362

Deutsches Reich.

Berlin, 19. Juli, lieber die Reiseerlebnisse des Kaisers am 10. d. M. und den folgenden Tagen liegt imReichs-Anz." Bericht vor: Der Kaiser erschien am Mittwoch, 10. Juli, morgens gegen 7»/^ Uhr, auf Deck, begab sich gegen 9 Uhr zum Fischfang von Bord und kehrte gegen 1 Uhr, mit den ersten Resultaten auf dieser Reise, an Bord zurück. Am Nachmittag um 2 Uhr fuhr der Kaiser mit dem ganzen Gefolge ans Land, bestieg die bereit gehaltenen Kariols und langte gegen 4 Uhr in Stahlheim am Ende des Naeröthals an. Nach Einnahme einiger Erfrisch­ungen begab sich der Monarch, von den anwesenden Fremden und Eingeborenen überall ehrfurchtsvoll begrüßt, zu Fuß über den Berg hinab und bestieg wieder das Kariol. Um 6 V 2 Uhr kehrte der Kaiser sehr befriedigt von dem Ausfluge auf die kaiserliche Dacht zurück. Beim Passieren eines aus Leith eingetroffenen englischen Dampfers brachten die Passagiere dem Kaiser drei Hurrahs, welche das Echo vieliach wiedergab. Demnächst befahl der Kaiser die Weiterfahrt nach Lärdalsoeren, wo die Dachl um 9 Uhr abends vor Anker ging. Am folgenden Tage erschien der Kaiser gegen 8 Uhr morgens tm besten Wallisern auf Deck. Regnerisches Wetter, welches indessen gegen Mittag sich ousklärte, schloß ein an Anlandgehen aus. Der Kaiser arbeitete allein, ließ sich Vorträge halten und setzte die Erledigung der Tags vorher empfangenen Post fort. Bei der Mittagstafel trank der Kaiser auf das Wohl des Prinzessin Heinrich von Preußen, zu deren Geburtstag auf Befehl des Kaisers Toppflaggen gesetzt waren. Gegen 2 Uhr nachmittags lichtete die Dacht Anker und dampfte in den Gaupen.Fjord bis Marisjaeren. Als dort nur auf eine Schiffslänge vom Lande erst Ankergrund gefunden wurde, befahl der Kaiser die Weiter fahrt in den Fjaerlands'Fjord, wo gegen 9 Uhr bei schönstem, aber kühlem Wetter angesichts der Gletscher des Justedal ge­ankert wurde. Am 12. Juli begab sich der Kaiser in Begleitung von vier Herren gegen 9Vr Uhr morgens an Land und fuhr in Civilkleidung mittels Kariol nach dem etwa 5/4 Stunden entfernten großartigen Gletscher Suphelle, einem Teil des Justedals. Das Gefolge war eine halbe Stunde früher aufgebrochen und hatte sich in zwei Stunden zu Fuß dahin begeben. Nach mehrstündiger Lagerung am Fuße des Gletschers, sowie nach Einnahme des Frühstückes kehrten der Kaiser und das Gefolge auf demselben Wege zurück und schafften sich gegen 3'/r Uhr an Bord wieder ein. Die Dacht trat gegen 4 Uhr die Reise nach Molde an. Um 5 Uhr ließ der Kaiser zum Klar Schiff anschlagen und stellte, nachdem die Dacht klar zum Gefecht war, dem Kommandanten, Kapitän zur See v. Arnim, verschiedene Aufgaben. Kurz vor 6 Uhr hatte die Hebung ihr Ende erreicht. S. M. AvisoGreif" brachte, von Bergen kommend, um 7 Uhr abends die Post an Bord, deren Erledigung der Kaiser alsbald in Angriff nahm. Am 13. Juli kam der Kaiser gegen 8 V 2 Uhr morgens in bestem Wohlsein und bei schönstem Wetter an Deck. li,ß sich nach dem Frühstück Vorträge halten und arbeitete allein. Um 11 Vs Uhr ankerte die Dachl vor Molde. Der Kaiser verblieb an Bord, während einige Herren des Gefolges eine Besichtigung der Stadt Vornahmen. Nachdem um 5 Uhr nachmittags der Postdawpfer von Trondjem eingekommen war und der Courier die Post an Bord gebracht hatte, befahl der Kaiser die Weiterfahrt nach Trondjem.

