschaft von 20—25 bayrischen Händlern zieht im Remsthal auf und ab und kauft für Bayern, soviel als nur irgend zu haben ist. Auch heute wieder sind junge Birnen aus der Umgebung von Stuttgart zu haben. Der Fischmarkt ist schwach beschickt angesichts der eigentümlichen Witterungsverhältnisse, doch finden sich Schellfische (30 -H, Barben, Zander, auch Salm.
Ebingen, 5. Juli. Eine Schreckensnacht liegt hinter uns, welche leider in noch nicht genau festzustellender Weise die Felder und Fluren teilweise verwüstete! — Gestern abend gegen halb 9 Uhr verkündete das in immer kürzeren Zwischenräumen aufflammende Wetterleuchten das Herannahen eines schweren Gewitters. Immer greller wurden die Blitze, immer lauter der Donner, bis wenige Minuten vor '/ 4 IO Uhr der Regen wolkenbruchartig zum Ausbruch kam. Schon atmete mancher getrost auf, da ja selten erst nach dem Regem der Hagel sich zeigt. Plötzlich ließ sich in der Luft jenes eigentümliche Rauschen, das dem Hagel vorhergeht, vernehmen und nun fiel in ungeheurer Menge und bei heftigem Sturme der Hagel, zuerst m kleinen, kaum erbsengroßen, dann aber bis zu Haselnußgröße anwachsenden Körnern fast ununterbrochen über 10 Minuten lang, so daß bald die Felder weiß aussahen und die van abschüssigen Dächern auf die Straßen fallenden Schlossen dort sich zu förmlichen Häufen von 10—20 Ctm. Höhe schichteten. — Zarte Gartengewächse, namentlich Salat, sind vollständig zerfetzt, an Obstbäumen, namentlich dxm Steinobst, hat der mit Wucht niedergehende Hagel namhaften Schaden, angerichtet. An den Fruchtfeldern, tzie jetzt in voller Blüte stehen, läßt sich der Schaden noch nicht genau feststellen. Den betroffenen Strecken nach hat sich bis jetzt Folgendes ermitteln lassen. Der Zug des
Ausland.
— Französische Blätter äußern sich fast sämtlich aufgeregt über die deutsch-englische Vereinbarung, nur der „Matin" scheint sich einen kühlen Kopf bewahrt zu haben. Er schreibt: „Sansibar und Helgoland wiegen sich gegenseitig auf. Wohl giebt es Deutsche, die finden, England habe das beste Teil an sich gerafft - allein sie trösten sich damit, daß das gute Einvernehmen mit England in Europa wohl einige Opfer in Afrika wert sei. Und dann ist ihre Eigenliebe befriedigt: die Engländer geben ihnen Helgoland zurück, dessen Occupation für Deutschland, allerdings in geringerem Maßstabe, das war, was der Besitz Gibraltars in den Händen der Engländer für Spanien ist. Die Abtretung Helgolands hat nicht bloß ein sentimentales Interesse, sondern einen materiellen und moralischen Wert. Diese kleine Seestation befindet sich vor den großen Ausfahrten Deutschlands auf das Meer und den Mündungen seiner Flüsse. Die Deutschen können dort eine Art befestigten Eiffelturm bauen und sind dann die Herren des Leuchtturmes, welcher der Schifffahrt als Signal dient. . - Es giebt in England empfindsame Seelen, welche die armen Einwohner von Helgoland bedauern, über die man wie über eine Heerde verfügt. Die Engländer scheinen zu glauben, man lebe so glücklich unter ihrer Herrschaft, daß man da sterben möchte, und predigen, als gehörten sie der Heilsarmee au, um die unglücklichen Insulaner der Fürsorge ihrer neuen Gebieter zu empfehlen. Wozu solches Geflenne? Sie hatten sich einst der Insel Helgoland durch etwas wie Piraterei bemächtigt; heute handeln sie damit und tauschen die Felseninsel gegen ein Eiland an der afrikanischen Küste aus. Sie sind allesammt gute Krämer, aber von Gefühl sollten sie nicht sprechen."
— Der Vertreter des „Daily Chronicle" in Rom telegraphirt: „Es wird nicht mehr versucht, in Abrede zu stellen, daß der körperliche Zustand des Papstes der der äußersten Schwäche ist. Obwohl sein Geist so klar und kräftig ist wie je, geht er höchst gebückt und er hat etwas Starres und Leeres im Ausdruck seiner Augen, welches die außerordentliche Altersschwäche beweist." Frkf. I.
Tages-Neuigkeiten.
