Y co. 21.
64. Jahrgang.
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Deutsches Reich.
Berlin, 12. Febr. Der Kaiser empfing gestern den Hauptmann Wiß mann der seine Abreise nach Ostafrika verschoben hat, und besuchte heute die Ausstellung des Gemäldes von Prof. Ferd. Keller in Karlsruhe, die Apotheose Kaiser Wilhelms l., wobei der Künstler selbst den Führer machte. — Die Absicht des Kaisers, im Sommer eine Reise nach England anzutceten, bestätigt sich. Bereits werden die Vorbereitungen dazu getroffen. — Die Bauten im Schlöffe Friedrichskron werden mit großer Emsigkeit betrieben. Es heißt, dar Kaiserpaar übersiedele schon Mitte Frühjahr dahin. Das Marmorpalais wird für den Prinzen Leopold mit seiner jungen Gemahlin als Residenz dienen, bis das Schloß Glienike ausgebaut ist. Die kaiserliche 2) icht „H o h e n z o l l e rn" ist nach der „Post" für den 1. März zu kaiserlicher Verfügung auf längere Zeit in Dienst gestellt. — Die vor Samoa liegenden Schiffe „Adler" und „Eber" erhalten eine neue Besatzung. — Die Marokkanische Gesandt- schüft reist Sonntag nach Essen ab. — Die Kaiserin Friedrich ist mit der Sichtung des schriftlichen Nachlasses des Gemahls beschäftigt, welcher ein vielbändiges Werk umfassen soll. — Am Sonntag begannen Fürbitten für die Entbindung der Prinzessin Heinrich in An hiesigen Kirchen auf Anordnung des' Kaisers. — Pariser Blätter melden, Lord BereSford reiste entzückt über seinen Empfang in Berlin ab und versicherte, das Einverständnis zwischen England und Deutschland in Kolonialfragen sei größer als je. — Der hiesige österreichische Botschafter dankt heute öffentlich für die vielen Beweise warmer Teilnahme, welche ihm anläßlich des Hinschsidens des Kronprinzen zugekommen sind.
Berlin, 13. Febr. Der Kaiser fuhr vorgestern nachmittag im Schlitten nach Spanoau, alarmierte dort die gesamte Garnison, befahl eine Reihe von Gefechtsübungen zwischen dem 4. Grrde-Re- giment zu Fuß und der Schießschule, nahm dann die Parade der ganzen Garnison ab und folgte hierauf einer Einladung des Offiziercorps des 4. Garde-Regiments zu Fuß zur Mittagstafel. — Der Kaiser.hat gestern dem Prinzen Georg persönlich seine Glückwünsche zu dessen Geburtstag überbracht. — Heute fand in der Kaserne des Garde-Kürassier-Regiments eine Reitervorstellung vor der marokkanischen Gesandtschaft statt, welcher auch der Kaiser beiwohnte. — Der Kaiser läßt zwischen dem hiesigen und dem Kieler Schlosse eine direkte Telephonleitung anlegen. — Der Kaiser hat eine Form von Kürassierhelmen
und Tschankas -bei Neubeschaffungen angeordnet. — Für die Verhandlungen zu den Ehepakten der Prinzessin Sophie und des Kronpinzen von Griechenlano zwischen dem Hausminister Wedell und dem Gesandten Wlachos gab die griechische Regierung letzterem den Professor der Rechte, Streif, bei, welcher der deutschen Sprache mächtig ist.
— Endlich einmal haben die Franzosen über einen wirklichen Spion verhandelt! Der aber war leider ein — FranzoseI Es erschien am 12. ds. Mts.Hvor der 9. Kammer des Pariser Zuchtpolizeigerichts ein ehemaliger Angestellter tm Bautenministerum, Ernest Blondeau, unter der Anklage des Versuchs der Spionage. Die Anklage stellt folgendes auf: Blondeau, ein ehemaliger Unteroffizier des Geniecorps, murrte oft über seine untergeordnete Stellung und verfiel auf den Gedanken, sein mageres Einkommen zu verbessern, indem er dem deutschen Kriegsminister einen Abzug des Planes derFestung Lionville anbot. Er schrieb einen „A. B. 1. 2." Unterzeichneten Brief, auf den er sich die Antwort „postlagernd 104, Bd. St. Germain" erbat, richtete ihn „an den Kriegsminister des deutschen Reichs" und steckte ihn in eine zweite Hülle, welche die Aufschrift des Polizeirats Kauffmann in Berlin trug, die er im Adreßbuch gefunden hatte. Als das Schreiben in Berlin anlangte, war Kauffmann eben gestorben und die deutsche Postverwaltung schickte es nach Paris zurück. Hier wurde der Brief im Bureau der unbestellbaren Briefe erbrochen und so kam der schöne Plan Blondeau» an den Tag. Die Polizei, von dem Handel benachrichtigt, stellte dem Hochverräter eine Falle, in welcher dieser sich auch fing. Sie ließ einen Brief mit der Adresse „A B. 1. 2." im Postamts von St. Germain abgeben und paßte dem Abholer mehrere Tage lang auf. Endlich kam ein Junge, der nach dem Briefe fragte und ihn in Empfang nahm. Die Beamten folgten ihm bis nach St. Michel, wo ein Individuum seiner harrte und sich das Schreiben einhänoigen ließ. Es war Blondeau, der sogleich verhaftet wurde. Zuerst leugnete der Verhaftete alle Schuld, gab dann aber zu, er hätte den deutschen Behörden einen Streich spielen und ihnen wenigstens die tausend Franken, die im voraus bezahlt werden sollten — weitere tausend hatte er sich nach erfolgter Lieferung ausbedungen — au» der Tasche locken wollen. Die Verhandlung wurde auf heute morgen vertagt. Oesterreich-Uugaru.
