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Fernsprecher Nr. 29.

88. Jahrgang.

Postscheckkonto Nr. 5113 Stuttgart

Samstag, den 8. August

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Beilagen: Plauderstübchen,

* Illustr. Sonntagsblatt und

Schwäb. Landwirt.

1914

Der Lurspsilcke Xrieg.

Amtliches.

K. GbercrmL Wagotd.

Einbringung der Ernte.

Die Polizeibehörden werden unter Hinweis aus die Bekanntmachungen des Oberamts vom 6. Aug. 1914 Im Gesellschafter No. 182 darauf aufmerksam gemacht, daß etwaige Arbeitsscheue, die sich in diesen Zeiten ober Hassent» lich nicht finden werden, gemäß § 360 Ziff. 10 des R.St.G.B. zur Hilfeleistung bei der Erntearbrit angehalten werden können, da hier der Fall gemeiner Not oorliegt.

Wiederholt wird darauf hingewiesen, daß die An­meldungen sowohl von Arbeitgebern, als von Arbeitsuchen­den bei dem Arbeitsnachweis der Wanderarbeitsstätte Nagold zu erfolgen haben. Es wird sich namentlich empfehlen, daß in jeder Gemeinde eine Bertrauensperso« (z. B. Pfarrer, Schultheiß, Lehrer) ausgestellt wird, bei welchen der Bedarf an Arbeitskräften anzumelden ist und welche die Anmeldungen gemeinsam dem hiesigen Arbeits­nachweis mit größter Beschleunigung übermitteln. Auch etwaige ausIungdeutschland" gewünschte Kräfte sind durch die Verwaltung des Arbeitsnachweises zu beziehen.

In dieser Hinsicht wollen die Herren Ortsvorsteher das Nötige veranlassen.

Nagold, 7. Aug. 1914. Amtman: Mayer.

K. Kvcrng. WezirrksfchutcrrnL Wcrgotd.

Au die Ortsschulräte.

Durch Anregung Seiner Majestät des Königs hat das K. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens die Oberschulbehörden angewiesen, bei der Ansetzung von Schul­ferien auf die landwirtschaftlichen Arbeiten in weitgehendster Weise Rücksicht zu nehmen. Gesuche um Verlängerung der Feiien mit Ueberschrcitung der in der Ferienordnung festgesetzten Zahl der Ferientage werde ich auf Vorlage ohne weiteres genehmigen. Oertlcherscüs ist Sorge zu tragen, daß sich Kinder von nicht Landwirtschaft treibenden Eltern als Hilfskräfte bei den Erntearbeiten zur Verfügung stellen.

Nagold, den 7. Aug. 1914 Schulrat Schott.

Dom Tage.

47 Endlich ist es wahr geworden das alte Wort, daß der Balkan noch einmal ganz Europa in Brand stecken werde, und das zu einer Zeit, wo niemand daran dachte. Wie ruhig war es noch vor 23 Wochen, ganz wie vor dem Anspruch des 70er Krieges. Den Zeitungen fehlte fast ein würdiger Stoff; nur Eintagsneuigkeiten da kommt auf einmal die befristete Note Oesterreichs an Serbien, ein Dokumeit von weltgeschichtlicher Bedeutung; Serbien weigert sich, wie vorauszusehen war; Oesterreich muß zu den Waffen greisen; die ultima ratio muß entscheiden. Rußland fürchtet für Serbien und rüstet zum Kriege, zuerst in kleinerem, dann in größtem Maßstabe. Die russische Kriegspartci siegt über den Zaren, der immerhin noch den Frieden wollte. Frankreich erläßt am 1. August 5 Uhr abends den allge­meinen Mobilmachungsbefehl, bereits 10 Minuten nachher ruft der deutsche Kaiser das ganze Heer unter die Waffen. Alles eilt zu den Fahnen. Jeder ist sich bewußt des Ernstes der Stunde; ein Krieg ist ausgebrochen, gewaltig wie ihn die Menschheit noch nicht erlebt hat, ein Krieg zu Wasser und zu Lande, der 4050 Millionen Männer Euro­pas unter die Waffen ruft, ein Krieg, der über das Schick­sal ganzer Völker entscheiden wird. Verschieden sind die Ansichten der Menschen über den Krieg; die einen loben ihn, erstreben ihn, wünschen ihn wie Serbien, Rußland und Frar k-.eich, andere verurteilen und verdammen ihn die Mehrheit wird in der Mitte liegen. Wir Deutschen wünschten ihn nicht, aber wir nehmen ihn auf und führen ihn durch, in aufgedrungener Notwehr, mit reinem Gewissen und reiner Hand. Nicht Eroberungslust treibt uns, sondern der Wille, unseren Platz und unsere Stellung auf der Welt zu bewahren, die uns Gott gegeben." So sprach der Kaiser zum Reichstag am 4 August. Das ist die Ueber- zeugung des deutschen Volkes, noch, hoffen wir, ist nicht aller Tage Abend; noch ist des deutschen Reiches und Vaterlandes Ende nicht gekommen, wenn auch drei gewal­tige Mächte zu gleicher Zeit uns angreifen werden. Wir

