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Gages-WeuigkeiLen.
Calw. Egsdt. Der Ausschuß des hiesigenHandelS-und Gewerbe- .Vereins beschäftigt sich zur Zeit damit, die Möbelschreiner, Sattler rc. der hiesigen Stadt zu veranlassen, hier eine permanente Musterwohnung zu errichten. Diese Einrichtung soll sowohl der feineren, wie auch der mittleren bürgerlichen Geschmacksrichtung genügen, zu welchem Zweck ein Salon, ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein Eßzimmer möbliert werden wird; auch eine Küche soll nicht fehlen und da die Einrichtungen bis ins kleinste Detail reichen werden, so wird diese« Unternehmen einen großen Teil unserer hiesigen Handwerker und auch Kaufleute zu seinen Interessenten zählen. Zum Zwecke der Organisation dieses Unternehmens soll demnächst eine Ver- fammlung der Interessenten abgehalten werden und ist nur zu wünschen, daß die ebenso zeitgemäßen, wie gemeinnützigen Bestrebungen des Handels« und Gewerbe-Vereins in den beteiligten Kreisen günstige Aufnahme finden, damit die Sache gelingt. Kleinliche Vorurteile, Mißgunst und Selbstsucht müssen fallen gelassen werden. Er muß jeder der Sache näher treten mit der Absicht, zunächst dem Unternehmen selbst zu dienen, der Nutzen für den Einzelnen kommt dann von selbst. Warum sollte Calw mit seiner stattlichen Anzahl tüchtiger Handwerker nicht auch leisten können, was andere, viel kleinere, hinsichtlich Lage und Verkehr weit unbedeutendere Städte schon längst ausführten. Einigkeit macht stark!
,Stuttgart. Elektrische Beleuchtung. Nachdem vor kurzem durch Ingenieur Wilh. Reißer hier, welcher neuerdings zum Kgl. Hoflieferanten ernannt wurde, die Gemächer Sr. Majestät de» Königs sowie Ihrer Majestät der Königin mit elektrischer Beleuchtung versehen wurden, soll nun durch die gleiche Firma auch der weiße Saal des Kgl. Schlosse« mit elektrischem Lichte versehen werden, wozu gegenwärtig die Vorarbeiten gemacht werden. Die Hauptleitung, welche vom Maschinenhaus des Hoftheaters nach dem oberen Flügel des Schlosses geführt wird, besteht aus Flachkupfer, welches auf Isolatoren in Zementkanäle gelegt wird. Hierin sehen wir eine Abweichung gegen frühere derartige Anlagen, welche bisher mit sog. Patentbleikabel (starke, mehrmals umwundene, mit Blei und Eisenmantel geschützte Kupferdrähte) hergestellt wurden. Auf unsere etngezogene Erkundigung erfahren wir. daß sich ersteres System nicht allein besser be- währt, sondern auch erheblich billiger sei. Derartige Anlagen (Flachkupfer auf Isolatoren in Zementkanälen) finden wir auch in Berlin und Pari« bereits in Funktion. Die Zementkanäle, welche eine Breite von 52 om. und eine Höhe von 32 om. haben, sind nach System Monier von der Firma Freytag und Heidschuch in Neustadt a. d. H. und Stuttgart ausgeführt und kommen in anderen Städten wie in Berlin und Königsberg i. Pr. rc. in großen Quantitäten in Anwendung. W. Ldztg.
Feuerbach, 27. Dez. Als gestern abend i/s9 Uhr die Frau eines Metzger», welcher zugleich Wirt ist, Wein aus dem Keller holen wollte, schlichen sich ihr zwei Burschen nach, und löschten ihr das Licht aus. Ms die Frau rufen wollte, stopften sie ihr ein Tuch in den Mund, versetzten ihr mehrere Schläge und entflohen. Zwei der That verdächtigte Burschen wurden in der Turnhalle bei der Christbaum-Verlosung verhaftet.
Vaihingen a. E., 27. Dez. Wie aus Breiten gemeldet wird, ist kürzlich die Frau des dort ansäßigen Kaufmanns Zinhan, einer hier allgemein bekannten Familie, auf schreckliche Weise verunglückt. Die über dem Tische hängende brennende Erdöllamps fiel der davor befindlichen unglücklichen Frau plötzlich auf den Kopf, wodurch sich das Oel über Gesicht und Oberkörper ergoß und alsdald auch zu brennen anfing, so daß Gesicht und Arme schon verbrannt waren, bis der im Laden beschäftigte Mann seiner Frau zu Hilfe kam und das Feuer Niederdrücken konnte. Der Zustand der noch jungen und kaum zwei Jahre verheirateten Frau soll immer noch ein hoffnungsloser sein.
