ganze Kolonie Ostafrikas ist nicht soviel Wert, wie die Knochen eines pommernschen Grenadiers. Sollte die Vorlage angenommen werden, so möge die Re­gierung wenigstens verhindern, daß man Kulis oder Neger auf den Schiffen verwendet. Die Steuer­zahler haben ein Interesse daran, daß ihnen solche fremde Arbeiter keine Konkurrenz machen. Die Ein­führung der Neger und Kulis auf den Schiffen der Woermann-Linie hat dazu geführt, daß die Löhne der weißen Arbeiter herabgesetzt wurden. Man sollte ein Verbot in die Kontrakte aufnehmen. Grad (Elsässer) für die Vorlage. Die Reichsregierung hat mit ihrer Politik sehr große Erfolge gehabt. Die Handelsstatistik der letzten zehn Jahre zeigt, daß sich die Wirtschaftspolitik bewährt, der Wohlstand gehoben hat. Seit der Zollreform ist der Export um eine halbe Milliarde gestiegen, ebenso hat sich der Import gehoben. Die Kolonialpolitik soll nicht nur deutsche Absatzgebiete schaffen, sondern auch die Machtstellung des Reiches zum Ausdruck bringen, die Zivilisation befördern, den Sklavenhandel beseitigen. Allerdings erfordert das große Ausgaben, aber wo solche Aus­gaben gerechtfertigt sind, wollen wir sie bewilligen. Ich stehe auf dem Standpunkte Ludwigs XIV., der sagte:Wenn der König einen Thaler sparen kann, so ist es gut, aber wo es die Wohlfahrt des Landes gilt, soll man Millionen hinauswerfen können. Wir werden für die Vorlage stimmen. (Beifall.) Barth (freist): Es ist erklärlich, wenn der Abg. Grad, der unter den französischen Schutzzöllnern groß geworden ist, diese Vorlage mit Jubel begrüßt. Aber gerade die Erfahrungen Frankreichs mit der Subventions­politik warnen uns, auf diesem Wege allzuweit vor­zugehen. Die französische Rhederei hat durch eine zu weite Ausdehnung der Subventionen einen sehr starken Stich ins Ungesunde bekommen. Diese prin­zipielle Frage heute zu erörtern, Hütte jedoch wenig Zweck. Die Behauptung, daß die bisher subventio­nierten Dampferlinien sich bewährt und den Verkehr gehoben hätten, ist allgemein allerdings richtig. Da­rauf kommt es aber nicht an; maßgebend ist allein die Frage, ob die von den Steuerzahlern aufgewen­deten Mittel im Verhältnis stehen zu dem Nutzen, den man sich von der zu subventionierenden Lime versprechen kann. Bei keiner Linie ist das weniger der Fall als gerade hier. Hoffentlich wird es uns nicht so gehen wie den Franzosen in Algier, die seit dem Bestehen von Algier Milliarden hinein­geschustert haben. Rintelen (Zentr.): Ein Teil meiner politischen Freunde kann mit mir dem Gesetz nicht zustimmen. Wir halten die Angelegenheit einer Dampferverbindung nach Ostafrika noch mcht für reif. Wo ermann: In verschiedenen Zeitungen ist davon berichtet worden, daß auf den von mir geleiteten Dampfschiffslinien Neger als Heizer verwendet werden. Den falschen Darstellungen gegenüber erkläre ich: so­lange die Engländer ihre Schiffe nach China und Ostindien schicken, haben sie als Heizer und Trimmer stets Chinesen engagiert. Es ist das jetzt von Ham­burg aus gleichfalls erfolgt, weil unsere Arbeiter in den heißen Tropengegenden diese sehr schwere Arbeiten nicht ertragen können, weil Schwarze den­selben besser gewachsen sind und sie besser verrichten. Dietz hat selbst hervorgehoben, welche Zustände bei