Karlsruhe. 17. Juli. Ueber das Befinden des Erbgroßherzogs meldet dieKarlsr. Ztg.": Der Krankheitsverlauf war bezüglich der Fieber­höhe gestern und vorgestern einigen Schwankungen unterworfen. Gestern nachmittag stieg die Temperatur wieder ohne irgend welche neue Erscheinungen. Darauf folgte eine gute Nacht mit mehr Schlaf, da der Husten weniger störend war. Der Auswurs löst sich mehr und die Entzündung ist vermindert. Heute früh war die Temperatur geringer, die Respiration wie bisher frei. Die emsige Beschwerde ist der Hustenreiz._

Hages-Weuigkeiten.

* Calw, 22. Juli. Gestern nachm, veranstaltete der Instrumental­

verein von Pforzheim, unterstützt vom Sängerchor de« hiesigen Liederkranzes, ein K 0 nzert im Badischen Hof. Wegen des ein­tretenden Regens war leider ein Verbleib im Garten nicht möglich und mußten die Aufführungen daher im Saale stattfinden. Die Leistungen des Vereins der aus Dilletanten besteht und sich der Pflege der Instrumentalmusik aufs eifrigste hingiebt, waren vorzüglich und wurden auch mit ungeteiltem Beifall aufaenommen; wir erinnern nur an den Hohenzollernmarsch und an die trefflich vorgetragene Zarnpa.Ouvertüre. Der Liedeikranz sang mehrere Chöre, darunter das Frühlingslied von Gartz, Waldabendschein von Schmölzer und Zu Stroßburg auf der Schanz von Silcher recht wirkungsvoll und fand allgemeine Anerkennung. Die eingeladenen Mitglieder der hiesigen Vereine, Abendgesellschaft und Liederkranz, hatten sich sehr zahlreich eingefunden, so daß jeder Platz besetzt war.

* Heute Sonntag wurde in Deckenpfronn das VI. Sänger­fest des westl. Gäusängerbundes abgehalten, Festplatz war der in der Mitte des Orts schön gelegene Pfarrgarten. In dem teilweise festlich bekränzten Orte zogen gegen Mittag die einzelnen Vereine ein und bezogen ihre Quartiere. Nach znölf Uhr war Sammlung vor dem Kirchplotz, wo Probe der Gesawtcköre gehalten wurde; hierauf erfolgte die Ausstellung und Umzug durch das Dorf zur Feststätte, woselbst sich sämtliche Sänger um die zweckmäßig erbaute Tribüne scharten und die Feflteilnehmer durch den Vortrag des Knecht'schen Chorals begrüßten: Kommt, kommt, den Herrn zu preisen, welcher seine Wirkung nicht verfehlte. Die Festrede hielt Hr. Stark in St., worauf die Einzelvorträge der Vereine begannen, welche im ganzen tresflrche Leistungen waren und große Fortschritte bekundeten. Die Aufrecht« Haltung der Ordnung ließ mancherlei zu wünschen übrig und ist jedenfalls das sehr zu rügen, daß in die Vorträge der einzelnen Vereine die weibliche Jugend ihre gellen Töne erklingen ließ und wären diese Gassenhauer an einem andern Orte besser angebracht gewesen. Jeder Festort sollte sich Mött- lingen zum Muster nehmen. Auch die Blcckierung des Innern der Tribüne durch berufene oder unberufene Personen wirkte sehr störend auf die einzelnen Vorträge ein und war deren Gesammteindruck immer ein abgeschwächter. Es sollte eine derartige Ausstellung in Zukunft unterlassen werden. Haupt­sächlich sollten auch mehr Volkslieder zum Vortrag kommen, denn die ländlichen Sängerfeste sollen doch zunächst diesem Zwecke dienen und nicht einzig und allein Kunstgesang pflegen und zeigen zu wollen. Em solches Thun läßt die Festteilnehmer kalt und andere Gesänge greifen Platz, was ja zum mindesten zu verhüten ist. Den Schluß bildete eine Ansprache des Vorstandes. Ausgefallen war, daß darin Personen gedacht wurde, die mit dem Bunde in keinerlei Fühlung waren und ein Mann, wie Schullehrer Heinz, der mit dem Bunde in langer Berührung stand, totgeschwiegen blieb. Dos eine thun und das andere nicht lassen, ist auch hier goldene Regel. Das Wetter blieb den Nachmittag über gur, gegen obend stellte sich Regenwetter ein.

