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zucht ein sehr nachteiliges gewesen ist, daß dasselbe wenige Schwärme und wenig Honig brachte; wer im Herbst vorigen Jahres nicht gefüttert hatte, mußte dieses Frühjahr am Bienenstand trauernd stehen, gleichsam wie am Grabe seiner Habe. Im Bezirk gingen etwa V« der eingewinterten Bienen verloren. Da« Jahr 1889 betreffend wurde festgestellt, daß es bis jetzt gleichfalls nicht günstig aussieht, da e« nur einige Flugtage gab. Vereinssekretär Schullehrer Killinger von Kuchen trug sodann den Rechenschaftsbericht vor, wobei u. a. ein Kassenbestand von 60 sich ergab. Bei den hierauf vorgenommenen Neuwahlen blieb es so ziemlich beim alten. Als Gast war anwesend Bienenzüchter Stehler von Eislingen, der früher bei dem berühmten Bienenzüchter Datha in Hannover praktiziert hatte, welcher über die Arbeiten an den Bienenvölkern in gegenwärtiger Zeit einen sehr interessanten Vortrag hielt und seitens der Versammlung mit einem auf ihn ausgebrachten Hoch beehrt wurde. Auf einige von Schultheiß Gunzenhauser von Altenstadt gestellte Anfragen erwiderte der Vortraghaltende, daß warme Einwinterung der kalten voi zuziehen sei, daß ferner das Flugloch so verengert werden solle, daß nur eine bis zwei Bienen aus. und einfliegen können u. s. w. Nach den Schlußworten ve« Vorstandes, in welchen er namentlich seinen Dank für das zahlreiche Erscheinen aussprach, trennte sich die Versammlung.
Ebingen, 29. April. Die Frühjahrsplenarversammlung de» Lan d- wirtschaftlichen Bezirkevereins Balingen führte gestern eine Menge Gäste herbei. Der Saal zur Post war überfüllt mit Teilnehmern aus fast allen Gemeinden des Bezirks. Der Verein ist mit seinen 745 Mitgliedern einer der ersten im Lande, wie der Bezirk auch hinsichtlich des Standes der Viehzucht nach kompetentem Urteil der Mehrzahl der Bezirke vorangeht, was dem Umstand zuzuschreiben ist, daß der Verein schon seit 50 Jahren sich durch zeitweise Einführung von Schweizer Originalzuchttieren die Hebung der Viehzucht angelegen sein ließ. Landwirtschaftsinspektor Dr. WiederSheim hielt einen ganz auf praktischem Boden sich bewegenden Vortrag über Rinderzucht, der alle einschlägigen Momente aufs eingehendste und für jedermann leicht verständlich behandelte. Zum Schluß wurde über den erfreulichen Fortgang der vor zwei Jahren gegründeten Herdbuchgesell, schüft berichtet, die sich bereits einer Mitgliederzahl von beinahe 200 er- freut und trotz der im ersten und namentlich auch im zweiten Jahr ungünstigen Verhältnisse manches hübsche Zucht- und Verkaufsresultat aufzuweisen hat. Mit einer Verlosung von landwirtschaftlichen Geräten und Werkzeugen endigte der Vereinstag, bei welchem sich die Landwirte aus den verschiedenen Teilen des Bezirks über die Aussichten, das Anhalten de« jetzigen warmen Wetters vorausgesetzt, nicht unbefriedigt aussprachen; manche glauben sogar an ein baldiges namhaftes Sinken der Futter- und weiteres Steigen der Viehpreise. _
Berlin, 25. April. Der Schüler einer hiesigen Realschule, Obertertianer Paul K., Sohn eines in der Friedrichsstadt wohnenden Kaufmanns K., war im Dezember vorigen Jahre» spurlos verschwunden, einen Brief zurücklassend, daß er nach Afrika gehe, um dort sein Glück zu machen. Nachforschungen über seinen Verbleib waren erfolglos, bis, wie die „Nordd. Mg. Ztg." meldet, vor etwa 14 Tagen der Brief eines in Capstadt wohn- enden deutschen Wollhändlers hier bei den verzweifelnden Eltern anlangte, welcher mitteilte, daß der Ausreißer sich bei ihm befände, krank sei und den Vater seine» unüberlegten Schritte« wegen um Verzeihung und gleichzeitig um Reisegeld zur Heimkehr bäte. Herr K. hat sich beeilt, seinem Sohn die nötigen Mittel zur Ueberfahrt zukommen zu lassen.
