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54. Jahrgang.

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Hrichrtst Kienstag, L, Sa«»t«ß.

Lie Äinrückungrgtdühr SrtrLzt 9 ^ p. Zelle i« «qirk, sanft 12 A.

z, äea 31. Dezember 1889.

LbonnementspreiS halbjährlich 1«« 80 4^, durch r Lost bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

q-nz Württemberg 2 70

Abonnements-Einladung.

Mit dem 1. Januar 1890 beginnt ein neues Abonnement aus das Calwer Wochenblatt, wozu wir unsere bisherigen Leser, sowie auch zu weiterem Beitritt, freundlichst einladen.

Bestellungen werden sür hier bei der Redaktion, auswärts bei den nächsten Postanstalten oder durch die Postboten angenommen. Man abonniert in der Stadt ^/<jährl. zu Mk. 1.10 incl. Trägerlohn und im Bezirk durch die Post zu Mk. 1.15.

Die 4spaltige Zeile oder deren Raum berechnen wir mit 9 Pfg. und gestatten uns 10 Pfg. Zuschlag bei Redaktionsauskünft.

Alle im Jahr 1889 neu beitretenden Abonnenten erhalten den Kalender pro 1890 nachgeliefert.

Infolge der wieder nötig gewordenen Erneuerung der Schriften hat die Druckerei zugleich Veranlassung genommen, die Spalteneinteilung zu ändern, ferner dem Titel eine illustrative, lokale Ausstattung zu geben, wofür uns eine Anerkennung, namentlich seitens der entfernteren Leser, zu Teil werden dürfte.

Mt der ersten Nummer im kommenden Jahr beginnt eine neue, äußerst fesselnde NovelleNach dem Sturme" von E. Vollbrecht.

__ Redaktion und Verlag des Calwer Wochenblattes.

Amtliche Kekanntmachnngev.

Die Ortsvorfteher

werden aufgesordert, die Sportelverzeichnisse auf 31. d. M. abzuschließen, und den vorgeschriebenen Auszug mit den Sportelgeldern beziehungs­weise Fehlurkunde alsbald an das Oberamt einzusenden.

Calw, den 30. Dez. 1889. K. Oberamt:

Amtmann Bert sch, g. Stv.

De« OrtspoLtzeibehör-eu

geht demnächst ein für den Dienstgebrauch bestimmtes Exemplar des Ver­zeichnisses der ehrenamtlichen Organe der württ. Baugewerksberufsgenossen­schaft zur Aufbewahrung in der Ortsregistratur zu.

Calw, den 27. Dezember 1889. K. Oberamt.

Amtmann Bertfch.

Amtliche Bekanntmachung

betreffend die Ausstellung von Mandergewerbescheinen für das

Jahr 1890.

Das Oberamt sieht sich veranlaßt, die Ortsvorsteher bei Behandlung der Gesuche um Ausstellung von Wandergewerbescheinen auf die genaue Be­achtung der einzelnen Vorschriften des oberamtlichen Erlasses vom 16. d. M. in Nr. 149 des Calwer Wochenblattes hiemit noch besonders hinzuweisen.

Calw, den 30. Dezember 1889. K. Oberamt.

Amtmann Bert sch.

Ueujahr 1890.

Nicht wie üblich im Flockengewande, kalt und eisig, aber immer mit Becherklang und Rundgesang hält es seinen Einzug das neue Jahr, und der Menge frohmutige Schaar ruft ihm ein freudigesWillkommen" zu. Ihm, dem neuen Jahre, genau so, wie es dem alten Jahre zugerufen worden, als dies in jugendlicher Schöne sich zur Erde niederließ. Und während die mitternächtigen Schwingen des zur Ewigkeit eilenden alten Jahres über das Erdengefild rauschen, während die Glocken der Türme des neuen Jahres Einzug begrüßen, da sind wohl da und dort junge Leute geschäftig am Werke, durch des Bleigusses wunderliche Formen und durch manch' andere ernsthafte Spielerei der Zukunft Schleier zu lüften. Doch auf das ver­gangene Jahr zurückzublicken, sein Werden und Vergehen, seine Ereignisse noch einmal vor dem geistigen Auge passieren zu lassen, dazu sind die Wenigsten geneigt. Und doch wäre es gut und nützlich, wenn man sich

wenigstens einmal im Jahre in unserer schnelllebigen Zeit einen Ruhepunkt zum Nachdenken gönnte, wenn man mehr der Vergangenheit gedächte beim Ausblick auf die Zukunft.

