Milch aad Backwaren finden die Bestimmungen im § 8, 8 S Abs. 3 dann Anwendung, wem die Kinder für Dritte beschäftigt werden.
Im übrigen ist die Beschäftigung von eigenen Kindern bei AuStragen von Waren und bei sonstigen Botengängen gestattet. Durch die Polizeiverordnungen der zum Erlasse solcher berechtigten Behörden kann die Beschäftigung beschränkt werden.
IV. M«nei»sa«e Bestimmungen.
§ 18. Werkstätten im Sinne dieses Gesetzes.
Als Werkstätten gelten neben den Werkstätten im Sinne des § 150 b Abs. 1 der Gewerbeordnung auch Räume, die zum Schlafen, Wohnen oder Kochen dienm, wenn darin geweroliche Arbeit verrichtet wird, sowie im Freien gelegene gewerbliche Arbeitsstellen.
8 20. Besondere polizeiliche Befugnisse.
Di« zuständigen Polizeibehörden können im Wege der Verfügung eine nach den vorstehenden Bestimmungen - zulässige Beschäftigung, sofern dabei erhebliche Mißstände zu Tage getreten find, auf Antrag oder nach Anhörung der Schulaufsichtsbehörde für einzelne Kinder einschräuken oder untersagen, sowie, wenn für das Kind eine Arbeitskarte erteilt ist (8 11), diese entziehen und die Erteilung einer neuen Arbeitskarte verweigern.
Die zuständigen Polizeibehörden find ferner befugt, zur Beseitigung erheblicher, die Sittlichkeit gefährdender Mißstände im Wege der Verfügung für einzelne Gast- oder Schankwirtschaften die Beschäftigung von Kinderu weiter einzuschränken oder zu untersagen.
V. Strafbestimmungen.
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Gesetzes werden teils als Uebertretungeu, und zwar mit Geld bis zu 20, 30 oder 150 teils als Vergehen, und zwar mit Geld bis zu 600 oder 2000 bestraft.
Die Ortspolizeibehörde« haben auf die genaue Durchführung der Bestimmungen des Kinderschutzgesetzes nachdrücklich hinzuwirken (stehe den Erlaß des K. Minist. d-S Innern vom 10. Mai 1907 Nr. 7169, M.A.Bl. S. 233).
Nagold, den 20. Dez. 1907.
K. Oberamt. Ritter.
BoMische HleSerficht.
Die Krisis im deutsche» Fl»tte»verei» wird auf einer am 19. Januar in Kassel abzuhaltendea außerordentlichen Hauptversammlung des Vereins öffentlich zur Sprache und zur Entscheidung gebracht werden. — Wie der Großherzog von Baden haben auch der Regent von Brauu- schwetg, Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg und der Grotzherzog von Oldenburg die Wahl des Generals Keim zum Präsidenten des FlottcnvereinS gemißbilligt.
Der Kaiser hat den Prinzen Ludwig von Bayern » 1» 8uitv des ll. Seebataillons gestellt. — Ueber das Befinden des Kaisers wird gemeldet: Auf der Soiree beim Reichskanzler haben die Gäste Gelegenheit gehabt, sich aus unmittelbarer Anschauung zu überzeugen, daß alles, was in der letzten Woche, namentlich in der ausländischen Presse, Ungünstiges über die Gesundheit des Kaisers verbreitet worden ist, jeder Begründung entbehrt. Der Kaiser sieht sehr wohl und frisch aus. Er hat stundenlang stehend mit vielen Personen dieser Gesellschaft stch lebhaft unterhalten. Seiner Stimme ist nichts von irgendeiner Erkrankung anzumerken, und als die Mitternachtsstunde herankam, war er offenbar weniger ermüdet, als der größte Teil der Anwesenden.
Ueber die Einflußsphäre« Rußlands «»b Japan- in der Mandschurei find die Verhandlungen jetzt so weit gediehen, daß, wenn keine Macht interveniert, Rußland die nördlichen kund Japan die südlichen Teile der Provinz unter seine Kontrolle stellt. China hat wegen der Eröffnung von 38 japanischen Telegraphenämtern in der Südmandschurri, dir dem internationalen Verkehr offen stehen, vergebliche Verhandlungen mit Japan geführt. Nunmehr teilte Rußland China mit, daß, wenn nicht binnen einer angemessenen Frist ein Uebereinkommen zwischen China und Japan betreffend die Telegraphenlinieu der südmaud- i
schulischen Eisenbahn erfolgen werde, ähnlich dem rusfisch- chinefischen Abkommen vom November d. I., dann Rußland genötigt sei, die Aufhebung diesesAbkommens zu beantragen, da er durch dasselbe sich Japan gegenüber in untergeordneter Stellung befinde. Europäer, die über Sibirien in China eintreffen, beklagten fich bitter über die große Unhöflichkeit der japanischen Militärs und Beamten gegenüber den aus der südmaudschurtschen Bahn reisenden Europäern.
