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Tages-Keuigkeiten.

Stuttgart, 1. Febr. Prälat Schmid in Heilbronn wuroe an Stelle Gerok's zum Oberhof­prediger ernannt.

Stuttgart. Freitag nachmittag 2 Uhr hörte man plötzlich in der Kapelle des Pragfriedhofs einen Schuß fallen. Als man herbeieilte, fand man ein junges 17jähriges Mädchen, welches sich vor dem Altar durch einen Schuß in die rechte Schläfe hatte das Leben nehmen wollen. Die Schwerverletzte wurde nach dem Katharinenhospital verbracht. Die junge Selbstmörderin, eine angehende Schauspielerin, Frida Saile, Tochter einer Koloristenwitwe in der Weißen­burgstraße, soll aus verschmähter Liebe die That be­gangen haben. Wie man hört, ist das Befinden der Saile ein den Umständen nach angemessenes und ist Hoffnung vorhanden, dieselbe am Leben zu erhalten.

Plieningen, 30. Jan. Ueber den Hasel­nußstrauch wird aus Eßlingen geschrieben, daß der­selbe statt sonst im März, schon jetzt in Blüte stehe. Dies ist auch in unserer Gegend der Fall. Das Steinobst, welches eine Fülle von Fruchtknospen zeigt, wie auch Stachelbeeren und schwarze Träubchen sind ebenfalls in der Entwicklung schon recht vorgeschritten, so daß nur zu wünschen ist, daß das kältere Wetter anhält, denn nur ein später Frühling hat bei uns gute Aussichten auf Fruchtbarkeit der Bäume, weil die vorzeitige Entwicklung fast regelmäßig durch Mai­fröste verkümmert wird.

Bietigheim, 30. Jan. Welch traurige Folgen ein, Sturz auf dem Eise nach sich ziehen kann, das zeigte heute die Beerdigung eines Schülers, des Kindes eines sehr achtbaren Geschäftsmannes. An Weihnachten war das Kind, ein Knabe von 8 Jahren, beim Schleifen auf dem Bach ausgegleitet und ohne es weiter zu beachten, besuchte dasselbe seine Schule, war heiter und fröhlich. Nun machte ein Gehirn­schlag dem Leben des hoffnungsvollen Knaben, der am Abend vorher fröhlich mit seinen Eltern Choräle und Liedchen gesungen hatte, ein Ende.

Erligheim, 30. Jan. Bei dem letzten orkanartigen Sturm wurden im hiesigen Gemeinde­wald an der Straße von Freudenthal nach Bönnig- heim auf einer Fläche von zehn Morgen sämtliche Fichtenstämme mit den Wurzeln aus der Erde ge­rissen und übereinandergeworfen, so daß das Ganze aussieht, als hätte eine Erdrevolution stattgesunden. Unangenehme Aussichten für die hiesigen Steuer­zahler.

Heidenheim, 28. Jan. Zwei junge Leute treiben sich gegenwärtig in unserer Gegend herum, durch Vorzeigen ihrer Künste in den Schulen ihren Verdienst zu suchen. In der Regel sagen sie dem Lehrer, daß der Ortsschulinspektor ihnen die erforder­liche Erlaubnis erteilt hat, was nicht wahr ist. Ihre Künste sind für die Jugend ganz wertlos und be­stehen im Feuerfressen und darin, daß aus einem irgend zugerichteten Papier verschiedene Gegenstände (1 Kappe, eine Haube rc.) nachgebildet werden. Es ist' jedenfalls empfehlenswert, diesen Leuten keinen Zutritt in die Schulen zu gestatten.

Ehingen, 28. Jan. Letzthin lagerte sich am Ende der Stadt eine Zigeunerbande mit vier Wagen.

Als diese zum Feuern an einem nahen Gartenzaune die Latten wegriß, lebte sich der hiesige Landjäger K. ins Mittel. Die Zigeuner fielen jedoch über den­selben her, nahmen ihm das Gewehr und bearbeiteten ihn mit den Latten. Die Attentäter wurden verhaftet.

Wangen, 29. Jan. Schon seit einiger Zeit kamen abends vor den Wirtschaften stehenden Fuhr­werken verschiedene Gegenstände abhanden, bis es der Polizei gelang, die Urheber der Diebstähle, 3 junge Burschen im Alter von 12, 13 und 14 Jahren, aus­findig zu machen. Die jugendlichen Diebe hatten ein förmliches Lager ihrer Beute und hatten im Laufe der Zeit zusammengestohlen: Brod, einen Sack voll Beesen, Käse, Würste, Butter, Tauben, Teile eines Drechslerwerkzeuges rc. Sie sind geständig und wurden gestern, beladen mit den Gegenständen ihrer Räube­reien, unter nicht geringem Auflauf der Schuljugend, dem K. Amtsgericht vorgeführt, wo sie ihre wohl­verdiente Strafe empfangen dürften.

