82

(Scheidung der kronprinzlichen Ehe und morganatische Wiederverheiratung) an dem Widerspruche des Kaisers gescheitert und ebenso ein hier nicht näher zu bezeichnender Anspruch der Mutter der Baron, sse erhoben worden war, mußte Kronprinz Rudolf im Beisein eines hohen Staatsbeamten dem Kaiser sein Ehrenwort als Mann, Soldat und Unterthan geben, daß er seine Be­ziehung zu der Baromsse sofort albrechen werde. Der schwere Konflikt, welcher sich für den Kronprinzen ergab, als er es nicht vermochte, sein Wort zu halten, mag als letzte Ursache der Katastrophe anzusehen sein." Von anderer Seite wird vom 11. ds. berichtet:Ich erhalte aus Baden bei Wien die briefliche Mitteilung, daß die Leiche der Baronesse Marie Vetsera am gestrigen Sonntage aus der Gruft des Stiftes Heiligenkreuz wieder fort­geholt und nach Pardubitz, wo sich die Familiengruft der Vetsera's befindet, überführt worden sei. Die Richtigkeit dieser Meldung festzustellen, ist momentan unmöglich.

England.

London, 14. Febr. Anknüpfend an die Gerüchte, Kaiser Wri­tz elm beabsichtige im nächsten Sommer England zu besuchen, schreibt derStandard":Wenn der Kaiser es für angezeigt erachtet, unsere Ge­stade zu besuchen, wird er vom Hofe mit einer Herzlichkeit empfangen werden, die alle Spuren etwaiger Mißverstände verwischen wird. Hoffentlich wird der Besuch erfolgen und zwar, ehe viele Monate verstrichen sind."

Hages-Werrigkeiten.

Stuttgart, 13. Febr. Beim Schlittenfahren verunglückte am Herd­weg Sonntag mittag ein ITMriger Zögling einer hiesigen Pension aus Paris. Eine Gesellschaft von etwa 10 jungen Leuten fuhr auf einem großen Schlitten den steilen Weg hinunter; der Schlitten kam so in Schuß, daß jede Leitung aufhörte und die Jnsaßen am Viadukt herausgeschleudert wurden. Der Arme erlitt einen Schädclbruch, an welchem er gestern verschieden ist. Die Kameraden erlitten ebenfalls Verletzungen, jedoch meist von geringem Belang.

Stuttgart, 14. Febr. Gestern abend wurde auf dem hiesigen Bahnhof eine elegant gekleidete jungeDame", welche laut eingelaufenem Telegramm in Ludwigshafen a. Rh. einen Uhren-Diebstahl verübt hat, beim Aussteigen aus dem Bahnzug durch 2 Fahnder festgenommen. Dieselbe ist des Diebstahls geständig und hatte die gestohlene Uhr noch im Besitz. In letzter Nacht sind im Katharinenhospital hier 2 Kriminal-Arrestanten, welche als Patienten daselbst untergebracht waren, ausgebrochen und flüchtig geworden. Der eine derselbe ist der gefährliche Einbrecher Ernst Deeg, Küfer von Oßweil, welcher neuerdings mit einem Komplizen Witzemann einen schweren Einbruchsdiebstahl in Feuerbach verübt hat. Aus Ludwigsburg trifft die Nachricht ein, daß Deeg in Oßweil durch den Stationskommandanten festgenommen worden sei.

Cannstatt, 13. Febr. In dem Amtsgerichtsgebäude wurde heute Nacht eingebrochen. Der Dieb wurde jedoch, nachdem er einige Thürcn erbrochen hatte, gehört und hat sich mit Zurücklassung eines langen Messers durchs Fenster geflüchtet, ohne etwas entwendet zu haben.

Eßlingen, 13. Febr. Wiederholter Warnungen in unseren Lokal­blättern ungeachtet sind in den letzten acht Tagen doch wieder zwei Laden- brsitzer mit Prellereien hereingefallen. Ein Metzger gab einem Mädchen eine ganze Schinkenwurst ohne Bezahlung, da sie das Geld daheim vergessen habe. Allein das Mädchenvergaß" auch das Wiederkommen. In einem Galanterie­warenladen holte eine Frauensperson ein halbes Dutzend Albumszur Aus- wähl", ebenfalls ohne wiederzukehren! In der Oberthorstraße kamen dieser Tage zwei Fälle vor, d. ß Personen von Hunden gelassen wurden. Man sollte doch auf solche Bestien ein wachsameres Auge haben und es mit den Sicherungsmaßregeln strenger nehmen!

Biberach, 13. Febr. (Viehmarkt.) Zutrieb: 15 Farren, 88 Och« sin, 105 Kühe, Kalbeln und jüngere Rinder, zus. 208 Stück. Handel sehr lebhaft: Preise jedoch immer noch etwas gedrückt. Schweinemarkt. Zu« fuhr: 178 Milch, und Läuferschweine. Preise für Milchschweine 13-15 für Läuferschweine 2833 pro Stück. Handel lebhaft.

