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1886 um 4328; in Frankreich dagegen unterschritt die Zahl der Eheschließungen im Jahre 1888 die des Jahres 1887 um 242 und die des Jahres 1886 sogar um 6360. Im ersteren kommen 7,8 Eheschließungen gegen 7,7 in den letzten Jahren, im letzteren 7,2 Eheschließungen gegen 7,5 in den letzten Jahren auf 1000 Einwohner. Im Deutschen Reiche weist die Zahl der Geburten, welche seit dem Jahre 1884 stetig gewachsen ist, gegenüber dem Jahre 1887 eine Zunahme von 2818 auf und gegenüber dem Jahre 1883 eine solche von 78,505, wogegen in Frankreich die Zahl der Geburten gegenüber dem Jahre 1887 um 16,794' abgenommen hat und seit dem Jahre 1871 die niedrigste ist. <-eit dem Jahre 1884 ist ein ständiges Smken der alljährlichen Geburtsziffer wahrzunehmen und beträgt die Differenz zwischen den Jahren 1884 und 1888 ungefähr 55,000. Es entfielen im Deutschen Reiche 38,1, in Frankreich dagegen nur 23,1 Geburten auf 1000 Einwohner. Im Deutschen Reiche ist die Zahl der Todesfälle, von denen 25,2 auf 1000 Einwohner kamen, um 10,608, in Frankreich, woselbst 21,9 Sterbefälle auf 1000 Einwohner trafen, um 4930 gegenüber dem Vorjahre zurückgegangen. Im ersteren nahm das männliche Geschlecht mit 51,9 pCt., im letzteren init 52,1 pCt. an den Todesfällen Teil. Während im Deutschen Reiche 12,9 mehr Geborene als Gestorbene auf 1000 Einwohner entfielen, war das in Frankreich nur mit 1,1 der Fall. Von den 87 französischen Departements hatten nur 44 einen Ueberschuß der Geburten über die Todesfälle aufzuweisen, wogegen in den übrigen 43 Departements die Geburten von den Todesfällen übertroffen wurden.
Tages Neuigkeiten.
Neuenbürg, 2. Juni. Heute morgen vor 3 Uhr brach in Langenbrand ein Schadenfeuer aus, das 2 Wohnhäuser mit Scheuern in Asche legte. Das Feuer soll in einem zwischen beiden Häusern gelegenen Schopf ausgebrochen sein. Der Langenbrander und Schömberger Feuerwehr gelang es, das Feuer auf den ursprünglichen Herd zu beschränken. Ueber die nähere Ursache ist noch nichts bekannt.
Stuttgart, 1. Juni. Das Hofballfest auf der Wilhelm«. In dem wunderbar romantischen Lustschloß Wilhelma fand gestern auf allerhöchsten Befehl wieder eines jener Feste statt, welche alle Teilnehmer für alle Zeiten als wertvolle Erinnerung bewahren. Zu demselben waren 300 Einladungen ergangen, die Geladenen hatten beinahe vollzählig der Einladung Folge gegeben. Von Mitgliedern der König!. Familie waren anwesend: I. K. H. Prinz und Prinzessin Wilhelm, S. K. H. Herzog Albrecht, I. Kais. H. Großfürstin Wera, I. K. H. Frau Herzogin Eugen Erdmann, I. H. Prinzessin Luise von Schleswig-Holstein, S. H. Prinz Ernst zu Sachsen- Weimar, S. Durchlaucht Fürst Karl von Urach und S. Durchlaucht Fürst Hohenlohe-Bartenstein. Ferner waren anwesend die obersten und oberen Hofchargen, die K. Staatsminister, das diplomatische Corps, u. A. auch erstmals der preußische Gesandte Graf Eulen
berg, die Generalität, hohe Staatsbeamte, Vertreter der Universität Tübingen, viele Offiziere u. s. w. Das Sommerballfest zeichnete sich dadurch aus, daß für die Damen kurze Kleider mit geschlossenem Hut vorgeschrieben waren. I. K. H. Frau Prinzessin Wilhelm erschien im weißen Damastkleide und im Schmuck herrlicher Perlen, I. Kais. H. Frau Großfürstin Wera dagegen hatte zu einem hellblauen Kleide aus gesticktem Crepe de Chine, Brillanten und Saphira gewählt. Die junge Damenwelt trug duftige Helle Toiletten. Um halb 5 Uhr klopfte Hofmarschall Baron von Wöllwarth dreimal auf den Boden, Alles wird still — I. K. Majestäten betraten den Ballsaal, begrüßten zunächst die Mitglieder der K. Familie und ließen sich alsdann eine Anzahl der Gäste vorstellen. I. M. die Königin trug eine prachtvolle blaue Robe mit Spitzen und geblümter Taille und nun begann das Ballfest. Bald nach 6 Uhr zogen sich I. M., welche sich bis dahin huldvollst mit den Anwesenden unterhalten hatten, zurück, auch Großfürstin Wera mit ihren Gästen verließ vor dem Souper das Fest. Das Souper begann um 8 Uhr. Um '/»10 Uhr fand das Fest sein Ende.
