r Schwenningen, 22. Sept. (Evangelischer Bund.) Unter sehr zahlreicher Beteiligung der hiesigen und der benachbarten evangelischen Gemeinden, sowie von Vertretern aus dem ganzen Lande hielt heute der Landes­verband Württemberg des Evangelischen Bundes hier seine Landesversammlung ab. Die Stadt trug reichen Flaggen­schmuck. Eröffnet wurde die Versammlung mit einer Feier auf dem freien Platz vor der Pauluskirche. Nach Musik- vorträgen hieß Schulrat Dr. M o s a p p-Stuttgart die Er­schienenen willkommen. Die heutige Versammlung sei eine Iubiläumsoersammlung, denn vor 25 Jahren, am 5. Juli 1885, sei der Evangelische Bund gegründet worden. Klein wie der Neckar bei Schwenningen sei er zuerst gewesen, aber die besten Männer hätten sich für ihn eingesetzt und heute stehe er da als ein Faktor, mit dem auch die Gegner zu rechnen haben. Die Zeit für den Protestantismus sei ernst, und wenn der Bund nicht schon bestände, so müßte er heute noch gegründet werden. Der Redner schloß mit einem Appell zum Zusammenschluß aller Evangelischen. Um 2 Uhr fand Festgottesdienst in der Stadtkirche statt. Sie war bald bis auf den letzten Platz gefüllt. Nach Ge­sangsvorträgen hielt Pfarrer Maas aus Lausten Amt Müll­heim die Festpredigt, der er die Worte aus Psalm 50 zu Grunde gelegt hatte: Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes. Er feuerte an zu rastlosem Borwärtsstreben im Geiste Gottes und zu unermüdlicher Arbeit im Dienste des Fortschritts. Schulrat Dr. Mosapp erstattete den Rechen­schaftsbericht. Der Evangelische Bund habe die evangelischen Interessen aus allen Gebieten gewahrt gegenüber Indifferentis- mus und Materialismus. Die verschiedensten politischen Richtungen habe er in sich vereinigt und gelehrt, sich gegen­seitig zu verstehen. Seinem Arbeitsgebiet in Oesterreich unterstehen Gemeinden mit zusammen 20000 Gemeindean­gehörigen. Im Lande zähle er über 26 OM Mitglieder. Um */z4 Uhr begann die Festversammlung im Rößle. Der Berbandsvorsitzende Stadlpfarrer Trau b-Stuttgart begrüßte die Versammlung. Einer Szene aus dem FestspielLuther in Worm" folgten zahlreiche Begrüßungsansprachen, darunter eine solche von Allschulrheiß Würth-Schwenningen, der als Festangebinde von Schwenningen und der umliegenden Ge­meinden 5000 ^ übergab. Prälat Hermann-Stuttgart überbrachte die Grüße des Eoang. Konsistoriums und des Gustav Adolf-Vereins. Hierauf sprach der Vorsitzende Traub über Jesuiten und Schule. Der Eo. Bund wolle protestan­tisches Ehrgefühl wecken und das kirchliche Gefühl stärken. Er müsse Kämpfen gegen Roms Machtansprüche, das in Deutschland über Tausende von Priestern und Mönchen, über eine einflußreiche Presse und die Zentrumspartei ver­füge. Das sei eine Mahnung, treu auf dem Posten zu stehen, zumal da der sogenannte Toleranzantrag und'die Aufhebung des Iesuitengesetzes vor der Türe stehen. Wir wollen, daß der Jesuitenorden aus Deutschland und seinen Kolonien ausgeschlossen bleibe, denn er mache den konfessio­nellen Frieden unmöglich und sei staatsgesährlich, wie zahl­reiche vom Redner aus katholischen Blättern und jesuitischen Schriften verlesene Citate beweisen. Die Jesuiten nähmen sich nur des höheren Schulwesens an, der Schüler aus höheren Ständen, erst wenn ihnen solche nicht zur Verfüg­ung stehen, bequemen sie sich, auch Schüler aus niederen Ständen in ihre Schulen aufzunehmen. Der Unterricht sei nur Mittel für die Zwecke des Ordens, sagte doch ein be­kannter Jesuit: durch unsere Schüler können wir fast das meiste tun. aber ohne unsere Schüler fast nichts. Gestatten wir den Jesuiten Einfluß aus die Schulen, so ist Aufklärung und Fortschritt das Todesurteil gesprochen. Die Jesuiten bringen nicht Freiheit, sondern Knechtschaft. Das Jesuiten- gesetz ist wohl ein Ausnahmegesetz, aber nicht das einzige. In der katholischen Kirche gibt es deren genug, und sie hat nichts gegen ein Ausnahmegesetz, wenn es zu ihren Gunsten ist. Hoffentlich läßt sich der Bundesrat nicht ein­schüchtern mit Drohungen, die beweisen, daß man nicht die rechte Vaterlandsliebe besitzt. Wir müssen zusammenstehen. Es ist bedauerlich, daß auf 1000 evangelische Einwohner des Landes nur 17,4 Mitglieder kommen. Der Redner schloß mit einem Appell, dem Bund beizutreten. Nach weiteren Begrüßungsansprachen verbrettete sich Bundesvor­sitzender Illo. Eoerling-Halle über Glaube und Heimat, die im deutschen Protestantismus ihre festeste Stütze gehabt hätten und auch in Zukunft haben würden. Prälat v. Hermann sprach dann noch über den Nachwucks der ev. Kirche in Oesterreich und Gras von Uzkull-Kirchheim faßte die Wünsche und Bitten in einem Schlußwort zu­sammen. Die ganze Veranstaltung war umrahmt von Vor­trägen des Pauluskirchenchors und des Gesangvereins Con- cordia Schwenningen. Morgen vormittag findet geschlossene Borstandssitzung statt, worauf ein Festessen folgt. Spazier­gang und gesellige Bereinigung bilden dann den Abschluß.

