Zahlreiche russische Deserteure.

Berlin, 5 Äug. Aus Gnesen wird derKreuz, zeitung" gemeldet: Der Uebertritt von flüchtigen militär- dienstpflichtigen Russen Lider die deutsche Grenze erfolgt in beträchtlichem Umfang. 3n Gnesen sind Trupps russischer Deserteure iu der Zahl von 10 bis 25 Mann nichts Seltenes. Sie werden unter militärischer Bedeckung sorttansportiert.

Vom österreichisch-serbischen Kriegsschauplatz.

v Wien, 6. Aug. Zu dem gestrigen Artilleriekamps bei Belgrad wird noch berichtet: Als um 9 Uhr vor­mittags der Monitor.örs zu einer Rekognoszierung ausgelaufen war, eröfsnete eine moderne Schnellfeuer ballerte eine heftige Kanonade aus ihn. Die feindliche Artillerie wurde bald durch unsere Landarttllerie zum Schweigen ge­bracht und der Monitor kehrte ohne weiters Belästigung zu seinem Aufstellungsplatze zurück. Um 4 Uhr nachmittags richteten mehrere österreichische Kriegsschiffe an den Befesti­gungswerken der Serben aufs neue großen Schaden an, ohne selbst Verluste oder eine Havarie zu erleiden. In der Nacht wurden wiederholt Detonationen und zeitweilig Feuer­schein bemerkt, was den Schluß zuließ, daß in der Festung bedeutende Munitionsoorräte durch die Beschießung in Brand geraten waren. In den Weingärten von Semlin wurden Spione bei Lichtsignalcn betroffen. Sie wurden der verdienten standrechtlichen Behandlung zugesührt. An der übrigen Front der Donau, Save und Drina hat sich nichts neues zugetragen.

Die Dardanellen und der Bosporus gesperrt.

Konstantinopel, 5. Aug. Es wird amtlich bestätigt, daß die Dardanellen und Bosporus geschlossen worden sind, doch können Handelsschiffe mir Hilfe von Lotsen die Meer­enge passieren. Um die Folgen der Mobilmachung abzu­schwächen, hat die Regierung die Einführung einer Steuer für die vom Militärdienst Befreiten beschlossen. Das be­treffende Gesetz für die Nichtmohammedaner ist heute er­schienen, für die Mohammedaner e,scheint es morgen.

Wie», 4. Aug. DasNeue Wiener Tagblatt" schreibt: Die Völker der österreichisch-ungarischen Monarchie beglückwünschen aus freudigem Herzen und aus dem starken Gefühl der Zusammengehörigkeit, öas Treue schafft, das verbündete deutsche Reich zu dem ersten Erfolg in dem gewalügen Kamps gegen Rußland. Der Artikel schließt: Der Ruf: Hei! uns und Sieg dem deutschen Waffen­bruder ertönt heute überall in Oesterreich-Ungarn, wohin die Kunde von der Besitzung der Städte an der russischen Grenze dringt, denn das deutsch-österreich.-ungar. Bündnis erlebt jetzt seine Feuertaufe.

Paris, 4. Äug. Frhr. von Schön hat den Botschafter der Vereinigten Staaten gebeten, die Sorge für die Inte- reffen der Deutschen in Frankreich zu übernehmen. Die französische Regierung hat den französischen Botschafter an­gewiesen, Berlin zu verlassen und das Ärchio der Botschaft, sowie die Wahrung der französischen Interessen dem ame­rikanischen Botschafter anzuoertrauen. Marineminister Gaut­hier ist aus Gesundheitsrücksichten zurückgeireten. Er wird durch Augagneur ersetzt. Albert Sarraut übernimmt das Unterrichtsministerium und Gaston Doumergue das Mini­sterium des Aeußern (für das vor einigen Tagen Delcassö genannt worden war). Biviani behält den Vorsitz im Ministerrai ohne Portefeule.Nach einer Meldung der Agence Havas über Kopenhagen hat der Generalissimus Ioffce ge­stern um 11.45 Paris verlassen um sich zur Grenze zu begeben. Bisher wurde General Pan als Generalissimus genannt.

Klansenbnrg, 6. Aug. Heute Nacht traf ein Son- derzug mit deutschen Militärpflichtigen aus Rumänien hier ein, die nach Deutschland reisten. Eine große Menschen­menge bereitete ihnen auf dem Bahnhof eine stürmische Begrüßung. Bürgermeister Haller hielt eine Ansprache. Darauf wurden dis jungen Deutschen von der Stadt be­wirtet. Die Menge brachte ununterbrochen Hochrufe auf die deutsche Armee, auf Kaiser Wilhelm und den Dreibund aus, was die Deutschen mit Hschrusen aus die Monarchie und die habsburgische Dynastie erwiderten. Die Deurschen schenkten der Stadt eine deutsche Fahne als Erinnerungs­zeichen und erhielten dafür eine ungarische.

