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waren. Die Versammlung wurde eröffnet durch eine Ansprache des Hrn. Dr. Schiler, welche der Erwartung Ausdruck verlieh, daß auch die Gegenpartei sich zum Worte melden werde und worin der Redner den Vorschlag machte, dem Hrn. E. Georgii den Vorsitz zu übertragen, wogegen sich kein Wider­spruch von Seiten der Versammlung erhob. Der Vorsitzende erteilte nun­mehr dem Kandidaten der Volkspartei, Hrn. Rechtsanwalt Schickt er aus Stuttgart das Wort, worauf derselbe in längerer Rede Erläuterungen zu seinem den Wühlern gedruckt vorliegenden Programin gab. Nach ihm er­griff Hr. Rechtsanwalt Haußmanu das Wort, um zunächst den Anwesenden zu eröffnen, daß der Hr. Kandidat leider sofort abreisen müsse, um, wie Hr. Haußmann sagte, noch einer in nicht besonders geschickter Weise von den Nagolder Freunden auf denselben Abend festgesetzten Versammlung anzuwohnen. Nachdem Hr. Haußmann sodann sich über den verflossenen Kulturkampf, das Sozialistengesetz u. a. ausgelassen hatte, forderte er am Schluffe seiner Rede, die Wähler, auch die nicht zu seiner Partei gehörigen, auf, nunmehr ihre Meinung über das Gehörte auszusprechen. Daraufhin vertrat Hr. Professor Haug den Standpunkt der nationalen Parteien, indem er in durchaus sachlich gehaltenen Ausführungen die Hauptpunkte des demokra­tischen Wahlprogramms sowohl als die der Rede des Hrn. Haußmann widerlegte. In seiner Erwiderung, welche voll von persönlichen Angriffen auf den Gegner war, wußte Hr. Haußmann sich nur dadurch zu helfen, daß er in gewandter Weise dem eigentlichen Kern der Sache auswich und sich auf das Gebiet der Wahlwitze begab, die freilich wohlfeil genug waren. Um nur eines Herauszugreisen: Hr. Hanßmann hatte unter anderem die Wähler gefragt: Ist es denn in Deutschland so wohnlich? worauf ihm Professor Haug in wohlbegründeten Sätzen die Antwort gab: Ja; es ist wohnlich im deutschen Reiche. Darauf entgegnete Hr. Haußmann, das glaube er wohl, daß es bei uns für den Herrn Professor und ähnlich situierte Leute wohnlich sei, aber für den Arbeiter verhalte es sich ganz anders. In einer nochmaligen Entgegnung von Professor Haug, wobei dieser aus keinen der von dem Vorredner behandelten Punkte die Ant­wort schuldig blieb, forderte derselbe die Versammelten auf, sich um« zusehen, wo sie wollen und ihm das Land zu bezeichnen, wo besser für den Arbeiter gesorgt sei, als in Deutschland. Wir könnten noch die Gegenfrage an Hrn. Haußmann richten: finden es denn die Rechtsanwälte vom Schlage des Hrn. Haußmann, für ihre Person nicht auch äußerst wohnlich in unserem Vaterland? sie die ein Einkommen von 1520000 Mk. jähr­lich besitzen und von denen man noch nie gehört hat, daß sie die Gebühren für die Rechtsanwälte herabsetzen wollen? Wir wollen aber lieber die Leser dieses und vor allem die Wühler fragen, ist das eine redliche Kanzpfesart gegenüber einem seine ehrliche Ueberzeugung ver- tretenden Andersgesinnten? enthalten die Worte des demokrati­schen Rechtsanwalts nicht geradezu eine Aufreizung zum Klassen­haß. Nachdem jetzt noch ein Arbeiter, der es mit den Sozialdemokraten hält, einige Worte gesprochen hatte, während ein Bauer, der nach den Kornzöllen srug, keine Antwort erhielt und auch Hr. Hauß­mann, nachdem er noch einen allerletzten Witz gemacht hatte, es vorzog, nunmehr zu schweigen, erklärte der Vorsitzende, die Versammlung schließen zu wollen, indem er meinte, wenn man alle Gegner der demokratischen Sache zu Wort kommen ließe, so würde die Versammlung zu einer Streit­versammlung und die Demokraten hätten sich ja auch nicht an der gegne­rischen Wahlversammlung beteiligt. Das war dem Professor Haug denn doch noch zu stark, und er wies znm Schluffe die unberechtigten Vorwürfe des Vorsitzenden in gebührender Weise zurück, indem er betonte, daß ja wiederholt der Gegner zum Aussprechen seiner Meinung aufgesordert worden sei und daß es doch nicht seine Schuld sein könne, wenn die Anhänger der Volkspartei in der vom Gültlingenffchen Wahlkomite anberaumten Ver­sammlung nicht erschienen seien. Ohne daß sich nun noch eine Stimme gegen diese letzten Worte erhoben hätte, wurde sodann die Versammlung geschlossen.

