regeln verzichten und das bestehende Sozialistengesetz ohne Ersatz im Herbst dieses Jahres einfach ablaufen lassen werde. Nachdem die Regierung aufs ernst- lichste ihren Entschluß kundgegeben hat, allen berech­tigten Bestrebungen der Arbeiter nach Möglichkeit Rechnung zu tragen, nachdem die großen Versicher­ungsgesetze erlassen sind und ein erhöhter Arbeiter­schutz bestimmt verheißen ist, wird auf der anderen Seite doch auch gerade jetzt die Staatsgewalt die Waffen der Abwehr gegen Ausschreitungen nicht aus der Hand geben dürfen. Dem Wohlwollen und der Fürsorge wird auch der volle Ernst der Staatsgewalt gegenübergestellt werden müssen. Gesetzgeberische Vorschläge irgend welcher Art zum Ersatz des Sozialistengesetzes werden also, wie un­vermeidlich erscheint, dem Reichstag alsbald zugehen müssen. Aber freilich eine solche Aufgabe mit diesem Reichstag zu lösen, erscheint fast aussichtslos. Die neue Mehrheit wird da alsbald in eine sehr kritische Lage kommen. In Voraussicht dieser Dinge soll man auch im klerikalen und deutsch-freisinnigen Lager sehr enttäuscht und niedergeschlagen sein, als die dauernde Festlegung des Sozialistengesetzes in der vorigen Session scheiterte. Frkf. I.

Tages-Neuiykeiten.

Calw, 24. Febr. Bei der heute nachmittag im Jul. Drei ß'schen Saale stattgebabten General- versammlung des Landw. Consumvereins Calw erstattete der geschäftsführende Vorstand, Hr. Hugo Rau, den Rechenschaftsbericht pro 1889. Nach demselben betrug der Warenverkauf im Jahre 1888 18,886'/, Ztr. -46. 63,382.28 und im verflossenen Jahre 1889 20,180 Ztr. --- -46. 69,617.10 (unter letzterem 15,521 Ztr. Kunstdünger). Der Reingewinn betrug -46. 1348.36, die dem Reservefond überwiesen sind, wodurch das Vereins-Vermögen auf -46. 3712.12 angewachsen ist. Wie bereits bekannt geworden, hatte der Vorstand und Geschäftsführer, Hr. Hugo Rau, vor kurzem seine Entlassung erbeten, wozu ihn eigene geschäftliche Interessen veranlassen. Es handelte sich demnach zunächst um die Wahl des geschäftsführenden Vorstands, als welcher aus dem Verwaltungsrat Hr. Adlerwirt Dingler in Vorschlag gebracht und bei der nachfolgenden Abstimmung gewählt wurde. Daß kein weiterer Vorschlag zu Raum kam, darf dahin erklärt werden, daß bereits in einer erst kürzlich statt­gehabten Versammlung von 5 Mitgliedern des Ver­waltungsrats Hrn. Adlerwirt Dingler die Vorstandschaft vorbehältlich der Genehmigung durch die Generalver­sammlung angetragen worden war. Als weiteres Vor­standsmitglied wurde Hr. Schullehrer Gärttner in Altbulach und als stellvertretendes Vorstandsmitglied Hr. Hans Oettinger hier gewählt. In den Ver­waltungsrat treten ein die wiedergewählten HH. O. Goez von Hof Dicke, Schultheiß Ernst von Stammheim und als neues Mitglied Schultheiß Braun von Oberhaugstett. Hr. Hugo Rau wird somit am 1. Juli sein Amt abtreten, nachdem der­selbe dem Verein durch seine vorzügl. kaufmännischen Kenntnisse und seine umsichtige Geschäftsführung einen Grund geschaffen hat, auf dem sich derselbe leicht weiterentwickeln dürfte. Der wohlverdiente Dank wurde demselben auch durch Hrn. F. Ziegler sun. von Gechingen zum Ausdruck gebracht.