Tuttlingen, 23. Sept. (Verhinderte Luftfahrt). Bon der OrtsgruppeSchwarzwald" des Württ. Vereins für Lustschiffahrt war für gestern mittag ein Ballonaufstieg unter Führung von Stabsarzt Dr. Fritz in Ludwigsvurg vom hiesigen Gaswerk aus geplant. Mit der Füllung wurde schon um 6 Uhr morgens begonnen. Wohl infolge des anhaltenden Sturmes entschloß man sich nach teilweiser Füllung, die sehr langsam vor sich ging, zur Entleerung nud nahm von dem Aufstieg, an dem sich drei Herren, zwei von Rottweil und einer von Trossingen, beteiligen wollten, Abstand. Der Aufstieg soll voraussichtlich an einem der nächsten Sonntage erfolgen.

Heilbron«, 23. Septbr. Zu dem Bericht über die Seminareinweihung sei noch ergänzend und berichtigend hinzugesügt, daß die von der Stadlgemeinde zur Unterhal­tung und Belehrung der Zöglinge geschenkte Bücherei 260 Bände zählt, und daß der Zins der von der Bürgerschaft gespendeten 5000 (nicht 3000) zu Stipendien für würdige

und bedürftige Zöglinge bestimmt ist. Heroorgehoben darf auch noch werden, daß die Heilbronner auch durch Beflag- gung der Häuser in den zum Seminar führenden Straßen ihre Mitsreude bekundet haben.

r Kupferzell OA. Oehringen, 23. Sept. (Groß­serie r). In vergangener Nacht gegen V«12 Uhr brach in einer Scheuer hinter dem Gasthaus zur Traube Feuer aus, das sich so rasch ausbreitete, daß in wenigen Stunden neun Gebäude bis aus den Grund niederbrannten. Zur Hilfeleistung waren zehn Feuerwehren aus den Nach­barorten erschienen und sie hatten die größte Mühe, die Flammen aus ihren Herd zu beschränken. Die Bewohner der Häuser mußten teils erst aus dem Schlafe geweckt wer­den und konnten nur das nackte Leben retten. Mehrere Schweine, viel Geflügel und große Ernteoorräte sind dem Feuer zum Opfer gefallen, Menscken kamen aber nicht zu schaden. Auch das Haus des Gemeindepflegers wurde vernichtet und nur mit Mühe gelang es, alle Akren in Sicherheit zu bringen. Das Gasthaus z. Traube ist gleich­falls niedergebrannt. Neun Familien sind obdachlos. Der Schaden ist sehr beträchtlich und nur teilweise durch Ver­sicherung gedeckt. Die Entstehungsursache des Feuers ist noch unbekannt, man vermutet aber, daß es durch das schlecht eingebrachte Oehmd entstanden ist.

