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Fernsprecher Nr. 29.

88. Jahrgang.

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Schwäb. Landwirt.

U 81

Donnerstag, dm 6. Apr t

1911

K. Hkevcrrnt Wagokd.

An die Ortspolizeibehörden.

Auf !. Mai 1S1I wollen als portopflichtige Dienst­sache die Verzeichnisse

1. Der Gast- nnd Schankwirtfchasten

2 . Bäckereien nnd Konditoreien,

3. Maler-, Anstreicher- u. s. f. Betriebe

4. im Gemeindebezirk befindlichen Betriebe, in

welchen fremde Kinder beschäftigt werden, hieher vorgelegt werden.

Auf den gleichen Zeitpunkt ist zu berichten

1. ob und welche Roßhaarspinnercien, Haar-und Borstenzurichtereien, Bürsten- nnd Pinselmache- reien und Stcinbrüche seit dem letzten Jahr in den Gemeinden entstanden sind,

2. welche Veränderungen in obengenannten Betrieben, welche seither schon bestanden, etwa eingetreien sind (Wechsel des Besitzers, Art des Betriebs und dergl.).

Denjenigen Ortspolizeibehörden, in deren Gemeinden sich Fabriken und diesen gleichgestellte Anlage» be­finden, sind die Verzeichnisse derselben heute zugegangen. Sie wollen von ihnen geprüft und etwa eingetretene Aende- rungen berichtet werden.

Von denjenigen Ortspolizeibehörden, in deren Gemein­den am 1. April 1910 keine Fabriken vorhanden, aber solche neu entstanden sind, ist das oorgeschriebene Verzeich­nis anzulegen und einzusenden.

Termin hiefür ist ebenfalls der 1. Mai 1911.

Zutreffenden Falls ist in allen Fällen Fehlanzeige erstatten, was auf einem Bogen geschehen kann.

Den 3. April 1911.

Mayer, Amtmann.

Politische UebersichL.

Die liberale Verständigung für die kommenden

Reichstagswahlen hat in der letzten Zeit wieder einige be­merkenswerte Fortschritte gemacht. Für Pommern ist ein allgemeines liberales Wahlabkommen zwischen der national­liberalen Partei und der Fortschrittlichen Volkspartei ge­schlossen worden. Vom nationalliberalen Landesverein für das Königreich Sachsen, der am Sonntag in Leipzig tagte, wurde eine Resolution angenommen, in der eine Verständig­ung mit der Fortschrittlichen Volkspartei zur Vermeidung liberaler Doppelkandidaturen für die Reichstagsnxuwahl ge­billigt und die Beseitigung noch bestehender örtlicher Schwierig­keiten gefordert wird. Man sprach sich scharf gegen die Konservativen aus; ein Zusammengehen mit der Rechten sei unmöglich. Ebenso erklärte sich der nauonalliberale Der- tretertag der Provinz Sachsen, der am Sonntag in Halle unter Beteiligung zahlreicher Parlamentarier stattsand, für die grundsätzliche Verwerfung liberaler Doppelkandidaturen. In den meisten Wahlkreisen der Provinz sei eine Einigung schon erzielt, für die übrigen Wahlkreise erhoffe man eine baldige Verständigung. Ferner tagte am Sonntag der Landesausschuß des nationalliberalen Landesvereins Bayerns

Nie Harde stiröt, aöer ergiöt sich nicht?

