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Baden-Baden, 23. Sept. Die Kaiserin-Witwe Augusta ist hier eingetroffen und im Maison Meßner abgestiegen. Es fand kein Em­pfang statt.

Ausland.

In Antwerpen sind der Urheber der schrecklichen Pulverexplosion Cor villa in und ein Ingenieur in das dortige Zellengefängnis gebracht worden.

Paris, 19. Sept. Bei dem Bankett, welches gestern Eiffel und der Verein der Zivil-Ingenieure den hier weilenden 250 russischen, spanischen, portugiesischen, brasilianischen uuv chilenischen Ingenieuren auf dem Turme gab, toastierte Eiffel auf den Präsiventen Carnot, den Zar, die Königin- Regentin von Spanien, den König von Portugal, den Kaiser von Brasilien und den Präsiventen von Chili. Ec sagte u. a.:Ihre Länder sind uns lieb; besondere Sympatie bringt uns der großen russischen Nation näher. Wir zollen dem Erfolge Rußlands und dem bewunderungswürdigen Werke, das es in Asien durch die Schöpfung der Eisenbahn stiftete, deren mutiger Förderer Anncnkoff ist, unseren Beifall." Der Russe Kartzoff erwiderte in französischer Sprache und war Gegenstand einer Ovation: Es lebe Ruß­land, es lebe Frankreich!"

Paris, 23. Sept. Bis jetzt sind 560 Wahlresultate bekannt. Ge­wählt wurden 224 Republikaner und 159 der verschiedenen Gegenparteien, während 177 Stichwahlen erforderlich sind. Boulanger wurde in Mont­martre gewählt, da derselbe jedoch nicht wählbar ist, wird Joffrin wohl an seine Stelle treten.

Hlages-WeuigkeiLsn.

Calw, 24. Sept. Unserem Berichte über die Hauptversamm­lung des Schwarzwaldvereins in der vor. Nr. d. Bl. haben wir noch Einiges nachzutragen. Nach dem Programm sollte die Sitzung des Ausschusses und die Hauptversammlung in der Stunde von 45 Uhr abge­macht werden. Da sich aber die Verhandlungen des Ausschusses bis 5V« Uhr ausdehnten, wurde beschlossen, die Abstimmung über seine Beschlüsse erst bei- Dreiß vorzunehmen. Hier referirte nun, nachdem sich der Saal vollständig gefüllt hatte, der Vorstand des Hauptvereins, Herr Baurath Nhein- hard. über die Verbandlungen des Ausschusses, deren erster Gegenstand eine Abänderung des §. 2. der Satzungen war. Bisher sollten zur Gründ­ung eines Brzirksverems 50 Mitglieder nöthig sein, und ein Verein sollte für aufgelöst gelten, wenn seine Milgliederzahl unter 20 herabgesunken. Um aber die Gründung weiterer Bezirksvereine zu erleichtern, wurde beschlossen, und zwar speziell unter Berücksichtigung der Verhältnisse in Nagold, wo ein neuer Verein im Entstehen begriffen ist, daß zur Gründung nur 20 Mit­glieder nöthig sein sollen und eine Auflösung erst bei einem Stande von weniger als 10 anzunehmen sei. Sodann wurde auf den Antrag von Calw beschlossen, die M 8. und 9. der Satzungen dahin abzuändern, daß nicht mehr alle Jahre, sondern nur olle 2 Jahre eine Hauptversammlung abge­halten und in dieser der Vorstand des Hauptvereins, der bisher für 3 Jahre gewählt war, ebenfalls nur auf 2 Jahre gewählt werden soll. Ausgeschlossen ist jedoch hierdurch nicht, daß alljährlich die Vereine wo möglich im Frühjahr sich zu einem gemeinschaftlichen Ausfluge vereinigen, wie er z. B. für nächsten Mai nach Nagold in Aussicht genommen ist. um dem dortigen in der Gründ- ung begriffenen Vereine zu Gevatter zu stehen. Ein dritter Gegenstand der lebhaftesten Besprechung im Ausschuß war die Vertheilung der disponiblen Mittel des Hauptvereins, die sich aus der Ablieferung der Bezirksvereine von je 1 für jedes Mitglied zusammensetzen und bei ca. 950 Mitgliedern nach Abzug der Unkosten ca. 850 betragen. Da jedoch bestimmte An­träge und Ueberschläge Seitens der Bezirksvereine nicht Vorlagen, konnte vorläufig den verschiedenen Wünschen, denen nicht durchaus das Lob der Be-