Deutsche fürchten niemand als Gott allein; viel Feind', viel Ehr'. Die Begeisterung ist da, Freiwillige melden sich in riesiger Zahl; in München allein 6000. Wir wollen jedes Opfer gerne bringen an Gut und Blut, das Vaterland zu verteidigen und von der Wut seiner Feinde zu schützen. Wir rufen zu dem Herrn mit dem Psalm sten (Ps. 68,21 ff.) Gott ist für uns. ein Gott des Heiles, und Auswege aus dem Tode hat der Herr. Wie herrlich sind Deine Füh­rungen, o Gott, mein Herr und König! Bedräue doch des Schilfes Tier (Rußland) das Völker mit grausamen Füßen niederstampst. Zerstreue die Völker, die Kriege lieben (Frankreich). Möge der Herr Führer und Soldaten mit dem rechten Geists erfüllen, möge er es herrlich zu Ende führen, wie vor 44 Jahren.

*

Getrosten Muts hinein!

Als Blücher in der Neujahrenacht 1814 bei Caub über den Rhein zog, mahnte er seine Krieger, für das neue Jahr zuvor alles unechte, undeutsche Wesen in die Fluten des deutschen Rheines zu versenken, ehe sie zu ihren neuen großen Aufgaben hinüberziehen. An einem neuen Abschnitt deines Lebens laß alles Schlechte und Gemeine, allen Leichtsinn zurück, nimm alles Echte, Wahre und Treue mit und sorge, daß dein Waffenrock rein bleibe und dein Herz fest und lauter sei!

Und wenn die Welt in Finsternis und Unheil sich versenkte, mir steht das feste Wort gewiß, das Ewigkeiten lenkte, das alte Wort bleibt doch mein Hort: wie viel auch Teufel trügen, die Guten sollen siegen.

Drum walt es Gott, der alles kann, der Vater in den Höhen!

Er ist der rechte Held und Mann und wird es wohl versehen.

Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut im Tode und im Leben:

Sein Recht wird oben schweben.

E. M. Arndt.

Nachrichten am Kriege.

p Stuttgart, 6. Aug. Das Generalkommando des 13. (Württ.) Armeekorps erläßt folgende Erklärung: Das von einigen Stellen verbreitrte Gerücht, daß Italien den Krieg an Oesterreich erklärt habe und an die Seite Frank­reich; getreten sei, ist unwahr und erfunden.

p Stuttgart, 6. Aug. Dem auch am hiesigen Hofe beglaubigt gewesenen großbritannischen Gesandten in Mün­chen sind die Pässe von der bayerischen Regierung gestern zugestellt worden.

Wien, 6. Aug. Die Wiener Allgemeine Zeitung schreibt: Der heutige Tag Hot bis zur Stunde keine ent­scheidenden neue Nachrichten gebracht. Die Sitzung des Deutschen Reichstags und die Publikation des Depeschen- wechsels zwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren haben hier den tiefsten Eindruck gemacht. Die öffentliche Meinung ist entrüstet, daß der Zar von einem schmählichen Kriege Oesterreich-Ungarns sprach und findet es mehr als erstaun­lich, daß nichts seinen Abscheu über das fluchwürdige Ver­brechen zum Ausdruck brachte.

Paris, 4. Aug. Der Mobilmachungsbefehl, der Samstag nachmittag 4 Ubr, französische Zeit, angeschlagen wurde, wurde, wie dieNeue Zürch. Ztg." meldet, von der Bevölkerung ohne Kriegsbegeisterung ausgenommen. Die Waffenläden wurden geschlossen. Am Samstag abend herrschte in den Straßen und aus den großen Boulevards ein reges Leben. In den Cafes spielten die Orchester pa­triotische Lieder, deren Kehrreim von den Gästen gesungen wurde. Wagen können nicht mehr verkehren. Ueberall wurde die russische, englische und französische Nationalhymne angestimmt. Ein slawischer Verein richtet an alle Slawen einen Aufruf, sie möchten Frankreich ihre Liebe und Er­gebenheit durch die Bildung eines slawischen Freiwilligenkorps im Dienste Frankreichs beweisen. DerFigaro" zeigt

an, daß er, um sein Papier zu sparen, von heute an den Umfang seiner Nummern von 6 auf 4 Seiten einschränken werde.