Heilbronn, 24. Dez. Gestern wurde den Arbeitern der Peter Bruckmann'schen Silberfabrik mitgeteilt, daß von Herrn Peter Bruckmann jr. ber Jnvalidenkaffe ein Geschenk von 5000 Mk. zugewendet worden sei. Ueber dieses reiche „Christkmdle" herrscht in den Kreisen der Beschenkten allgemeine Freude.
Gmünd, 27. Dez. Gestern nachmittag wurde die Leiche eines 5—6 Monate alten Kindes auf einem Grabe des hiesigen Gottesacker» in Papier und Lumpen eingewickelt, aufgefunden. Die unnatürliche Mutter ist noch nicht bekannt.
Heidenheim, 23. Dez. Es giebt noch selten bibelfeste Leute unter dem Volke, wie folgende» Inserat im „Grenzboten" beweist: „Schnaitheim. Im Grenzboten Nr. 298 bin ich in einigen Wahl- Vorschlägen angegriffen worden. Ich hätte da» größte Recht, die Urheber gerichtlich zu belangen, aber als Kirchengemeinderat steht mir solches nicht zu nach dem Spruch Matthäi 18, Vers 21,22 und wende mich daher an die Sprüche Salomo Kap. 19, Vers 8 .... . Da mir die Sache zu gering ist, will ich noch schließen mit Lucä 22, Vers 38. Jakob Bäuerle, Steinhauermeister und Kirchengemeinderat.
Niederstetten, 28. Dez. Nachdem der hiesigen Stadtgemeinde die Veranstaltung zweier Viehmärkte im Laufe dieses Herbstes, sowie de» am 9. Dez. verfallenen Vtehmarkte» durch die kgl. Kreisregierung verboten worden war, wurde die Nachholung de« letzteren auf den 23. d. M. gestattet. Dieser Markt war, trotzdem er verlegt, sehr stark besucht, was gewiß ein Beweis der Notwendigkeit desselben für unsere Landwirtschaft, sowie auch viehzuchttreibende Gegend ist. Neben den vielseitigen Bemühungen unseres Stadschultheißen Ebert sind wir unserem Reichstagrabg. Oberförster Keller, der sich ebenfalls höheren Orts für unfern Markt verwendet hat, Dank und Anerkennung schuldig. Wir sehen daraus, wie unser Vertreter den Wünschen und Bedürfnissen einzelner Gemeinden seiner Wahlkreises gerecht zu werden sucht, und haben deshalb auch alle Ursache, bei bevorstehender Reichstagswahl mit all-n Kräften wieder für seine Person einzutreten.
Ulm, 27. Dez. Gestern waren einige junge Burschen au« Grimmel- fingen nach Lehr geritten. Auf dem Heimwege verlor einer derselben seinen Hut, sein Kamerad, ein gedienter Kavallerist, stieg ab, um solchen zu holen. Beim Wiederaufsteigen scheute das Pferd und schleifte den Reiter, der mit einem Fuß im Steigbügel hieng, in rasendem Galopp bis in die Karlsstraße, woselbst da» Pferd etngefangen werden konnte. Dem Reiter, namens Hofelich aus Grimmelfingen, waren die Kleider gänzlich vom Leibe gerissen, auch hatte derselbe solche Körperverletzungen erlitten, daß er in das Hospital überführt werden mußte. Der Zustand des Verunglückten ist heute den Verhältnissen angemessen.
Ebingen, 27. Dez. Gestern abend bei Einfahrt des 10-Uhr-Zvge« von Balingen her wurde auf dem hiesigen Bahnhof der 60jährige Taglöhner Gottlieb Schatz von hier überfahren, al« er die Schienen überschreiten wollte.
Rottweil, 2». Dez. Als Seltenheit zur Weihnachtszeit wurde heute von einem Knaben des Schützenwirts Feyrer ein lustig flatterndes Tagpfauenauge eingefangen.
Gaildorf, 25. Dez. Ein große« Unglück hat die Weihnachtszeit einer hiesigen Familie gebracht; zurückgekehrt von der Beerdigung eines hiesigen Bürger», wollte ein hiesiger Küfer und Viehbesitzer in einer Brauerei für seine Kühe Malztreber holen und kam dabei über ein Schachtloch, da» mit einem Gitter und Brettern bedeckt war, jedoch einbrach. Er fiel in die Tiefe desselben und verletzte sich so unglücklich, daß er, in seine Behausung zurückgebracht, nach vierstündigen qualvollen Leiden starb.
Merkwürdige Todesursache. Aus Reinhessen, 21. Dez. In dem Dorfe K. starb vor einigen Tagen rin Mann unter sonderbaren Umständen. Vor der zuständigen Gerichtsbehörde aufgefordert, berichtet der dortige Totenbeschauer wie folgt: An Gcoßherzogl. Amtsgericht in T. Betreffend den Todesfall de« N. N. Es war 4 Uhr morgens, als ich in das Hau« des N. gerufen wurde. Die Leiche, welche auf dem Hofe gestorben war, wie angegeben wurde, lag auf dem Bett. Sie war bereits tot rc. Der Bürgermeister desselben Ortes setzte das großh. Kreisamt von dem Ableben des Ortsdieners in Kenntnis, indem er schrieb: „Der Polizeidiener Anton W. ist infolge von Lungenentzündung gestorben; hinzugesellt hatte sich noch — ärzliche Behandlung."