Stuttgart, 19. Juli. Heute mittag um 4 Uhr fand die feierliche Eröffnung des neuen Stuttgarter Schwimmbads statt. Ter Zu­gang von der Böchsenstroße war mit Fahnen geschmückt. Um 4 Uhr trafen J.J. K.K. Hoh. Prinz und Prinzessin W> lhelm ern. Außerdem halten sich eingefunden Staat-minister v. Schmid, Dir. v. Rüdinger, Bür­gerausschußobmann Sckiedmayer, Mitglieder der bürgerlichen Kollegien, sowie des Knchengemeinderors, Geh. Hosrat Dr. v. Jobst, L.Abg. Kommerz. Rat Stälin u. s. w. Die Feier er öffnete die Kapelle des Feldart.-Reg. Nr. 29 mitDie Himmel rühmen" von Beethoven. Sodann ergriff Hr. Leo Vetter, der Vorsitzende des AufsichtsralS. das Wort zu einer Be­grüßung. Er erinnerte zunächst an das Regierungsjubiläum, zu dessen Fest­lichkeiten die heutige Feier eine weitere onsügen sollte. Sodann führte er die Geschichte der Entstehung, die Notwendigkeit und Nützlichkeit des neuen Bades eingehend aus und empfahl es mit warmen Worten des Dankes an alle, die sich um das Gesingen des Werkes bemüht hatten, dem Publikum zur eifrigen Benützung. Er schieß mit einem von den Anwesenden begeistert

tiefsten Melancholie und ihr Gatte litt namenlose Sorge um sie. Sie war der Odem seines Lebens, sein Alles geworden, und rhm bangte davor, daß er, nachdem er kaum den Gipfel des Glückes erklommen, jählings hinabgestürzt werden könne von der höchsten Seligkeit in die tiefste Oede. Pauline zu verlieren, bedeutete für ihn den Tod seines Daseins; sein Herz hing an ihr mit aller leidenschaftlichen Glut, derer es fähig war. So gab er in Allem ihren leisesten Wünschen nach und so auch kam «s, daß das zweite Jahr ihrer Ehe zu Ende ging und sie noch in Italien weilten. Da erhielten sie plötzlich die .jäh erschreckende Nachricht, daß Graf Kuno an einem Herzschlrg gestorben sei. Beschleunigt wurde jetzt die Heimreise ins Werk gesetzt. Eberhard bewunderte im Stillen die ruhige Fassung, mit welcher seine sonst so weich­herzige Gattin die Kunde von dem Tode ihres Vaters entgegeunahm und nach ihrer endlichen Ankunft in Wendhausen trockenes Auges an seinem Sarge stand. Auch gegen ihren Bruder war sie seltsam kühl, fast fremd, ganz entgegen ihrer früheren, innigen Anhänglichkeit an denselben.

Er hat mir einmal im tiefsten Herzen wehe gethan und das kann ich ihm nicht vergessen," sagte sie zu ihrem Gemahl auf seine Frage nach der Ursache ihrer Kälte gegen Karl.