Mehr und mehr nähern wir uns dem Ende unseres Jahrhunderts; das Jahr 1890 ist das letzte vor Beginn des letzten Jahrzehntes unseres Säkulums. Große und bedeutungsvolle Ereignisse in Fülle hat dieses Jahrhundert gebracht; aber nicht diese Ereignisse, an denen auch seine Vor­gänger reich genug, würden ihm sein charakteristisches Gepräge geben. Das 19. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Erfindungen und der aus diesem resultierenden sozialen Zustände, welche letztere himmelweit verschiedene sind von denen früherer Zeiten. Auch frühere Jahrhunderte haben ihre großen epochemachenden Erfindungen aufzuweisen, deren weltbedeutenden Wert nie­mand wird schmälern wollen; aber unserem Jahrhundert war es Vorbe­halten, uns die Welt der Maschinen zu schaffen, jene unendliche Zahl von Erfindungen, die fast jedes Gebiet menschlichen Wissens und Könnens be­rühren und beeinflußen. Und wie mit den fortschreitenden Erfindungen der Gesichtskreis der Menschen ein weiterer, ihre Bestrebungen und Ziele weitgestecktere wurden, so wurden auch die Erwerbsverhältnifle, das Alpha und Omega alles Irdischen, total verschiedene. Der Kampf ums Dasein ist allerdings immer und zu allen Zeiten vorhanden gewesen und ohne ihn hätten wir überhaupt keinen menschlichen Fortschritt, aber erst in unserem Jahrhundert, das in allen zivilisierten Staaten nicht mehr die Unterdrücker und Unterdrückten des alten Begriffes kennt, hat dieser Kampf ums Dasein eine Gestalt angenommen, wie solche niemals vorher gesehen worden. Na­mentlich die letzten Jahrzehnte unserer Zeit befassen sich fort und fort mit der Lösung von Fragen, die alle in die eine, die soziale Frage zusammen­laufen. Scharfe Gegensätze hat diese Frage gezeitigt, Gegensätze, auf deren Ausgleich das Sinnen aller Patrioten und'ehrlich denkenden Menschen ge­richtet sein muß. Und da es ja, selbst in unserer so materiell denkenden Zeit, noch immer tüchtige Männer und Frauen giebt, die Idealen nach­streben, so wird es doch immer noch ein kleines Häuflein sein, das in der Sylvesternacht dem scheidenden Jahre einen Rückblick widmet und in des alten Jahres Geschehnissen die Kraft und Ausdauer zu neuem, frischem, ersprießlichen Wirken für das allgemeine Wohl findet.

Denn das Jahr 1889 war, wennschon kein übermäßig gutes, so doch auch kein schlechtes Jahr. Es ist vor allem friedlich verlaufen, ohne blutige Kämpfe der Völker gegeneinander und es hat auch uns Deutschen den Frieden erhalten. Nicht zum wenigsten war es des friedliebenden deutschen Kaisers erfolggekröntes Werk den Frieden dem deutschen Volke zu sichern und so bringen wir auch heute, die wir alle deutsch denken und deutsch fühlen, ihm unseren ehrfurchtsvollen Neujahrsgruß dar. Nicht wegzuleugnen ist es, daß im abgelaufenen Jahre die alles bewegende und alles in Mit­leidenschaft ziehende soziale Frage ihre Wellen auch im deutschen Vater­lande geworfen hat. Große Kreise der Bevölkerung sind es mit einem Schlage inne geworden, daß die gesamten menschlichen Interessen mit einander derartig unlöslich verknüpft find, daß die Bewegung einer einzigen großen Berufsklasse ungezählte Tausende und Millionen anderer Berufsklassen eben­falls berührt. Unsere Zeit der bezwungenen .Dampfkraft, des gefangenen elektrischen Fuukens, der ergründeten und dienstbar gemachten Schallwelle, sie kann wohl noch immer, trotz aller Fortschritte in Geist und Materie, zu männermordenden Kriegen der Völker gegeneinander, aber sie darf und soll nicht mehr zum Kampfe der Glieder eines Volkes unter sich selbst führen. Ein friedlicher Ausgleich der bestehenden Gegensätze auf der Basis gegen­seitigen Entgegenkommens, das ist das Richtige und Erstrebenswerte, und dafür sollen auch im neuen Jahre alle richtig und klar denkenden und ehren­voll handelnden Männer und Frauen eintreten. Und geschieht das, gehen alle mit Ernst und Eifer daran, vorhandenen Zündstoff zu beseitigen, die Gewissenlosigkeit hüben und drüben, berufsmäßige Ausbeutung von Gut­mütigkeit und Vertrauensseligkeit, sich breit machende Hetzarbeit dadurch zu zerstören, daß sie des Weltweisen erhabenes ,suuin euiqus" voll und ganz zu Ehren zu bringen, dann wird das letzte Jahrzehnt unseres Jahrhunderts das schönste und segensreichste aller Zeiten sein. Dieser Blick in die Zu­kunft verlangt kein Bleigießen und Prophezeien, aber er zeigt schöne und herrliche Bilder des Friedens und der Eintracht und den Beginn einer neuen großen Zeit an der Schwelle des zwanzigsten Jahrhunderts.

Möge das neue Jahr ein gutes, dem einzelnen wie der Gesamtheit nützliches sein.

Die DonuerstagSnummer fällt des Neujahrfestes wegen aus und erscheint die Samstagsuurrirrier schon Vreitag Nachmittag.