unfern Arbeitern an Bord der Schiffe entstanden sind, wieviel Selbstmorde unter den Kohlenziehern sich ereignet haben. Im Interesse der Menschlichkeit sowohl als der Schiffahrt im allgemeinen ist es durch­aus wünschenswert, daß man dafür unter den Tropen geborene Arbeiter engagiert. Z 1 der Vorlage wird darauf angenommen. Gegen denselben stimmen die Sozialdemokraten, die Freisinnigen und die Mehr­heit des Zentrums. Es folgt die wegen Beschluß­unfähigkeit des Hauses neulich vereitelte Schlußab­stimmung über die Anträge wegen des Befähigungs­nachweises. Die Anträge werden mit 130 gegen 92 Stimmen angenommen. Die Minderheit besteht aus den Freisinnigen, Sozialdemokraten, Nationalliberalen, Polen und von der Reichspartei: die Fürsten Carolckth und Hatzfeldt, Unruhe-Bomst, Stumm, Henning, Eckardstein, Ampach, Bai)ha, Nobbe, Drechs­ler, Graf Behr, Reinzabern und v. Gültlingen.

Tages-Neuigkeiten.

Calw, 21. Jan. Die bürgerlichen Kollegien genehmigten in ihrer gestrigen Sitzung den Verkauf der früher K. Kappler'schen Liegenschaft und zwar zunächst des Wohnhauses zum Preise von 10,500 (Käufer Hr. Zugmeister Bo mm, hier), ferner der Scheuer mit 6,87 gw Hofraum und Garten zu der Summe von ^ 14,200. (Käufer Hr. Oberamts­baumeister Clauß, hier). Ein Gesuch des Kath. Kirchenrats um Ueberlassung oder Beschaffung eines Lokals für die zu gründende kath. Confessionsschule mußte abschlägig beschieden werden, da ein solches nicht zur Verfügung steht und aus Mangel an solchen bekannt­lich schon mehrere Zimmer im Rathaus zu diesem Zwecke^eingeräumt werden mußten.

,^ü"Neuweiler, 10. Jan. Unter zahlreicher -Beteiligung der Gemeinde und Auswärtiger wurde die sterbliche Hülle des Kirchengemeinderats Bihler heute nachmittag 2 Uhr zur Erde bestattet. Seiner Zeit hatte sich der Verstorbene den Jerusalemsfreunden angeschlossen, er trat jedoch wieder zur evangelischen Landeskirche über. An den meisten Sonntagen ver­sammelte er hiesige und auswärtigeBrüder" um Erbauungsstunden zu halten. Es war ihm ein Ernst, selig zu werden und andere zur Seligkeit zu führen. Keine Witterung, keinen Weg scheute er, um mit den Brüdern" in den Nachbarorten, wohin er seine Schritte öfters lenkte, sich am Worte Gottes zu erbauen. Durch seinen Fleiß brachte er seine Familie vorwärts. Der Herr hielt mit dem Heimgegangenen eine lange, schwere Leidensschule. Eine Wassersucht stellte sich bei ihm ein; während derselben durfte er viele Liebes- beweffe erfahren, denn er hatte Liebe ausgestreut. Sein zu früher Hingang wird von allen, welche ihm näher standen, ja von der ganzen Gemeinde betrauert.

In dem kgl. Armenbad zu Wildbad werden auch diesen Sommer freie Bäder, teils mit, teils ohne unentgeltliche Verpflegung im kgl. Landes­badspitalKatharinenstift" verabfolgt werden. Ge­suche sind bis 1. März durch die kgl. Oberämter mit ben nötigen Ausweisen an die kgl. Badverwaltung in Wildbad zu richten.

-f Wildbad, 17. Jan. Heute abend wurde

der wegen Ermordung seiner Mutter vom Amtsgerichts­gefängnis Neuenbürg hierher transportierte Röhrle jun. wieder zurückgebracht vom Stationskommandanten, in die Oberamtsstadt. Röhrle schritt durch die Straße,, beide Hände in den Hosentaschen haltend, frech nach, allen Seiten schauend. Die Strafe für die böse- That wird ihn und seinen Vater treffen.

