366
Hcrges-Weuigkeiten.
Calw, 24. Juli. Dem heutigen Mehmarkt waren zugeführt 791 Stück Rindvieh, 62 Pferde. Die anfänglich verlangten Preise gingen zum Schluffe des Marktes um 20—30 zurück, hielten sich, übrigens trotz der starken Zufuhr bei lebhaftem Handel auf bedeutender Höhe. Auch auf dem Schweinemarkt war der Handel belebt und wurden Milchschweine mit dem Preisaufschlag bis zu 30—38 pr. Paar verkauft.
— Am Sonntag, den 25. August, wird von Stuttgart über Calw—Pforzheim nach Wildbad und von da wieder zurück ein Sonderzug ausgeführt, welcher von Stuttgart
6.s« früh,
8,so in Calw,
8, s« in Liebenzell,
9. N in Neuenbürg abgeht und 10,o2 vorm, in Wildbad eintrifft,
Derselbe geht 7,«> abends von dort zurück und trifft 10,s? nachts in Stuttgart ein.
Zu diesem Sonderzug werden in Stuttgart, Zuffenhausen und Leon- berg Fahrkarten ausgegeben nach Calw, Liebenzell, Neuenbürg und Wilobad.
Die Fahrpreise betragen für die Hm- und Rückfahrt:
2 .
M.
Von Stuttgart nach Calw 3 00 2 00
Liebenzell 3 40 2 20
Neuenbürg 4 70 3 00
Wildbad 5 30 3 40
Von Zuffenhausen nach Calw 2 60 1 70
Liebenzell 3 10 2 00
Neuenbürg 4 30 2 80
Wildbad 5 00 3 20
Von Leonberg nach Calw 1 90 1 20
Lrebenzell 2 30 1 50
Neuenbürg 3 50 2 30
Wildbad 4 20 2 70
Die für die Sonderzüge bei den oben bezeichneten Stationen zu den beigesetzten Preisen gelösten Fahrkarten gelten zur Rückfahrt auch in fahrplanmäßigen Personenzügen — in Schnellzügen gegen Zukauf von Ergänz- ungs- bezw. Zuschlagskarten — je innerhalb 8 Tagen.
Schluß der Fahrkarten-Ausgabe je am Tag vor Ausführung der Sonderzüge mittags 12 Uhr wird Vorbehalten.
Winterlingen, 20. Juli. Der Hagelschaden in unserer Gemeinde ist durch eine staatliche Kommission abgeschätzt worden und es hat sich ergeben, daß von zwei Drittel der Markung drei Zehntel, dem weiteren Drittel fünf Zehntel verhagelt sind. Im Verhältnis zur Größe der Markung sind 38"/» der angebauten Ackerfläche — 345 bs total verhagelt; nimmt man 300 Ertragswert für den ka in Rechnung, so beträgt die Summe des Schadens 103,500 was um so stärker wirkt, als Winterlingen 1881 ebenfalls
total verhagelt wurde. Seitens des K. Ministerums des Innern sind maßregeln getroffen, um später eventuel durch öffentliche Arbeiten einen Notstand hintanzuhalten.
Heidenheim, 21. Juli. Heute sollte der Obergefreite Michael gebürtig von Groß-Bärenwetler, Gemeinde Schmalfelden, OA. Gerabronn, von der 4. Batterie des Feldartillerieregiments in Ulm, der wegen unerlaubter Entfernung steckbrieflich verfolgt ist und in Sontheim aufgegriffen wurde, wo er mit einem Mädchen Bekanntschaft hatte, hieher transportiert werden. Ganz in der Nähe der Stadt riß er aus. Der ihn eskortierende Landjäger eilte ihm nach; als aber der Verfolgte auf die wiederholten Haltrufe nicht
hörte, so war der Landjäger genötigt von seiner Waffe Gebrauch zu machen, schoß nach" dem Flüchtling und traf ihn in den Rücken. Die Kugel fuhr durch den Rücken und kam zwischen der 6. und 7. Rippe wieder heraus. Der Verletzte lebt noch und wurde ins Bezirkskrankenhaus verbracht.