Bei dem Großfeuer in der vergangenen Nacht ist auch das Krankenhaus bis auf den Grund niedergebrannt. Die Kranken konnten nur mit größter Mühe in das Haus des Arztes geschafft werden. Unfälle haben sich nicht ereignet.

Die württemb. Landtagswahle«, p Stuttgart, 23. Sept. Eine Bertrauensmänner- oersammlung der Zentrumspariei des Bezirks Ellwangen hat den Landwirtschaftsinspektor, Oek.Rat Schmidberger- Gmünd als Landtagskandidaten ausgestellt, nachdem der bisherige Vertreter des Bezirks, Schultheiß Dambacher eine Wiederwahl abgelehnt hatte. Für den Bezirk Horb hat das Zentrum den Schultheißen Schweizer in Rohrdorf als Landtagskandidaten aufgestellt. Der seitherige Zentrums- abg. Keßler hält seine Kandidatur aufrecht. Als Kandi­daten für den Bezirk Oehringen hat die Bolkspartet den Prof, an der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart, Dr. Uebele aufgestellt, der die Kandidatur angenommen hat. Der nationalliberale Landtagsabg. Förstner-Uebrigshausen erläßt gegenüber dem Gerücht, er habe Führern des Bundes der Landwirte ein bindendes Versprechen gegeben, nicht mehr sür den Landtag zu kandidieren, eine Erklärung, wo­nach dieses Gerücht unwahr ist, da von Seiten des Bundes der Landwirte keine Anfrage an ihn ergangen sei, ob er eine Kandidatur wieder annehmen werde oder nicht.

Die Beamtenschaft «ud die Laudtagswahlen. p Stuttgart, 21. Sept. Bei den bevorstehenden Landtagswahlen wird auch die Beamtenschaft wieder das Bestreben haben, Beamtenvertreter der verschiedenen Kategorien in den Landtag zu bringen. Bereits jetzt be­schäftigen sich dieVerkehrsbeamtenstimmen", das Organ der württembergischen Berkehrsbeamten des mittleren Dien­stes, mit dieser Frage und mit den aus dem Ausfall der letzten Wahlen für die Beamtenschaft zu ziehenden Lehren. In diesem Rückblick aus )>ie Landtagswahlen 1906/07, der im gegenwärtigen Augenblick nicht uninteressant ist, wird u. a. ausgeführt: Zwischen den Beamtengruppen gab es damals alsbald Eifersüchteleien nnd anstatt sich auf gewisse Männer zu einigen und im Wege des Kompromisses das Geeignete gegenseitig zu fördern, mußte man es erleben, wie die Ausstellung von Beamtenkandidaturen dazu führte, daß ein Bruderkampf unter der Beamtenschaft selber entstand, und daß Kandidaten, deren Verdienste um die Beamteninteressen außer Zweifel waren, bekämpft wurden, wie wenn man in ihnen die größten Feinde der Beamtenschaft zu erblicken hätte. Immerhin hat die ganze Bewegung das Gute, daß die Parteien nicht mehr achtlos an der Beamten­schaft vorübergingen, wenn es sich um die Ausstellung ihrer Kandidaturen handelte. Sie bewirkte femer, daß es gelang, wenigstens einige Beamte ins Parlament zu bringen und sie hatte die Folge, daß im letzten Landtag für die Beam­tenschaft an rechtlichen und finanziellen Verbesserungen so viel geschah, wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Schon bet der Proporzwahl in Stuttgart 1906 bot sich ein interessantes Bild. Die Nationalliberale Partei hatte den Eisenbahnsekretär Baumann, auf ihrem Zettel, die Zentrumspartei den Postsekretär Graf, die Dolkspartei den Postunterbeamten Nuber, 3 Männer, deren Namen in ihren Organisationen einen guten Klang hatten: Bau­mann wurde mit 11735 Stimmen gewählt. Graf und Nuber unterlagen. Bei den Landesproporzwahlen war neben der Sekretärskategorie auch die Asfistentenkate- gorie beteiligt, aus deren Rethen drei Kandidaten von drei verschiedenen Parteien genommen wurden. Es waren dies Stationskassier Fischer in Stuttgart, Stationsverwalter Baumann in Loßburg und Stations- und Postoerwalter Hecke! in Züttlingen. Allen dreien reichte es nicht zum Sieg. Immerhin brachten sie beachtenswerte Stimmenzahlen auf: Baumann, den das Zentrum auf dem Zettel hatte, 77 658, Fischer (Dolkspartei) 42 727, Hecke! (natl.) 19576. Die Sekretärbeamten hatten mehr Glück; sie brachten den Postsekretär Gras mit 91936 Stimmen auf den Zettel des Zentrums in den Halbmondsaal. Die katholischen Lehrer drangen mit Hauptlehrer Weber-Heilbronn (147 291 St.) durch. Das Wettrennen zwischen dem Vertreter der evang. Lehrer, Mittelschullehrer Löchner-Stuttgart, und dem Kan­didaten der Staatsunterbeamten, speziell der Eisenbahner, Redakteur Roth-Stuttgart, endigte mit einem Sieg des elfteren mit 73446 gegen 58775 Stimmen. So hatten also die Wahlen das Ergebnis, daß die Beamtest des Sekretärdienstes zwei Vertreter bekamen, Baumann