Calw, 26. Febr. Viehmarkt. Zufuhr 872 Stück Rindvieh, 86 Pferde. Schöne fette Ochsen fanden rasch und zu guten Preisen Absatz. Arbeitsochsen waren weniger begehrt, dagegen Milchvieh gefragt, jedoch in geringer Zahl zugebracht. Schmalvieh' erzielte gute Preise. Pferdehandel unbedeutend. Der Schweine­markt war mit 45 Körben Ferkeln und 25 Läufern befahren und fanden die ersteren zu 2536 Mark raschen Absatz.

* Oberhaugstett, 22. Febr. Heute wurde hier eine Filialvereinsversammlung abgehalten, wozu sich ca. 12 Lehrer einfanden. Vor dem Schluß der Versammlung gedachte der Vorsitzende des am 13. Januar d. I. beerdigten Kollegen Iäck, welcher in der Gemeinde über 30 Jahre gewirkt hatte. Mit treuem Fleiß und väterlicher Geduld hat der Ver­storbene seines schweren Amtes gewartet. Sein reiches Wissen zeichnete ihn aus. Ehre seinem Andenken.

Freuden st adt, 22. Febr. In Neinerzau, diesseitigen Oberamts, verschluckte ein junges Mäd­chen aus Unvorsichtigkeit eine Bohne und war, ehe ärzliche Hilfe kam, in wenigen Minuten eine Leiche.

Ludwigsburg, 21. Febr. Wie schon mit- eteilt, wird Donnerstag, den 27. ds. die Feier des iesigen Schlachthofes begangen. Das Programm für dieselbe ist folgendes: Um 9 Uhr Empfang der Gäste auf dem Bahnhof, 10 Uhr Aufstellen der Schlachttiere im Rathaushofe, 11 Uhr Abführen der­selben in die Stallungen des Schlachthofes, 11 Uhr Zusammenkunft der Metzgermeister mit ihren Burschen und den Festgästen in der städtischen Turnhalle, Be­wirtung der Gäste. Halb 1 Uhr Festzug vom Rat­haus in den Schlckchthof, Begrüßung daselbst durch den Gemeinderat, Besichtigung des Schlachthofes und Schlachtviehes, 2 Uhr Zug vom Schlachthofe in den Gasthof zum Bären. Festessen daselbst. Abends 7 Uhr Festball.

Ludwigsburg, 21. Febr. Heute mittag wurde aus dem sogenannten Schüsseles-See in den Kgl. Anlagen der Leichnam eines 22jährigen Mäd­chens, der Tochter eines Bäckers aus Neckarweihingen, gezogen. Dieselbe war in einer hiesigen Wirtschaft im Dienst und entfernte sich am Mittwoch abend, angeblich, um eine kranke Tante zu besuchen. Ob Selbstmord oder ein Unglücksfall vorliegt, konnte bis jetzt nicht festgestellt werden.

Aus dem Oberamt Brackenheim, 24. Febr. Die Begeisterung bei der letzten Wahl hat den Nacht­wächter in der Gemeinde Haberschlacht zum Poeten erhoben: derselbe sang bei seiner Runde um Mitter­nacht mit Rücksicht auf das Wahlergebnis daselbst: 97 Schäflein zählt der Hirt, 16 Stücke sind verirrt." Ob es dem Hirten gelingt, die also Verirrten der Herde wieder zuzuführen.

Crailsheim, 24. Febr. In jüngster Zeit hat der benachbarte Mühle- und Gutsbesitzer L. eines seiner Pferde durch einen seltsamen Umstand einge­büßt. Das Pferd war 10 bis 11 Jahre alt, stark gebaut und scheinbar ganz gesund. Eines Tages stellten sich Anzeichen einer plötzlichen schweren Er­krankung ein und schon nach wenigen Stunden krepierte das Tier. Bei der durch den Tierarzt darauf vor­genommenen Untersuchung wurde iin Leib ein Ge­wächs von dem Umfang einer großen Kegelkugel von schwärzlich-grauer Farbe, glatter nahezu abgerundeter Oberfläche und im Gewicht von 14 Pfund gefunden.

Die chemische Untersuchung der steinharten Masse er- gab kohlensauren Kalk. Das Gewächs soll im Blind­darm sich gebildet und diesen durch sein Gewicht durchbrochen haben. Die interessante Varietät war im vorigen Gewerbevereinsabend zur Besichtigung auf­gelegt. Im vorigen Jahr wurde bei einer krepier­ten Kuh in Jagstheim ein derartiges Gewächs in der Niere vorgefunden. Dasselbe hat eine mehr flache längliche Form, gelbliche Farbe, war viel leichter im Gewicht und von der Größe einer'kleinen Hand.