Cannstatt, 2. Juni. Die H ei ls a rm e e will auch hier ihre Thätigkeit entfalten und mietete zu diesem Zweck in der Hofenerstraße bei Pappenheimer einen Saal. Bei der ersten Versammlung gestern Abend kam es zu solchen Ausschreitungen, daß die Fenster eingeschlagen und eingeworfen wurden und sich vor dem Hause mehrere hundert Personen ansammelten, so daß die Polizei den Saal räumen und auf der Straße die Ruhe wieder Herstellen mußte. Die ferneren Versammlungen sollen polizeilich verboten werden.
Weinsberg, 30. Mai. Man schreibt der „Weinsb. Ztg." aus Siebeneich: Welchen großen Einfluß die feuchtwarme Witterung in der letzten Zeit auf vie ganze Pflanzenwelt eingeübt hat, ist daran zu sehen, daß wir im Monat Mai nicht nur an einer Kammerz, sondern auch in den Weinbergen blühende Trauben bekommen haben. Das Fruchtfeld steht sehr schön, und die Wiesen versprechen einen reichlichen Ertrag. Wenn wir von schädlichen und verheerenden Einflüssen der Witterung verschont bleiben, so haben wir eine reichliche Ernte zu erwarten.
Wimpfen am Berg, 2. Juni. Am gestrigen Dreieinigkeitsfest hatten die Sozialdemokraten von Heilbronn, Wimpfen und der Umgegend im Saal der Wacker'schen Brauerei eine Zusammenkunft, wozu sich auf ergangene öffentliche Einladung auch viele jugendliche Arbeiterinnen eingefunden hatten. Bald nach 11 Uhr Vormittags kamen elegant gekleidete junge Arbeiter unter Vorantritt einer 8 Mann starken Musik an und begaben sich in die Bierbrauerei von Wacker, wo um 12 Uhr ein Essen stattfand. Die Heilbronner machten den Weg mit der Musik zu Fuß über Kochendorf, wo sie schon in der Frühe eintrafen und in der Wirtschaft zum letzten Pfennig auf der Waldau einige Stunden lang verblieben. Nachmittags 3 Uhr sprach bei Wacker der Sozialdemokrat Strienz über den 8stündigen Arbeitstag und das Recht auf Arbeit, wobei er ganz besonders der hiesigen Salinenarbeiter erwähnte. Seinen Aus
führungen trat scharf der hiesige Reallehrer Kahl entgegen^ was die äußerst zahlreiche Versammlung und den Vorsitzenden derselben veranlaßte, um Reallehrer Kahl nicht noch einmal sprechen lassen zu müssen, die öffentliche Versammlung für geschlossen zu erklären. Die meisten der Arbeiter und Arbeiterinnen standen m dem Alter von 17-20 Jahren. Abends nach 6 Uhr zogen die Arbeiter, von ihren Damen begleitet, mit Musik Jagstfeld zu.