cheidenheit ertheilt werden konnte, nicht entsprochen werden und wurde be­schlossen, daß der nächsten Versammlung in Nagold bestimmte, von Ueber- schlägen begleitete Pläne vorzulegen seien, nach deren Prüfung der Haupt­verein entsprechende Beiträge verwilltgen werde. Mit dem Ausdrucke großen Bedauerns berichtete sodann noch Hr. Baurath Rheinhard, daß der bisherige Kassier des Hauptvsreins, Hr. Hofkunsthändler Autenrieth wegen Geschäftsüberbürdung das Kassenamt niedergelegt' habe, und endlich noch, daß der Ausschuß beschlossen habe, dem um die Zwecke des Vereins hochverdienten verst. Hcn. Oberförster Hepp in Hirsau an paffendem Orte eine eherne Gedenktafel zu widmen, was die volle Zustimmung der Versamm­lung fand. Die nach dem Vortrage des Hrn. Vorstandes sich entwickelnde leb­hafte Unterhaltung, welche theils durch die mit stetem Beifall aufgenommenen Vorträge unserer Stadtkapelle, theils durch allgemeine patriotische Gesänge, theils durch Toaste unterbrochen war, welche von der hohen Befriedigung der Gäste über ihre Aufnahme in Calw zeugten, war ein wohlthuender Be­weis dafür, daß die Mißgunst der Witterung die gute Stimmung und den Humor der Festtheilnehmer nicht im Geringsten verdorben hatte und der Calwer Bezirks verein, dem verschiedene seiner Veranstaltungen zu eitel Wasser geworden waren, hat wenigstens die Befriedigung, daß keiner der Gäste von dannen gegangen ist, der nicht den besten Eindruck und eine angenehme Er­innerung an den Tag mit nach Hause genommen hätte.

Stuttgart, 22. Sept. Der König und die Königin sind gestern aus Friedrichshafen hier eingetroffen und haben im königlichen Residenzschloß Wohnung genommen.

Stuttgart. (Jubiläums. Hundeausstellung). Die Gesamtzahl der angemeldeten Hunde beträgt 712;. hievon entfallen auf deutsche Doggen 210, Vorstehhunde 77, Dachshunde 74, Bernhardiner 33, Spitzer 28, Pudel 37, Rattenfänger und Pinscher 46, Möpse 37 rc. re. Al» besondere, seltene Rassen sind angemeldet Bluthunde, sowie ein afrikanischer nackter Hund. Mit der Aufstellung der Hundeställe ist gestern begonnen rvorde^

^ S i m m e r s f el d. Am 29: September wird die hiesige Kirche ein­geweiht werden. Die alte, aus dem 12. Jahrhundert stammende Kirche war baufällig geworden und mußte 1885 abgetragen werden. Sie genoß einiges Ansehen wegen ihres romanischen Stils, besonders wegen des be­merkenswerten Grundrisses. Eigentümlich war derselben ein schmaler, lang­gestreckter Chor, welcher mit einer über den Halbkreis gehenden Abside ab­geschlossen war und über seinem rechteckigen Teil den Turm trug. Diese Anordnung, besonders die eigenartige Ehoranlage ist für die neue Kirche beibehalten worden, die ebenfalls in romanischem Stil erbaut ist. Der Plan wurde entworfen vor» Oberbaurat Sauter in Stuttgart, unter dessen Ober­leitung der Bau auSgefühct wurde durch Bszirksbauinspektor Gekeler von Calw und Bauführer Kull. Die Anlage des geräumigen Baus (727 Sitz­plätze) ist harmonisch und schön; die äußere und innere Ausstattung stilvoll und würdig und jedermann ist erfreut über den ruhigen und edlen Gesamt­eindruck, welchen die Kirche auf den Beschauer macht. Der Bau ist auf etwas über 100.000 veranschlagt und auf Kosten der K. Finanzverwaltung, welche die Baulast an Kirche und Pfarrhaus Hat, ausgesührt. Auch die Umgebung der Kirche ist Dank der Opferwilligkeit des Staats und der Kirchengemeinde eine des Baues würdige geworden: ein älteres, neben der Kirche stehendes Gebäude wurde angekauft und abgebrochen und so um. die Kirche ein schöner, freier Platz geschaffen.

In Heilbronn, Neckarsulm und Weins b s § g beginnt den 30, Sept. die Lese des Frühgewächses, an welche sich die allgemeine Weinlese anschließen wird. Großbottwar, 22. Sept. Weinkäufe: Frühgewächs schwarz Rißling per 3 bl 158 und 150 -fL Mundels­heim, 20, Sept. Ein Kauf in Früh- (schwarz) Gewächs per 1 bl 50

realistisch. Sie glaubt nur an Das, was sie augenblicklich sieht und hört. Nein, I nein, Kamilla! Sieh der Thatsache mit offenen Augen ins Gesicht! Begehe keine I so namenlose Thorheit! Die Heirat ist immer ein Wagnis, aber eine arme Heirat ist gradezu Selbstmord! Ich warne Dich, den Schritt zu thun, den Du im Begriff bist auszuführen. Wenn Du Hickman ausschlägst und Charlton annimmst, wirst Du ein ganzes Leben lang bitterlich Deine heutige Entscheidung bereuen, denn heute mußt Du Dich noch entscheiden! Hickman versieht darin keinen Spaß. Ich hatte gestern viele Mühe, ihn zu beruhigen. Du mußt es heute wieder gut machen und doppelt liebenswürdig gegen ihn sein, ehe es zu spät ist, ihn wieder zu gewinnen."