Wegen schwerer Soldatenmißhand­lung wurde, wie die Breslauer Morgenz. mitteilt, unlängst auf Anzeige hin Sekondelieutenant Graf Pfeil II zu 14 Tagen Arrest verurteilt. Der oberste Kriegsherr stieß das Erkenntnis um, weil die ausge­sprochene Strafe nicht im Einklänge mit der Schwere der festgestellten Vergehen stand, und ordnete ein neues Verfahren an. Das neue Verfahren endete mit der Verurteilung des Lieutenant zu 2 Monaten Festung, und dieses Urteil wurde bestätigt.

Paris, 29. Jan. Im Institut Pasteur wurden in den letzten 6 Monaten 850 von wütenden Hunden gebissenen Personen behandelt, wovon nicht eine einzige gestorben ist. Dieses günstige Resultat wird einerseits dadurch erklärlich, daß die Kranken rascher zur Behandlung sich einfinden, andererseits dadurch, daß Pasteur die Einimpfungen des Wnt- giftes namentlich in gefährlichen Fällen nicht nunmehr einen einzigen Tag, sondern zwei Tage vornimmt.

Paris, 1. Febr.France" sagt, die Frage des Aufenthaltes der Ausländer in Frankreich nehme täglich einen drohenden Charakter an; man solle nicht den Ablauf der bestehenden Verträge thatenlos ab- warten, sondern innerhalb der Möglichkeit wenigstens solche Vorkehrungen treffen, welche den dringenden Wünschen der öffentlichen Meinung entsprechen.

Vermischtes.

Kohlenfunde in Schwaben. Das süd­westliche Deutschland ist reich an Wäldern, aber arm an Kohle. Schon seit mehr als 50 Jahren sind in Württemberg Bohrversuche auf Kohlen angestellt worden. Die meisten Fälle blieben ohne Ergebnis, bei dem historisch und landschaftlich fesselnden Schram­berg (Oberamt Oberndorf, Neckargebiet) stieß man zwar nach Durchteufung des Rotliegenden auf Kohlen, ooch waren dies nur ganz dünne Schnüre, unter wel­chen sofort der Porphyr lagerte. Gegenwärtig nun zieht Sulz am Neckar, dicht an der hohenzollernschen Grenze, die Aufmerksamkeit auf sich. Schon längere Zeit sind Bohrversuche mit bedeutenden Kosten unter­nommen worden; vor kurzem ist man in einer Tiefe 814 Metern endlich durch das Rotliegende gedrungen und hat eine Formation zu Tage gefördert, welche

ihrer Natur nach auf die Kohle schließen läßt. Die- württembergischen Geologen find der Ansicht, daß, wenn irgendwo in diesem Teile Schwabens Kohlen zu finden seien, dies hier der Fall sein müsse. Einiges Aufsehen erregt nun eine Nachricht von Empfingen im Hohenzollern'schen (Oberamt Haigerloch), dicht bei Sulz, indem inan dort in einer Wasserquelle Petroleum in einer Menge von 0,5 Prozent aus 2'/» Liter gefunden haben will. Was diesem Petroleum­sund mehr Ansehen giebt, ist der Umstand, daß etwa Kilometer entfernt in ganz geringer Tiefe angeb­lich die gleiche Formation, wie bei Sulz, gefunden worden ist. Das Gestein, schwarzer Schiefer, ist nach Stuttgart geschickt worden zur Untersuchung. Die Entdeckung von ausgiebiger Kohle würde dem hohen­zollernschen Lande auf einmal einen ganz anderen Charakter geben, denn bis jetzt erzeugt Hohenzollern neben seiner Landwirtschaft sehr wenig.

Der Reichtum eines Dichters. In Wien wurde kürzlich der Nachlaß des Dichters Anzen­gruber für bare fünfhundert Gulden versteigert.

Medizinische Betrachtungen über das Radfahren.

Von Ur. Hans Schum, k. k. Landwehr-Regimentsarzt.

Wenn ein objektiver Beobachter die verschiede­nen Ansichten über das Radfahren hört, so muß er sich wundern, in welchen Extremen sich diese Aeußer- ungen bewegen. Der Radfahrer ist gewöhnlich für seinen Sport so begeistert, daß er keine Schattenseite an ihm wahrnimmt, wogegen das große Publikum von solcher Voreingenommenheit ist, daß es unserem Sporte alle möglichen Lungen-, Herzleiden, Beinbrüche, tötliche Stürze rc. rc. zuschreibt.

In neuerer Zeit haben sich auch hervorragende medizinische Gelehrte mit dieser Sache befaßt, wie der von Herrn Geheimrat Nußbaum in derGartenlaube" erschienene ArtikelIst das Radfahren gesund?" zur Genüge darthut. Wenn ich nun, nach dem Erscheinen des von so hervorragender Seite publicierten Artikels mir auch erlaube, meine eigenen Beobachtungen über das Radfahren mitzuteilen, so glaube ich eine ge­wisse Berechtigung darin zu erblicken, daß ich selbst Radfahrer bin und meine Beobachtungen an anderen radfahrenden Personen sowie an mir selbst während der Fahrt angestellt habe, was einem nichtfahrenden Arzte wohl unmöglich ist.

