Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend eine Prämierung von Schafvieh.
Am Samstag den 23. März d. I. wird in Leonberg die jährliche Staatsprämierung für ausgezeichnetes Schafvieh vorgenommen.
Für diesen Zweck sind folgende Bestimmungen gegeben:
1) die ausgesetzten Preise sind:
a) für die besten höchstens vierschaufeligen Widder
je zwei Preise zu 80 70 60 50
b) für die besten höchstens sechs schaufeligen weiblichen Tiere je zwei Preise zu 70 60
50 40
zusammen 16 Preise mit 960
2) Die Preisbewerber müssen ihre Tiere am 22. März d. I. vormittags 10 Uhr in Leonberg auf dem Musterungsplatz aufgestellt haben.
Der Platz für die Schafschau wird durch Anschlägen an den Eingängen der Stadt bekannt gemacht werden.
3) Die Preisbewerber haben obrigkeitlich beglaubigte Zeugnisse beizubringen, daß ihre Tiere entweder von ihnen selbst oder doch im Inlands gezüchtet worden sind.
4) Die Bewerber um die für weibliche Tiere ausgesetzten Preise haben wenigstens zwanzig Muttertiere, darunter mindestens zehn mit ihren Lämmern, aufzustellen.
Bei der Zuerkennung der Widderpreise wird die Anzahl guter Zuchttiere, die der einzelne Bewerber zur Konkurrenz vorführt, berücksichtigtwerden.
5) Bei Zuerkennung der Preise kommt sowohl die gute Beschaffenheit der Wolle, als auch die Reich- wolllgkeit, der Körperbau und die gute Pflege der Tiere in Anschlag.
6) Diejenigen, welche im letzten Jahre in Aalen für Widder und Schafe einen Preis erhielten, können für die gleichen Tiere in diesem Jahre nicht als Bewerber auftreten.
Auch wird keinem Züchter mehr als ein Preis für Widder oder Schafe zuerkannt.
7) Die Mitglieder des Preisgerichts werden von der Zentralstelle errannt.
Stuttgart, den 8. März 1890.
O w.
Deutsches Reich.
* Berlin, 6. März. Die Rede des Kaisers beim Diner des brandenburgischen Provinzial-Landtags lautet nach dem „Reichsanzeiger" wörtlich:
„Zunächst spreche Ich Ihnen, meine Herren, Meinen Dank dafür aus, daß Sie den Wunsch gehabt haben. Mich heute Abend in Ihrer Mitte zu sehen.
Es sind drei Jahre verflossen, seit Ich — abgesehen von dem kurzen Besuche im Landhause am Schluffe Ihrer vorjährigen Sitzungen — mit Riemen Brandenburgern zusammengewesen bin. In diesen drei Jahren hat sich Manches ereignet, was Mein
Haus und mit Meinem Haus die Mark Brandenburg betroffen hat.
Das oft bewunderte und für die Ausländer unverständliche innige Zusammenhalten der Hohen- zollern mit Brandenburg beruht vor Allen: daraus, daß im Gegensatz zu andern Staaten es den Brandenburgern vergönnt gewesen ist, im schwersten Unglück ihre Treue dem Hohrnzollernhause bewahren und beweisen zu können. Lassen Sie Mich an meine Vorfahren erinnern, unter ihnen vor Allen an den Großen Kurfürsten, von dem Ich immer gerne besonders zu Ihnen spreche, da man ihn schon bei seinen Lebzeiten den Großen Brandenburger nannte; an Friedrich den Großen — sie beide haben es jederzeit als ihre erste Pflicht erkannt, das Land, welches sie einst mit ihrer — wie man sagt — schöneren Heimat in Süddeutschland vertauscht hatten, nicht zu ihrem Vorteil zu nutzen, sondern ihre Interessen ganz mit denen ihres neuen Vaterlandes zu verschmelzen und als ihre Aufgabe zu betrachten, rastlos für das Wohl desselben thätig zu sein.
Bei Meinen Reisen, von denen Ihr Herr Vorsitzender sprach, habe Ich nicht allein den Zweck verfolgt, fremde Länder und Staatseinrichtungen kennen zu lernen und mit den Herrschern benachbarter Reiche freundschaftliche Beziehungen zu pflegen, sondern diese Reisen, die ja vielfach Mißdeutungen aus- esetzt waren, haben für Mich den hohen Wert ge- abt, daß Ich, entrückt dem Parteigetriebe des Tages, die heimischen Verhältnisse aus der Ferne beobachten und in Ruhe einer Prüfung unterziehen konnte. Wer jemals einsam auf hoher See, auf der Schiffbrücke stehend, nur Gottes Sternenhimmel über sich, Einkehr in sich selbst gehalten hat, der wird den Wert einer solchen Fahrt nicht verkennen. Manchem von Meinen Landsleuten möchte ich wünschen, solche Stunden zu erleben, in denen der Mensch sich Rechenschack ablegen kann über das, was er erstrebt und was er geleistet hat. Da kann man geheilt werden von Selbstüberschätzungen, und das thut uns Allen Not.