Kochendorf, 30. Mai. Der von Herrn Konditor Uhl hier aufgestellte elektrische Bienenschwarmmelder mit Telephon-Einrichtung erweckt nicht nur unter den Bienenfreunden, sondern auch im allgemeinen großes Interesse, und lockt täglich immer mehr Neugierige an. Die Leitung vom Garten in dessen Wohnung beträgt etwa 200 Meter, und arbeitet der Schwarmmelder in wunderbarer Präzision, was den Herren Hoffmann und Müller in Obersontheim (den Verfertigern) alle Ehre macht.
Vom Lande, 29. Mai, wird den, „O. A" geschrieben: In vielen Blättern macht ein'Inserat die Runde, welches die Spitzmarke führt: „Eine Uhr umsonst!" Mit dieser Anzeige bietet eine Firma m Wien neun verschiedene Gegenstände für 4 ^ 15 an und sichert dem Abnehmer obendrein „noch eine Uhr umsonst" zu. Die Bestellungen verstehen sich gegen Cassa oder Postnachnahme. Der Inhalt einer solchen Senvung, die noch 70 ^ Porto 40 ^ Zollgebühren und 30 ^ Bestellgeld kostet, ist ordinäre Schundware. Das Federmesser ist aus Blei, die Meerschaumspitze eine reine Carricatur im Wert von höchstens 5 die Krawatte und Krawattennadel sind Dinger, welche kein Vagabund auf der Landstraße anzieht und in ähnlichem „Wert" stehen alle übrigen „wertvollen Gegenstände." Hoffentlich genügt dieser Wink, um unerfahrene vor Geschäftsverkehr mit solchen Wiener „Firmen" zu warnen.
Bückingen, 31. Mai. Gestern hat ein 1 Jahr altes Kind auf bedauerliche Weise sein Leben verloren. Dasselbe muß sich in einem unbewachten Augenblick an der auf einem Stuhl gestandenen Back» mulde gehalten haben, infolge dessen fiel dieselbe zu Boden, deckte das Kind zu, das, bis die Mutter wieder in das Zimmer kam, im Mehl und Teig erstickte. Wieder eine ernste Mahnung an Eltern, kleine Kinder nie unbeaufsichtigt zu lassen.
Ebingen, 3. Juni. An heutigem Jahrmarkt war besonders auf dem Viehmarkt recht lebhafter Verkehr. Die Zufuhr ivar stark und wurde viel gehandelt. Es wurden zugetrieben und erlöst: 75 Paar Zugochsen, 600—900 per Paar, 30 Paar Zug- stiere, 360—500 per Paar, 1^0 Stück Kühe 190—350 ^., 110 Kalbel», 180—380 ^., 80 Stück Schmalvieh 80—160 per Stück. Der
Schweinemarkt war mit 55 Paar befahren und kosteten 34—44 per Paar. — Der Krämermarkt ist
flau. — Auf dem Brettermarkt waren 21 Wagen aufgestellt.
Schwenningen, 30. Mai. Der gestern hier abgehaltene Viehmarkt war gut befahren und zwar mit 35 Stück Kühen, dieselben galten 230—340 28 Stück Jungvieh, dasselbe galt 105—190 und 5 Farren. Israelitische Händler waren am Platze
nicht mächtig in's Herz gegriffen hätte; in seinem Aeußeren aber blieb der seltsame Mann auch jetzt kalt und unbewegt.
„Geht Dir's besser, Käthe?" das war Alles, was er über die Lippen brachte. Das junge Mädchen aber machte der alten Lene ein Zeichen, hmauSzugehen. und als sie dann mit ihrem harten Vater allein war, sagte sie leise und mit merklicher Anstrengung:
„Wie steht eS um Philip»? Ist seine Unschuld schon an den Tag gekommen?"
Wie von einer Natter gestochen, fuhr der Bühlhofbauer empor; der aste Zorn war durch das erste Wort Käthens wieder zur Hellen Flamme aufgebracht.
„Hast Du mich nur darum rufen lassen? Was weißt denn Du von der ganzen Geschichte? Warst Du denn nicht sterbenskrank, als es geschah?"