Ist dieser berühmte Ausspruch des Generals Cambronne, der den Heldenmut der napoleonischen Garden so prächtig ausdrückt, wirklich auf dem Schlachtfeld von Waterloo ge­tan worden, oder gehört er in das Bereich der historischen Legende, die die nüchterne Wirklichkeit so gern verklärt? Diese Frage, die schon von so manchem Geschichtsschreiber in gelehrten Untersuchungen erörtert worden ist, wird in einem soeben erschienenen BuchVor den Schranken der Geschichte" von Marcel Frager wieder aufgerollt. Ausführlich erfahren wir die Geschichte aller Belästigungen, die solch ein berühmter Ausspruch seinem wahren oder vermeintlichen Urheber ein­tragen kann, und in das Dunkel des Problems selbst fällt ern neues Licht. Am Abend des blutigen Schlachttages von Waterloo, als Cambronne an der Spitze der Trümmer der französischen Garde mit letztem Todesmut die englischen An­greifer abwehrte, wurde er durch eine Kugel zu Boden ge­streckt. Leblos blieb er einen Teil der Nacht liegen; als er nach der langen, durch seine Wunden heroorgerusenen Ohn­macht erwachte, war er fast nackt, die Hyänen des Schlacht­feldes hatten ihn gründlich ausgeplündert. Eine englische Patrouille nahm sich schließlich des berühmten Generals, der seinen Namen nannte, an; er war mit Blessuren be­deckt; mehrere Kugeln harten ihn gestreift, der Körper war von zahllosen Säbelhieben zerfleischt. Man brachte ihn nach Brüssel, wo er langsam der Heilung entgegenging. Hier las er in dem Journal general de la France vom 24. Juni

r. d. Rh. in Nürnberg. Es kam zu heftigen Auseinander­setzungen, die ihren Ursprung in der Verschiedenheit der Ver­hältnisse von Nord- und Südbayern hatten. Nach sieben- stündiger Debatte legte man die Taktik für die kommenden Reichstagswahlen in einer Resolution fest, in der es heißt: Das freundschaftliche, taktische Zusammengehen der liberalen Parteien und die gemeinsame Beratung gemeinsamer Ange­legenheiten in der Arbeitsgemeinschaft wird begrüßt. Die Nationalliberalen wahren jedoch ihre volle Selbständigkeit und Interessenvertretung den Linksliberalen gegenüber. Die Sozialdemokratie und das Zentrum werden wir als ent­schiedene Gegner der nationalen und liberalen Politik be­kämpfen. Die Zerstörung des Bülowblocks durch die Konser­vativen bedeutet eine nationale Schädigung und bedauerliche Verschärfung innerhalb der bürgerlichen Parteien. Wir miß­billigen den konservativen Vorstoß in Preußen und im Reich und wollen, daß die Auseinandersetzungen sachlich geführt werden. Wir treten für die Interessen von Handel und Gewerbe und der freien Stände ein, vertreten eine gesunde, kräftige Bauernpolitik und verlangen die geistige und kul­turelle Freiheit."

Eine Landeskonferenz der elsaß-lothringischen Zentrumspartei hat am Montag in Straßdurg zu der Ber- fassungsfrage Stellung genommen. Nach mehrstündiger Debatte nahm man folgende Resolution an:Die Konferenz erkennt mit lebhaftem Dank an, daß die der Zentrumspattei angehörigen Mitglieder der Verfassungs-Kommission der Tradition des Zentrums getreu beharrlich für die Erhebung Elsaß-Lothringens zum ebenbürtigen und selbständigen Bun­desstaat eingetreten sind. Die Konferenz bittet die'Fraktion, unbedingt bei ihren Anträgen zu beharren, da sie das Mi­nimum dessen darstellen, was Elsaß-Lothringen berechtigt ist zu verlangen." Nach einer offiziösen Auslassung der Kölnischen Ztg." ist die elsaß-lothringische Verfassungsvor­lage gerade durch die Haltung des -Zentrums jetzt wieder schwer gefährdet.

Bei einer Ersatzwahl im sächsischen Landtags­wahlkreis Leipzig-Land siegte in der Stichwahl der sozial­demokratische Kandidat über den freikonservativen.

Im englischen Unterhaus begann die Debatte über dis Vetobill. Obschon die Vorlage nur aus vier Paragraphen außer der Einleitung besteht, sind doch 900 Abänderungsvorschläge, unter ihnen 800 von Unionisten, eingebracht worden.

