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Amis- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
65. Jahrgang.
Erschrint Dien S ta g , Dsnnerrtag und Samitag. ! Die EinrüikungSgebühr beträgt t», Bezirk und nächster Um- > gebung » Pfg. die Zeile, sonst IS Psg.
Samstag, den 17. Mai 1890.
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Deutsches Reich.
Berlin, 13. Mai. Mitten in die Kolomaldebatte des deutschen Reichstags hinein fällt die telegraphische Kunde von einem neuen Erfolge Wiß- manns, der mit rastloser Energie nach der Eroberung von Kilwa vorgedrungen ist und unter Mitwirkung der deutschen Flotte nunmehr auch Lin di, den einen der beiden noch unbezwungenen Orte im Süden des deutschen Gebietes erobert hat. Die darüber eingegangene telegraphische Depesche lautet: „Sansibar, 13. Mai. Wißmann eroberte am 10. Mai Lindi nach vorausgegangenem Bombardement durch die deutschen Kriegsschiffe." Wenige Meilen nach Südosten ist dann noch Mikindani, m geringer Entfernung vom Rovuma, der deutsch-portugiesischen Grenzlinie, zu unterwerfen, um die Pacifikation des Küstenlandes zu vervollständigen. Die Thatkraft, womit gleichzeitig im Innern an der Ausdehnung und Befestigung des deutschen Einflusses gearbeitet wird, läßt die von London gemeldeten höchst anerkennenden Worte Stan- leys über Deutschlands Vorgehen als im vollsten Maße gerechtfertigt erscheinen. Dre rühmenden Aeußer- ungen, womit der Führer des Zentrums Wißmann und — sich selbst ehrte, haben in dem gemeldeten Erfolge unerwartet schnell eine neue Bekräftigung erhalten.
Berlin, 13. Mai. „Mit dem heutigen Tage," schreibt das Fr. I-, „ist die erste Parlament. Aktion des neuen Reichstages zum Abschluß gelangt; — die Gegner der deutschen Kolonialpolitik und der gegenwärtigen Vorlage zur Unterstützung derselben werden sich selbst sagen, daß von Erfolgen auf ihrer Seite nicht im Entferntesten die Rede sein kann. Eingeleitet wurde die heutige Fortsetzung der gestrigen Debatte durch d'e Mitteilung von der Einnahme Lindi's durch Major Wißmann. Eine bessere Einleitung konnte sich die Regierung nicht wünschen, weil durch diese Meldung die Fortschritte deutscher Bemühungen in Ostafrika in einer Weise illustriert werden, daß jeder Unbefangene den Gedanken an einen Rückzug von sich abweisen muß. Als Major Liebert, eine schlanke Gestalt mit scharfgeschnittenen Zügen und
dunklem Bart- und Kopfhaar, alsdann ein auf eigener Anschauung beruhendes Bild von unsereimBesitze, von unseren Errungenschaften und unseren Aussichten in Ostafrika entwarf, lauschte das ganze Haus mit gespannter Aufmerksamkeit der mit sonorer Stimme, frei von allem unwahren Pathos vorgetragenen Rede, die ersichtlich einen bedeutenden Eindruck machte. Mögen einzelne deutschfreisinnige Organe nach dem Vorgänge des gestrigen Redners ihrer Partei auch den Versuch unternehmen, diesen Eindruck abzuschwächen, die Wirkung der Mitteilungen des Majors Liebert wird in weiten Kreisen Deutschlands eine nachhaltige und für die kolonialen Bestrebungen günstige sein. Herr v. Bennigsen, der Vertreter der nationalliberalen Fraktion, unternahm es, den großen Gesichtspunkten, welche bei den gestrigen Ausführungen der Abg. von Vollmar und Bamberger durchaus in den Hintergrund getreten waren, wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen, er that das mit einem Geschick und einer Sachkenntnis, welchen der Erfolg von vornherein sicher sein mußte. In großen Zügen zeichnete Herr v. Bennigsen die Grundlage, aus welcher heraus die volkstümliche Bewegung in Deutschland für die Kolonialpolitik entstanden ist, und das Programm, bei dessen Einhaltung die Früchte dieser Politik dem ganzen deutschen Reiche zugute kommen werden. Scharf wies der nationalliberale Redner auf den Widerspruch hin, in welchen Herr v. Vollmar sich verwickelt habe, als er die Behauptung aufstellte, die Regierung habe die kolonialpolitische Bewegung nur inauguriert, um die Aufmerksamkeit des Volkes von der Sozialpolitik abzulenken; ebenso scharf und schlagend kennzeichnete er aber auch die Inkonsequenz, welcher sich die vom Abgeordneten Bamberger vertretene Politik des Deutschfreisinns schuldig macht, indem sie die Fortführung der kolonialen Unternehmungen anerkannt, aber die Mittel dazu verweigert. Die Sophistik, mit welcher deutschfreisinnigerseits die Bewilligung von „Liqm- dationskosten" zugestanden wird, fand durch Herrn v. Bennigsen die gebührende Abfertigung. Wie Dr. Barth eine Wiederholung des Herrn Bamberger lieferte, so wiederholte sich heute Herr v. Vollmar selbst. Herr Windthorst wurde durch verschiedene
Ausfälle des Herrn v. Vollmar zu einer scharfen Replik veranlaßt, die unseres Erachtens nur dazu beitrug, die freundliche Stellung, welche die Centrumspartei notwendig schon mit Rücksicht auf eine erfolgreiche Missionsthätigkeit der Kolomalpolitik gegenüber einnehmen muß, noch mehr als bisher hervortreten zu lassen. Nach Schluß der Debatten wurde die Ueber- weisung der Vorlage an die Budget-Kommission beschlossen; an der unveränderten Ännahme derselben ist, wie schon gestern bemerkt, nicht zu zweifeln."