Nagold, 18. Jan. In letzter Nacht wurde' die hiesige Einwohnerschaft wieder einmal durch eine Feuersbrunst erschreckt. Als um halb 12 Uhr die Feuersignale ertönten, da wälzte sich eine mächtige Rauch- und Feuersäule über die mittlere Stadt hin. Es brannte in einem Nebenhause der Sautterschen Bierbrauerei in unmittelbarer Fortsetzung des Brand­platzes vom 29. August 1888. Doch schien die Ge­fahr größer, als sie in Wirklichkeit war. Das Haus, unten eine Stallung, oben ein Heuboden, konnte von der Feuerwehr leicht umstellt und infolge dessen das Feuer auf seinen Herd beschränkt werden. Das be­nachbarte Wohnhaus litt keine Not, und auch die- angebaute Brauerei konnte gerettet werden. Um halb 2 Uhr schon konnte die Feuerwehr wieder abziehen. Der Brand soll durch die Fahrlässigkeit eines Knechts entstanden sein.

Von der Stuttgarter Kranken­hau s l o t t e r i e ist der dritte Gewinn mit 5000 ^ von Joseph Gehweiler in Grüningen gewonnen worden; der Gewinnst ist ihm um so mehr zu gönnen, als ihm einige Stück Vieh und zwei Pferde zu Grunde gegangen sind.

Marbach, 17. Jan. Gestern Abend lieferte Stationskommandant Hirschmann zwei 13jährige Buben von Steinheim ins Amtsgerichtsgefüngnis ein. Der. eine derselben, hatte in letzterer Zeit den Opferstock der dortigen Kirche mehrfach geleert, der anbere die Beute mitverpraßt.

Bodelshausen, 19. Jan. Ein Unglücks­fall bedauerlicher Art erreignete sich gestern in der Nähe des Filials Oberhausen. Der hiesige, über 74 Jahre alte Einwohner Sch., der auf seine Wiese Dung führen liest und sich auf der Heimfahrt auf den leeren Wagen setzte, stürzte dadurch, daß die jungen mutigen Pferde cm einer etwas abschüssigen Stelle unversehens ein schnelles Tempo anschlugen,, so unglücklich rücklings vom Wagen, daß ihm ein Hinterrad über den Kopf lief, wodurch er schwer­verletzt wurde, und sein Tod schon nach wenigen Mi­nuten erfolgte.

Hall, 17. Jan. Gegenwärtig geht kein Tag herum, an dem nicht ein, zwei und noch mehr Leichen sind. Dies ist namentlich auf Rechnung der In­fluenza zu setzen. Auffallend sind aber gegenwärtig namentlich bie plötzlichen Todesfälle, denen in unserer Pfakrgemeinde kurz nach einanber drei Männer zum 'Opfer gefallen sind. So gestern wieder. Haus­meister März am Kgl. Landesgefängnis, der sich am Morgen noch ganz wohl fühlte, sank am Nachmitteg. vom Schlage gerührt in die Hände seiner Frau. Heute fand seine Beerdigung unter zahlreicher Teil­nahme statt.

Mezingen, 19. Jan. Die Todesfälle, infolge vorausgegangener Influenza, mehren sich hier auf bedenkliche Weise. In der abgelaufenen Woche wurden

versäumt hatte. Heute aber war nicht der Zeitpunkt dazu. Heute galt es, sie zu versöhnen.

Er ergriff ihre Hand und drückte, nachdem sie vergeblich gestrebt hatte, ihm dieselbe zu entreißen, in jedes der vier Grübchen derselben einen Kuß.

Sei gut, Isolde" bat er weich.Ich habe auch eine freundliche Nach­richt für Dich. Meine Mutter und deren zweiter Gemahl, General von Bonitz in Wien, senden Dir durch mich ihre herzlichen Grüße."

Er zog einen Brief aus der Tasche und zeigte ihr die bezügliche Notiz auf der letzten Seite, die Einwendungen und Bedenken der Gemahlin, die auf den drei vorderen Seiten Platz gefunden, verschwieg er ihr.

Sie las mit etwas aufgehellten Zügen, doch noch sehr steifem Nacken, indem sie einen sehr kurzen Blick auf die Zeilen warf und sich dann gleichgiltig abwendete.