In meinem Zimmer hängt ein Bild, das lange in Vergessenheit geraten war; es zeigte eine Reihe stolzer Schiffe, den roten Adler Brandenburgs in der Flagge. Dieses Bild erinnert Mich täglich daran, wie schon der Große Kurfürst die richtige Erkenntnis dafür gehabt hat, daß Brandenburg zur Verwertung seines Fleißes und ffeiner Arbeitskraft eine Stellung im Weltmarkt sich erobern müsse. Groß sind die Fortschritte gewesen, die seit jener Zeit Preußens und Deutschlands Gewerbe und Handel aufzuweisen hat, besonders unter der Regierung Memes Herrn Großvaters. Das weitere Aufblühen unserer wirtschaftlichen Thätigkeit zu fördern, erachte Ich für eine meiner vornehmsten Aufgaben; Ich habe deshalb, nachdem 'Meine Thätigkeit zunächst der Sicherung der Ruhe nach Außen gegolten. Meinen Blick nach Innen gerichtet.
Die Ziele, die Mein Hochseliger Herr Großvater in seiner Botschaft aufgestellt hat, habe Ich Mir angeeignet. In seinen Fußstapfen fortschreitend, ist es Meine vornehmste Sorge gewesen, Mich eingehender um das Wohl der untern Klassen Meiner
Untertanen zu bekümmern. Die Erfolge der Be- ratungen des Staatsrates, welche hoffentlich bald in gesetzlicher Form für unser Vaterland nutzbringend wirken werden, verdanke Ich nicht zum mindesten der treuen und aufopfernden Mithilfe brandenbnrgischer. Männer.
Die von mir vorher berührten Gesichtspunkte,, nach welchen Meine Vorfahren und die Familie der Hohenzollern überhaupt ihre Stellung zu Brandenburg auffaßten, war im höchsten Maße in Meinem hochseligen Herrn Großvater verkörpert. Derselbe betrachtete seine Stellung als eine ihm von Gott gesetzte Ausgabe, der er sich mit Daransetzung aller Kräfte bis zum letzten Augenblick widmete. So wie er dachte, denke auch ich und sehe in dem Mir überkommenen Volke und Lande ein von Gott. Mir anvertrautes Pfund, welches — wie schon in der Bibel steht — zu mehren Meine Aufgabe ist und worüber Ich dereinst Rechenschaft abzulegen haben werde. Ich gedenke nach Kräften mit dem Pfunde so zu wirtschaften, daß Ich noch manches andere hoffentlich werde dazu legen können. Diejenigen, welche Mir dabei behilflich sein wollen, sind Mir von Herzen willkommen, wer sie auch seien; Diejenigen jedoch, welche sich Mir bei dieser Arbeit entgegen st eilen, zerschmettere Ich."
Berlin, 8. März. Hinsichtlich der Militärvorlage hören die „Hamb. Nachr.", die deren Vorbereitung gleichfalls nicht zu bezweifeln scheinen, die Vorlage dürfte erst im Herbste eingebracht werden und sei zur Zeit noch nicht fertig gestellt. Sie bezweckte außer der Reorganisation der Feldartillerie Ergänzungen an Spezialtruppen bei den neuen Armeekorps. Außerdem sei eine Vermehrung der Unteroffiziere und eine Aufbesserung ihrer Lage in Aussicht genommen. — Es sollen zur Zeit Erwägungen darüber stattfinden, wie dem Mißbrauche vorzubeugen sei, der bei den Wahlen von Seiten der Sozialdemokratie mit der Freizügigkeit getrieben wird. Ob lediglich polizeiliche oder gesetzliche Mittel dazu nötig sind, darüber ist noch keine Entscheidung getroffen. Die einschlägigen Beratungen gründen sich auf die Thatsache, daß die Sozialdemokratie wahre Völkerwanderungen ihrer Leute in den großen Städten zu Wahlzwecken angeordnet hat, daß die Betreffenden förmliche „Umzugskosten" erhielten u. s. w. — Als verbürgt melden die „Hamb. Nachr." eine Aeußerung des Kaisers, daß ein schlechter Reichstag den Lauf der Weltgeschichte nicht aufhalten werde; diese gehe ihren Gang und es komme nur darauf an, die neuen Wege zu erkennen und sie thatkräftig zu betreten.
Tages-Ueuigkeiten.
