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unterliegenden Kapital- und Renteneinkommens (Art. 3 H.. i. des Gesetzes vom 19. September 1852) aufgehoben worden ist und in letzter Beziehung bloß die nachweisbar zum Ansatz kommende auswärtige Steuer am Jahresertrag dieser Einkünfte abgezogen werden darf.
Verzinsliche und unverzinsliche Zielforderungen (Zieler) unterliegen gleichfalls der Kapitalsteuer und sind deshalb zu fatieren. Zur Fasfion verpflichtet das Recht zum Bezug, es ist z. B. eine, von Martini 1889 an verzinsliche, an Martini 1890 zahlbare Zielforderung auf den 1. April 1890 zu fatieren. Ebenso ist eine, von Georgii 1889 an verzinsliche, und an Georgii 1890 zahlbare Zielforderung noch auf den 1. April 1890 zu fatieren.
Das feste ständige Berufs- und Diensteinkommen ist nach dem Stande vom 1. April 1890, das veränderliche wechselnde und hierunterfallen insbesondere die Arbeiter (Fabrik-Moldarbeiter), Taglöhner u. a., welche ein zum Voraus bestimmtes Einkommen in der Regel nicht beziehen, nach dem Ergebnis des der Fatierung unmittelbar vorangeganaenen Jahres (12 Monate, also von der Zeit 1. April 1889 bis 31. März 1890) je im vollen Jahresbetrag zu fatieren.
Die Einlagen in die Oberamts- und Landessparkasse brauchen nicht fatiert zu werden. Es können daher diejenigen Personen, welche keine anderen als in derartigen (in Art 3 lii. A. s. des Gesetzes vom 19. September 1852 aufgeführten) Sparkassen angelegten Kapitalien besitzen, bei der Aufnahme unberücksichtigt bleiben und in den Aufnahmeprotokollen weggelassen werden.
Die Steuerpflichtigen haben die Fassionen selbst zu unterzeichnen. Die Bevollmächtigten der im Auslande sich aufhaltenden Steuerpflichtigen und die Privatvermögensverwalter haben den Fassionen Vollmachten in Original oder beglaubigter Abschrift unter Angabe der Gültigkeitsdauer beizuschließen.
Die gesetzlichen Stellvertreter bedürfen einer Vollmacht nicht.
Wer sein der Besteuerung unterliegendes Einkommen ganz oder teilweise verschweigt, hat neben der verkürzten Steuer den zehnfachen Betrag derselben als Strafe zu bezahlen.
Die Steuergefährdung ist im Falle unvollständiger oder unrichtiger Fassion mit Ablage der schriftlichen oder mündlichen Erklärung an die Aufnahmebehörde, bei gänzlicher Unterlassung der Anzeige aber mit dem Ablauf des Steuerjahrs vollendet (Art. 11, Absatz 3 des Gesetzes vom 19. September 1852).
Die durch gänzliche oder teilweise Verschweigung des steuerbaren Einkommens begangene Verfehlung wird dann straffrei gelassen, wenn von dem Steuerpflichtigen oder Fassionspflichtigen, oder nach dem Tode des Schuldigen von Seiten eines seiner Erben, bevor eine Anzeige der Verfehlung bei der Behörde gemacht wurde oder ein strafrechtliches Einschreiten erfolgte, die unterlassene zu nieder abgegebene Erklärung zFassion) bei einer Aufnahme
behörde oder einer dieser Vorgesetzten Steuerbehörde nachgetragen oder berichtigt und hiedurch die Nachforderung der sämtlichen nicht verjährten Steuerbeträge ermöglicht wird. (Gesetz vom 13. Juni 1883.)
Den 12. April 1890.
K. Kameralamt.
Kemmel.
Deutsches Reich.
Wiesbaden, 11. April. Der Kaiser traf heute früh um 9°/i Uhr aus Berlin hier ein und fuhr durch die festlich geschmückte Stadt nach dem Schloß, überall von der dicht gedrängt stehenden Volksmenge begeistert begrüßt. Mittags um 1'/- Uhr stattete der Kaiser der Kaiserin von Oesterreich einen Besuch in der Villa Langenbeck ab. Der Kaiser fuhr in österreichischer Husarenuniform in der Villa Langenbeck vor, wurde an der Treppe von dem Oberhofmarschall empfangen und im Vestibül von der Kaisein selbst herzlich begrüßt. Auch die Erzherzogin Valerie und Erzherzog Franz Salvator, sowie das ganze Gefolge der Kaiserin standen im Vestibül. Die Kaiserin war tiefschwarz gekleidet. Das Diner zählte nur 4 Gedecke. — Der Kaiser verweilte von 2 bis 4 Uhr bei der Kaiserin. Er war ganz allein, ohne Adjutanten, gekommen. Den aus Berlin mitgebrachten Blumenkorb überreichte er „im Namen seiner Gemahlin". Wie auf der Hinfahrt, so wurde der Kaiser auch auf der Rückfahrt vom Publikum jubelnd begrüßt. — Der Kaiser alarmierte uni 4 Uhr die Garnison zu einer Gefechtsübung auf dem Exerzierplatz.