Wiesbaden, 12. Febr. Ein Hauptschwindler, der frühere Schau« spieler Adolf Seidel aus Altribau bei Zittau, stand heute vor der hiesigen Strafkammer. In einer ganzen Reihe deutscher Städte verübte er seine Schwindeleien meist dadurch, daß er in den Zeitungen eine Anzeige erscheinen ließ, wonach sofort ein Kassierer u. s. w. bei hohem Monatsgehalt, aber gegen Hinterlegnng einer Kaution gesucht wurde. Der 25jährige Be« trüger fand auch genug Leichtgläubige, die in die Falle gingen. Hatte er dann die Kaution in Händen, so verschwand er sofort aus der Stadt und die Geprellten hatten das Nachsehen. Auf diese Weise verfuhr er in Gör» litz, Dresden, Hannover, Frankfurt a. M.. Leipzig, Karlsruhe, Nürnberg, Breslau; auch in Stuttgart erschwindelte er sich am 24. Juni v. I. auf diese Art 300 In derselben Weise wollte er hier Vorgehen, wurde aber von der Polizei dem Gerichte übergeben. Für alle seine Strafthaten hätte er 35 Jahre und 9 Monate Zuchthaus und 7150 Geldstrafe zu verbüßen. Da aber nur aus 15 Jahre Zuchthaus erkannt werden kann, verurteilte ihn die Strafkammer zu diesem höchsten zulässigen Maße und zu 7150 Geldgebühr; an Stelle der letzteren tritt für je 15 ein Tag Zuchthaus.

Nancy, 12. Febr. Da die lokalen Polizeiorgane von Pont-ä-Mouffon unfähig waren, dem Mörder auf die Spur zu kommen, ebenso auch die Nancyer Polizei, so wurde der Pariser Detektiv Zaume zitiert. Dieser hatte schon eine Stunde nach seiner Ankunft die Spur des Mörders. Er wurde am Sonntag abend in Epinal sestgenommen. Es ist der Schriftsetzer Dauga aus Remieremont, der in Pont-ä-Mousson in einem Kartonnage« geschäft arbeitete. Dauga ist ein Riesenmensch, herkulisch gebaut, und macht äußerlich den Eindruck eines durchaus biederen Mannes. Man fand in seinen Effekten ein mit Blut gefärbtes Rasterm. ffer. Seine übertriebenen Ausgaben machten ihn verdächtig. Bei der Verhaftung in Epinal trug Dauga einen Revolver und einen Totschläger bei sich. Er leugnet absolut. Als er in Pont-ä-Mousson eingebracht wurde, wollte ihn die Menge in Stücke zerreißen.

Werrnifchles.

Auffindung von Braunkohlen bei Nauen. DemOst- havell. Kreisbl." zufolge ist man bei den Tiefbohrungen zum Bau einer Zuckerfabrik in der Umgegend von Nauen auf zwei Schichten Braunkohle gestoßen, deren erstere, in geringer Tiefe, nur geringe Mächtigkeit und Kohle von geringer Festigkeit auswies, n ährend nach einer nochmaligen Schicht Kies freilich in erheblicher Tiefe, sich Kohle von dunkler Farbe und ganz fester Beschaffenheit vorfand. Tie Mächtigkeit des unteren Kohlenlagers wird auf 13 Meter angegeben. Brennversuche mit der Kohle ergaben das beste Resultat. Ob das Kohlenlager so groß ist, daß sich die Hebung des Schatzes lohnt, müssen erst noch weitere Bohrungen ergeben.

Einen reizenden Zug aus dem LebenKaiser Wil« Helms l. erzählte gern der kürzlich verstoibene Gras v. Gneisinau. Der Graf wurde bei seiner Anwesenheit in Ems häufig zur kaiserlichen Tafel gezogen; zu seinen Gepflogenheiten gehörte es, den Kcffee, der nach dem Essen herum« gereicht wurde, verbindlichst abzulehnen. Eines Tages ist er wieder der Gast seines kaiserlichen Gebieters Man bietet ihm eine Taffe Kaffee an; der Graf dankt und läßt sich nicht einen Augenblick in der Unterhaltung mit der Kaiserin stören; zum zweitenmale erscheint der Diener und fragt, ob dem Grafen vielleicht Kaffee gefällig ist; schon will er abermals danken, als die

Im selben Augenblick wurde es Natalie klar, daß sich ihre Bettvorhänge be­wegten, und die Erstarrung, die das Mädchen regungslos gehalten hatte, war ge­brochen. Ein dunkler Arm streckte sich über sie aus, blitzschnell sprang sie auf, streckte die Hand aus und schrie laut und gellend um Hilfe, denn ihre Hand war mit einem spitzen Stahl in Berührung gekommen, und ein Blutstrom, welcher derselben entquoll, verriet ihr, daß sie verwundet worden war.