(natl.) und Graf (Ztr.), die Lehrer ebenfalls zwei, Weber (Z.) und Löchner (Dp.), während die Beamten des Assistentendienstes mit ihren drei Kandidaten Baumann. Fischer und Hecke! und die Unterbeamten mit ihren zwei Kandidaten Roth und Nuber, durchfielen. Spätere Ver­suche, bei Landlagsersatzwahlen Beamtenvertreter in die Kammer zu bringen, scheiterten. 1908 unterlag Roth in Oberndorf, 1908 Münz in Ulm-Amt und 1909 Münz in Ulm-Stadt.

' Das Schauspiel, daß die Beamtenschaft sich selber in den Haaren liegt, sollte sie, so meint das Organ der Ver­kehrsbeamten des mittleren Dienstes, bei den bevorstehenden Laudtagswahlen nicht mehr bieten. Aber ein gerechter Ausgleich in der Verteilung aussichtsreicher Kandidaturen wäre wünschenswert. Diese Erwägung wird wohl auch in den Patteileitungen als berechtigt anzu­erkennen sein.

Dieser Auffassung, die wohl in weiten Kreisen der Beamtenschaft geteilt wird, wird man im allgemeinen zu­stimmen können. Es ist aber nicht zu verkennen, daß mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden sein werden, fderen Beseitigung aber umso eher möglich sein sollte, als ein ein­mütiges und geschlossenes Vorgehen der verschiedenen Be­amtenkategorien in deren eigenstem Interesse gelegen ist.

Die Fleischteuerung.

x Stuttgart, 23. Septbr. Bei dem Verlangen nack Oeffnung der Grenzen für die Einfuhr von Schlachtvieh und Fleisch begegnet man häufig der irrigen Meinung, eine solche Einfuhr sei nach den gegenwärtig bestehenden Vor­schriften ganz oder so gut wie ganz ausgeschlossen. Der Staatsanzeiger gibt deshalb eine Uebersicht aus welchen Staaten zur Zeit eine Einfuhr von Schlachtvieh oder von Fleisch zulässig ist. Bezüglich der Einfuhr von frischem Fleisch aus Dänemark bemerkt der Staatsanzeiger: Ob bei der gesteigerten Nachfrage nach Fleisch in Dänemark eine Einfuhr nach Württemberg noch lohnend wäre, erscheint fraglich. Sache des Handels und unter Umständen der Stadtverwaltungen wäre es, solche Bezugsquellen ausfindig zu machen, von denen billigeres Fleisch bezogen werden kann.

r Dresden, 23. Septbr. Das dänische Rindfleisch findet so großen Absatz, daß es bereits die Biehpreise aus dem Schlachthof drückt. Weitere dänische Fleischtranspotte werden diese Woche eintreffen. Mehr als 150 Dresdener Fleischermeist« haben sich zum Verkauf bereit erklärt.

r Duisburg, 23. September. Die Stadt bezieht jetzt Fleisch aus Dänemark und läßt es jeden Mittwoch und Samstag durch hiesige Metzger verkaufen. Die Preise schwanken zwischen 68 und 120 Ferner wird ein stän­diger Fleischoerkaus eingerichtet.