Der Lieutenant reiste am folgenden Tag nach der Beisetzung des Majorats- h-rrn wieder von Wendhausen ab, wohin er auch im Laufe der folgenden Jahre nur bei Anlässen unumgänglicher Notwendigkeit kam.

Graf Eberhard war der glückseligste Gatte und Vater. Pauline blieb nicht unempfindlich gegen seine tiefe Liebe; im Laufe der Jahre vernarbte die Wunde der Vergangenheit allmählich in ihrem Herzen und machte einer warmen, mit inniger Dankbarkeft gemischten Neigung für ihren Gatten Platz. Der kleine Bruno war der bevorzugte Liebling seines Vaters und blieb es auch, als die Gräfin ihren Gatten im fünften Jahre ihrer Ehe abermals mit einem Knaben beschenkte. Wohl hegte Eberhard auch für den kleinen Treuholo eine volle, väterliche Liebe, aber der älteste Sohn nahm doch den ersten Platz in seinem Herzen ein. Die beiden Knaben wuchsen zur Freud« ihrer Eltern prächtig empor. Bruno wurde ein fröhlicher,- lebhafter Jüngling, der mit seinem heißeren Temperament die Gunst eines jeden zu erobern

wußte. Treuhold cntw ckelte sich zu einem ensten, lernbegierigen Knaben, dem von Jedermann eine bedeutende Zukunft prophezeit wurde.

Reines, ungetrübtes Familienglück herrschte in Wendhausen und Gräfin Pauline lud endlich selbst mit einigen herzlichen Zeilen ihrcn Bruder ein, sie noch langen Jahren der Trennung wieder einmal wie in früheren Zetten in der Heimat zu be­suchen, Karl von Bronnen kam nur zu gern, und keiner von Ihnen berührte die Vergangenheit mit einer Silbe. Noch diesem eisten Besuch ward er aus Wendhausen bald wieder wie einst ein gern gesehener Gast. Seinen ältesten Neffen betrachtete er stets mit heimlicher Scheu, aber gegen Treuhold zeigte der sonst so straffe Soldat eine ungewöhnliche Weichheit. Ter stille, ernste Knabe schloß sich dem Oheim an und wurde sein ausgesprochener Liebling.

Wiederholt im Laufe der Jahre hatte die Gräfin ihren Gemahl zu bewegen gesucht, das Majorat aufzulösen, und als Bruno größer nurde, schloß er sich mit feurigem Eifer den Bitten seine r Mutter an. Er war ein warmherziger, uneigen­nütziger Jüngling und würde das reiche Erbe vom Herzen gern mit dem zärtlich geliebten Bruder geteilt haben. Doch so nachgiebig Graf Eberhard sich sonst allen Wünschen seiner Gemahlin gegenüber zeigte, hierin setzte er ihr einen entschiedenen Widerstand entgegen. Die Traditionen seiner Vorfahren wollte er in Ehren halten und heimlich gestand er cs sich zu - er vermochte seinem Liebling, seinem Bruno, auch nicht das Erbe zu schmälern. Trcuhold war run einmal ein zweitgeborner Sohn und diese halten von je her gegen die älteren Brüder zurückftehen müssen. Auch fiel ja sein sehr bedeutendes Allodialvermögcn an Treuhold. Die Gräfin sah schließlich ein, daß alle ihre Bitten vergeblich waren, und ergab sich mit schwerem Herzen in das nicht zu ändernde Faktum, daß der Sohn ihrer geheimen ersten Ehe künftiger Majoratsherr werden sollte, während doch in Wirklichkeit Treuhold allein dazu berechtigt war. Es waltete dadurch ein Zwiespalt in ihrem Herzen, dessen Stachel die Jahre nicht daraus entfernen konnten. Die Schuld, welche sie durch die Verheimlichung ihrer ersten Ehe auf sich geladen, konnte ja Nichts, Nichts tilgen....

(Fortsetzung folgt.)