Sie übrige« Rächte.

Kopenhagen, 5. Aug. Da der Krieg ausgebrochen ist zwischen Deutschland und Rußland und Deutschland und Frankreich, hat die dänische Regierung beschlossen, unbe- dingte Neutralität während dieser Kriege zu bewahren.

Die Schwedische Regierung hat Schwedens völlige Neutralität während der gegenwärtigen Krise zwi­schen fremden Mächten e> klärt. Zur Sicherung der Neu- tralität ist eine Mobilisierung insoweit angeordnet worden, daß nötigenfalls die Küsten geschützt werden können.

Amerika erklärt die Neutralität.

Washington, 5. Aug. Präsident Wilson hat die Neutralitätserklärung der Bereinigten Staaten von Amerika erlaffen.

Rumänien unser Bundesgenosse?

Köln, 4. Aug. DieKölnisch; Zeitung" übernimmt folgende Meldungen desDeuischen Bolksblattes" in Wien: Rumänische Flüchtlinge aus Bessarabien berichten, daß die gesamten Truppen der Odessa-Bezirke gegen Rumänien aufmarschleren. Nach einer Meldung aus Bukarest hat daraufhin die rumänische Regierung durch ihren Ge- sandten in Petersburg ansragen lassen, welche Bestimmung die in Bessarabien ausgestellten beiden Armeekorps hätten.

König Caro! hat, von Kaiser Wilhklm telegraphisch befragt, geantwortet, daß er getreu den Bestimmungen der Militärkonvemion mit Oesterreich-Ungarn an der Seite von Oesterreich-Ungarn und Deutschland zu finden sein würde.

r Sofia, 6. Aug. Einer Zeitungsmeldung zufolge haben der als Panslavist bekannte General Spirtdowitsch, sowie 18 serbische Vereine in Rußland den König von Bulgarien in einem Telegramm beschworen, die brüderlichen serbischen Slaoen nicht im Stiche zu taffen.

r Sarajewo, 6. Aug. Erzbischof Stadler bezeichnet in einem von glühendem Patriotismus erfüllten Hirtenbrief den Krieg als eine gerechte Selbstverteidigung und Not­wendigkeit. um wieder Frieden und geordnete nachbarliche Verhältnisse zu schaffen. Der serbische orthodoxe Metropolit Ledica fordert :n einem Hirtenbrief die Gläubigen zur Dankbarkeit für die Wohltaten des Kaisers durch treue Gesinnung aus. Wie für Oesterreich-Ungarn ist auch für Bosnien und die Herzegowina ein 14 tägiges Mora­torium angeordnet worden.

Aus Stadt und Land.

Nagold, 8. August 1914.

r Bon der Post. Infolge inkraftiretens des Mili- tärsahrplans sind Verzögerungen in der Beförderung der Postsendungen von und nach Stuttgart nicht zu vermeiden. Ueber die Benützung der Züge zur Postbesörderung erteilt das hiesige Postamt Auskunft. Eine Uebersicht über die betreffenden Züge ist im Schaltervorraum ausgehängt.

r Strafnachlaß. Der König hat aus Anlaß der Mobilmachung verfügt, daß die gegen Beamte, Unterbeamis und Arbeiter der Berkehrsanstaltsn erkannten und noch nicht vollzogenen Ordnungsstrafen und Ersatzzuscheidungen oder der noch nicht vollzogene Teil der Strafen nachgelassen werden.