Wir aber glauben, daß jeder denkende Leser aus diesen Vorgängen sich ein Urteil darüber bilden kann, wie es mit der Freiheit bestellt ist in diesen Versammlungen, wo der Mund der Parteiführer

Sie bog vorsichtig eine Epheuranke, die ihr die volle Aussicht verbarg, zurück und sah nun, daß er die beiden kleinen Hände Linda's in seiner linken Hand hielt, wahrend se>ne Rechte ihr schönes, dunkles Haar strei te.

»Bist Du jetzt zufrieden ? Ist Deine Seele jetzt ruhig, mein Liebling?" fragte Arthur, indem er sich niederbeuzte, um in Linda's Antlitz zu sehen.

Ja, Gott sei Dank, ull habe keine Ursache, unruhig zu sein! O, Arthur," fügte sie hwzu, indem sie aufsland und ihre beiden Arme um seinen Nacken schlang, wenn Du wüßlest, was ich wählend des Essens gelitten habe! Sie ist so schön, und Du liebtest sie einst. Ich fürchtete, die frühere Bezauberung käme wieder und Du könntest bereuen, mich geheirat,t zu haben! O, kein Mann ahnt, wie eine Frau, die liebt, sich quälen kann!"

Besonders, wenn es unnöt g ist." erwiederte Arthur, indem er ihr liebkosend über die Wangen strich.Wann willst Du endl-ch aufhö en, zu zweifeln, und glauben, daß Du mir lieber bist als die ganze übr ge Welt zusammen?"

O, Arthur!" Und das junge Weib schmiegte sich fester an ihren Gatten und sah mit unbeschreiblicher tlichkeit in sein Gesicht.Ich könnte wahrhaftig nicht ohne Dich leben und Niemand, Niemand kann Dich so lieben, wie ich Dich liebe. Wo Du bist, fühle ich mich wohl, und so glücklich ich in unserem schönen, neuen Haus in London w^r, glücklicher konnte ich nicht sein, als in der lieben Villa Sorrento am Flusse in den Tagen, als ich versuchte, unser Nachtessen zu kochen, und Du die Staffelet verließest und kamst, um mich zu küssen und meinen ersten Versuch mit dem Pudding zu loben. Weißt Du noch?"

Arthur zog Lmda in seine Arme und flüsterte leise, doch immer noch so ver­nehmbar, daß die bleiche Lauscherin hinter der KlamatiS-Hecke die Worte zu ersoffen vermochte:

I von Freiheit trieft. Wähler in Stadt und Land, wir fordern Euch auf: Schließet Euch bei der bevorstehenden Wahl nicht denen an, welche ihren eigenen Grundsätzen in so schmachvoller Weise bei der ersten besten Gelegenheit untreu werden; welche den Mund derjenigen verstopfen möchten, die in einem freien Wort auch ihre Meinung äußern, wenn die letztere nicht zum politischen Programm der sogenannten Freisinnigen paßt! Es steht zu hoffen, daß das, - was hier berichtet worden ist, manchem die Augen öffnen wird, über das Treiben der Demagogen, die durch ihre Hetze­reien nur den Sozialdemokraten in die Hände arbeiten.

Beersbach, 8. Okt. Gestern abend spielte sich im hiesigem Wirts» Hause ein Akt raffinierter Rohheit ab. Einer der schwarzen Söhne Lots ver­langte von der Gastgeberin einen halben Vierling Käse. Diese gab ihm solchen; nachdem er ihn verzehrt hatte, sagte er ihr in rohen, unsittlichen, hier nicht wiederzugebenden Worten, sie habe ihn um 40 betrogen, er habe ihr 50 H statt 10 gegeben, was dem aber nicht so war. Er fing an zu raisonnieren und zu lärmen und ging mit offenem Messer auf die Wirtin los mit dem Bemerken, er mache sie kaput. Diese, jederzeit beherzte Frau, lies es auch diesmal nicht an Mut fehlen, nahm den Tobenden beim Kragen und gelangte mit demselben in ungewöhnlich raschem Tempo durchs ZimmLr und zur Thür hinaus. Sogleich waren aber seine schwarzen Gesellen bei ihm und in nachgebender Weise, um noch Schrecklicheres zu vermeiden, mußte sich die Wirtschaft dieses gefallen lassen.

Göppingen, 10. Okt. Ein an der Wasserleitung beschäftigter Arbeiter, wollte sich gestern früh in. der Nähe des Bauhauses das Leben nehmen, indem er sich mit einem Revolver in der Nähe der Schläfe einen Schuß beibrachte. Die Kugel blieb aber stecken, ohne edlere Teile zu verletzen. Der Lebensmüde konnte den Weg in das städtische Krankenhaus ohne Hilfe zu Fuß zurücklegen. woselbst er, von Schmerzen, gepeinigt, den Wunsch äußerte wenn nur die Kugel wieder heraus wäre." Dieselbe wurde auch von Hrn. Dr. Bosch glücklich entfernt und wird der Verletzte weiter keinen Schaden davontragen.