Ehingen, 20. Juli. Heute nacht wurde ein Einbruch in die Stif« tungspflegekaffe versucht. Der Einbrecher öffnete gewaltsam einen Fensterladen, stieg durch das Fenster in die im ersten Stocke befindliche Kanzlei und zündete dort Licht an. Dann erbrach der Dieb ein Pult und durchstöberte die Kanzlei nach Geld. Außer der Portokaffe de« Gehilfen mit 22 ^ an Geld und Postwertzeichen erbeutete der Dieb noch 46 separate Krankengelder der Bezirkskrankenkaffe. Außerdem wurden sämtliche Schlüssel, die in der Kanzlei hingen, welche einzelne Gelaffe im Spital (Registratur, Irren« zellen, Arreste) öffnen, mitgenommen. Zu dem Kaffenvorrate der StistungS- pflege mit 3200 konnte der Einbrecher nicht gelangen. Die Untersuchung ist im Gange.
Frankfurt a. M., 19. Juli. Apfelwein. Export. In den letzten Tagen gingen sowohl per Bahn wie per Schiff bedeutende Sendungen von hier erzeugtem Apfelwein nach England. Der Export von Apfelwein soll seit dem letzten Jahr um das Doppelte zugenommen haben.
Aus Kurhessen, 16. Juli. Zeuge eines grausigen Ereignisses war dieser Tage der Führer einer Lokomotive in der Nähe von Bebra. Al« derselbe mit feiner Maschine von Hönebach heruntersuhr, kam aus einem anstoßenden Kornfeld eine Frau gesprungen. Sowohl der Maschinenführer, der den Vorgang bemerkte, wie eine Tochter der Frau, welche ihr nachsprang und sie am Rocke festzuhalten versuchte, vermochten nicht, das Unglück abzuhalten. Das junge Mädchen mußte sehen, wie ihre Mutter, die sich auf die Eisenbahnschienen warf, von den Rädern zermalmt wurde. Die unglückliche Frau soll in momentanem Irrsinn gehandelt haben.
Hildesheim, 18. Juli. Der Postgehülfe Helmke aus Hannover versuchte heute früh auf dem Galgcnberge bei unserer Stadt sich und seine Braut zu erschießen. Das junge Mädchen, eine 20jährige Schneiderin, starb alsbald. Helmke selbst ist schwer verletzt; er verweigert über die Beweggründe zu der unseligen Thal jede Auskunft. Als der Schuß ihn nicht sofort lötete, suchte er durch Erhängen zum Ziele zu kommen, doch scheint auch dies fehlgeschlagen zu sein, darauf hat er durch Rufen und Wehen mit dem Taschentuch in der Nähe befindliche Personen herbeigezogen.
Mostausfuhr.
Unter dieser Ueberschrift enthält „Der Obstbau", Organ des württem- bergischen Obstbauvereins, aus der Feder der Redaktion der genannten Zeitschrift den nachfolgenden Artikel.
„Daß der Obstmost das Nationalgetränk von uns Schwaben ist, ist aller Welt bekannt und mit Spannung versuchen in der Regel die Nichtschwaben den ersten Schluck Most, — um dann häufig enttäuscht und mit saurem Gesicht das Glas niederzusetzen. Es ist in der That gar nicht zu leugnen, daß man in Württemberg und Hohenzollern in den Wirtschaften manchmal schlechten Most vorgesetzt bekommt. Fragen wir nach den Ursachen, so sind solche hauptsächlich zu suchen in zu frühem Abnehmen des noch nicht völlig ausgereiften Obstes, Unreinlichkeit auf der Mosterei, schlechter oder gar keiner Kellerpflege und damit unvollkommener und gestörter Gärung. Und doch geht nichts über einen guten Obstmost und kein anderes Getränk wäre geeigneter, nicht blos das schwäbische, sondern auch das deutsche Nationalgetränk zu werden, als der „Apfel- und Birnenwein." Die Norddeutschen haben ganz Recht, wenn sie unfern „Moscht" als „Obstwein" getauft haben: ein richtiger Most ist angenehmer und gesünder als so manches, was man unter dem Namen Traubenwein zu trinken sich gewöhnt hat, und verdient viel eher den Ehrennamen des Weine».
alterieren zu lassen. Ich bitte Dich innig, liebe Mutter, Dir seinetwegen keine Sorge I zu machen; er wird den Vater reumütig um Verzeihung bitten und nach kurzer Zeit I ist Alles vergessen."