Ulm, 21. Febr. Heute abend wurde hier eine jugendliche Diebsbande festgenommen. Dem 6jährigen Mädchen eines hiesigen Handwerksmeisters waren nämlich vorgestern abend 1 82 A welche

solches nach dem Emkauf von Waren in einem Laden, herausbekommen hatte, von einigen Knaben auf der Straße geraubt worden. Die letzteren hatten dem Kinde noch in höhnischer Weise bei Rückgabe des leeren Portemonnais aufgetragen, seine Mutter zu grüßen. Infolge der Gestaltsbezeichnungen der Thäter,, welche das Kind geben konnte, gelang es, die Burschen heute zu ermitteln, sie waren auch nach längerem Läugnen der Thal geständig. Der eine derselben 14 Jahre alt, ist schon zweimal wegen Diebstahls vorbestraft und hat in den letzten Monaten in zwei andern Fällen in ganz gleicher Weise zwei Knaben Geld und Waren abgenommen, deswegen er zur Zeit in Untersuchung steht. Der zweite der Burschen ist ebenfalls wegen Diebstahls vorbestraft. Da. sie nach Ausübung ihres letzten gemeinschaftlichen Diebstahls miteinander durchbrannten und nach heute bei ihnen Vorgefundenen Notizen wieder beabsichtigten, auch diesmal gemeinschaftlichauf die Reise zu gehen", so wurden sie hinter Schloß und Riegel gesetzt.

Neuhausen, 21. Febr. Der hiesige Jagd­pächter F. Bauer hatte das Glück, an dem von Sielmingen nach Neuhausen fließenden Bächlein, durch Zuthun seines vorzüglichen Hühnerhundes (Setter) drei Fischotter zu erlegen, wofür ihm eine Staats­prämie von 15 -46 zuerkannt wurde.

Berlin, 22. Febr. Ein entsetzlicher Anblick bot sich vorgestern morgen Passanten der Belle-Al- liancestraße. Am offenen Fenster der dritten Etage des Hauses Nr. 4 hing die Leiche einer etwa 40- jährigen Frau, die ihrem Leben ein gewaltsames Ende gemacht hatte. Der von dem Selbstmord seiner Mieterin sofort benachrichtete Hauswirt schickte alsbäld zur Polizei, welche die Wohnung derselben, einer alleinstehenden Witwe Frau St., durch einen Schlosser öffnen ließ. Da die sofort angestellten Wiederbelebungs­versuche des Arztes sich erfolglos erwiesen, wurde die Leiche nach dem Leichenschauhause geschafft. Als Motiv zu der That wird unheilbare Krankheit ange­nommen, an welcher die St. schon seit mehreren Jahren litt.

Lebensversicherung und Ersparnis- Bank in Stuttgart.« Das Geschäftsergebnis des Jahres 1889 ist ein äußerst günstiges zu nennen. Es wurden insgesamt beantragt 5438 Versicher­ungen über -46 33074040 . Policen wurden ausgestellt 4378 über -A 88 051547 . Der Ab­gang von Versicherungen durch Tod, Ablauf, Rück­kauf rc. stellte sich niederer als im Jahre 1888- trotz der seitherigen Erhöhung des Versicherungsstandes-