— Jubiläumsfeier in Hirsau. Der 5. Juli d. I., der Tag, an welchem vor 25 Jahren der hiesige, allgemein geliebte und hochgeachtete Schullehrer Eiding sein hiesiges Amt angetreten, gestaltete sich zu einem schönen Freuden- und Ehrentag für den Jubilar, dessen Familie und die ganze Gemeinde. Schon des Morgens begrüßten die Schüler der Oberklasse, alle festlich gekleidet und m t Blumensträußen geschmückt, unter Leitung der beiden hiesigen unständigen Lehrer den Jubilar mit einer Reihe von Gesängen, worauf die Uebergabe eines schönen Erbauungsbuches, zu welchem die Kinder selbst das Geld zusammengelegt hatten, erfolgte. Gleicherweise überreichten bald darauf zwei ehemalige Schülerinnen im Namen einer großen Anzahl von Freundinnen, welche gleich ihnen selbst den anregenden und fruchtbringenden Unterricht Eidings genossen, einen schön mit Epheu bekränzten, eingerahmten Stahlstich, Christus auf dem Meere, wie er dem sinkenden Petrus die Hand reicht, darstellend. Zum Schluß des Vormittags, an welchem
Nocke unserer großen Raa ein vorxussant- oder St. Elmslicht, das einige Zoll über dem Sparren wie ein feuriger Augapfel hellglänzend auf uns herabschien. Kaum war dies ausgeflammt und hatte die Gesichter unserer Mannschaft, die sprachlos hinaufftarrte, bleich gefärbt, so blitzten plötzlich zwei Helle Meteore ähnlicher Art auf dem Nachbarschiff aus, das eine an dem oberen Ende der Bramstange in voller Höhe mü dem Hauptsparren und das andere auf dem Gipfel eines Mastes, der von dem runden Top am Ende des Bugspriets ein wenig abstand und in allen Zellen, ehe sie abgeschafft wurden, wahrscheinlich Spriettopmast hieß. Wie Sterne glänzend, verschlang sich ihr Widerschein in dem dunklen Wasser in silbernen Schlangenlinien durcheinander, und als ob es Fackeln und Lampen wären, erhellte ihr geisterhaftes Licht di« seltsam geschnittenen Segel, übergoß Alles mit sternenweißem Glanze, erleuchtete sogar, wenn auch nur schwach, das burgähnliche Hinterdeck und ließ die schwarzen Linien des Bollwerkes klar hervortreten, während der Schatten zwischen dem Elmslicht auf der Höhr und seinem Spiegelbild in der Tiefe den Rumpf in noch tieferes Dunkel hüllte.
„Dankt Gott für diese Lichter!" tönte eine tiefe Stimme aus der Matrosengruppe hervor. „Die Hand eines Heiligen zündet sie an, ist mir gesagt worden, und sie werden uns Glück und bald eine frische Brise bringen!"
„Halloh, Mister Hall!" rief ich, meine Hand auSstreckend, „sehen Sie die menschlichen Gestatten? Schaum Sie gegen das Vorderkastell — eins, zwei, drei — ich zähle sechs — und lugen Sie geradeaus auf das Dingelchen von Hinterdeck, unterscheiden Sie da nicht ein paar Formen, di« uns mit gekreuzten Armen beobachten?"
„Ja," antwortete er, machte eine Pause, blickte scharf hinüber und fügte dann hinzu: „Jme Lichter da oben sind mir wohl bekannt, ich habe sie wohl schon hundert Mal gesehen! Aber" — hier senke sich seine Stimme zu einem Flüstern, das von Neuem die frühere Bestürzung verriet, — Diesmal ist etwas Furchterregendes in ihnen und jme« da obm" — auf unser« Raanocke deutmd — „ein schrecklicher Anblick! Es ist kein natürliches Schiff!" Dabei riß er seine Mütze herab und fuhr sich
mit der Hand über die Stirn. „O, wenn doch Gott einen Wind schickte, der uns von hier hinwegfegte!"
„Rufen Sie es noch einmal an, Herr!"
„Rufen Sie es an! Meine Kehle ist wie eingetrocknet."
Ich schritt ganz nach hinten, um mich den schweigsamen, bewegungslosen Gestatten auf des Fremdlings Hinterdeck gerade gegenüber zu bringen, sprang auf das Geländer, erfaßte die Geerden des Flittersegelhakens, um mich daran festzuhalten, und donnerte, mit an den Mund gehaltener Hand den Ton verstärkend: „Schiff ahoi! Wie heißt das Schiff?"
Mit angehaltenem Atem lauschend, war es mir, als wenn ich das Echo meiner eigmen Stimme aus dem Segelwald des fremden Fahrzeuges zurückschallen hörte.
„Wie heißt das Schiff?" klang cs endlich in Lauten herüber, die tiefen, prächtigen Orgeltönen glichen, und die beiden Gestalten trennten sich, die eine bewegte sich nach vorn und die andere trat, wie ich, auf die Verschanzung über der Sellengalerie.
„Der Saracen von London, unterwegs nach den indischen Häfen!" antwortete ich.
„Ich will ein Boot senden!" gab der Mann mit derselben tiefen Bruststimme
zurück.
„Wenn Du eS thust, werden wir darauf feuern!" schrie ein Matrose auf unserm Deck gellend auf. „Kameraden, Mister Hall, Ihr seht, was cs ist! Haltet sie ab! Wehrt sie ab!" worauf das plötzliche Ab- und Zueilen vieler Füße, untermischt mit knackenden Lauten scharfgespannter Flintenhähne, hörbar wurde, was mich überzeugte, daß sich unsere Leute in aller Hast bewaffnet halten.
Das ElmSlicht an unserer Raanocke verschwand; nach Verlauf einiger Minuten erschien es jedoch von Neuem, und zwar in der Mitte des Hauptmastes, einen blendend milden Schein um sichverbrellend, während jene zwei auf unserm unheimlichen Gegenüber ruhig brannten, und ich glaubte wahrhaftig, daß sich ihnen noch ein drittes zugesellt habe, bis ich sah, daß es eine dem Deck entlang getragene Laterne war. (Fortsetzung folgt.)