London, 30. April. Aus Newyork werden haarsträubende Einzelheiten über ein Eisenbahnunglück auf der Strecke Hamilton.Chicago gemeldet. Der Zug, in welchem sich 150 Passagiere befanden, bestand aus zwei Gepäck- wagen, einem Rauchwagen und sieben Schlafwagen. Die Fahrgeschwindigkeit war eine beschleunigte, um eine Verspätung einzuholen. Da entgleiste die Lokomotive, infolge dessen dieselbe nebst dem riesigen Wasserbehälter in
Atome zerschmettert wurde. Die Gepäckwagen schoben sich ineinander und der Rauchwagen wurde mit seinen 35 Insassen auf die Lokomotive geschleudert. Der Wagen fing sofort Feuer und in wenigen Sekunden waren 20 Personen lebendig geröstet. Die Passagiere der Schlafwagen wurden schlafend in die brennenden Trümmer geschleudert und auch diese Wagen fingen zu brennen an, allein die meisten Jnsaßen derselben wurden gerettet. Die gewaltige Hitze trieb die Retter zurück und Wassermangel hinderte das Löschen. Zwölf schwer verwundete Passagiere wurden in ein Spital transportiert. Das Schauspiel war herzerschütternd, denn das Schreien der brennenden Menschen übertönte das Prasseln des Feuers und das Zische« des Dampfes.
Wevrrrischtes.
Ein Tropfen Tinte. Den folgenden, zur Vorsicht mahnenden Fall von Blutvergiftung teilt eine Berliner Korrespondenz mit: „Ein furchtbares Osterfest verlebte die Familie des Bureauvorstehers W. Derselbe hatte am Freitag die mit Tinte gefüllte Feder auf seinen Schreibtisch gelegt, als dieselbe herunterglitt und mit der Spitze durch das Beinkleid hindurch ihm auf den rechten Unterschenkel fiel, den Schenkel in unbedeutender Weise ritzend. W. schenkte denn auch dem ganzen Vorfall keine weitere Beachtung, bi» er in der darauffolgenden Nacht unter den heftigsten Schmerzen erwachte. Der Fuß war innerhalb weniger Stunden bi« zum Knie angeschwollen, und der hinzugezogene Arzt erkannte sofort eine Blutvergiftung, welche bereit« ein so hohes Stadium erreicht hatte, daß eine Rettung nur durch die schleunigste Amputation möglich war. Dieselbe wurde auch wenige Stunden nach seiner Einlieferung in die Charitö an W. vollzogen und ihm da« rechte Bein bi» zum Knie abgenommen."
— Der Erbe des japanesischen Thrones ist ein neunjähriger Knabe, Prinz Harn. Bei seiner Erziehung wurden alle Ueberliefer- ungen, die bisher für die Erziehung japanesischer Prinzen maßgebend waren, außer Acht gelassen. Prinz Harn hat ausländische Erzieher und studiert Englisch; er ist ein sehr aufgeweckter und ehrgeiziger Knabe, der durchaus nicht an die frühere Zurückgezogenheit japanesischer Prinzen gewöhnt wurde. Mit seinem Gefolge von Evlen erscheint er überall. Er ist hübsch, schwarzäugig, mit schöner gelber, den japanischen Kindern eigentümlicher feiner Haut; trotz seiner Jugend, ist er bereits ein großer und strenger Kritiker von Pferden, Wettrennen, Fechten, Ringen und andere Arten des Sports. Prinz Harn soll später auch nach Europa auf Reisen gesendet werden, um Land und Leute in aller Welt kenmn zu lernen, und es wird allgemein als feststehend betrachtet, daß, wenn dieser energische junge Mann dereinst auf den Thron gelangen wird, eine große Veränderung in dem Stande der Dinge eintreten dürfte. _
Standesamt tzalw.
Geboren:
23. April. Friedrike, Tochter des Matthäus Bröckel, Maurers.
24. . Wilhelm Ludwig, Sohn des Karl Speidel, Steinhauers.
21. „ Julie Friedrike, Tochter des Heinrich Wochele, Lederhändlers.
24. „ Elisabeth« Emilie Luise, Tochter des Karl Fuchs, Photographen.
Getraute.
30. April. Gottlieb Lutz, Färbermeister in Stuttgart und Luise Sofie Kempf hier.
Gestorbene:
30. April. Pauline Moroff, 5 Wochen alt und 1. Mai Elisabethe Moroff, 5 Wochen alt, Töchter des Karl Moroff, Kutschers.
1. Mai. Marie Karoline Grüner, ledig, 74 Jahre alt.
Gottesdienste am Sonntag, den 5. Mai 1889.!
Vom Turm: 128. Vormittagspredigt Herr Helfer Eytel. 1 Uhr Christen- lehre mit den Töchtern. 2 Uhr Nachmittagspredigt Herr Missionar Hesse._
Eotteeäieall« in äer Metkioäisteahupekke am Sonntag, den 5. Mat 1889, morgens 9 Uhr. abends 8 Uhr.