Aalen, 9. Okt. Daß ein Schreiner sich seinen eigenen Sarg und sein Grabkreuz anferligt, gehört gewiß zu den Seltenheiten. Hier that dies einer und wollte sich hernach auch durch einen Schuß in die Brust den Tod geben. Der Schuß verfehlte jedoch das erwünschte Ziel und so mußte der Lebensmüde noch 14 Tage die gräßlichsten Schmerzen ausstehen, bis ihn der Tod von denselben erlöste.

Spaichingen, 9. Okt. In der heutigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde beschlossen: die Hundesteuer zu Gunsten der Armenpflege um 2 ^ zu erhöhen; hienach würde die Gesamtsteuer für einen Hund vom 1. April 1890 10 betragen.

DasD. V." berichtet: Als am vergangenen Sonntag abend der fürstliche Oversörster Vogler von Bopfingen nach Hause fuhr, stellten sich unweit desBasler Hofes" bei Oberdorf drei aus Zöbingen gebürtige ledige Burschen dem Gefährte entgegen und einer schlug ohne alle und jede Veranlassung mit den WortenHin mußt du sein!" auf den Oberförster so lange mit dtM Regenschirm ein, bis letzterer in Stücke zerbrach, während die beiden anderen an den Rädern die Chaise anzuhalten suchten. Vogler stieg, um des Hauptgegners habhaft zu werden, aus, und nun kam es zwischen ihm und diesem, der wütend um sich schlug, zum Ringkcmpf, welcher damit endigte, daß der dem Burschen an Kraft und Behendigkeit weit überlegene Oberförster diesen zu Boden warf und hier so lange festhielt, bis von der Oberdörfer Ziegelei Männer zur Hilfe Voglers herbeieilten. Bei dem Hand­gemenge wurde letzterer an der Hand und am Arm bedeutend verletzt, auch wurde ihm der Vollbart teilweise herausgenffen. Ein auf den Lärm herbei- geilter Zöbinger Bürger hat ebenfalls Verletzungen am Kopf erhalten.

Weinpreise.

* Horrheim OA. Vaihingen, 11. Okt. Preise sinken. Heute ver­kauft zu 125135 ^ pr. 3 bl Noch großer Vorrat, worunter noch von der besten Qualität. Käufer sind freundl. eingeladen. Horrheim, OA. Vaihingen, 12. Oktober. Heute verkauft zu 100120 Feil noch ca. 1 500 bl, preiswürdige Qualiiät. Käufer sehr erwünscht.

Laß sehen, ob Deine Küsse noch so süß sind, wie in früheren Tagen, mein

Herz!"

Kamilla bedeckte ihre heißen, glühenden Augen mit beiden Händen. DaS war Glück, einziges, wahres Glück. Und dieses Glück hatte sie geträumt, hatte sie in Händen gehalten und hatte sie freiwillig aufgcgeben!

Arthur," hörte sie endlich die junge Frau sagen, wie kam es, daß Du mich liebtest? Du kanntest mich viel eher, als Du sie sähest, und doch, bevor sie Marlow verließ, bekümmertest Du Dich nie um mich, wenigstens, was Liebe anbelangt. Warst Du bezaubert?"

Ich glaube, ja, ich war es," erwiederte er mit einem Seufzer.Schönheit und Geist gepaart, sind mächtig genug, zu bezaubern, und so lange ich sie für echt hielt, verehrte ich sie, wo ich sie zu finden glaubte. Doch als ich herausfand, daß ihre ganze Natur Nichts als Trug, ihr ganzes Leben nur eine Lüge, die Liebe, die in meinen Augen so heilig ist, wie die Religion selbst, ihr nur ein angenehmer Zeit­vertreib war, da plötzlich, ja, da ganz plötzlich verging meine Liebe und meine thörichte Vergötterung, und ich fühlte nur noch für sie Müleid und Verachtung.

Heute konnte ich ihr ganz ruhig ins Gesicht blicken und obgleich ich ihre seltene Schönheit sah, war ich doch nicht länger blind und erkannte ihre großen Fehler. Sie ist-"

O, Arthur, sei nicht hart gegen sie! bat Linda, indem sie ihre Finger auf seine Lippen legte.Weißt Du, daß ich glaube, daß sie nicht glücklich ist? Arme Frau! Wenn sie wüßte, welches Glück sie entbehrt, indem sie nicht Deine Frau ward, wenn sie wüßte, waS das Leben an Deiner Seüe bedeutet!"

(Schluß folgt.)