Amis- und Anzergeblalt für den Bezirk (Lalw.
65. Jahrgang.
Donnerstag, den 23. Januar 1890.
AbonnementSprelS vierteljährlich in der Stadt S0 Pfg. und 20 Pfg. TrSgerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. IS, sonst i» gen- Württemberg M?. 1. 3S.
M 9.
Erscheint Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die EinrücknngSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Umgebung S Pfg. die Zeile, sonst 12 Psg.
Amtliche Wekarmtma Hungen.
W i l d b a d.
Aufnahme in das K. Armenkad.
In dem Kgl. Armenbade werden je nach Umständen
1) freies Bad mit unentgeltlicher Verpflegung im Kgl. Landes-Badspital „Katharinenstift" oder
2) freies Bad ohne Aufnahme ins Katharinenstift und zwar entweder
a. mit einem Gratial von 18, oder
b. ohne Gratial
gewährt. Für die hiebei in Betracht kommenden Umstände sind die bei der K. Badverwaltung einkommenden Gesuche maßgebend. Letztere sind spätestens bis 1. März d. I. portofrei und stets nur durch Vermittlung der K. Oberämter, welche die Vorlagen hinsichtlich ihrer Vorschriftsmäßigkeit zu prüfen gebeten werden, an die K. Badverwaltung in Wildbad einzureichen.
Diese Gesuche sind zu belegen:
1) mit einem gemeinderätlichen, oberamtlich beglaubigten Zeugnisse, welches zu enthalten hat:
a. den vollständigen Namen und Wohnort, das Alter und Gewerbe des Bittstellers,
b. dessen Prädikat, erstandene Strafen, Vermögens- und Erwerbsverhältnisse,
o. eine Nachweisung darüber, daß die zur Unterstützung verpflichteten Gemeinde- und Stiftungskassen den Bittsteller für den Gebrauch der Badekur nicht oder nicht vollständig unterstützen können.
ä. eine Erklärung, daß die unterstützungspflich
tige Armenbehörde Sicherheit leiste für die Deckung derjenigen Kosten, welche nicht vom Katharmenstift bezahlt werden, z. B. für Her- und Heimreise, für längeren Aufenthalt, fiir Sterbfall u. s. w.
Da diese gemeinderäthlichen Zeugnisse sehr häufig nicht vorschriftsmäßig ausgestellt wurden und deshalb zur Ergänzung — oft wiederholt — zurückgeschickt werden mußten, so hat die König!. Badverwaltung 1881 ein Formular für gemeinderäthliche Zeugnisse ausgefertigt. Bis jetzt war dasselbe nur von der W. Kohlhammersichen Druckerei aus Stuttgart zu beziehen. Es dürfte sich aber empfehlen, daß auch die Druckereien der Bezirksblätter sich um dessen allgemeinere Verbreitung annehmen. — Sodann ist das Gesuch zu belegen:
2) mit einem genauen örtlichen Krankenberichte und nicht mit einem gewöhnlichen sog. Zeugnisse und zwar a. hat derselbe über Entstehung und Verlauf der vorliegenden Erkrankung, sowie über die seitherige Behandlung und den gegenwärtigen Zustand des Kranken die zur möglichst richtigen Beurteilung des Falles nötigen Einzelheiten alle genau zu enthalten;
d. auch darf derselbe in allen den Fällen, die nicht zum gesetzmäßigen Behandlungsgebiet eines niederen Wundarztes gehören, nicht von einem solchen, sondern muß von einem approbierten Arzte, bezw. höheren Wundärzte unterzeichnet sein.
Die Bittsteller haben die nach vorausgegangener höherer Entschließung erfolgende Einberufung durch die Badverwaltung zu Hause abzuwarten. Wer
sich früher in Wildbad einfinden würde, könnte nur gegen Bezahlung der Taxe die Bäder gebrauchen und hätte in Ermanglung der erforderlichen Mittel zum Aufenthalt in Wildbad die Zurücklieferung in die Heimat zu gewärtigen.
Es wird besonders darauf aufmerksam gemacht, daß die Dauer des Aufenthalts im Katharmenstift bei den einzelnen Kranken ganz davon abhängt, ob die in den Zeugnissen angegebenen Verhältnisse mit dem Thatbestande bei dem nachfolgenden Erscheinen der Kranken übereinstimmend gefunden werden. Ge-, naue Ausstellung, namentlich der ärztlichen Krankenberichte, ist daher notwendig und im eigenen Interesse der Kranken gelegen.
Von den Gemeindebehörden wird mit aller Bestimmtheit erwartet, daß sie Leuten, welche nicht zu den unbemittelten gehören, oder solchen, von welchen eine Belästigung der Kurgäste zu befürchten wäre, keine Zeugnisse ausstellen.
Den 15. Januar 1890.
K. Bad-Verwaltung.
Deutsches Reich.