Aus Portugal wird berichtet: Der republi­kanisch-akademische Klub zu Coimbra hat beschlossen, dem Minister des Innern, Almeida, die Ehrenmitgliedschaft zu entziehen, unter der Beschuldigung, er habe als Minister nicht gehalten, was er als Propagandist versprach.

In China ist in Erledigung einer Denkschrift des Kciegsministers Pin-tschang, von dem bekannt ist, daß er während der jüngsten Krise sich für Eröffnung der Feind­seligkeiten gegen Rußland ausgesprochen hatte, ein außer­ordentliches Edikt erschienen, das dem Regenten den Ober­besehl über die chinesischen Strcitkräfte verleiht und die Armee aussordert, dessen eingedenk zu sein, daß die Mand- schus dank ihrer militärischen Tüchtigkeit China erobert

haben und seit drei Jahrhunderten beherrschen. Das sei Chinas einziges Mittel, um die Sicherheit der Nation auf­recht zu erhalten. Diese Botschaft ist den Truppen aus privatem Weg übermittelt worden.

Der blutige Ueberfall in Französisch-Guinea ist, wie von der französischen Regierung erklärt wird, auf das Wiederaufleben der muselmanischen Bewegung zurück­zuführen, die den Gouverneur vor 5 Jahren zur Depottation des Hauptes der Bewegung zwang und der im Jahr 1909 der Kolonialbeamte Bastie zum Opfer siel.

Lord Roberts Folgerungen aus der Kanzlerrede.

Es kann bei uns niemand überraschen, daß der eng­lische Vorkämpfer für die allgemeine Wehrpflicht, Lord Roberts, die letzte Kanzlercede als Vorspann für seine Agi­tation benutzt. Dem Oberhause hat er nun folgende Re­solution vorgelegt:Angesichts der veränderten strategi­schen Lage in Europa betrachtet das Haus die unzurei­chenden militärischen Vorbereitungen der Regierung für die Verteidigung des Reichs mit schwerer Sorge."

Bei der Begründung wies der Feldmarschall daraus hin, daß durch ein gänzlich unerwartetes Ereignis, nämlich durch die Rede des deutschen Reichskanzlers, ihm das Ein­bringen dieser Resolution erleichtert worden sei.

Hierbei begeht unseres Erachtens Lord Roberts einen argen Schnitzer, denn der unbefangene Beurteiler wird leicht zu der Annahme kommen, daß durch die Kanzlerrede d ie strategischen Verhältnisse in Europa verändert worden seien. Dabei sollte doch Lord Roberts wissen, daß auch mit den schönsten Reden sich eine strategische Lage niemals ändern läßt. Sonst hätten die Franzosen bei Sedan mit schönen Redeü sicherlich echappieren können.

Im übrigen wiederholte Lord Roberts seine bekannten Ansichten und formulierte zum Schluß seine Wünsche da­hin, daß England neben 150 OM Mann stehenden Heeres auch noch eine Territorialarmee von 1000000 Mann zum Schutze gegen jede Invasion haben müsse.

Dem Kciegsminister Haldane fiel es leicht, Lord Ro­berts Anschauungen aus der Geographie dahin zu wider­legen, daß doch allemal ein Stück See zwischen England und einem beliebigen Gegner liege; dies Stück See werde aber durch die englische Flotte verteidigt. Der deutsche Reichskanzler habe doch außerdem die Bereitwilligkeit Deutsch­lands heroorgehoben, Informationen über die Flotte mit England auszutauschen. Dadurch lasse sich wenigstens in etwas die Gefahr einer Panik, die zu übertriebenen Rüst­ungen führen könnte, beschwören.

Wir glauben kaum, daß Lord Roberts durch sein Vorgehen diesmal dem Ziele der Einführung der allge­meinen Wehrpflicht näher gekommen ist.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 4. April.