O Mehr Vorsicht! Bon sehr geschätzter Seite wird uns geschrieben:Wie sehr und lief der Ausbruch des Krieges unsere sonst so friedlichen Landleute ausregt und in Hitze bringt, zeigt folgender bedauernswerte Vorfall, der in Eutingen bei Horb am letzten Montag, 3. Aug., abends Vs 10 Uhr sich abgespielt hat. Ein Auto aus Pforzheim, das eine schwer lungenleidende französische Dame nebst deren Krankenschwester mit sich führte, wurde als sehr ver­dächtig von Hochdorf aus avisiert. Das Auto, das Nagold passiert hatte, war bereits in Gündringen 2 Stunden unge­halten worden, da telephoniert worden war, es sei sehr verdächtig und führe Scheren und Draht mit. Nach Frei­lassung fuhr Herr Reallehrer Paul Bürkle von Gündringen mit. damit die Fahrt ungehinderter vor sich gehe. Sie wurden am Bahnhof Hschdorf unbeanstandet dvrchgelaffen; die Krankenschwester ntchls Schlimmes ahnend, rief daher: Bravo! Das kam der Wache in Hochdors verdächtig vor und sie telephonierte sofort nach Eutingen, man solle das Auto anhalten. In Eutingen war daher fast alles auf den Beinen: man glaubte die gefährlichsten Spione kämen. Man glaubte nicht, daß es Damen seien, sondernManns- Kerle". Die Damen wurden herausgertssen, das Auto durchsucht, ober nichts gefunden. Ein Eutinger Kaufmann machte sich hinter die Frau her und schoß ihr eine Kugel in den Rücken; die Frau stgib nach einigen Stunden an den Felgen des Schusses. Der Leichnam wird in einem Melallsarg ausdlwah'.t und später nach Nancy überführt werden. Die Sache wurde amtlich untersucht und der Mann in Hast genommen". Wann wird endlich wieder Ruhe und Vernunft bei unseren Leuten einkehren und das sinnlos mörderische Wüten gegen Unschuldige aushören? Es ist so eibärmlich und unwürdig eines großen Volkes in großer Zeit! Ein Glück, daß es in Deutschland noch Männer gibt, die sich gegen derartiges Unrecht wehren, wie Herr Reallehrer Bll kle von Gündringen, der im gestrigen Horber Amtsblatt ausschreibt: Warnung. Die amtsgerichtliche Untersuchung in der Euiinger Auioangelegenheit, bei der eine Dame unschuldigerweise erschaffen wurde, hat ergeben, daß es sich um kein Spionageauto, sondern um ein Kranken­auto handelte. Gegen jeden, der über die damaligen In­sassen des Autos verleumderische Aussagen macht, wird ge­richtlich oorgegangen. Paul Bürkle, Reallehrer, der sich als Freiwilliger stellt.

Kriegsverfichernng. Da bei verschiedenen Gesell­schaften die Fortdauer der Versicherung während des Krieges von der Anzeige der Teilnahme am Kriege abhängt, so wollen die versicherten Kriegsteilnehmer die Paragraphen ihrer Kciegsverstcherung durchlesen und diese Anzeige nicht vergessen. Die Prämienzahlung muß fortgesetzt werden. Man wende sich evtl, an die Agenten. Bei dieser Ge­legenheit sei auch wieder daran erinnert, daß die ins Feld Ziehenden oder schon Gezogenen ihren Frauen oder sonsti­gen anoertrauten Personen Teuer lvoümachten zur Be­sorgung ihrer Angelegenheiten aus stellen sollten. Wo dies versäumt worden ist, kann es jetzt noch mit Hilfe der Feldpost nachgeholt werden!

A»S de« Rnchbakchezirke«.

r Herrenberg, 6. Aug. (Unfall.) Auf dem Schloß­berg war gestern früh Gipser Zippcrer mit Kirschenpflücken beschäftigt, als plötzlich die Leiter wich und Zipperer so un- glücklich herabfiel, daß er lebensgefährlich verletzt nach Hause gebracht werden mußte. _

p Stuttgart, 6. Aug. Die Prio. württ. Bibelanstalt hat infolge des freundlichen Entgegenkommens des General­kommandos an sämtliche württ. Truppenteile in den für katholische und evangelische Mannschaften bestimmten Aus­gaben insgesamt 40000 Bibelteile und Neue Testamente unentgeltlich verteilen können. Heute werden noch an die 17 Bezirkskommandos des Landes im ganzen rund 20000

Bibelteile und Neue Testamente zur Verteilung an Reser­visten und Leute des Landsturms versandt, sodaß alle württ. Mannschaften versehen sind.

r Ttnttgart, 6. Aug. (Schluß der Ausstellung.) Die Ausstellung für Gesundheitspflege ist heute zum letztenmal geöffnet. Sie wird von morgen ab zu Lazarettzwecken eingerichtet.

x Ttnttgart, 6. Aug. Eine größere Anzahl von Italienern, die in den westlichen Gebieten des Reiches be­schäftigungslos geworden sind, ist in Württemberg einge­troffen. Die Leute werden zunächst in einigen größeren Städten des Landes in geeigneten Räumen versorgt und so bald wie möglich durch Vermittlung der Arbeitsämter in offenen Arbeitsstellen untergebracht

r Stnttgart, 6. Aug. (Bon der Technischen Hoch­schule.) Der König hat an der chemischen Abteilung der Technischen Hochschule die ordentliche Proffeffur für orga­nische Chemie, organisch-chemische Technologie und pharma­zeutische Chemie dem Professor Dr. Küster hier und die außerordentliche Professur sür physikalische und Elektrochemie dem Privatdozrnten Dr. Georg Grube an der Technischen Hochschule in Dresden übertragen.

x Stuttgart, 6. Aug. Die planmäßig für den 14. und 15. August festgesetzte Ziehung der 2. Klasse der Preuß. Südd. Klassenlotterie wird verschoben. Der Beginn der Ziehung wird seinerzeit bekanntgegebm.