Gerichtssaal.

Tübingen, 20. Septbr. (Strafkammer.) In der Berusungssache des Viehhändlers Hermann Wolf in Cann­statt gegen ein auf 16 Tage Gefängnis lautendes Urteil des Schöffengerichts Herrenberg wegen Vergehens gegen das Viehseuchengesetz wurde das Urteil erster Instanz vom K. Landgericht aufgehoben und auf eine Geldstrafe von 60 Mark ermäßigt. Die Anklage stützt sich auf Verletzung der Absperrungsmaßregeln gegen Einführung von Viehseuchen und aus § 114 (Beamtennötigung). Am Nachmittag des 6. Januar (Dreikönigstag) stand auf Station Gärtringey ein Güterwagen, enthaltend 34 Stück Kleinvieh, welches in Preußen angekaust und 70M Mark wert war. Wolf hatte seine Knechte Vetter und Weiß angewiesen, den Viehwagen auf der Station auszuladen, auch wenn die oberamtstierärztliche Gesundheits-Untersuchung noch nicht er­folgt sei. Die Tiere des Transports waren schon zwei Tage lang im Wagen eingepfercht, 67 Stück waren am Verenden infolge der herrschenden Stickluft, die großen Tiere trappelten auf den kleinen herum und somit war Leben und Wert seines Transports im höchsten Grade ge­fährdet, bloß deshalb, weil es Dreikönigstag war und der Oberamtstierarzt in Herrenberg durch diesenhohen Fest­tag" sich abgehalten glaubte, zur Gesundheitsuntersuchung des Wagens einzutreffen, obwohl er schon am 2. Januar von dem erwarteten Transport benachrichtigt worden war. Ein Zeugnis vom Abgangsort lag nicht vor. aber die Bescheinigung, daß die Gegend seuchensrei ist. Darauf machte Zeuge den Bericht ans Oberami. Haas gibt zu. daß er mit den beiden jüngeren Wolf verfeindet sei. Der Staatsanwalt betonte das Vorwiegen des Geschäftsinteresses des Angeklagten über das gute Herz desselben. Der An­geklagte mußte ja schon vorher eine etwaige Verzögerung annehmen und habe doch 34 Stück in den Wagen hinein­getan. Das auf 60 Mark Geldstrafe lautende Urteil sprach den Angeklagten von der zweiten Beschuldigung des Ver­gehens gegen § 114 frei und übernahm die Kosten insoweit aus die Staatskasse, bestätigt aber das Zutreffen eines Vergehens gegen das Viehseuchengesetz.

Der Prozeß gege« Borchardt und Leinert.

Berlin, 23. Sept. Vor der ersten Strafkammer des Landgerichts 1 begann heute vormittag die Verhandlung gegen die sozialdemokratischen Abgg. Borchardt und Leinert wegen der Vorkommnisse in der Sitzung des Abgeordneten­hauses vom 9. Mai, die zu der gewaltsamen Entfernung der beiden Abgeordneten führten. Die Anklage lautet gegen Borchardt auf Hausfriedensbruch und Widerstand gegen die Staatsgewalt, gegen Leinert auf Widerstand. Den Vorsitz führt Landgerichtsdirektor Schmidt; die Anklage vertritt Oberstaatsanwalt Dr. Preuß. Die Verhandlung wurde nach längeren Ausführungen der Verteidiger. Rechtsanwälte Heinemann und Haase, und einer Erwiderung des Ober­staatsanwalts Dr. Preuß auf morgen Dienstag vormittag 10^ Uhr vertagt.