Wiederholt rief sie laut um Hilfe, dann tastete sie mit ungeheurer Selbst­beherrschung nach Zündhölzchen, und cs war ihr eben gelungen, ein Licht anzuzün- ben, als Lionel, dessen Zimmer ganz nahe gelegen war und der ihr Hilferufen ge­hört hatte, ins Zimmer gestürzt kam.

Barmherziger Himmel, Natalie, was ist geschehen?" rief er aus, noch weit beunruhigter, als er ihr leichenblasses Gesicht und ihre blutende Hand erblickteDu bist verwundet?"

Ja; aber nur sehr unbedeutend," versetzte sie, bereits wieder frischen Mut

fassend.

Lionel neigte sich zu ihr und untersuchte die Wunde, die in der Thal ganz unbedeutend war. Es war nur ein Schnitt, der jedoch kaum ins Fleisch ging, ob­gleich er von einem scharfen Jnskument herzurühren schien.

So kurz und deutlich sie es vermochte, erzählte Natalie ihrem Bruder, was geschehen war, und er durchsuchte sogleich das Zimmer, um eine Spur von dem An­greifer zu finden. Seine Bemühungen blieben jedoch vergeblich; kein Stückchen Schmuck fehlte, Nichts war in Unordnung geraten, Fenster und Thüren fest ver­schlossen.

Mittlerweile waren auch Farquhar, der Haushofmeister und einige Diener in das Zimmer gestürzt.

Der Banquier geriet in die heftigste Auflegung, als er erfuhr, was geschehen war, und seine Braut fühlte sich unwillkürlich gerührt, als sie sah, wie glücklich er war, daß ihr nicht viel geschehen sei, und welche Besorgnis er für sie zeigte.

Das ganze HauS wurde sofort auf das Genaueste durchsucht, aber vergeblich-; denn obgleich jeder Winkel durchforscht und jeder Ausgang besetzt wurde, damit der

Attentäter nicht entkommen könne, war keine Spur von demselben aufzufinden und das Suchen mußte endlich als fruchtlos aufgegeben werden.

Wenn Deine Wunde nicht vorhanden wäre, würde ich sagen, Du mußt ge­träumt haben," meinte Lionel.

Natalie schüttelte den Kopf.

Kein Traum kann auch nur halb so lebhaft sein, als Das war, was ich fühlte."

Natüxlich ist nicht daran zu zweifeln, daß Jemand in Deinem Zimmer war, aber wer es war und wie er hierher und hinaus gelangte, ist ein Geheimnis."

Ein Geheimnis, für dessen Aufklärung ich fünftausend Pfund geben würde!" fügte Farquhar ungestümm hinzu.Ja, ich will diese Summe als Belohnung für jede Auskunft aussetzen, welche auf die Spur des Missethäters führt!"

Lionel überlegte einige Minuten, dann beschloß er, sämtliche Dienstleute in die Bibliothek zu bescheiden und sie zu verhören. Er führte diesen Voxsatz unver- weilt aus, gewann aber Nichts dabei, denn ihre Antworten waren durchwegs offen und kurz und alle sagten dasselbe, nämlich, daß sie zur Zeit des Vorfalles ge­schlafen und Nichts gesehen, noch gehört hatten. Es war Nichts in ihrem Be­nehmen, was auch nur den leisesten Zweifel an ihren Aussagen gerechtfertigt hätte, und sie waren einstimmig in ihrer Entrüstung, daß Jemand es gewagt hatte, sich an ihrer vielgeliebten, jungen Herrin zu vergreifen.

Lionel entließ sie endlich, da er Nichts in Erfahrung bringen konnte; der Vorfall war von einem unergründlichen Geheimnis umgeben, einem Geheimnis, um so unheimlicher, weil nicht die leiseste Spur einer Erklärung oder Entdeckung sich fand, so klar die Verwundung an Natalie's Hand auch darauf hinwies, daß eS sich um mehr, um ein mit Vorbedacht geplantes Verbrechen gehandelt haben mußte, daß ein Menschenleben auf dem Spiele gestanden, dessen Sein oder Nichtsein für Sekunden an einem schwachen Faden gehangen hatte ....

Und unablässig spannen die Nornen an dem Schicksalsrade, welches sowohl Glück, wie Leid dem Sterblichen zuteilt, wie es einem Jeglichen, in den Sternen ge­schrieben steht, in den Sternen, welche stumm sind und die noch eine Welt voller Geheimnisse in sich bergen. . . .

(Fortsetzung folgt.)