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64. Zaörgavg.
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Amts- unä Intekkigenzbkatt für äen Aezirk.
»rscheint Dtr»»ta«, L Sar»»t«,.
Die VinrückungSgebühr setrLgt 9 ^ p. Zeile t« Bezirk, sonst 12 H.
Donnerstag, äen 17. Oktober 1889.
Abonnementspreis halbjährlich 1 «4L 80 H, durch te Post bezogen im Sezirk 2 ^ 30H, sonst in ganz Württemberg 2 ^ 70
Amtliche Mekcmrrtmachungen.
Für -ie arme« Dagelbeschädigte«
find weiter bei mir eingegangen:
Gemeinde Liebelsberg . . .
100
Sammlung in KohlerSthal
8
86 Personen in Simmozheim .
104
Gemeinde Oberhaugstett . .
40
Sammlung daselbst ....
45
Kirchenopser in Zwerenberg
63
Kirchenopfer in Allburg - . .
72
Einzelgaben daselbst ....
17
Kirchenopser in Unterhaugstett
9
N. N. von Calw .....
1
l/ „***»*
1
„ „ //****« Bahnw. B. ......
2
Frau Stiölin.
.
2
Mehrere Ungenannte von Calw
.
59
30
- » 50
Zusammen jetzt: 2347 »A. 82 H, wovon 2269 67 H der Central»
leitung des Wohlthätiakeitsvereins zur Verwendung im Sinn der Geber, welchen ich herzlichen Dank sage, übermittelt worden sind. (Bergl. die Veröffentlichungen in Nr. 102 und 114 des Calwer Wochenblatts). Zur Em> psangnahme und. Vermittlung weiterer Geldgaben bin ich bereit.
Calw, den 16. Oktober 1889. ' Oberamtmann
Supper.
Deutsches Reich.
Berlin, 12. Okt. Heute in der Frühe fuhr der Kaiser mit dem Zaren auf die Jagd nach Hubertus stock. Die erste Pirschfahrt der beiden Kaiser dauerte bis 2^ Uhr. Bei derselben erlegte der Kaiser Alexander einen kapitalen Zwölfender. Die zweite Jagd dauerte bis 42/4 Uhr. Bei dieser brachte Großfürst Georg einen Zehnenver zur Strecke. Auf dem Rückwege hatten hundert Kinder mit Pechfackeln Aufstellung genommen. Die Ortschaften, welche die allerhöchsten Herrschaften passierten, waren illuminiert und die Bewohner brachten enthusiastische Ovationen dar. Nachdem die beiden Monarchen abends 9 Uhr hierher zurückgekehrt waren, fand eine halbe Stunde später ein Souper im engsten Familienkreise bei der Kaiserin Friedrich statt.
Berlin, 14. Okt. Der Zar ist vom Bahnhof aus abgereist. In der letzten Stunde erfolgte noch eine Veränderung des Reiseplanes. Die Hostafel in der Bildergalerie des Schlosses wurde abgesagt. Am Lehrter Bahnhof war keine Ehrenwache aufgestellt und nur ein Teil der Generalität anwesend, dagegen erschienen Fürst Bismarck, Graf Herbert Bismarck, der Botschafter Schweinitz, die gesamte russische Botschaft und der preußische Ehrendienst des Zaren. Der Kaiser und die preußischen Prinzen trugen russische, der Zar und der Großfürst Georg preußische Uniform. Der Ab- schied beider Monarchen war sehr herzlich. Daß der Zar nicht, wie ursprünglich festgesetzt war, von hier nach Königsberg weitergereist ist, um dort mit der Zarin wieder zusammenzutreffen, sondern daß er über Mecklenburg zurück- reist, wird auf den Wunsch des Zaren zurückgeführt, einerseits seine in Mecklenburg weilenden Verwandten zu besuchen, andererseits den Charakter des Gegenbesuchs und der besonderen Reise zu betonen. — Stärker als je waren in Berlin diesmal die Absperrungsmaßregeln. Bei dem gestrigen Besuch de» Zaren in der Alexanderkaserne waren nicht nur die Straßen im weitesten Umfang abgesperrt, sondern die Aufstellung an den Hausthoren, auf den Kellertreppen wie auf den Dächern war verboten. Einzelne Häuser wurden geschloffen, andere polizeilich besetzt bis zum Dach. — Nach der Abfahrt des Zaren forderte der Kaiser den Fürsten Bismarck auf, im Galawagen bei ihm Platz zu nehmen ; der Kaiser begleitete den Reichskanzler in die Wilhelmsstraße und verblieb bei ihm eine halbe Stunde.
Gcrges-WeuigkeiLen.