Hauptsächlich habe ich auf die Thätigkeit der Lungen, des Herzens und der Muskeln mein Augen­merk gerichtet. Das Atmen beim gesunden Menschen erfolgt in regelmäßigen Atemzügen, normalerweise 1215 in der Minute. Beim Radfahren tritt nun im Anfänge eine Beschleunigung der Atembewegung auf. Die Atemzüge steigen oft bis zu 20, 25 in der Minute, um in einem Zeiträume von 510 Minuten zur Norm zurückzukehren.

Diese normalen Atemzübe sind aber von der gewöhnlichen Atmung, z. B. beim Gehen oder Sitzen, vollkommen verschieden und bilden förmlich das Ideal der physiologischen Atmung.

Diese Atemzüge sind so tief und der Brust­korb erweitert sich so vollständig, daß selbst >in jene kleinsten Teile der Lunge, die fonst nur von stag- nirender Luft erfüllt sind, frische Luft eindringt.

Keuilleton. N.ch.m-.

Wccch dem Sturme.

Novelle von E. Lollb recht.

(Fortsetzung.)

Sonderbar. Welche mochte es sein?

Jedenfalls zeichnete Eugen keine aus, als und dies war ja ganz natürlich sie selbst ein wenig. Er hielt dies wahrscheinlich für Pflicht als Kousin und da sie hier fremd war machte sich dies von selbst.

Und Harald?! Ja, das waren die alten Gefühle, eingewiegt in dem Flatterleben der Gegenwart. Daheim das wußte sie würden alle zarten Fäden ihres Gemütslebens sich wieder um dies Idol ihrer Seele schlingen.

Die Generalin sprach zuweilen von ihm. Es geschah mit Kälte. Isolde hatte während ihres kurzen Aufenthaltes hier, zur Zeit ihrer Hochzeitsreise wenig Sympatie gefunden. Nicht hinwegzuleugnen war, daß man ihr mit Vorurteilen entgegenge­kommen. Edith suchte sie und Harald zu verteidigen. Jsolden's Vorzüge in's glänzenste Licht zu stellen, aber während sie sprach, fühlte sie, daß es doch eigent­lich nicht so leicht sei, viel zu ihrem Lobe zu sagen. In einem nur fand sie voll­ständige Uebereinstimmung, im Lobe ihrer Schönheit.

Unversehens war das Ende des Faschings und beinahe Ostern herangekommen. Nach einer Menge von Abschiedsbesuchen, nach dem Versprechen deS Wiederkommens und einem zärtlichen Abschied, dem eine ermüdende Reise folgte, fand Edith sich eines Morgens daheim. Im Parke knospen schon die Sträucher. Der Himmel schien sein verdrießliches Grau für immer abgeworsen zu haben. Auf der Terrasse, deren Klematis-Ranken sauber aufgebunden waren, zeterten Spatzen und Goldhähn­chen durcheinander, der breite Rasenplatz davor umfaßte ein leuchtendes Beet stolz prangender Tulpen.

Auch in Großmamas Lieblingszimmer spürte man es ohne Frösteln, daß das Feuer im Kamin verglommen war. Gar schelmisch nickte der wackelnde Chinese zwischen zwei dicken Sträußchen Schneeglöckchen hervor. Hier -zählte Edith zuerst von ihrem Empfang bei Hofe, dann von allen den anderen Festen und Großmama und Demoiselle Noir wurden dabei nicht müde, sie anzusehen und verständnisvolle Blicke mit einander auszutauschen.

Wie glücklich war das Kind verändert! Das war endlich wieder das liebe Kindergesicht von ehedem und dennoch viel hübscher und durchgeistigter denn zuvor, meinten die beiden alten Damen.

Da aber erschien am zweiten Tage ihrer Ankunft Harald und sein Kommen brachte Edith das gewohnte Herzklopfen, die alle Bewegung.

Soll ich denn nimmer, nimmer davon befreit werden? fragte sie sich später auf ihrem Zimmer fast mit Zorn.

Er erzählte, daß Isolde das Herrenhaus demnächst als Sommeraufenthall beziehen werde, daß Eugen eingewilligt habe und schon Vorbereitungen treffen lasse. Er machte Edith scherzhafte Vorwürfe, daß sie so lange ausgeblieben sei und schilderte in komischer Weise die Langeweile des Winters, der nun hinter ihnen lag. Edith fühlte sich unglaublich befangen, sie fürchtete, Harald müsse ihre Bewegung erkennen und deren Ursache erraten Eugens Eintritt brachte ihr Befreiung.

Freudig begrüßte sie ihn. Seit ihrem gemeinschaftlichen Wiener Aufenthalt warm sie sich so nahe gerückt. Sie hatten so viel zusammen erlebt, wovon die Anderm nichts wußten. Es bedurfte oft eines Wortes, eines Erinnerns nur und eine ganze Gedankenkette stieg vor ihnen empor.

Als Edith Eugen, der etwas früher als sie und der Onkel Wien verlassen .« hatte, wiedersah, fühlte sie eine warme Freudigkeit ihr Inneres durchströmen.

(Fortsetzung folgt.)