Ein schmerzlicher Seufzer entbebte ihrer Brust. Sie richtete sich plötzlich mit gewaltsamer Anstregung empor und umklammerte das Handgelenk ihres Sohnes.
„Treuhold, Du mußt sofort zu ihm und mir Nachricht von ihm geben!" stieß sie angstvoll aus.
„Gern will ich das thun. Meine Zeit ist ohnedies zu Ende. Ich muß in wenigen Stunden abreisen. Darf ich ohne Sorge von Dir gehen, theure Mutter?"
Die Kranke machte eine ungeduldige Bewegung.
„Du mußt sogleich, ohne Aufenthalt aufbrechen und mir heute noch Nachricht senden. Willst Du mir das versprechen?"
„Von Herzen gern, geliebte Mutter —"
Er wollte noch Etwas hinzufügen, aber schon war die Gräfin mit geschloffenen Augen in die Kissen zurückgesunken. Da wurde die Thür geräuschlos geöffnet und Graf Eberhard schaute mit aschfahlem, verstörtem Gesicht herein. Erschreckt blickte Treuhold auf; der Graf winkte ihm mit einer hastigen Handbewegung. Noch einen leisen Kuß drückte Treuhold auf die wachsbleiche Hand der Mutter, dann schlich er hastig auf den Fußspitzen hinaus.
„Um Gottes willen, Vater, was ist geschehen?" stammelte er draußen, jäh bestürzt über den Anblick des Vaters.
Graf Eberhard deutete stumm auf die Zeitung, die er Treuhold mit zitternder Hand entgegenstreckte. Unter .Militaria' befand sich folgender PafluS:
„Der Premierlieutenant Graf Bruno von Wendhausen hat sein Abschiedsgesuch «ingereicht, und ist ihm bis zur definitiven Gewährung desselben Urlaub bewilligt, da er schon in dm nächsten Tagm eine längere Reise nach dem Ausland« anzutreten beabsichtigt."
Erbleichend ließ Treuhold das Blatt sinken.
„Was bedeutet das, Vater? Wußtest Du Nichts davon?"
Der Graf war, das Gesicht mit beiden Hände bedeckt, gebrochen auf einen Stuhl gesunken.
„Wie konnte ich ahnen, daß er sich meinen Zorn so sehr zu Herzen nehmen würde," murmelte er mit zuckenden Lippen. „O, Bruno, Bruno!"
Treuhold blickte starr auf das Blatt.
„Ich fasse, ich verstehe es nicht," murmelte er, „ein solcher verzweifelter Entschluß sieht ihm so unähnlich!"
Graf Eberhard richtete sich wieder auf und legte schwer seine Hand auf die Schulter seines SohneS.
„Du mußt sofort abreisen, Treuhold," sagte er tonlos, „sage ihm, daß ich an seine ernste Reue glaube und ihm Alles verzeihe, wenn er nur ohne Verzug zu mir zurückkommen will."
Eine Viertelstunde später rollte die gräfliche Equipage mit Treuhold in 'sausender Schnelligkeit nach der Bahnstation. Aber schon am andern Tag war der junge Graf wieder in Wmdhausm.
„Ich habe ihn nicht mehr getroffen!" war Alles, was er über seine zuckenden Lippen brachte, als er unmittelbar nach seiner Ankunft in das Zimmer seines Vaters schwankte. Dann zog er aus seiner Brufltasche ein dickes, versiegeltes Kouvert, welche« von Bmno's Hand an dm Grafen Eberhard adressiert war, und reichte es demselben hin.
„Ich fand es auf meinem Schreibtisch," sagte er und verbarg aufschluchzend sein Gesicht mit beiden Händen.
Graf Eberhard hatte den Umschlag mit zitternden Fingern geöffnet und starrte nun wie entgeistert auf das hervorgezogme Schriftstück. Dann fielen seine Arme schlaff am Körper nieder, sein Kopf senkte sich tief auf di« Brust. So verharrte er lange Zeit, nur seine schweren Atemzüge warm hörbar. Endlich hob er das Haupt wieder empor.
„Treuhold!"
Der Angerufene schreckte auf.
(Fortsetzung folgt.)