Calw, 10. März. Äm Freitag abend hielt Hr. Rektor Dr. Müller im Hörsaale des Geor- genäums einen öffentlichen Vortrag über „Deutsche Namen, ihre Herkunft und Bedeutung". Der Redner verstand es, das an und für sich etwas trockene Thema in sehr fesselnder Weise zu behandeln und die Versammlnng in größter Aufmerksamkeit zu erhalten. Er führte ungefähr folgendes aus: Namen sind nicht bedeutungslos, sondern ursprünglich sehr
liche Mädchen höchst nachteilig gewirkt. Als dann die Regierungsrätin voller Erschrecken die Folgen ihrer großen Nachgiebigkeit erkannte und nun den Launen des verzogenen Kindes energisch in den Weg trat, da setzte Helene ihr einen wilden Trotz entgegen und übertrug die ganze Zärtlichkeck ihres stürmischen Herzens auf den Vater, der den schmeichelnden Bitten der blaffen Töchterchens keinen Widerstand zu leisten vermochte. Auf diese Weise war etwas Kühles, Fremdes zwischen Mutter und Kind getreten, was die Regierungsrätin tief schmerzte, Helene jedoch nur um so unbeugsamer werden ließ.
Flüchtigen Fußes eilte das junge Mädchen auf dem schmalen Waldpfad dahin, die Augen neugierig nach allen Seiten zwischen den Bäumen umherschweifen lassend.
Plötzlich blieb sie stehen. Ein Helles Gewand schimmerte ihr zwischen den Büschen entgegen. Unfern von ihr saß auf einer etwas vom Wege zurückstehenden Bank ein junges Mädchen, scheinbar vollständig in den Inhalt eines Buches vertieft.
Es war ein liebliches Bild, was jeden Beschauer unwillkürlich fesseln mußte. Den feinen Kopf der Lesenden schmückte eine üppige Fülle goldblonden Haares, welches, zu dicken Flechten verschlungen, ein Antlitz von unbeschreiblichem Liebreiz umrahmte.
Leise und vorsichtig schlich Helene sich hinter die Ban! und schaute mit schalkhaftem Lächeln über die Schulter der Lesenden. Wer die beiden Mädchen so nahe neben einander sah, würde schwerlich vermutet haben, in demselben zwei Schwestern zu erblicken. Die blonde Margarethe mit dem rosigen Angesicht, bildete den schärfsten Gegensatz zu Helene's blassem Antlitz und nachtschwarzen Locken. Sie waren wie „Tag und Nacht,* wie Helene oft treffend bezeichnte, ohne jedoch die allseitig bewunderte Schönheit der Schwester zu beneiden.
Ohne eine Ahnung von der Näh« der Lauscherin, die hinter ihr stand, verharrte Margarethe in ihrer Stellung. Da legten sich plötzlich zwei weiche Hände über ihre Augen, sie fühlte einen Kuß auf ihrer Wange und eine übermütige, verstellte Stimme rief:
„Rate, wer ist es?*
Mit einem leisen Angstschrei fuhr die Erschreckte empor, um in das Gesicht ihrer schalkhaften Schwester zu blicken, welche, über den gelungenen Streich herzhaft lachend, ausrief:
„Du kannst Dich freuen, Margarethe, daß ich es war. Was meinst Du, wenn ein Anderer Dich so überrascht hätte?"
Margarethe versuchte, zu lächeln; aber ängstlich glitt ihr Blick nach allen Seiten hm und ihre Stimme durchbebte noch der eben überstandene Schreck, als sie erwiederte:
„Ach, Hella, Du siehst Gespenster! Wie oft habe ich hier schon gesessen,, ohne daß meine Einsamkeit jemals gestört worden ist."
„Nun ja," versetzte Helene vielsagend; „es sind ja auch noch die Zigeuner in der Nähe gewesen, — außer jetzt. SM, — hörtest Du Nichts?" fügte sie hastig hinzu, Margarethe, die bei ihren letzten Worten mü einer Geberde des Schreckens zurückgetreten war, am Arm erhaschend und athemlos lauschend.
Schlürfende, im Laube raffelnde Schritte waren hörbar geworden; in der nächsten Minute tauchte eine sonderbare Gestalt unter dm Bäumen auf, die beim Anblick der beiden Mädchen grinsend stehen blieb und dann, sich beim Gehen auf einen Stock stützend, langsam näher kam.
Et war ein altes, fremdartig aussehendes Weib. Um den Kopf hatte sie ein grellrotes Tuch geschlungen, unter welchem schwarze«, strähniges Haar hervorsah und in ein braunes, runzliges Gesicht hing, aus dem ein Paar dunkler, listig blickender Augen sich auf die Mädchen richteten.
„Ei, guten Tag, meine schönen Damm!" begrüßte sie mit kriechender Höflichkeit die beiden Schwestern. „Des Himmels Segen tausendfach über Euren Weg, wohin immer Euer Stern Euch führen mag! Möchten die gnädigen Herrschaften, vielleicht einen Blick in die Zukunft thun? Die alte Sarinka weiß sie zu enthüllen!"
Margarethe richtete einm flehenden Blick auf Helene, deren Lippen sich zu. einem spöttischen Lächeln kräuselten.
(Fortsetzung folgt.)