Bonn, 28. Dez. Die Influenza nimmt auch hier immer mehr zu. Im Laufe dieser Woche kamen zwei Todesfälle vor, bet welchem laut ärztlicher Erklärung die Influenza die Todesursache war. Die Opfer waren zwei ältere Personen, ein Mann von ungefähr 60 und eine Frau von über 70 Jahren.
Berlin, 22. Dez. Eine heitere Geschichte passierte einer Anzahl Herren vom Reichstage, bevor dieselben ihre Heimreise zu den Feiertagsferien antraten. Eine Berliner Firma hatte denselben ihre Geschäftskarte mit der Empfehlung ihrer Verkaufsartikel zugesandt. Sämtlichen Adressen waren übereinstimmend noch die Worte hinzugefügt: „Major der Reserve". Darüber wunderten sich alle diejenigen, die entweder überhaupt gar nicht Soldat waren, oder es höchsten« bi« zum Lieutenant der Reserve gebracht hatten. Als die Herren „Majore der Reserve" am letzten Abend sich noch zu einem Abschiedsschoppen zusammenfanden, stellte es sich heraus, daß sie diese militärische Auszeichnung nur einem jungen Manne des betreffenden Geschäftshauses zu verdanken hatten, welcher das „M. d. R." (Mitglied des Reichstags) als „Major der Reserve" gedeutet hatte.
Berlin, 28. Dez. Die Uebersiedelung der kaiserlichen Familie vom Neuen Palais bei Potsdam nach Berlin wird am 30. Dezember erfolgen.
Berlin, 28. Dez. Fürst Bismarck trifft am 8. Januar zum Wiederbeginn der Reichstagssitzungen hier ein.
Berlin, 28. Dez. Dem Vernehmen nach ist die königliche Genehmigung des Planes der Lotterie zur Beschaffung der Mittel für die Niederlegung der Schloßfreiheit in Berlin erfolgt. Es werden 200,000 Loose L 200 ausgegeben und kostet ein Los 1. Klaffe 52 2. Klasse 20 3. Klasse 20 4. Klasse 36 5. Klasse 72 ^
In der 1. Klaffe sind Hauptgewinne: 1 ä, 500,000 »SL, 1 ä. 400,000
1 L 300,000 1 ä 200,000 2 ä 150,000 . 3 ä 100,000 -Sä,
4 L 50,000 viL u. s. w. bis hinab zu je 1000 In der zweiten und
dritten Klaffe sind folgende Hauptgewinne: 1 ä. 300,000 -Sä, 1 L 200,000 «Sä u. s. w.
Wien, 29. Dez. Sämtliche Krankenanstalten sind überfüllt. Gestern allein wurden 250 Jnfluenzakranke ausgenommen. In den Bankbureaux
und den Aemtern, bei der Post und den Telegraphen macht sich Beamtenmangel infolge Erkrankungen an der Influenza empfindlich fühlbar.
Warschau, 26. Dez. Ein ansehnliche« ärztliches Honorar hat der Zufall einem jungen Praktiker in Warschau in die Hände gespielt. Ein Patient war nach glücklich beendeter Kur nicht in der Lage, seinen Arzt zu bezahlen, und händigte deshalb seinem Arzte statt baren Geldes ein Lotterielos ein. Fortuna gefiel e«, auf da» letztere den hübschen Gewinn von 15,000 Rubeln fallen zu lassen. Nach dem Bekanntwerden dieser Thatsache meldete sich nun aber der frühere Patient mit der Behauptung, daß er da» Los nur in Pfand gegeben habe; da der Arzt behauptet, daß da« Los that- sächlich in Zahlungsstatt gegeben worden sei, so dürfte sich hieraus noch eine intereffante Gerichtsverhandlung entspinnen.
Pari«, 27. Dez. Den Abendblättern zufolge nimmt die Influenza seit zwei Tagen hier einen ganz besonder» ernsten Charakter an. Die Krankheit, welche zuerst gutartig auftrat, geht jetzt oft in Lungenentzündung mit Lungenkongestion über. Die Krankenhäuser sind unzureichend, um die Kranken aufzunehmen, weshalb in Höfen und Gärten Krankenhäuser aufgeschlagen werden. In letzter Woche betrug die Zahl der Gestorbenen nach amtlichem Ausweis zweihundert Personen mehr als in der Vorwoche.
Pari«, 28. Dez. DieZahl der Todesfälle an Influenza betrug vorgestern 393, heute 344; obschon kalte Witterung eingetreten ist, bemerkt man einstweilen keine Abnahme der Grippe, In allen Verwaltungrzweigen wächst