Ordnung muß sein. Zur verstärkten Durchführung des Sicherheitsdienstes hat die Waffenfabrik Mauser in Oberndorf eine große Zahl von Gewehren zur Verfügunng gestellt. Im Oberamt Spaichingen wird den Bewohnern dringend empfohlen, zu ihrer eigenen Sicherheit mit Einbruch der Dunkelheit ihre Wohnungen nicht mehr zu verlassen. Daselbst ist von dem Oberamt der strenge Auftrag ergangen, die sämtlichen Wasserversorgungsanlagen, insbesondere die Wasserentnahmestellen, Pumpwerke und Hochbehälter aufs Peinlichste und unausgesetzt zu bewachen. In Alpirsbach ist die Feuerwehr aufgetreten, um die Eisenbahnlinie zu be­wachen. In Oberndorf meldeten sich Männer aller Stände, um die Kontrolle der Autos und Radfahrer, die Sicherheit von Telephondrähten, Wegen, Brücken und Bahnen zu über­nehmen.

In Tübingen erstarb am 5. August im Alter von 55 Jahren Bterbraueretdesttzer Georg Marquardt. Marquardt war einer der bedeutendsten Vertreter der würt- tembergischen Brauindustrie. Er hat sein Geschäft aus kleinen Anfängen zu großer Blüte heraufgearbeitet. Auch in der Oeffenilichkeit ist Marquardt öfters als echt deutscher Mann hervorgetreten, er gehörte in früheren Jahren dem Tübinger Bllrgerausschutz, von 19061913 dem Gemeindsrat an, auch war er Ansschutzmitglied der Deutschen Partei. Die Leitung des Geschäfts geht auf den ältesten Sohn über, der aber bereits einderufen ist.

Reutlingen, 4. Aug. Wie falsche Gerüchte entstehen. Das aufgeregte Publikum der Stadt wollte gestern wissen, daß der Weingärtner Ernst Grüninger von hier angeblichen Versuchs der Beschädigung einer Eisenbahnbrücke verhaftet worden sei; ja viele wollten wissen, daß er demnächst stand­rechtlich erschossen werde. An der Sache ist lediglich das wahr, daß Grüninger, der den Grasertrag der Bahnböschung gepachtet hatte, bei dieser Gelegenheit von einem Posten Wert und zur Aufklärung der Angelegenheit beim Bezirks­kommandeur verhört wurde. Natürlich hat man dort seine sofortige Freilassung verfügt.

p Plattenhardt, 6. Aug. Der Weinhändler Lechler von Degerloch, der sich mit dem Rad aus einer Geschäfts- tour befand, leistete dem Anruf eines Wachpostrns nicht sofort Folge, woraus dieser einen Schuß abgab, der Lech­ler lötete.

r Wüzach, 6 Aug. (Unfall.) Beim Ankauf der Pferde für die Mobilmachung wurde der 42 Jahrs alte, verheiratete Oekonom Lorcnz Göppel in Tannheim von einem ausschlagenden Pferd auf die Brust getroffen, so daß er mit schweren, aber nicht lebensgefährlichen Ver­letzungen ins Spital gebracht werden mußte.

Deutsches Reich.

Berlin, 5. Aug. Der Reichstagsabgeordnete Hae ck- s cher hielt vom Balkon des Hotels Adlon folgende Ansprache : Er persönlich würde seinen letzten Blutstropfen und seinen letzten Pfennig sür das Wohl des deutschen Baterlandes opfern. Er warne die Bevölkerung jedoch vor irgend welchen Ausschreitungen, bitte sie, ihre Ruhe zu bewahren und vor allen Dingen keine Ausschreitungen gegen die Amerikaner sich zuschulden kommen zu lassen. Das ame­rikanische Volk sei ein starkes Volk und es erstehe uns in diesem nordamerikanischen Volke ein Bundes genösse, dessen Bedeutung wir im Augenblick noch nicht zu schätzen wüßten, und deshalb warne er vor jeder Ausschreitung gegen englisch sprechende Personen.

Vaterlandsliebe. Auch unsere Israeliten wollen nicht zurückstehen. Der Zentraloerein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens veröffentlicht folgenden Aufruf:

An die deutsche» Jude«.

In schicksalsernster Stunde ruft das Vaterland seine Söhne unter die Fahnen. Daß jeder deutsche Jude zu den Opfern an Gut und Blut bereit ist, die die Pflicht erheischt, ist selbstverständlich.

Glaubensgenoffen? Wir rufen Euch auf, über das Maß der Pfl'cht hinaus Eure Kräfte dem Vaterland zu widmen! Eilet freiwillig zu den Fahnen! Ihr alle. Männer und Frauen, stellet Euch durch persönliche Hilfeleistung je­der Art und durch Hergabe von Geld und Tut in den Dienst des Baterlandes.

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K. HSerarnt Nagold