eingetroffene Arzt Jedem erzählte, es sei die junge Gräfin von einem Nervenfieber befallen worden, war doch eine Ahnung der Wahrheit in die Oeffentlichkeit ge­drungen. Vielleicht hatte Minna dennoch mehr gesehen, als man voraussetzte. In den Vorzimmern und in der Küche, in Ställen und in der Milchkammer steckte die Dienerschaft die Köpfe zusammen, und wo Zwei oder Drei flüsternd beisammen­standen, geschah es, um sich Erdachtes und Erlauschtes im abenteuerlichsten Gemisch zuzuraunen. Soweit aber befanden sich Alle der Wahrheit nahe, um den Namen der jungen Gräfin stets in verhängnisvollem Zusammenhang mit demjenigen des Forstadjunkten zu bringen. Am tiefsten fühlte sich durch die unnatürlich unbefangenen Mienen seiner Dienerschaft, deren Mitwifsenschaft er mit reizbarer Nervosität ahnte, der Gutsherr berührt. Die neugierig dreisten Blicke, das Auseinanderstieben, wo Zwei sich zusammen gefunden hatten, bei seinem Erscheinen, steigerten die tiefe Ver­stimmung, welche ihn beherrschte, seit er von seiner Mutter alle Einzelheiten, welche Isoldens unseliger That vorangegangen waren, erfahren hatte, zum wirklichen Un­wohlsein. Er war gezwungen und, es muß erwähnt sein, er fügte sich gern in die Notwendigkeit die Behandlung der Kranken ganz dem bewährten Wissen des Stabsarztes anheim zu geben und sich mit dessen Berichten zu begnügen, die aus­führlich und getreu erstattet wurden. Er verbannte sich freiwillig von dem Kranken­bette der Frau, welche er verachtete, um der Schmach willen, die sie seinem Hause angethan, und wie er mit stets neu aufwallender Erbitterung sich vorhielt, ihn selbst mit einer Schuld belastete. Hatte sie das Gift doch unmittelbar durch ihn selbst empfangen.-

Für den Arzt in ihm hörte ihr Zustand nicht auf, Gegenstand lebhaften In­teresses zu bleiben, mochte der Edelmannn sich noch so enschieden von der plebejischen Sünderin abwenden. Er sowohl als Isoldens Ordinarius gaben sich keinerlei Illu­sionen hin. Die nächste Wirkung des tötlichen Giftes war zwar abgeschwächt, eine vollständige Auflösung aber zu befürchten, wenn die kräftige Natur der Kranken ihre Unterstützung versage. Und dies stand zu befürchten.

Hart traf es Edith, daß in diesen Unglückstagen Meinungsdifferenzen zwischen ihren nächsten Verwandten sich geltend machten, die sie selbst in jugendlicher Un­überlegtheit heraufbeschworen.

Welche Erleichterung hatte sie an jenem Morgen empfunden, als sie, den Kopf an der Großmutter Schulter gelehnt, aussprechen durfte, was so lähmend und sinnverwirrend ihre Seele beengte und ihren bisher so schlichten Glauben an die Güte und Treue der Menschen erschütterte. Mit jedem Wort, das nicht bitter anklagend sondern bange berichtend über ihre Lippen glitt, schien ein Teil ihrer Betrübnis hinweggenommen, aber an der tiefen Bestürzung, in welche ihr Bekennt­nis die Großmutter versetzte, ward sie es inne, wie Schweres sie in sich getragen habe.

Art läßt nicht von Art" murmelte die alte Gräfin, die in ihrer inneren Entrüstung hierin die rechte Ursache von Isoldens Schuld fand dann fragte sie aus Edith heraus, was ihr noch unverständlich dünkte.

Später war der Gutsherr erschienen. Nach einer kurzen Frage seiner Mutter nach Isoldens Befinden war eine wenig Hoffnung verheißende Antwort erfolgt dann wurde Edith weggeschickt.

Während die Gräfin ihrem Sohne mitteilte, was sie soeben erfahren hatte, ging Edith ruhelos in ihrem Gemache auf und ab. Zuweilen trat sie auf den Balkon hinaus, um in die Ferne zu spähen. Aber weder auf der durch einen Ein­schnitt des Parkes sichtbar werdenden Landstraße, noch auf der Ueberfuhr zeigten sich die beiden Reiter, welche nach ihrem Ermessen schon längst eingetroffen sein müßten. Sie kehrte dann stets mißmutig in ihr verdunkeltes Zimmer zurück. Der grelle, gleichgiltige Sonnenschein erhöhte ihre trübe Stimmung. Dazwischen wollte mitunter ein Hoffnungsschimmer sich Bahn brechen: Harald würde endlich kommen, und, gerührt durch Isoldens Sündopfer verzeihen. Sie würde dann genesen, und noch Alles, Alles gut werden.

(Fortsetzung folgt.)