Die 3. Lesung des Etats wird fortgesetzt beim Militär- Etat. Auf eine Anregung des Abg. Brun st mann (Rp.) erklärte Generalmajor Wandel, daß die Militärverwaltun

einen Bericht über die Schlacht von Waterloo, dessen letzte Worte den ihm in den Mund gelegten heroischen Ausspruch bildeten:Die Garde stirbt, aber sie ergibt sich nicht!" Er konnte sich nicht erinnern, je etwas Derartiges gesagt zu haben. Aber der Ausspruch war schön, prägnant, kraftvoll, er lies von Mund zu Mund, und sein ganzes weiteres Leben hatte nun Cambronne an diesem ruhmreichen Wort zu tragen. Die Last schien ihm bald recht schwer. Als er nach England kam, kannte alle Welt das stolze Diktum. Man bereitete dem kühnen Haudegen Ovationen, in denen immer wieder die ominösen Worte von verzückten Lippen gestammelt wurden. Cambronne leugnete, so etwas gesagt zu haben.Ich habe die Engländer zum Teufel ge­schickt, oder noch was Derberes gesagt", meinte er.Aber so was sicher nicht. Hatte ich denn Zeit, um Literatur zu machen?" Man flehte ihn an, die Vaterschaft an dem Ausspruchzu Ehren der französischen Armee" auzuerkenncn. Aber der Gardegeneral konnte nur immer wieder kopfschüt­telnd erklären, er könne sich auf nichts besinnen, und er beguemte sich schließlich nur den ihn beglückwünschenden Engländern gegenüber zu dem Zugeständnis:Ja, man schreibt mir diese Phrase zu." Als dann Cambronne während der Restauration wieder nach Frankreich kam, heftete sich das Wort, wo er erschien, an seine Fersen. Ein begeisterter Freund apostrophierte ihn damals:Du hast das Unheil aufgehalten, du hast den Ruhm der Armee gerettet; die Garde stirbt, aber ergibt sich nicht. Welch wundervoller Todesschrei eines großen Zeitalters!" Solche Deklamationen machten den Ausspruch nur noch populärer. Wo Cam­

bronne sich zeigte, murmelte man die berühmte Antwort. Unzählige Kupferstiche und überall im Volk verbreitete fliegende Blätter trugen sie als Unterschrift unter einem Bild des Generals, das ihn in heroischer Pose darstellte. An allen Mauern und Wänden waren solche Bilder angeklebt. Cambronne konnte nur die Achseln zucken und abwehrcn, aber schließlich war es ihm doch zu bunt, und er erklärte wütend:Ich habe, parbleu, nicht so was Langes gesagt, ich habe mit einem kurzen Spruch geantwortet, der an sol­datischer Derbheit nichts zu wünschen übrig ließ." Als nun die Debats vom 16. Dezember 1815 dieses uns Deutschen aus dem Götz von Berlichingen wohlbekannte Wort in nicht mißzuverstehender Weise andeuteten, war das niemandem recht; man schimpfte auf diesen rauhen Krieger, der seinem eigenen Ruhm im Licht stehe, und glaubte weiter an die pathetische Phrase, die dann Viktor Hugo in einer Stelle seinerMiserables" dichterisch verherrlicht hat. Also hat Cambronne, dieser nüchterne, kurz angebundene Haudegen, der aus neunzehn Feldzügen zwölf Blessuren. aber nie oratorische Lorbeeren mit heim gebracht hatte, die großen Worte nicht gesprochen? Frager läßt die Sache unent­schieden, aber einige andere Gelehrte haben unabhängige und übereinstimmende Berichte von mehreren Gardesoldaten beigebracht, die den Ausspruch von Cambronne gehört haben. So gab der Grenadier vom zweiten Regiment der alten Garde Delau zu Protokoll:Ich war bei Waterloo in dem Carrä der Garde in der ersten Reihe, wegen meiner Größe. Zwischen zwei Salven schrie der englische General uns zu: Grenadiere, 'ergebt euch!" Der General Cambronne ant-