„Ja; eins war von einer Dame von Rang und das andere war von einer I Kaufmannsfrau aus London. Sie sind beide in meinem Schreibtisch, zu welchem > ich Ihnen den Schlüssel geben werde, wenn Sie wollen."
„Dieses Anerbieten nehme ich mit Dank an; denn ich glaube, es kann nicht schaden wenn ich diese Papiere untei suche. Hat Warren von London sich Ihnen schriftlich angeboten?"
„Ja; Sie werden ihre Adresse in dem Briefe finden, der bei den Zeugnissen
liegt."
Natalie fragte hierauf Hugh voll Unruhe, ob keine Nachrichten von ihrem Bruder eingetroffen seien, und erhielt eine verneinende Antwort. Der einzige Erfolg aller Erkundigungen war der gewesen, daß es sich mit Bestimmtheit herausgestellt hatte, daß die beiden Personen, welche am vergangenen Abend gesehen wurden, als sie in der Nähe des Parkthors einen Wagen bestiegen hatten, nicht Adrienne und Lionel gewesen waren.
„Ich werde Nachforschungen anstellen,' sagte Healp. „Ich interessiere mich selbst sehr für die Angelegenheit und ich werde ohne Zweifel im Stande sein, binnen Kurzem Etwas zu erfahren."
Nachdem er Natalie verlassen hatte, begab er sich zu dem Polizeibeamten, welcher den Revolver in Verwahrung hatte, und da ihm gestattet wurde, denselben eingehend zu besichtigen, überzeugte er sich, daß die von ihm auf dem Thatorte gefundene Patronenhülse genau dazu paßte, und ohne Zweifel verwendet worden war.
„Ich bin ganz zufrieden mit den Ergebnissen des TageS, so weit sie meine Forschungen betreffen," sagte er zu Hugh, als sie wieder nach Kings-Dene zurückfuhren. Der junge Mann war keineswegs so befriedigt; thatsächlich hatte jede vorübergehende Stunde seine Unruhe nur vermehrt, denn immer mehr wurde ihm die Gefahr, in welcher Natalie schwebte, und seine eigene Unfähigkeit, ihr zu helfen, offenbar.
Healp saß während der ganzen Fahrt in Nachdenken versunken da. Al» sie vor dem Thorr von KingS-Dene anhielten, sahen sie einen Reisrwagen in Bereitschaft stehen und Jsabella Farquhar di« Stufen Herabkommen, um denselben zu be
steigen. Hugh trat auf sie, um ihr behilflich zu sein, aber sie wies seinen Beistand zurück.
„Gehen Sie nach London?" fragte er.
„Nein, ich werde Zeugenaussage oblegen müssen, so lange die Untersuchung dauert und ich bleibe in W*** in einem Gasthof, bis dieselbe abgeschlossen ist. Dann gehe ich nach London, wo ich bleibe, bis meine Anwesenheit bei der Schlußverhandlung notwendig geworden sein wird," antwortete sie.
„Aber Sie wissen ja noch gar nicht, ob es zur Schlußverhandlung kommm wird," versetzte Hugh, dem der Hohn in ihrem Tone nicht entging.
„O, ja, ich bin dessen sicher. ES kann für vernünftige Menschen kein Zweifel obwalten, daß Natalie Egerton eine Mörderin ist," entgegnet« sie, stieg in dm Wagen und fuhr davon.
Healp schaute ihr mit hoch emporgezogenen Augenbraum nach.
„Himmel," bemerkte er, „an der hat Miß Egerton wahrlich eine erbitterte Feindin!"
Hugh sagte Nichts, stimmte aber für sich dieser Ansicht vollkommen bei.
Nachdem der Detektiv einige Erfrischungen zu sich gmommen hatte, begab er sich in Natalie's Zimmer und untersuchte die Briefe, welche Warren ihr geschrieben hatte und welche ihre damalige Adresse: „London Kentish Town, Barton-Strcet 5," trugen. Dann prüfte er die beigelegtm Zeugnisse, welche von der Gräfin D*** Park Lane, und von einer Mrs. Selby in Camdm Road herrührten.
Der Detektiv säumte keinen Augenblick und sandte ein Telegramm an die Adresse der Gräfin D*** ab, auf welches er nach Ablauf von zwei Stunden folgmde Antwort erhielt:
„Die Gräfin von D*** weiß Nichts von einer Person, die sich Elise Warren nennt, und hat deren Namen heute zum ersten Mal gehört. Sie hat derselben auch niemals ein Zeugnis ausgestellt."
(Fortsetzung folgt.)