Friedrichsruh, 6. April. Den „Hamb. Nachr." wird geschrieben: In Friedrichsruh ist es seit dem Eintreffen des Fürsten Bismarck sehr lebendig geworden. Täglich treffen viele Fremde hier ein, um den Fürsten zu sehen; mancher muß aber dis Reise zwei und mehrmal wiederholen, bis er seinen Zweck erreicht hat. Anderen glückt es besser. So trafen gestern mit dem Zuge von Hamburg mittags viele Bismarck-Verehrer, darunter eine Menge Damen, ein, und gleich darauf kam der Fürst, welcher kurz vorher nach seiner Sägerei gegangen war, von dort zurück. Von allen Seiten ehrerbietrgst begrüßt, unterhielt er sich leutselig mit dem Publikum, gab dem Einen die Hand, sprach zu einem Andern freundliche Worte, wobei er besonders die Damen auszeichnete. Dann sah der Fürst einen ganz kleinen Kadetten »stehen, welchem er die Hand gab, die Wangen streichelte und einige Worte zu ihm sprach. Der Fürst befindet sich sehr wohl und macht täglich drei- bis viermal Spaziergänge bezw. Fahrten nach außerhalb.
— Der Fürstin Bismarck, welche dieser Tage ihren 66. Geburtstag feierte, wurden aus Berlin so viele Geschenke in Blumenspenden dargebracht, daß ein besonderer Wagen in den Bahnzug eingestellt werden mußte.
Ausland.
— Der Besuch des italienischen Kronprinzen in St. Petersburg scheint nunmehr festzustehen. Der „Agenzia Stefani" wird aus Peters
treten, bm ich nicht abgeneigt und falls Sie noch auf die Stellung reflektieren, so bitte ich Sie, morgen früh um zehn Uhr sich persönlich in meiner Wohnung, im Hotel zum römischen Kaiser, einfinden zu wollen.
Baronin Jda von Wallheim."
Zwei-, dreimal las Helene diese sie hochbeglückende Botschaft. Dann sank sie mit verklärtem Blick auf die Knie und die Hände gefaltet, murmelte sie:
„Das sendest Du mir, lieber Vater! DaS ist Deine Weihnachtsbescheerung für Dein armes, verlassenes Kind!"
Pünktlich zur bestimmten Zeit am nächsten Morgen machte sie sich auf den Weg. Ihre Augen blickten nicht trübe, wie Tags zuvor; die Erwartung des Kommenden hatte sogar eine leichte Röte auf ihre Wangen gezaubert.
In dem bezeichneten Hotel angelangt, fragte sie nach der Frau Baronin von Wallheim und nach einer kurzen Zeit deS Wartens wurde sie von einer Dienerin in da« Zimmer der Baronin geführt.
Auf einer Chaise longue lag eine ältliche Dame. Die freundlichen Züge trugen einen leidenden Ausdruck. Sie winkte Helene, die bescheiden in der Nähe der Thür stehen geblieben war, zu sich heran und deutete mit einladender Handbewegung auf einen Sessel.
„Fräulein Helene Schwarz?" fragte sie mit klangvoller Stimme
Helene verbeugte sich stumm.
„Sie haben sich um die Stelle einer Gesellschafterin bei mir beworben, Fräulein Schwarz," sprach die Baronin mit einem wohlgefälligen Blick auf die schlanke Gestalt des jungen Mädchens. „Wie ich Jhnm schon mitteilte, bin ich nicht abgeneigt, Sie zu engagieren. Haben Sie schon vordem eine ähnliche Stelle bekleidet und können Sie mir ein hierauf bezügliches Zeugnis vorlegen?"
Helene verfärbte sich und verneinte beklommen. Die Baronin sah sie forschend an.
„Nicht?" fragte sie ein wenig gedehnt, fuhr dann aber sogleich fort: „Nun, das thut auch Nichts zur Sache. Eins will ich aber von vorn herein bemerken. Meine Gesellschafterin muß mir schon in den nächsten Tagen nach Wallheim folgen.
bürg gemeldet, der Kaiser habe angeordnet, daß dem Kronprinzen überall der herzlichste Empfang bereitet werde, und den Wunsch ausgedrückt, daß derselbe in Petersburg und Moskau sein Gast sei. Ein Hofzug ist dem Kronprinzen nach Odessa entgegengesandt worden.
EttgeS'UeuilMten.