* Calw, 14. Okt. Die von dem Wahlkomite der demokratischen und freisinnigen Partei auf gestern nachmittag im Thudium'schen Saale anberaumte Wählerversammlung war von den Anhängern des Hrn. Rechtsanwalts Schickler, wie auch von den Anhängern des Frhrn v. Gültlin- gen stark besucht. Nach einigen einleitenden, auf die Reichstagswahl im
Januar 1887 bezugnehmenden Worten des Hrn. Dr. Schiler übernahm Hr. E. Georgii den Vorsitz der Versammlung. Der Kandidat der Freisinnigen und der Demokraten, Hr. Rechtsanwalt Schickler, der in Begleitung des Rechtsanwalts Konrad Haußmann erschienen war, entwickelte nun in längerem Vortrag sein Programm. Er sprach zunächst über den Unterschied zwischen Volks- und Kartellpartei, über die Zusammensetzung des Reichstags und über die Machtlosigkeit der Parlamente. Die Versammlung verhielt sich diesen Ausführungen gegenüber, da sie nicht gemeinverständlich waren, schweigend. Redner wußte nichts von treuem Festhalten au Kaiser und Reich, von dem Aufschwung, den das deutsche Reich seit etwa 20 Jahren genommen, von dem Schutz, der jedem Deutschen im Auslande zu teil wird, er findet vielmehr in verantwortlichen Reichsministern, in Gewährung von Diäten und in einer kurzen Wahlperiode eine Bürgschaft für eine gedeihliche Entwicklung des Reichs. Wir aber halten eine längere Wahlperiode für das Volk viel zweckdienlicher; der ruhige Bürger ist der vielen Wahlen müde; er will sich seiner Arbeit und nicht einer fortwährenden Aufregung hingeben. Den außerordentlich großen Erfolgen unseres Reichskanzlers auf dem Gebiet der äußeren Politik kann auch der Kandidat seine Anerkennung nicht versagen. Wer hätte wohl auch größere Verdienste um das deutsche Volk als Fürst Bismarck? Aber mit der inneren Politik ist Redner nicht einverstanden. Er anerkennt nicht den hohen Wert der Kornzölle für die gedrückte Landwirtschaft und glaubt, daß die Zollpolitik dem Lande schade. Aber kann man schon nach kurzer Zeit ein Endurteil fällen ? Sind nicht die Erzeugnisse deutschen Handels und deutscher Industrie zu schützen? Soll deutscher Fleiß umsonst gearbeitet haben? Für die Kolonialpolitik kann sich der Kandidat auch nicht erwärmen, Deutschland soll demnach auf seinen Anteil in Europa angewiesen bleiben und die überschüssige Kraft einfach andern Staaten zugut kommen lassen. Soll denn aber nicht auch einmal der deutsche Geist sich aufschwingen und sich neue Absatzgebiete und neue Landesteile sichern? Folgt denn auf die Saat sofort die Ernte? Nein? Die Zeit wird den Deutschen für die jetzigen Kolonialausgaben eine Rente bringen, für die uns unsere Nachkommen noch danken werden. Was die Ausnahmegesetze betrifft, so kam hier Redner auf den Kulturkampf und auf das Sozialistengesetz zu sprechen; er ist selbstverständlich für Abschaffung: des letzteren Gesetzes, wie er auch für die Kranken-, Unfall- und Altersversorgungsgesetze sich nicht begeistern kann, dagegen soll die kriegerische Spannung der Nationen durch die Parlamente wesentlich vermindert werden, als ob es keinen Rassenhaß gebe, der sich durch keine Volksvertretung zurückdümmen läßt. Wir erinnern hier einfach an das bekannte Wort: Es kann der Beste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefüllt! Kräftig sekundiert wurde nun der Kandidat, dem wir übrigens das Lob maßvoller, ruhiger ugd fachlicher Ausführung nicht absprechen, von Hrn. Rechtsanwalt Haußma u n. Dieser sprach in fließendem, aber höhnischen und spöttischem Vortrag über Kulturkampf, Kolonialpolitik, Militärweseu und Sozialistengesetz. Wo die sachliche Ausführung nicht zünden konnte, mußte ein wohlfeiler Witz den nötigen Nachdruck verleihen. Die Hereinzerrung unseres hochverehrten Kaisers und der kaiserlichen Kinder in den Wahlkampf mußte jeden gebildeten Mann mit Ekel und Entrüstung erfüllen. Nach diesem Redner hatte sich Herr Professor Hang zum Wort gemeldet, welcher die Ausführungen von Hrn. Haußmann in ruhigen, klaren und sachlichen Worten, und Punkt für Punkt die Beschuldigungen widerlegte, die in Bezug auf den jetzigen Zustand Deutschlands erhoben worden waren. Er betonte hauptsächlich, daß die Kolonialpolitik doch nicht in dem Maße zu>verachten sein müsse denn die Engländer, welche 'anerkanntermaßen einen guten Geschmack für Kolonien besitzen, beneiden uns um jedes Stück Land, das wir an uns gebracht haben. Er legte ferner dar, daß die Regierung den Arbeitern mit größtem Wohlwollen entgegenkomme und daß auch eine bescheidene Rente für das Alter nutzbringend fein werde. Wer giebt denn dem Haudwerks- mann und dem Bauern ein Kapital im Alter? Aus- diese Weise wurde noch mancher Punkt klargelegt und die allgemeinen Phrasen der Vorredner kritisch beleuchtet und auf ihren wirklichen Inhalt zurückgeführr. Noch trat ein Hr. Gumbiuger von Hirsau auf. Derselbe, bekannt durch seine Befürwortung der Verteuerung des Schuhwerks, führte hauptsächlich aus, daß die Arbeiter, die mit 10 Fingern ihr Brod verdienen (als obs andere Menschenkinder nicht auch so hätten), fest zusammenstehen sollen, um dem Kapital gewachsen zu sein. Wir gestehen, es berührt uns eigentümlich, wenn sich nur solche Leute als Arbeiter fühlen. Ist nicht der Handwerksmann auch ein Arbeiter, der mit größerer Energie an seinem Fortkommen arbeitet als ein mancher sogen. „Arbeiter." Ist nicht auch der Bauer ein Arbeiter!
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