Wien, 12. Febr. Zu der Katastrophe von May'er- ling erhalten die „Hamb. Nrchc." aus Wien folgenoe Mitteilung: „Nachdem der bekannte Plan des Kronprinzen Rudolf und der Baronesse Vetfera
Deuilleton.
Nachdruck verboten.
Verschlungene Iäden.
Roman aus dem Englischen von Hermine Franken st ein.
(Fortsetzung.)
„Nun, daran liegt mir Nichts; denn ich habe ja hier keine Bekannte aus früherer Zeit," sagte die Dienerin, während ein seltsames Lächeln um ihren Mund spielte.
„Aber gut stehen sie Ihnen nicht," fügte Natalie offen hinzu; „Sie sehen viel älter aus."
„Daraus mache ich mir wenig. Miß."
„Sagen Sie mir einmal, Warren," fragte Natalie, wie von einer plötzlichen Eingebung erfaßt, „wie alt sind Sie eigentlich?"
Die Frau zögerte einen Augenblick.
„Ich bin dreiunddreißig Jahr alt, Miß," erwiederte sie dann.
„Dreiunddreißig! Das hätte ich nicht geglaubt! Wenn Sie keine Augengläser tragen, sehen Sie bedeutend jünger aus."
Warren antwortete nicht, sondern fragte nur ehrerbietig, ob Miß Egerton noch Etwas vor dem Schlafengehen benötige, und da sie eine verneinende Antwort erhielt, sagte sie ihrer Herrin gute Nacht, j
Natalie hatte eine gewisse Vorliebe für diese Kammerfrau, die erst seit kurzer Zeit in ihrem Dienste stand, denn sie war stets ungemein ruhig, verrichtete ihre Arbeit mit der größten Geschicklichkeit und hatte Nichts von der gewohnten, aufdringlichen Geschwätzigkeit ihrer Klaffe an sich.
Natalie pflegte vor dem Schlafengehen stets noch eine Weile zu lesen; aber*" an diesem Abend hatte sie kein Verlangen danach. Ihre Gedanken waren hinreichend von Dem ausgefüllt, was sie selbst durchlebt hatte.
So mutig sie auch war und so tapfer sie die schwere Last trug, die sie sich aufgebürdet hatte, gab es Zetten, in denen dieselbe sie so furchtbar bedrückte, daß sie
hätte laut aufschreien mögen in dem Jammer ihrer unterdrückten Liebe und der demütigenden Stellung als die Braut eines Mannes, der ihr gradezu verhaßt war; Und die Erinnerung an Hugh Cleveland war in dieser Stunde besonders rege in ihr.
Sie fragte sich, wo er sei, was er thue, ob seine Gedanken wohl so oft bei ihr weilten, wie die ihren bei ihm, und ob er seit ihrer letzten Unterredung schon besserer Meinung über sie geworden sei.
„Ich hoffe nicht, — o, ich hoffe nicht!" rief sie halblaut aus. „Je härter er mich beurteilt, desto weniger wird er meinen Verlust bedauern und um so schneller werde ich seinem Gedächtnis entschwinden!"
Und dennoch täuschte sie sich selbst mit ihrem Wunsche, denn bei dem Gedanken, daß Hugh sich vielleicht mit einer Andern trösten könnte, blieb ihr das Herz fast still stehen und eine grenzenlose Verzweiflung bemächtigte sich ihrer.
Lange saß Natalie in trauriges Brüten versunken da, als plötzlich die Uhr auf dem Kaminsims Eins schlug. Sie hatte keine Ahnung, daß es so spät geworden war, und in demselben Augenblick fühlte sie auch, daß ihr sehr kalt war.
Fröstelnd löschte sie das Licht aus und ging zu Bette; trotz ihres aufgeregten Zustandes verfiel sie bald in einen leichten Schlummer.
„Wie lange derselbe dauerte, konnte sie später nicht sagen; aber sie erwachte ganz plötzlich mit dem ungemein lebhaften Gefühl, daß Jemand neben ihr stehe und sie beobachte.
Diese Idee war so mächtig in ihr, daß sie keine Sekunde lang dachte, es könne nur eine Einbildung sein; aber ein namenloser Schreck hatte sich ihrer bemächtigt und machte sie unfähig, sich irgend wie zu regen. Vollkommen füll lag sie da, ihr Herz klopfte jedoch mit heftigen Schlägen; sie horchte mit angehaltenem Atem und hatte die Augen weit geöffnet.
Die Vorhänge um ihr Bett waren aber ringsum zugezogen, so daß auch nicht der leiseste Schimmer eines Lichtes durchdringen konnte; nichtsdestoweniger hob sich nach einigen Sekunden ein noch tieferer Schatten von der allgemeinen Dunkelheit ab und nahm die Gestalt eines menschlichen Körpers an, der dicht neben dem Kopfende des Bettes stand, — indeß es wäre unmöglich gewesen, zu sagen, ob es ein Mann oder eine Frau war.