A«S Marokko wird gemeldet, daß ein neuer Stamm fich bereit erklärt habe, die ihm auferlegten Bedingungen anzunehmen. Zahlreiche Angehörige dieses Stammes begannen bereit-, die Entschädigungssumme in Naturalien zu zahlen. Die den Beni Snaffen auferlegte Kriegskontribution beträgt 850000 Frank; ein Drittel der Kontribution soll dis 5. Januar 1908 bezahlt werden. Man glaubt aber nicht, daß die Beni Snaffen die Bedingungen annehmen werden. Der marokkanische Minister des Auswärtigen drückte der französischen Gesandtschaft das Bedauern des Sultans der Beni Snaffen aus, an die er strenge Mahnungen gerichtet habe. Der Sultan gedenke, einen ständigen Vertreter in die Ebene von TrifaS zu entsenden, der die Wiederkehr so unangenehmer Zwischenfälle verhüten solle.
Zn« Prozeß Moltke-Harden.
Berlin, 20. Dez. Als erster Zeuge wird Klosterprobst Graf Otto v. Moltke vernommen, der unter Eid bekundet, er kenne Graf Moltke seit 25 Jahren und habe vielfach Gelegenheit gehabt, seinen kameradschaftlichen und gesellschaftlichen Verkehr aus allernächster Nähe zu beobachten. Graf Kuno sei sowohl bet seinen Kameraden wie bei seinen Untergebenen außerordentlich beliebt gewesen. Man habe in ihm einen edlen Offizier und Menschen gesehen. Er habe in den besten Familien und Häusern verkehrt, namentlich auch da. wo edl? Frauen wirkten, und eS sei auf ihn von keiner Seite irgend ein Makel geworfen worden. Auch den Verkehr Molktes mit Eulenburg kenne er; erhübe an ihm niemals etwas dem sittlichen Gefühl widerstrebendes oder gar erotisch Unreines bemerkt. Der Zeuge stellt dann durch die Verlesung eines Originalbriefes fest, daß Hardens Aeußerung, Graf Hülsen-Häseler habe über Kuno Moltke eine Bemerkung gemacht, die nur unter Ausschluß der Oeffentlichkeit wiedergegeben werden könnte, jeder tatsächlichen Unterlage entbehre. Weiter kommt der Zeuge auf einen Besuch bei Harden zu sprechen und verliest den zwischen ihm und Harden geführten Briefwechsel. Harden habe ihm erklärt, daß cr den fraglichen Artikel nicht auS gemeiner Sensalionssucht, sondern wegen der allgemeinen politischen Lage geschrieben habe. Er (Harden) habe die Ueberzeug- ung, daß Kuno Moltke nach männlicher Richtung hin sexuell veranlagt sei und habe diese Gewißheit auS dm Ehr- scheidungsakten erlangt. Darauf habe er (Otto von Moltke) Harden erklärt, daß Kuno von Moltke ihm am Abend zuvor ehren wörtlich versichert habe, daß er niemals mit Männern in der angedeuteten Art verkehrt habe. Hierauf habe Harden erwidert, das ändere die ganze Sachlage. Harden habe ihm dann sein Ehrenwort gegeben, daß er fich mit Kuno v. Moltke nicht Wetter beschäftigen werde, soweit ihn seine politische Pflicht nicht dazu zwinge. Sodann verlas Otto v. Moltke ein Schreiben Hardens, worin dieser den Zweikampf ablehnt. Weiter erklärte der Zeuge, daß er überall auf den Eindruck gestoßen sei, daß in dm Artikeln namentlich für Offiziere schwere Beleidigungen liegen. — Oberstaatsanwalt Dr. Jsenbiel teilte während der Vernehmung Otto v. Moltke mit, daß Fürst Philipp zu Eulenburg in schwer krankem Zustande fich in einem Nebenraum befinde und um möglichst schnelle Vernehmung bitte. Außerdem ersuche der Fürst, die Anwesenheit seiner Söhne und der Aerzte während der Verhandlung zu gestatten. Der Gerichtshof beschloß bis auf weiteres die Oeffentlichkeit, einschließlich der Presse auszuschließrn. Justizrat Bernstein sucht durch Fragestellung zu ermitteln, wann Kuno v. Moltke eigentlich den Artikel als beleidigend empfohlen habe. Hieran schließt fich der gemeldete Ausschluß der Oeffentlichkeit, während welchem folgende Zeugen vernommen werden: Fürst zu Eulenburg, Graf Kuno Moltke, Frau v. Elbe, deren Mutter und andere. Die Vernehmung
der Welt, ganz heimlich, daß keiner es steht, und es ist ihnen gar nicht um einen Dank oder Lohn zu tun. An dieser Liebe kann man recht erkennen, daß eS einen Gott im Himmel gibt, denn diese Art Liebe ist von ihm, sie stammt nicht von Fleisch und Blut, sondern wird von oben her in die Menschenherzen ausgegoffen. Da rührt Gott an die Herzen, daß fie warm werden, und lenkt die Herzen, drß fie Barmherzigkeit üben, wo's not ist."
