Aro. 86.
64. Jahrgang.
Amts- unä Intekkigenzbkatt für äen Kezir^.
Erscheint Ptenst««, Io»««»t«g L S««rtag.
Tie -NnrückungSgebühr seträgt 9 ^ p. Zeile im Bezirk, sonst 12
SbonnementSpreis halbjährlich 1 80 durch
üte Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst m
qonz Württemberg 2 70
Arnlliche WekcrrrrrLrrrcrcHurrgen.
An die Stistnngsrathe.
Unter Bezugnahme auf die Verfügung der K. Ministerien des Innern und des Kirchen, und Schulwesens, betreffend die Ausscheidung des Kirchen, gemeindevermögens in den evangelischen Kirchenqemeinden, vom 10. Juli 1889 — Staatsanzeiqer Nr. 164 —, und auf die Ministerialoersügung zum Voll- zug der die Ausscheidung des Kirchengemeindevermögens ordnenden Art. 30—49 de« Gesetzes vom 14. Juni 1887. betreffend die Vertretung der der evangelischen Kirchenzemsinden und die Verwaltung ihrer Vermögens, angelegenheiten, vom 25. März 1889, 1 flg. (Regierungsblatt Seite 65)
gehen den Stiftungsräthen die gemäß dem Erlaß der K. Ministerien des Innern und des Kirchen- und Schulwesens vom 19. November 1887, Ziffer l und der Anlage ^ desselben (Amtsblatt des K. Ministeriums des Innern Nr. 32 und Amtsblatt des K. evangel. Konsistoriums uns der Synode Nr. 421) gefertigten, ergänzten und berichtigten Darstellungen zum Zweck der weiteren Behandlung zu. Hienach haben die Stiftungsrälhe die Darstellungen sofort unter Vergleichung mit den Akten der Stiftungsvsrwaltung einer genauen Prüfung zu unterziehen und sich darüber zu erklären, ob sie richtig und voll, ständig erfunden worden seien. Wenn sie zu beanstanden gefunden werden, sind die ergänzenden, bezw. berichtigenden Angaben beizufügen.
Auf Grund der anerkannten und nötigenfalls vervollständigten und be. richtigen Darstellungen haben die Stiftungsrälhe nach Maßgabe der Art. 30—49 des Gesetzes vom 14. Juni 1887 die Vorschläge über die Ausscheid» ung der Stiftungen und die Auseinandersetzung in Betreff des Stiftung«. Vermögens zu machen und nebst den Darstellungen dem gemeinschaftlichen Oberamt vorzuleqen.
Befinden sich ausnahmsweise in einer Gemeinde theilS für kirchliche, theils für andere Zwecke bestimmte Stiftungen, welche in der Verwaltung der Ortsarmenbehörde stehen, (Art. 31 Abs. 1 und 2), so ist e« Obliegen, heit der Ortsarmenbehörde, diese Stiftungen zu beschreiben und nach Art. 31 Abs. 1 und 2 die entsprechenden Vorschläge zu machen. Die Stiftung«- räthe werden deshalb beauftragt, wenn Fälle dieser Art vorliegen, die Orts, armenbehörden zur Fertigung einer Beschreibung der fraglichen, in ihrer Ver» waltung stehenden theilweise kirchlichen Stiftungen und Stellung der bezüg. lichen Anträge zu veranlassen und sodann diese Aeußrrungen der Ortsarmen, behörden mit denjenigen der Stiftungsräthe selbst dem gemeinschaftlichen Oberamt vorzulegen.
Die Vorschläge der Stiftungsräthe, welche, wie diejenigen der Orts
armenbehörden, nach gutächtlicher Vernehmung der Bürgerausschüffe zu machen sind, erfolgen, anschließend an die Rubriken der erwähnten Beilage ä, in der Ordnung der §§ 2—13 der Ministerialverfügung vom 25. März 1889 (Reg.-Bl. S. 67—75).
Ealw. den 19. Juli 1889. K. gem. Oberamt.
Supper. Br au«.
Au die Kezirksangehörigen.
Die schweren Hagel- und Ueberschwemmungsschäden, von welchen ver» schiedene Gegenden unseres Landes betroffen wurden, veranlassen uns, für -ie Armen und Hilfsbedürftigen unter den Beschädigten um baldige Zuwendung von Geldgaben zu bitten, welche nach dem Grad der Bedürftigkeit zur Vertheilung gebracht werden sollen.
Calw, 20. Juli 1889. Oberamtmann Dekan
Supper. Braun.
Calw.
Bekanntmachung
betreffend die Gerichtsferien.
Die Gerichtsferien haben am 15. Juli begonnen und endigen am 15. September. Während derselben werden nur in Feriensachen Termine abgehalten und Entscheidungen erlaffen:
Feriensachen sind:
1) Strafsachen;
2) Arrestsachen und die eine einstweilige Verfügung betreffenden Sachen;
3) Meß- und Marktsachen;
4) Streitigkeiten zwischen Permietern und Mietern von WohnungS» und anderen Räumen wegen Ueberlassung, Benützung und Räumung derselben, sowie wegen Zurückhaltung der vom Mieter in die Mets- räume eingebrachten Sachen;
5) Wechselsachen;
6) Bausachen, wenn über Fortsetzung eines angefangenen Baues ge. stritten wird.
Das Gericht kann aus Antrag auch andere Sachen, soweit sie besonderer Beschleunigung bedürfen, als Feriensachen bezeichnen.