Vom Kriegsschauplatz.

Die im Mittelmeer befindlichen deutschen Kriegsschiffe sind gestern an der Küste von Algier erschienen und haben einzelne befestigte Plätze, die Einschiffungsorte für die fron- zösischen Truppentransporte sind, zerstört.! Das Feuer wurde erwidert.

Eine Kopenhagener Meldung des Wölfischen Bur. be­sagt: Drei deutsche Unterseeboote wurden heute (5.) nach- nachmittag am Südausgang des Sundes gesichtet. Sie scheinen dort eine Borpostenstellung eingenommen haben. Die Kabel EmdenVigo, EmdenAzoren und Emden Tenerifa sind unterbrochen. Telegramme, die über diese Kabel gehen, können nicht mehr angenommen werden. (Es handelt sich dabei um die Kabeloerbindungen nach dem Mitteländischen Meer, nach Westasrika, nach Nord- und Südamerika.)

Berlin, 6. Aug. Bei Schwiddern östlich Iohannis- burg und bei Grodken zwischen Lautenburg und Soldau versuchten russische Kavalleriedivisionen, den deutschen Grenz­schutz zu durchbrechen. Sie wurden abgeschlagen und gingen aus russisches Gebiet zurück. Die bei Soldau unter Verlust einer Brigade zurückgeworfene russische Kaoalleriedivision erlitt beim Zurückgehen nach Rußland bei Neidenburg weitere Verluste.

Berlin, 6. Aug. Das Gefecht bei Soldau, das zur Vernichtung einer Brigade der angreifenden russischen Ka- valleriediviston und zu weiteren Verlusten der zurückgehen­den Teile bei Neidenburg führte, hat auf deutscher Seite 3 Tote und 18 Verwundete gekostet.

Berlin, 6. Aug. Die Grenzschutzgefechte, deren für die deutschen Truppen erfolgreicher Ausgang bereits ge- meld t wurde, sind in Petersburg durch folgende den Tat­sachen widersprechende Telegramme veröffentlicht worden: Die Avantgarde unserer Truppen überschritt vom Gouver­nement Suwalki aus die Grenze, ohne Widerstand zu finden.

Petersburg, 5. Aug. Ein aus 19 Schiffen bestehen­des deutsches Geschwader wurde gestern in der Richtung Memel Libau bemerkt. Im Schwarzen Meer nahmen die Russen mehrere deutsche Handelsschiffe weg. Die Mobilmachung im Bezirk Petersburg und in Petersburg selbst wurde durchgefühlt. Dank der Anstrengungen der zu­sammenwirkenden Militärbehörden wurden alle Reservisten gut untergebracht und verpflegt. (Wolsfs Bur.)

Eine falsche Meldung.

Köln, 5. Aug. Die Kölnische Zeitung meldet aus Kochern: Der Landrat gibt bekannt: Die Nachricht, daß ein Gastwirt Nikolai den Tunnel bet Kochern zu sprengen versucht habe und standrechtlich erschaffen worden sei, ferner, daß seine Frau und Tochter nach der Karthause (bei Kob­lenz) gebracht worden seien, ist erfunden.

Amerikanische Aerzte im Dienste Deutschlands.

Berlin, 6. Aug. Die Mitglieder der hiesigen ameri­kanischen Aerztegesellschast haben beschlossen, ihre Dienste der deutschen Regierung zur Verfügung zu stellen. (Bravo!)

Russische Deserteure.

Berlin. An der deutschen Grenze sind in den letzten Tagen zahlreiche russische Offiziere desertiert. Auch zahl­reiche Kosaken kommen über die Grenze als Deserteure aus Hunger; wie derDeutsche Kurier" mitteilt, bieten sie ihre Pferde für 20 zum Verkauf an.

Bevorstehender Aufstand der russischen Polen.

Wien, 5. Aug. DieReichspost" meldet aus Krakau vom 3. August: In Russisch-Polen wurde gestern ein aus Warschau datierter Ausruf zu einem polnischen Aufstand verbreitet, welcher von zahlreichen polnischen Parteien unter­breitet ist Der Aufruf erläutert die zukünftige Aktion der Aufständischen, auch der Frauen, und fordert dazu auf, den russischen Behörden und den Militärs alle möglichen Hin­dernisse zu bereiten. Die polnischen Organisationen sollen genau über die Bewegungen der Russen informiert werden. Jede Gemeinde wird aufgefordert, Behörden einzusetzen und die Unabhängigkeit vom russischen Reich zu proklamieren.