* Calw, 12. April. Am Freitag abend" hielt Hr. Helfer Eytel im Hörsaale des Georgenäums einen Vortrag über „Fürsten und Völker im alten Babylonien". In den fruchtbaren Gegenden zwischen Euphrat und Tigris, in dem grasreichen Stufenland Mesopotamien wohnte in den ältesten Zeiten, vielleicht vor mehr als 4000 Jahren vor Christi Geburt (nach einer Zeitrechnung, die von der der jüdischen Geschichtsschreiber abweicht) ein Volk, das schon auf ziemlich hoher Kulturstufe stand und das allmählich von einem neuen Volk, dem semitisch-babylonischen, verdrängt oder teilweise mit diesem verschmolzen wurde. Diese Umgestaltung und Verschmelzung geschah etwa ums Jahr 2500 v. Chr. Als Gründer des babylonischen Reichs wird Nimrod, „ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn" genannt. Unter den späteren Königen sind besonders Salma- nasfer, Sanherib, Sardanapal und Nebukadnezar bemerkenswert. Von dem Treiben einzelner dieser Fürsten und ihrer Völker haben wir Kenntnis erhalten durch aufgefundene Ruinen von Prachtbauten und Kunstwerken mit Bildnerei und Inschriften, die durch neue Ausgrabungen zu Tage gefördert wurden. Durch die unablässigen Bemühungen der Gelehrten ist es endlich gelungen die Hyroglyphen- oder Bilderschrift sowie die spätere Keilschrift zu entziffern und so namentlich eine große Anzahl von Tafeln, die der Bibliothek des Königs Sardanapal angehörten, der Geschichtsforschung zu erschließen. Aus den Inschriften dieser Tafeln geht hervor, daß die alten Babylonier in der Sternkunde sehr weit vorangeschritten waren; sie berechneten den Lauf der Sonne und teilten das Jahr darnach ein; sie bestimmten die Bahnen der Wandelsterne und weihten ihnen die 7 Tage der Woche; mit der Astronomie verbanden sie Astrologie und gerieten dabei aber auf große religiöse Irrwege. Ihre Tempel, meist dem Sonnengott Baal geheiligt, ihre Wasserbauten, Kanäle, Brücken u. s. w. waren vielbewunderte Werke. Wir finden bei ihnen Protokolle über Gerichtsverhandlungen und Kaufverträge, ferner Einteilung von Maaß und Gewicht, kostbare Erzeugnisse des Luxus und andere Gegenstände, welche von dem Kunstsinn und der Bildung der Bewohner ein beredtes Zeugnis ablegen. Jetzt ist das mächtige Reich zerfallen, nur Trümmer und Ruinen bezeichnen die Stätte einstiger Pracht, ein Beweis, daß. auch ein auf hoher Entwicklung stehendes Volk unabänderlich wieder in ein Nichts zurücksinken wird. Der klare, ausgezeichnete Vortrag bot ein großes,, wissenschaftliches Interesse und wurde von den Zuhörern aufmerksam verfolgt.
Stuttgart. Das Regierungsblatt für Württemberg Nr. 6 vom 10. d. M. enthält: Königliche Verordnung, betreffend den Wiederzusammentritt der Ständeversammlung. Vom 1. April
welches ziemlich weit von hier entfernt liegt. Ich hielt mich hier nur vorübergehend auf, weil ich leidend war und einen bedeutenden Arzt zu konsultieren wünschte.. Schon im Begriff, wieder heim zu reisen, erkrankte meine Gesellschafterin plötzlich und war ich dadurch gezwungen, mich in Eile nach einer anderen jungen Dame umzusehen. Sind Sie nun geneigt, mich vielleicht schon morgen in die weite Ferne zu begleiten?"
„Ich bin jede Stunde bereit, gnädige Frau! Ich stehe ganz allein!" versetzte Helene mit schmerzlich zuckenden Lippen.
Die Baronin sah sie teilnahmsvoll an.
„Armes Kind!" sagte sie mitleidig. „Noch so jung und schon so ganz allein: in der Welt! Haben Sie den gar keine Angehörige in der Stadt, von denen Ihnen der Abschied schwer wird?"
Helene schüttelte traurig das Haupt. Die Baronin erhob sich und trat dicht: vor das junge Mädchen hin. Von innigem Mitgefühl bewegt, streckte sie ihr beide Hände entgegen.
„Wenn Sie so völlig allein stehen, dann haben Sie auch wohl nichts dagegen,, noch heute ganz zu mir in« Hotel überzusiedeln?" fragte sie weich.
„Nur zu gern!" beteuerte Helene.
„So kommen Sie, mein liebe« Kind," sprach die alte Dame herzlich. „Wenn Sie mich ein wenig lieb haben wollen, so will ich Ihnen nach Kräften die Mutter ersetzen und wir werden recht lange beisammen sein. „Wollen Sie?"
Freudenthränen entstürzten bei diesen Worten Helene's Augen. Sie neigte sich nieder und küßte innig die Hand der Baronin.
„Ich will, o, ich will mit lausend Freuden!" flüsterte sie. „Nie werde ich Ihre Güte gegen die arme Verlassene genug zu danken wissen!"
Von Glück gleichsam verklärt, strahlte ihr Antlitz, als sie Ms die Straße trat; alle Not hatte ja nun ein Ende erreicht.
„Dank, Dank Dir, mein Gott!" jauchzte ihr Herz. „Du hast das Flehen^ der Verlassenen erhört und mir diese echte Weihnachtsfreude geschickt!"
(Fortsetzung folgt.)