Auf das Mahnverfahren, das Zwanqsvollstreckungsverfahren und da« Konkursverfahren find die Ferien ohne Einfluß. (Reichsger.-Verf.-Gesetz § 201, 202. 204).
Calw, den 22. Juli 1889. K. Amtsgericht.
Oberamtsrichter Frommann.
Jeuilleton.
Nachdruck »»baten.
MU.
Der: MajornLseröe.
Roman von L. Dohrmann.
(Fortsetzung.)
„Was willst Du?" antwortete er achselzuckend. „Niemand wird an den ehrlichen Namen Deines Kindes glauben. Niemand weiß um Deine Ehe mit Pahlau. Du würdest Dich schmählich kompromittieren, wenn Du jetzt nach seinem Tode mit Ansprüchen an seinen Namen vor die Welt treten wolltest. Dem Duell würde ein ganz anderer Grund untergelegt werden und Jedermann würde über Dich die Achseln zucken. Du und Dein Kind, Ihr würdet Ausgestoßene der Gesellschaft sein und Deine Ehre wäre für alle Zecken verloren. Die einzige Rettung vor der Schmach ist Deine Vermählung mit Eberhard, so lange noch kein Mensch die Wahrheit weiß!"
Mit geisterhaftem Gesicht hatte Pauline ihm zugehört. Jetzt stürzte sie mit einem herzzerreißenden Wehschrei vor dem Vater auf die Knie.
„Ich kann es nicht! ich kann es nicht!" rief sie. „Gnade, Gnade, Vater!"
„Dann kann ich Dich vor der Verachtung der Welt nicht retten!"
Mit grausamer Härte kämm diese Worte aus seinem Munde.
Pauline richtete sich ächzend auf.
„Gieb mir Zeit bis morgen zum Ueberlegen," sagte sie tonlos.
Er nickte stumm und ließ sie allein.
Am andern Tage ließ Pauline dem Vater sagen, daß sie sich wohl genug fühle, Eberhard zu empfangen. Ein Strahl des Triumphes blitzte in Graf Kuno's Augen auf; er hatte diese Antwort erwartet. Auch Eberhard sprang bei der Botschaft der Kousine freudig erregt auf und ging in Begleüung des Oheims nach dem Salon, wo Pauline ihrer harrte. Graf Kuno erstaunte freudig überrascht, als er das frische, rosige Aussehen bemerkte, mit dem die junge Frau dem Vetter entgegentrat. Die arme Pauline hatte zunr ersten Mal in ihrem Leben zu künstlichen Toilettemitteln gegriffen und der Geschicklichkeit ihrer Zofe war es außerordentlich gut gelungen, die
geisterhafte Bläffe, die dunklen Schattenränder um die Augen ihrer Herrin zu verbergen. Künstlich waren die blühenden Rosen auf ihren Wangen und mit bitterster Qual im Herzen zwang sie ein Lächeln auf ihre Lippen. Aber Eberhard bemerkte das nicht; er sah nur ihre unsägliche Schönheit und mit Entzücken hingen seine Augm an ihrer holdseligen Gestatt, die bei Weitem das Bild übertraf, welches er sich von ihr vorgematt hatte. Das Blut schoß ihm siedendheiß in die Stirn und ein leidenschaftliches Sehnen erwachte in seinem Herzen bei dem Anblick. Der Gedanke, daß abermals eine Trennung von ihr ihm bevorstand, weck sie, wie Graf Kuno chm gesagt hatte, ihrer erschütterten Gesundheck wegen für längere Zeck nach dem Süden gehen sollte, ließ ihn alle Selbstbeherrschung verlieren. Er sagte ihr leidenschaftliche, glühende Liebesworte, und als er sie nach einer halben Stunde auf ihre Bitte verließ, war er ein glückseliger Bräutigam. Welche Ueberwindung diese Stunde Paulmc gekostet hatte, welche namenlose Qual sie gelitten unter dem Zwang, seine leidenschaftdurchwehten Zärtlichketten zu dulden, davon gab die tiefe Ohnmacht Zeugnis, welche sich erbarmungsvoll auf ihre Sinne legte, nachdem Eberhard kaum das Zimmer verlassen hatte.
Es wurde verabredet, daß ihre Vermählung schon in den nächsten Tagen vollzogen werden sollte, damit Eberhard sie auf ihrer Reise, an die Pauline sich mit der Angst der Verzweiflung klammerte, begleiten konnte. Sie gab zu Allem ihre Zustimmung, was ihr Verlobter in Betreff ihrer Vermählung verfügte. Fort, nur erst fort von hier, war ihr einziger Gedanke. Sie glaubte, ersticken zu müssen in der Luft von Wendhausen, in der Nähe ihres Vaters.
Acht Tage später befand das junge Paar sich auf der Hochzeitsreise nach Italien . . .
Pauline's Gesundheck kräftigte sich in der Lust des Südens in erfreulicher Weise. Die Heimreise wurde immer und immer wieder verschoben. Nach Verlaus des Winters genas die junge Frau eitles kräftigen Knaben und in überschwänglicher Freude preßte Eberhard den erstgeborenen Sohn an sein Herz. Er drängte nun sanft zur Rückkehr in die Heimat; es trieb ihn, aller Wett sein unsägliches Glück zu zeigen. Aber Pauline hatte nach der Geburt ihre- Knaben wochenlang Anfälle der