Berlin, 20. Jan. Reichstag. Zweite Beratung des Gesetzentwurfs betreffend die Postdampf- schiff-Verbindung mit Ostafrika. Die Kommission hat die Vorlage unverändert genehmigt und bei den Grundzügen des mit den betreffenden Unternehmern abzuschließenden Vertrages die berichteten Zusätze zu machen vorgeschlagen. Dietz-Hamburg (Sozsi: Die Sozialdemokraten wollten anfangs für die Dampferlinien stimmen. Sie stimmten aber schließlich dagegen, weil die kolonialen Linien nach Samoa und Korea angehängt wurden. Die jetzt vorgeschlagene Linie dient gar nicht dem Verkehre, > sondern nur der Kolonialpolitik in Ostafrika. Die
Ikeuilleton.
Mcrch dem Sturme.
Novelle von C. Vollbrecht.
(Fortsetzung.)
Edith hatte von einem der im herrlichsten Blütenflor stehenden Orangenbäume, «eiche die Terrasse zierten, einen Zweig gebrochen und als Harald Abschied nehmend vor ihr stand, reichte sie ihm denselben.
„Für Isolde."
Ihm war plötzlich wie dem Fremdling im fernen Lande, dessen Ohr unverhofft den trauten Ton der Muttersprache erlauscht. Seine Züge hellten sich auf und mit warmem Druck zog er dcS Mädchens Hand an seine Lippen. Edith erschrak. Es wollte ihr bedünken, als habe sie in aufdringlicher Weise Partei gegen die geliebten Pflegeeltern ergriffen. Sie sah schüchtern zu der Großmutter hinüber, deren Blick dem Offizier folgte, der mit seinem Bruder sich in dem nach dem Ausgang des Parkes führenden Laubengang verlor. Der Graf hatte sich, übel gelaunt, schon früher zurückgezogen.
„War es ein Unrecht?" — fragte sie, befangen näher tretend.
„Nein, mein Kind."
Sie hatte sich zur Seite der alten Dame niedergelaffen und die einfache Antwort derselben trieb ihr beinahe Thränen in die Augen, — sie empfand plötzlich «ne heiße Sehnsucht, an dieser treuen Brust ihren Schmerz ausweinen zu dürfen, aber sie drängte dies Verlangen standhaft zurück. Durch das Berühren mit Worten «ürde ihren heiligsten Gefühlen der Blütenstaub abgestreift — würden dieselben zur Sünde — urteilte sie, halb unbewußt, und schwieg.
Tagelang noch durchzitterte sie die Erinnerung an Harald's letzten Blick.
* *
Achtlos warf Isolde wenige Stunden später den Zweig zu Boden, den Harald ihr reichte.
„Also Deine Verwandten versagen mir den Eintritt in ihr Haus?" — rief sie zürnend. Ihre Augen erhielten jene zwinkernde Bewegung, die sie bei inneren Erregungen anzunehmen pflegten.
Er blickte sich um und hob die mißachteten Blüten auf. — „Nicht Alle, wie ich Dir sagte" — erwiederte er, kühler als er sonst mit ihr zu sprechen pflegte. — „Ich erzählte Dir ja, daß meine Kousine Edith Dir dieses Reis als freundlichen Gruß sendet."
Sie zuckte verächtlich die Schultern.
„Was liegt mir daran" — rief sie, ihrer Empfindlichkett unangenehmen Ausdruck gönnend — „wenn Graf Karl von der Tann und Deine Großmutter mich nicht als Deine Braut anerkennen wollen."
„Darein müssen wir uns fügen. Liebste" — sagte er, sichtlich bestrebt, ihrm Zorn zu dämpfen. — „Man bricht nicht so leicht mit lange genährten Ansichten, mü zur inneren Ueberzcugung gewordenen Vorurteilen. Meine Verwandten sind edel und gut, auch Du wirst später ihren Wert anerkennen."
Sie zuckte abermals die Achseln und wehrte frostig sein Bestreben ab, sie zu umfangen.
„Schwer genug wird es mir gemacht. Was liegt mir im Ganzen an der Anerkennung dieser alten Leute" — fuhr sie plötzlich, ganz ihr gewohntes Phlegma abstreifend fort — „es ist mir nur der Welt wegen" . . .
Er hatte Edith's Zweig in sein Knopfloch gesteckt. Sie bemerkte dies spöttisch.
„Und dir Kousine muß Dir sehr am Herzen liegen. Wie leid Dir um das erbärmliche Pflänzchen ist!"
Er wendete sich ab. Seine Brauen zogen sich zusammen. So unliebens- würdig hatte er Isolde noch niemals gesehen. Er wollte ihr zürnen, ihr mit heftigen Worten erwidern. Sie war auch gar zu bitter. Doch — war es zu verwundern? War diese Erregung nicht ganz natürlich angesichts der Demütigung, die sie erfahren? Konnte er es ihr zum Schaden anrechnen? War sie doch niemals angehalten worden, ihre inneren Stimmungen zu beherrschen. Hatte er stch doch vorgenommen, später in Liebe nachzuholrn, was eine mangelhafte Erziehung an ihr