„Wie z. B. bei unS!" höhnte der Meister dazwischen. „O, wir können uns ja vor Barmherzigkeit der Menschen gar nicht fassen! Wir haben so viel Liebe empfangeu, daß ich dem Gottfried noch nicht einmal einen Waldteufel zu Weihnachten kaufen kann! — Und nun sage ich dir zum letztenmal, Lisette: Fang mir nicht wieder an mit deinem Gedröhn, bleib du bei deinem Glauben und laß mir den meinen. Ich bin wohl elend darin, das gestehe ich zu, aber ich merke nicht, daß es dir bei deinem Glauben wohler zu Mute ist."
Frau Lisette trug das Essen auf, aber weder fie noch ihr Mann rührte groß den Löffel; nur der Gottfried aß seinen Teller leer. —
Zwei Tage später war der heilige Abend.
Stube um nach einem das Leihhaus hätte keinen mehr, fich in
gräßlicher Verzerrung die Verzweiflung aus, die drinnen in ihm wütete.
Frau Lisette ging ihm scheu aus dem Wege und hütete stch, durch Worte oder Gebärden ihn noch mehr zu reizen. Auch fie litt schwer, ja fie litt doppelt, denn zu der Armut, in welche fie geraten waren, kam Sei ihr noch der Schmerz über das Unglück, daß ihr Mann den Glauben verloren hatte. Gott verloren, alles verloren! dieser Spruch klang ihr immer in den Ohren und übermanute sie, daß auch fie kaum noch glauben und beten konnte.
Als es dämmrig wurde, nahm der Meister seine Mütze und ging fort. Er sagte nicht wohin, und Frau Lisette wagte nicht zu fragen.
Draußen auf der Straße geriet er in ein fröhliches Leben und Treiben hinein. Hier kam einer mit einem Tannenbaum angerannt; dort eilte einer mit einem großen Paket; hier probierte ein Knabe den auf dem Christmarkt erkauften Honigkuchen; dort hielt ein herumziehender Händler Waldteufel feil, das Stück 3 ^, im Dutzend noch billiger. Alles war so voller Wethnachtslvst und Weihnachtsleben, und er? Für ihn war das nicht! Es war ihm, als gehörte er nicht mehr zu der Welt, als dürfte er das alles nur von fern anschauen, ohne einen Anteil daran zu haben.
(Schluß folgt.)
des Fürsten Eulenburg dauerte etwa 3 Stunden. — Nachdem noch hinter verschlossenen Türen Frau v. Elbe uud Graf Kuno Moltke vernommen worden find, wird kurz vor 5 Uhr die Weiterverhandlung auf morgen vorm. 10 Uhr vertagt. Auch morgen wird zunächst die Oeffentlichkeit ausgeschlossen sei«.
Tages-Keuigkeiten.
As- Vtadt und Land.
Nagold, 28 Dezember.
Gisenbahnsache. In der Zeit vom 24.-29. Dez. verkehrt, wie alljährlich, eine Anzahl außerordentl. Persoueu- züge. Auskunft gibt der allen Stationen angeschlagene Fahrplan für die außerordentlichenPersonenzüge über die Weih- nachtsfeiertage.
Alteufleig, 23. Dez. (Korr.) Die Gemeinderatswahl ist hier auf den 28. Dez. festgesetzt. Da 2 um das Gemeindewohl fich verdient gemachte Gemeinderäte (Schlachthausverwalter Bühler uud Stadtpfleger Lutz) aus dem Kollegium ausschetden, weil fie Gemeinde-Beamte wurden, find 5 Mitglieder neu zu wählen. Nach einem Wahlvorschlag im hiesigen Blatt scheint das Bestrebm zu bestehen, einen „neuen Boden" legen zu wollen; doch ist von einer Wahlbewegung noch nichts zu spüren und wäre daher eiu Urteil über etwaigen Wahlausfall jedenfalls sehr verfrüht.