Ausland.
London, 14. Mai. In den hiesigen Regierungskreisen wie in den zumeist beteiligten kolonial- politischen Kreisen hat der Passus in der Rede des deutschen Reichskanzlers, welcher versichert, daß Deutschland seine Kolonialpolitik mit den Interessen der allgemeinen Politik in Einklang zu halten bestrebt sein wird, den besten Eindruck heroorgerufen. Man findet darin den Ausdruck des von deutscher wie von englischer Seite gefaßten Entschlusses, die kolonialpolitischen Bestrebungen beider Völker in den Grenzen der Loyalität zu halten und insbesondere dem leicht zu Tage tretenden Uebereifer der Kolonisations-Gesellschaften das Gegengewicht zu halten.
London, 14. Mai. Die englische Presse beginnt bereits wieder schlimme Nachrichten über die Expedition EminPascha's zu verbreiten. Nach einer Meldung der „Times" aus Sansibar hätte Emin nach fünftägigem Marsche von der Küste aus schon mehr als den vierten Teil seiner Träger durch den Tod und durch Desertion derselben eingebüßt. Das bei der Expedition Peters verfolgte System der englischen Presse erlebt also eine neue Auflage.
Tages Neuiykeitcn.
sAmtliches.jSeineKönigliche Majestät haben allergnädigst am 20. April die erledigte evangelische Pfarrei Degen feld, Dekanats Aalen, dem Pfarrverweser Ernst Dreher in Zavelstein, Dekanats Calw, zu übertragen geruht.
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Nach hartem Ringen.
Roman von L. Johrmann.
(Fortsetzung.)
„Nicht weiter, Lügner!" schleuderte sie ihm ins Antlitz. „Sie wissen nur zu gut, daß Margarete ganz die Ihrige war. Dank dem Allmächtigen, war eS nur «ine flüchtige Leidenschaft, welche das edle Mädchen an Sie gefesselt hielt. Wäre sie lebenslang durch Sie unglücklich geworden, die schwerste Strafe wäre nicht hart genug für Sie!"
Wie ein Gespenst starrte er sie an.
„Wer bist Du, rätselhaftes Wesen, das die Vergangenheit aus dem Grabe hervorzerrt?" preßte er mit stockendem Atenz aus.
Ein unnennbar vernichtender Blick traf ihn.
„Früher nannte ich mich Helene von Arnheim-"
Ein unartikulierter Laut entrang sich seinem Munde.
„Helene von Arnheim!"
Wie ein Tiger war er auf sie zugesprungen und hatte ihren Arm umklammert, dm er preßte, daß ein gellender Weheschrei sich ihren Lippen entrang.
Da — ein rascher Schritt über den Rasen hin und eine Hand legte sich wie eine eiserne Klammer um den Nacken des Assessors und schleuderte ihn zurück.
«Fort, Elender!" tönte eine Stimme wie die Posaune des jüngsten Gericht» an de» Bestürzten Ohr.
Auch Helene vernahm wie aus weiter Ferne noch den rettenden Zuruf, dann ward es Nacht um sie.
Es war Baron Herbert, der flammenden Blickes dem elenden Hagen gegenüberstand, der, zähneknirschend, seine Wut kaum zu bemeistern. vermochte.
„Diese Beleidigung kann nur mit Blut abgewaschen werden. Sie müssen mir Genugthuung geben!" stieß er hervor.
Herbert maß ihn mit verächtlichem Blick.
„Einem Schurken gebe ich keine Genugthuung!" sprach erkält. „Gehen Sie, wenn Sie nicht wollen, daß ich zu anderen Mitteln greifen soll, um mich Ihrer lästigen Gegenwart zu entledigen!"
Einen Augenblick noch starrte Hagen ihn fassungslos an; dann raffte er sich auf und stürzte, Drohungen ausstoßend, einem Wahnsinnigen gleich, davon.
Als Helme aus ihrer Ohnmacht erwachte, blickte sie in das Antlitz Herbert'S, der voller Sorge auf sie niederschaute. Verwirrt senkte sie die Lider und richtete sich auf.
„Er ist fort, der Elende; er wird es nicht wagen, Sie jemals wieder zu belästigen, Fräulein Schwarz!" sprach Herbert.
Eine tiefe Röte überzog ihr Antlitz und bebend kam es von ihrm Lippen:
„Sie schützten mich vor einem Ehrlosen! Ich — ich danke Ihnen!"
Ein herber Zug legte sich um seinen Mund.
„ES wird Ihnen schwer, mir dankm zu müssen?" fragte er bitter.
Alle Farbe verschwand aus ihrem Antlitz und machte einer tiefen Blässe Platz, während ein konvulsivisches Zucken durch ihre Gestalt ging.
„Sie verkennen mich, Herr Baron, ich danke Jhnm unbegrenzt für ihren Beistand, dm Sie mir schenkten. E» ist nicht DaS, wa» mich bedrückt und unglücklich macht.*'"