Käthe bewegte verneinend das Köpfchen.
„Erst als ich hörte, daß man ihn kür den Mörder hatten konnte, warf'S mich nieder. Aber ich beschwöre Dich, lieber Vater, sage mir Alles! Ist er gerechtfertigt? Ist er frei?"
„Den Teufel ist er!" brauste der Bauer auf. „Heute wird chm drinnen in der Kreisstadt als einem Mörder der Prozeß gemacht, und ich will nicht hoffen, daß ,r mit dem Leben davonkommt!"
Wie ein Aechzen kam es aus der gequälten Brust der Kranken; dann richtete sie sich plötzlich zum Erstaunen ihres Vaters mit gewaltiger Anstrengung in eine sitzende Stellung empor und fragte:
„Hat er denn seinen Richtern nicht gesagt, daß er unschuldig sein muß, weil — well — nun. well er in jener Stunde nicht m der Thalmühle war, sondern — in unserem Garten?"
Der Bühlhofbauer stützte sich mit beiden Händen auf die Tischplatte, als wäre e» ihm plötzlich schwarz vor den Augen geworden.
„In unser« Garten?" wiederhotte er. „Bist Du von Sinnen?"
„Nein, Vater! Ich weiß, daß ich Deinen Zorn verdient Hab«, und daß Du mich als ein ungeratene» Kind verfluchen wirst; aber selbst wenn Du mich darum auf der Stelle au« dem Hause werfe» wolltest, so kann ich doch nicht schweige».
Philipp harte mir heimlich einen Brief zustecken lassen, in welchem er mich beschwor, ihn in der letzten Nacht vor unserer Abreise um Mitternacht im Garten zu erwarten, da er verzweifeln müsse, wenn er mich nicht noch einmal sprechen könnte. Ich zögerte wohl, weil ich wußte, daß ich damit ein schweres Unrecht auf mich nahm; aber weil ich wußte, daß ich ihm vertrauen dürfe, und daß ich mir auch nach einer solchen Zusammenkunft nichts Anderes vorzuwerfen haben würde, als den Ungehorsam gegen Dein Gebot, so willigte ich ein. Er kam um Mitternacht und es war gegen drei Uhr Morgens, als er den Garten verließ. Wir Beide haben den Schuß gehört und den Hilferuf; also kann nicht er eS gewesen sein, der den Thalmüller erschlug. Wenn er das nicht gesagt hat, so hat er geschwiegen, um meinen guten Namen zu retten! Aber Du darfst es nicht dulden, mein Vater, Du mußt seinen Richtern wiederholen, was ich Dir gesagt habe, denn ich — ich bin — zu schwach, um eS — selbst — zu — thun!"
Mit ersterbender Stimme und kaum vernehmlich waren die letzten Worte über ihre Lippen gekommen. Die physische Anstrengung und die furchtbare seelische Erregung waren jedenfalls well über ihre Kräfte gegangen, und eine tiefe, todesähnliche Ohnmacht hatte sie befallen. Sekundenlang starrte der Bühlhofbauer wie geistesabwesend auf die Kranke hinab; dann riß er die Thür auf und rief den Namen der alten Lene.
„Gebt Acht auf sie," sagte er finster, „und haftet mir dafür, daß außer Euch Keiner einen Fuß in die Kammer setzt. — ES ist nicht ganz richtig mit ihr da oben, und sie redet heillo« unsinniges Zeug durcheinander! Höre ich, daß Ihr nur ein Wort zu einem Anderen schwatzt, so werfe ich Euch auf der Stelle aus dem Hause!"
Ohne noch einen Blick nach seiner Tochter zurückzuwerfen, ging er hinaus, schwang sich in den Wagen und hieb so ingrimmig auf die beiden mutigen Pferde ein, daß dieselben mit rasender Schnelligkeit über die Dorfstraße dahmstürmtrn, ein« hohe Wolke weißen Staubes zurücklaffend.
(Fortsetzung folgt.)