Altensteig, 22. Dez. (Korr.) Ein ganz eigenartiger Unfall trug sich gestern abend im nahen Heselbronu zu. Als ein Metzger von Euztal in den Postwagen einsteigeu wollte, kippte der Wagen, dessen Hinterteil sich vom vorderen losgelöst hatte, um und fiel auf den Fahrgast, so daß derselbe schwere Verletzungen erlitt. Er konnte nicht mehr in seine Heimat transportiert werden, mußte vielmehr in SimmerSfeld zurückbleibe« und ärztliche Hilfe in Anspruch uehmen.
Jselsstanse«, 21. Dez. Bei der heutigen Gemeinderatswahl wurden wiedergewählt: Oekonom Scholder mit 51 St, neugewählt: Schlaffer Hetzer mit 36 St., und Simon Rauser, Wagner 36 St.
Schietinge«, 20. Dez. Bet der heutigen Gemeinderatswahl, welche ganz ruhig verlief, wurden die seitherigen Gemeinderäte Friedrich Teufel, Steinhauer, und Jakob Lutz, Bauer, wiedergewählt.
Schietingen, 20. Dez. (Viehzählung.) Es wurden gezählt: 8 Fohlen, 18 Pferde, Rindvieh 173 St., Kälber 104, Schafe 11, Schweine 127 St., Ziegen 23 St., Gänse 45 St., Enten 35 St., Hühner 729 St., Truthühner 1 St., Bienen 98 Bienenstöcke, Hausschlachtungen 26 Schweine und 1 Ziege. _
Pochvorf, 21 . »ez. (Korr.) Bei der heutigen Ge- meinderatswahli haben 165 Wähler (87 Proz.) abgestimmt und wurden die seitherigen Gemeinderäte Ernst Katz, Stein- Hauer (mit 114 St.), Gottlieb Jedele, Schuhmacher (mit 94 St.) und Christian Metzger (mit 67 St.) wiedergewählt.
r. Gultftei» OA. Herrenberg, 22. Dez. Wegen Beleidigung des Schultheißen und der Gemetnderäte von hier wurde gestern, wie man hört, der verheiratete Bauer Stefan Noppel von hier zu vierzehn Tagen Gefängnis verurteilt. In einer anonymen Eingabe an die Kreisregierung in Reutlingen wurde über die hiesige Gemeindeverwaltung und besonders den Schultheißen in einer Weise losgezogen, daß das K, Oberamt Strafantrag stellte. In der heutigen Verhandlung konnte keiner der erhobenen Vorwürfe aufrecht erhalten werden. Der Angeklagte, auf den von Anfang an der Verdacht der Täterschaft fiel, leugnete zwar hartnäckig. die Eingabe geschrieben zu haben. Auf Grund eingehenden Gutachtens eines Schretbsachverständigen und sonstiger Verdachtsmomente konnte seine Täterschaft aber genügend festgcstellt werden.
r. Stuttgart, 21. Dez. Der Polizeibericht schreibt: Ein dreizehnjähriger Knabe stürzte sich gestern mittag aus seiner Wohnung im dritten Stock eines Hauses in der Jmmenhoferstraße. Er erlitt einen Schädelbruch und war sofort tot. Das Motiv der Tat soll Furcht vor Strafe sein.
Eine alte Forderung der evangelische« Bolks- schnllehrer gehr in Erfüllung. Der „Staats-Anzeiger" schreibt: ,
Von Ende Januar 1908 ab wird das K. Ministerium des Kirchen- und Schulwesens ein Amtsblatt herausgeben, welches für seine» ganzen Geschäftsbereich bestimmt ist, vor allem aber das Lolksschulwesen berücksichtigen und den Ortsschulinspektoraten sowie den Bibliotheken der Volksschulen unentgeltlich geliefert wird.
r. Stnttgart, 19. Dez. Im Monat November ds.Js. find 2588 deutsche Reichsangehörige ausgewandert gegen 2319 im selien Monat deS Vorjahrs. Neben dm deutschen Auswanderern sind aus deutschen Häsen noch 34699 Angehörige fremder Staaten ausgewandert. Der Hauptstrom der Auswanderer ging nach Amerika. Die Auswanderung dorthin hat in letzter Zeit trotz der Krisenachnchten eher
zu- als abgenominen. .,.
r. Stuttgart, 21. Dez. Nach der letzten Viehzählung gibt es in Stuttgart gegen 5000 Pferde, ungefähr 1000 mehr als vor zwei Jahren, auch 27 Esel und 3 Maultiere werden verwendet.
r Sulz. 21. Dez. Nachdem von 42 hiesigen Geschäftsinhabern 37 stch für den Achtuhrladenschluß ausgesprochen haben, ist dieser von der Kreisregierung genehmigt worden und tritt am 2. Januar 1908 in Kraft.
r. Tuttlingen, 19. Dez. Eine unliebsame Konkurrenz ans Weihnachten ist einer größeren Zahl von Geschäftsleuten