Dann" fuhr Harald fortsah ich heute diesen Reif, der mir für diesen zarten Arm zu passen schien."

Er zog ein Etui aus ber Tasche und hielt es ihr geöffnet vor.

Sie war plötzlich umgewandelt. Ein reizendes Lächeln verklärte, während sie daS Schmuckstück betrachtete, ihre Züge. Sie duldete es, daß Harald das Arm­band um ihr Handgelenk legte, und als er dann ihr schönes Haupt an seine Brust zog, sträubte sie sich nicht.

Auch die Mutter trat hinzu und man sprach sich allmälig über die erfahrene Demütigung hinweg.

Im Herbst sollte die Vermählung stattfinden. Es war nicht mehr allzuweit bis dahin und eine Zeit lang vernahm Harald keine anderen Gespräche zwischen Mutter und Tochter, an denen auch er sich beteiligen muße als über Leinwand, Möbelbezüge, Einkäufe von Federn und Jute. Namen von Stoffen schlugen an sein Ohr, von denen er bisher keine Ahnung gehabt hatte, unv es belustigte ihn eine Weile lang der pathetische Ernst, mit welchem Frau Ebert und Isolde ihm fo geringfügig scheinende Bestandtelle des künftigen jungen Haushaltes erörterten. Harald war, wenn er seine Braut besuchte, oft genötigt, über Berge von Linnen, Vorhangstoffen und Pakete von allerhand Form und Umfang hinweg zu balancieren.

Zu einem traulichen Ideenaustausch, einem zärtlichen Kosen, wie er es ersehnte, kam es gar nicht. In jedem Gemach saßen Näherinnen, imSalon" klappperte den ganzen Tag die ihm unleidliche Nähmaschine. Isolde hatte wenig Verständnis für die Unbehaglichkeit, welche Harald mit so viel Resignation als unvermeidlich trug. Ihr Wesen war gänzlich erfüllt von den auf die Ausstattung sich beziehen­den Aeußerlichkeiten.

Sie hatte die Art vieler junger Mädchen, über Alles zu lachen. Es ist dies so Mode in der jungen Damenwelt. Man spricht von Musik, Konzerten, der edlen Dichtkunst, man ergeht sich in den Höhen und Tiefen der menschlichen Lebens­aufgaben überall das häßliche, gedankenlose Lachen. Geschieht es um Mangel an Wissen, an Seelenwärme zu verbergen, um naiv, jugendlich, liebenswürdig zu erscheinen?

Ott mußte Harald unwillkürlich des schönen Ernstes gedenken, der Edith's Wesen vertiefte.

Zuweilen empfand er ein Sehnen, Tannrode aufzusuchen. Er widerstand. So lange man Isolden dort nicht als ebenbürtig aufnahm, mußte er selbst sich den Eintritt versagen, in jenen Kreis, der dies konnte er sich nicht verhehlen sich himmelweit schied von der ihm hier nahe getretenen Umgebung.

Frau Ebert! Wie wußte diese Frau zu sprechen! Wie hüpften Mutter und Tochter in der Konversation so leicht über die schwersten Tagesbegebenheiten hin­weg. Von allem wurde genippt, Alles erwähnt, man mußte zeigen, daß man über­all zu Hause, ganz au tait sei, bei Leibe aber nicht lange. Denn man hatte ja nur die Schlagwörter behalten. Harald bemerkte, wie geistreich erscheinende Aus­sprüche Anderer bei nächster paffender Gelegenheit als eigene Geistesblitze dargebracht wurden. Des Nächsten Schwächen wurden in keiner Weise geschont, aber mit so viel Laune, so viel Esprit pflegte man zu witzeln, daß es oft schwer hielt, die eigene reine Stimmung zu wahren. Harald, in anderer Sphäre ausgewachsen, war nicht blind gegen diese Art des Umfanges, die wohl Chic, nie aber weibliche« Gemüt verrät; da er aber seine Braut leidenschaftlich liebte, nahm er ihr schwerfälligeres- Wesen als nur leicht berührt von dem Einfluß der Mutter an. (Forts, folgt.)