Dies war eine geschickte Rede, um Kamilla's empfindlichsten Punkt,, ihren Stolz zu reizen, aber ihre Gedanken waren so weit weg, ihr Herz so voll Kummer, daß sie keineswegs die Härte, die in diesen Worten lag, bemerkte. Sie stand, mit dem Rücken gegen ihren Vater gekehrt, am Fenster, nach dem Wasser hinsehend, ihre Lippen krampfhaft zusammengepreßt, ihre Hände gefaltet. Seines Eindrucks gewiß, nahm Sir Prendergast, nachdem er einen flüchtigen Blick auf das erregte Gesicht seiner Tochter geworfen hatte, wieder seinen Sitz ein und Mte sich eine zweite Tasse mit Kaffee.

Kamilla stand bewegungslos wie eine Bildsäule. Ihre Augen, die so trüb und so melancholisch blickten, sahen in den frischen, herrlichen Sommermorgcn hinaus, aber die Schönheit desselben existierte nicht für sie. Die majestätischen Bäume auf den gegenüberliegenden Hügeln, die sich im Sonnenlicht von dem Hintergrund deS wolkenlosen Himmels abhoben, die so ruhig, so lärmlos vorübergleitenden Boote auf dem schimmernden Wasser, waS war ihr das Alles?

Gestern stand sie in demselben Zimmer an seiner Seite, und all die Schön­heit, all der Glanz der Natur schien sich für sie in ihm zu verkörpern. Und heute,

heute!-Mit welch anderen Gefühlen sah sie heute nach dem Fluß und dem

Himmel und den fernliegenden, umnebelten Wäldern! Der kurze Traum weniger Tage war unter der Berührung einer kalten Hand verschwunden. Eine der plötzlichen Aenderungen der Gemütsstimmung, welche oft mächtiger als irgend Etwas die wich­tigsten Fragen in dem Leben einer Frau entscheiden, bemächtigte sich Kamilla Doyne'S.

Es war der Wendepunkt ihres Lebens; der edlere Teil ihrer wirklich groß angelegten Natur, welchen zwar ihr Wessn am Wachstum gehindert und den di« Welt verhärtet hatte, machte umsonst Anstrengungen, zu siegen. Mit eigenen Händen schloß sie die Thore ihrer Seele, während diese ihre Flügel entfalten wollte, gleich einem Vogel, der weder Freiheit, noch Sonnenlicht will; in ihrem Herzen erlosch das Licht reiner treuer Liebe; es wurde kalt und öde darin.

Der Baron stand auf, legte seine Hand auf ihren Arm und zog sie an sich heran-

Kind, ich glaube nicht, daß ich jemals ein harter Vater war. Mein einziger Gedanke war jeder Zeit Dein Glück. Ich bin keiner von den Hartherzigen, Hart­köpfigen, die über die Liebe als eine Täuschung jachen, sie als eine Krankheit an- sehen, die Jeder einmal durchzumachen hat. Im Gegenteil, ich halte Liebe für das größte Glück, für eine Wunderblume, deren Duft berauscht. Ich weiß, daß sie, wenn auch oft nur auf kurze Zeit, die prosaischsten und einfachsten Dinge im Leben in einen romantischen Schimmer hüllt. Wenn eine Frau sich diese Liebe verschaffen kann, ohne eine Mißheirat oder eine sonstige Thorheit zu begehen, so werde ich zuerst sagen: Strecke Deine Hand aus und erfasse das Kleinod. Aber unglücklicherweise arrangieren sich die Dinge des wirklichen Lebens selten, wie die Lösung eines drei­bändigen Romans. Die, welche in der realen Welt leben, müssen selbst dafür sorgen, sich dauernde Vorteile zu verschaffen. Liebe ist vergänglich, das ist eine traurige Wahrheit. Sie kann einen Monat, ein Jahr, ja, selbst ein paar Jahre dauern, aber endlich weicht sie doch der Gewohnheit, ihrer größten Feindin. Der Mann geht seinen Geschäften oder seinen Liebhabereien nach, die Frau hat ihren Haushalt zu führen und ihren gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die Liebe schwindet, aber die guten oder schlechten Verhältnisse bleiben. Was wird Dir am meisten per­sönliche Befriedigung geben, Liebe oder Geld? Du mußt wählen, well Du in dem vorliegenden Fall nicht Beides zu gleicher Zell haben kannst. Mein Kind, das Du im Luxus erzogen wurdest, wie willst Du Armut und Elend ertragen? Du wurdest als Königin der Gesellschaft geboren, Du kannst unmöglich zur Sklavin werden!"

(Fortsetzung folgt.)